JudikaturOLG Wien

28R369/13k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
12. November 2013

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht fasst durch Dr. Rechberger (Vorsitz), Mag. Weixelbraun und Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer im Konkurs über das Vermögen der B***** GmbH , FN *****, vertreten durch die Geschäftsführerin ***** S*****, beide *****, Masseverwalter Mag.***** D*****, Rechtsanwalt in Eisenstadt, über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 2.9.2013, 41 S 31/12i-89, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung

Text

Mit Beschluss vom 12.7.2012, 41 S 31/12i-2, eröffnete das Erstgericht das Konkursverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte Mag.***** D*****, Rechtsanwalt in Eisenstadt, zum Masseverwalter. Mit Beschluss vom 15.11.2012 (ON 28) wurde dem Masseverwalter gemäß § 88 Abs 1 IO ein Gläubigerausschuss beigeordnet.

Mit ( 1 .) Beschluss vom 17.7.2013 (ON 85) wies das Erstgericht den Antrag der Schuldnerin vom 16.7.2013 (ON 84) ab, ihr die Verfahrenshilfe zur Einbringung von Rechtsmitteln gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.6.2013 (28 R 140/13h, 141/13f, 142/13b = ON 76) und gegen den Beschluss des Erstgerichtes vom 26.11.2012 (ON 42) zu bewilligen. Die Zustellung an die Geschäftsführerin der Schuldnerin, ***** S*****, konnte vorerst wegen Ortsabwesenheit bis 29.7.2013 nicht erfolgen (bei ON 85).

Mit ( 2 .) Beschluss vom 26.7.2013 (ON 86) wies das Erstgericht den Antrag der Schuldnerin vom 28.5.2013 (ON 73) auf Enthebung des Masseverwalters und auf Aufhebung der Postsperre ab. Auch dieser Beschluss konnte der Geschäftsführerin zunächst wegen Ortsabwesenheit bis 2.8.2013 nicht zugestellt werden (bei ON 86).

Am 7.8.2013 verfügte daher die Erstrichterin die Zustellung beider genannter Beschlüsse (ON 85, 86) an die Geschäftsführerin trotz Postsperre. Die Schriftstücke wurden für die Geschäftsführerin am 13.8.2013 bei der Postgeschäftsstelle ***** M***** hinterlegt; erster Tag der möglichen Abholung war der 14.8.2013. Die Geschäftsführerin behob die Sendung am 20.8.2013 (Zustellkarte bei ON 86).

Am 28.8.2013 langte im persönlichen Empfänger-Postfach (E-Mail-Box) der Erstrichterin (adressiert an vorname.nachname@justiz.gv.at ) eine E-Mail ein, die Rekurse der Schuldnerin gegen die Beschlüsse vom 17.7.2013 und 26.7.2013 (ON 85, 86) zum Inhalt hat (ON 88). Die E-Mail ist weder elektronisch signiert, noch hat sie einen die Unterschrift der Geschäftsführerin tragenden (pdf-)Anhang.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 2.9.2013 (ON 89) wies das Erstgericht diese Rekurse als verspätet zurück.

Begründend führte es aus, die Beschlüsse vom 17.7.2013 (ON 85) und vom 26.7.2013 (ON 86) seien der Geschäftsführerin der Schuldnerin je am 13.8.2013 durch Hinterlegung zugestellt worden. Die Hinterlegung der beiden Beschlüsse sei fristauslösend, sie sei am 13.8.2013 erfolgt. Die 14-tägige Rechtsmittelfrist habe daher am 27.8.2013 geendet. Dies sei der letzte Tag, an dem ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung hätte zur Post gegeben werden müssen. Die E-Mail (mit dem Rekurs) sei am 28.8.2013 eingelangt, damit verspätet.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs der Schuldnerin mit dem erkennbaren Antrag, ihn ersatzlos zu beheben.

