7Rs36/13k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter Mag. Nigl und Dr. Rassi in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S***** K *****, vertreten durch Dr. Christine Wolf, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei P *****, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 3.10.2012, 33 Cgs 297/11z-33, gemäß §§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
B e g r ü n d u n g :
Die zum Verfahrenshelfer bestellte Klagevertreterin übermittelte die Berufung gegen das angefochtene Urteil am 28.1.2013 (rechtzeitig) an das Erstgericht postalisch im Original. Die Rechtsvertreterin unterließ in der nicht im elektronischen Rechtsverkehr übermittelten Eingabe die Bescheinigung, dass die konkreten technischen Möglichkeiten im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorliegen (§ 1 Abs 1c ERV 2006 idF BGBl II 2012/141). Für den damit mit einem Formmangel behafteten Rechtsmittelschriftsatz ist vom Erstgericht ein fristgebundenes Verbesserungsverfahren durchzuführen (1 Ob 156/12s; 10 Obs 163/12m).
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26). Für Eingaben eines Rechtsanwalts ab dem maßgeblichen Stichtag 1.5.2012 (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG), die auf dem Postweg und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen (1 Ob 156/12s). Die bisherige Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0124215; RS0124335; RS0124555), die in der nicht auf elektronischem Weg eingebrachten Eingabe keinen die geschäftsordnungsgemäße Behandlung hindernden Formmangel erkannte und von einem folgenlosen Verstoß gegen eine reine Ordnungsvorschrift ausging, kann infolge Änderung der Rechtslage für solche Eingaben seit 1.5.2012 nicht mehr aufrecht erhalten werden. In gewollter Abkehr von dieser Judikatur müssen die im neu gefassten § 89c Abs 5 GOG idF BGBl I 2012/26 genannten ERV-Teilnehmer/innen in Hinkunft den elektronischen Rechtsverkehr zwingend verwenden (ErläutRV 1676 BlgNR 24. GP 3). Das gesetzwidrige Absehen von der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs durch zur Nutzung Verpflichtete soll - als Verletzung einer zwingend einzuhaltenden Formvorschrift (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26) - zu einem Verbesserungsverfahren und bei einem Ausbleiben der Verbesserung zur Zurückweisung der Eingabe führen (JAB 1699 BlgNR 24. GP 1; 1 Ob 156/12s; RIS-Justiz RS0128266).
Im Hinblick auf die mittlerweile ständige Rechtsprechung des OGH ist die gegenteilige Rechtsprechung des Berufungssenats (RIS-Justiz RW0000734) nicht aufrechtzuerhalten.
Es sind daher die Akten dem Erstgericht zur Durchführung eines fristgebundenen Verbesserungsverfahrens für den mit einem Formmangel behafteten Rechtsmittelschriftsatz der Klägerin zurückzustellen. Das Erstgericht wird die Vertreterin der Klägerin gemäß § 2 Abs 1 ASGG iVm §§ 84, 85 ZPO unter Setzung einer angemessenen Frist aufzufordern haben, die Berufung im elektronischen Rechtsverkehr einzubringen oder zu bescheinigen, dass die konkreten technischen Möglichkeiten für die Einbringung der Revision im elektronischen Rechtsverkehr im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorliegen (vgl § 1 Abs 1c ERV 2006 idF BGBl II 2012/141). Wird die gesetzte Frist eingehalten, so gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 85 Abs 2 ZPO; 1 Ob 156/12s).
Nach Durchführung des Verbesserungsverfahrens sind die Akten wieder vorzulegen.
Da der beklagten Partei bereits die mit einem Formmangel behafteten Rechtsmittelschrift zugestellt wurde, wird durch die allfällige Verbesserung der Berufung keine neue Frist zur Berufungsbeantwortung ausgelöst (OLG Wien 9 Rs 193