Darin bringt sie im Wesentlichen vor, ihre Rekurserhebung mit der am 28.8.2013 eingelangten E-Mail sei rechtzeitig erfolgt. Die Hinterlegung der Beschlüsse ON 85 und ON 86 sei am 13.8.2013 erfolgt. Der Beginn der Abholfrist sei mit 14.8.2013 auf dem Umschlag vermerkt. Fristauslösend sei jedoch nicht das Datum der Hinterlegung. Maßgeblich sei gemäß § 17 Abs 3 ZustG jener Tag, mit dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten werde. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Die 14-tägige Rechtsmittelfrist habe daher am 28.8.2013 geendet. Für den Fristenlauf sei maßgeblich, wann das Rechtsmittel der Beförderung übergeben werde, und nicht, wann es bei der Behörde einlange. Diesfalls wäre das Rechtsmittel ebenfalls noch rechtzeitig eingebracht, weil von der Schuldnerin „nachweislich“ am 27.8.2013 „versandt“.

Rechtliche Beurteilung

1. Da der Tag der Zustellung des angefochtenen Beschlusses vom 2.9.2013 (ON 89) an die Geschäftsführerin der Schuldnerin mangels eines Rückscheins nicht nachvollzogen werden kann, ist im Zweifel von der Rechtzeitigkeit des am 23.9.2013 zur Post gegebenen Rekurses auszugehen (vgl RIS-Justiz RS0006965).

Der Rekurs ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

2. Gemäß § 17 ZustG hinterlegte Sendungen gelten nach Abs 3 dieser Bestimmung mit dem ersten Tag der Hinterlegungsfrist als zugestellt. Die Hinterlegungsfrist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Der erste Tag der Abholfrist wird also so betrachtet, als wenn an diesem die Übergabe der Sendung an den Empfänger erfolgt wäre (vgl Stumvoll in Fasching/Konecny ² Anh § 87 ZPO, § 17 ZustG Rz 15).

Hier stand die Sendung für die Rekurswerberin nicht bereits am 13.8.2013 zur Abholung bereit, sondern erst am 14 .8.2013. Die 14-tägige Frist zur Rekurserhebung (§ 252 IO iVm § 521 ZPO) endete daher entgegen der vom Erstgericht vertretenen Ansicht mit Ablauf des 28 .8.2013. Die den Rekurs enthaltende E-Mail der Schuldnerin langte daher innerhalb der Rekursfrist im Empfänger-Postfach der Erstrichterin ein.

3.1.1 Nach § 74 ZPO erfolgen außerhalb der mündlichen Verhandlung vorzubringende Anträge, Gesuche oder Mitteilungen, soweit das Gesetz nicht ein Anbringen zu Protokoll gestattet, mittels Schriftsätzen. Rekurse können nicht zu Protokoll gegeben werden, sie sind nach § 520 Abs 1 ZPO durch Überreichung eines Schriftsatzes bei dem Gericht zu erheben, dessen Beschluss angefochten wird.

3.1.2 Nach § 89 Abs 3 GOG können schriftliche Eingaben an das Gericht auch im telegrafischen Weg erfolgen, insbesondere kann die Erhebung der Berufung, der Revision oder des Rekurses telegrafisch geschehen. Sie können nach herrschender RSp (RS0006965) in analoger Anwendung des § 89 Abs 3 GOG - wenn fristgebunden auch fristwahrend - mittels Telefax eingebracht werden, wobei das Telefax durch Nachbringung der Unterschrift verbessert werden muss (RS0006955, RS0112018, RS0122873). Im Fehlen der Unterschrift liegt ein Formgebrechen, das durch Verbesserung zu beseitigen ist.

3.1.3 Eingaben können auch, soweit dies durch die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 2006) vorgesehen ist, statt mittels eines Schriftstücks elektronisch angebracht werden (§ 89a GOG), doch sind Fax und E-Mail keine zulässigen Formen des elektronischen Rechtsverkehrs iSd ERV 2006 (§ 5 Abs 1a ERV). Gemäß § 89a Abs 1 GOG kann damit grundsätzlich jedermann nach Maßgabe des § 89b GOG bei Gerichten und Staatsanwaltschaften Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr anbringen, doch nur auf dem von der ERV 2006 vorgezeichneten Weg (vgl Danzl Geo 4 Anm 1 lit e zu § 60 unter Hinweis auf Konecny in FS Sprung [2001], 221) .

3.1.4 Mit Jahresbeginn 2013 wurde die Möglichkeit geschaffen, Eingaben und Beilagen an Gerichte und Staatsanwaltschaften in elektronischer Form unter Verwendung der Bürgerkartenfunktion (Chipkarte oder Handysignatur) mit den auf der Website  "Elektronische Eingaben an Gerichte und Staatsanwaltschaften" zur Verfügung stehenden Online-Formularen zu übermitteln. Auf diesem Weg kann jeder Text, damit auch ein Rekurs wie im E-Mail der Schuldnerin, an das Erstgericht zu dessen Aktenzeichen übermittelt werden; diesfalls erhält der Absender eine Eingangsbestätigung des Adressatgerichtes, worin der Einbringungszeitpunkt, eine Sendungs-ID („[…]@efa.justiz.gv.at“) und der Absender aufscheint. Diesen jedermann zugänglichen Weg der elektronischen Eingabe ( www.eingaben.justiz.gv.at ) hat die Schuldnerin nicht gewählt.

3.2 Daraus folgt:

Die Einbringung eines Rekurses mit einer E-Mail an die Dienstmailadresse einer Richterin bzw eines/einer Gerichtsbediensteten („vorname.nachname@justiz.gv.at“) ist grundsätzlich nicht zulässig.

Die damit normierte unterschiedliche Behandlung von den in § 74 ZPO, § 89 Abs 3 GOG und der ERV 2006 genannten Eingabeformen einerseits und Eingaben per E-Mail an die Dienstmailadresse einer Richterin bzw eines/einer Gerichtsbediensteten andererseits ist schon mit Blick auf die nur in letzterem Fall gegebenen Unwägbarkeiten, etwa Sicherheitsrisiken aufgrund möglicher Manipulationen im Internet, die fehlende sichere Zuordnungsmöglichkeit solcher Eingaben zu einer bestimmten Person und die mangels eigener E-Mail-Adressen österreichischer Gerichte (insb der Einlaufstellen) nicht bestimmbare Rechtzeitigkeit von fristgebundenen Eingaben per E-Mail sachlich gerechtfertigt (vgl zu § 84 StPO 14 Os 51/12z; Gitschthaler EF-Z 2011/104 zu der unter [3.3.1] dargelegten E zu 10 Ob 28/11g), zumal ein diese Risiken minimierender allgemein zugänglicher Weg der elektronischen Eingabe über die Website des BMJ (http://www.eingaben.justiz.gv.at; s.o. 3.1.4) zur Verfügung steht.

3.3.1 In der Entscheidung vom 31.5.2011, 10 Ob 28/11g (= RS0126972; = SZ 2011/67, Zak 2011/512 ua), führte der Oberste Gerichtshof zur Zulässigkeit eines per E-Mail an einen Notar als Gerichtskommissär übermittelten Separationsantrags im Verlassenschaftsverfahren aus, Schriftsätze, die per E-Mail oder als PDF-Anhang einer E-Mail übermittelt würden, seien [zwar] nicht einer im ERV übermittelten Eingabe gleichzustellen, aber gleichwohl nicht unbeachtlich. Auf sie seien vielmehr in Analogie die für die Telefax-Eingabe geltenden Grundsätze anzuwenden. Da das Postlaufprivileg des § 89 Abs 1 GOG mangels einer Aufgabe bei der Post für Eingaben per E-Mail nicht gelte, komme es für die Rechtzeitigkeit der Eingabe auf das Einlangen bei Gericht an. Dies sei bei einer E-Mail-Sendung dann der Fall, wenn sie von einem Server, den das Gericht für die Empfangnahme von an das Gericht gerichteten E-Mail-Sendungen gewählt habe, empfangen worden sei und sich damit im „elektronischen Verfügungsbereich“ des Gerichts befinde, was dann der Fall sei, sobald die E-Mail-Sendung in einem Empfänger-Postfach (E-Mailbox) zum Abruf durch das Gericht bereitliege, auch wenn dies außerhalb der Amtsstunden sei.

3.3.2 Fraglich könnte sein, ob im vorliegenden Fall der Rekurs an einen Server gerichtet war, den das Landesgericht Eisenstadt auch für die Entgegennahme von allen an es gerichteten E-Mail-Sendungen der Parteien gewählt hatte. Ein derartiger Server könnte so lange als nicht eingerichtet angesehen werden, so lange auf den von den Landesgerichten genutzten Servern E-Mail-Adressen für die Entgegennahme von E-Mail-Sendungen an „das Gericht“ (etwa lg.eisenstadt@justiz.gv.at, vergleichbar den für Eingaben an die Justizobudsstellen eingerichteten Adressen [zB justizombudsstelle.wien@justiz.gv.at ]) ebenso wenig bestehen wie eine eigene E-Mail-Adresse der Einlaufstelle. Auch in der Geschäftsverteilung des Erstgerichtes wird zwar eine Telefax-Nummer, nicht aber eine zentrale E-Mail-Adresse bekanntgegeben. Eine E-Mail an die persönliche Dienstmailadresse einer Richterin (eines Gerichtsbediensteten) ist nicht an „ein Gericht“ adressiert und befindet sich - kann doch neben dem Adressaten (dem „Inhaber“ der E-Mail-Box) niemand auf dessen E-Mails zugreifen - auch nicht im elektronischen Verfügungsbereich „des Gerichtes“.

3.3.3 Die Entscheidung zu 10 Ob 28/11g ist mit dem hier vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Ihr lag nicht eine Eingabe an ein über eine Einlaufstelle verfügendes Gericht oder an eine Dienstmailadresse eines Richters oder Gerichtsbediensteten zu Grunde, sondern eine Eingabe an einen - räumlich wohl gänzlich vom Gericht getrennten und im allgemeinen monokratisch organisierten - Notar als Gerichtskommissär. Im vorliegenden Fall wurde die E-Mail der Schuldnerin aber nicht an eine vergleichbare Stelle (wie etwa an den Masseverwalter; vgl § 74 IO) gesandt.

3.3.4 Den vom OGH in der E zu 10 Ob 28/11g herangezogenen Entscheidungen des VwGH lag zum einen zu Grunde, dass laut § 13 Abs 2 AVG (vgl auch § 86b BAO) schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden können, daher auch mit E-Mail (letzteres nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind). Eine vergleichbare Bestimmung besteht für den Schriftverkehr mit den Gerichten weder in der ZPO noch im AußStrG oder in der StPO, während nach § 5 Abs 3 ERV Fax und E-Mail (gerade) keine zulässigen Formen des elektronischen Rechtsverkehrs (iSd ERV) sind. Zum anderen lagen den Entscheidungen dort E-Mail-Sendungen zu Grunde, die an „die Behörde“ - so etwa an stip.wien@stbh.gv.at (VwGH 2008/10/0251) -, nicht aber an persönliche Dienstmailadressen von Bediensteten der Behörde gerichtet waren.

3.3.5 Der Weg der elektronischen Eingabe unter Verwendung der Bürgerkartenfunktion über die Website des BMJ (oben 3.2.4) stand zum Zeitpunkt der E zu 10 Ob 28/11g noch nicht zur Verfügung.

3.4 Auch wenn man von der Zulässigkeit der Einbringung eines Rechtsmittels per E-Mail an die Dienstmailadresse einer Richterin ausgehen wollte, wäre aber der Rekurs hier verspätet:

Schriftsätze haben nach § 99 Geo bei der Einlaufstelle des Gerichts einzulaufen und nicht beim Richter oder Rechtspfleger, weil die Richter und die übrigen Bediensteten des Gerichtes, soweit nicht in anderen, hier nicht einschlägigen Vorschriften Ausnahmen verfügt werden, zur Annahme von Eingaben nicht befugt sind (§ 99 Abs 1 letzter Satz Geo). Schriftsätze, die nicht unmittelbar bei der Einlaufstelle eingehen, werden erst – nach Weiterleitung etwa durch Richter oder Rechtspfleger – mit dem Zeitpunkt gerichtsanhängig, zu dem sie bei der Einlaufstelle einlangen: Erst dann ist das Rechtsmittel fristwahrend eingebracht (vgl etwa Danzl Geo 4 Anm 6 zu § 99 Geo). Dieser Grundsatz gilt auch für Übermittlungsmethoden wie etwa das Telefax (vgl 6 Ob 277/07i ua), er ist daher, folgt man der vom OGH in der E 10 Ob 28/11g angewandten Analogie, auch für mit E-Mail eingebrachte Schriftsätze gültig (vgl Gitschthaler aaO).

Der Rekurs der Schuldnerin war damit jedenfalls verspätet, weil er nicht als Schriftsatz oder etwa als Telefax noch am letzten Tag der Frist (28.8.2013) in der Einlaufstelle des Erstgerichtes einlangte.

4. Dem Rekurs war damit nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist gemäß §§ 252 iVm 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

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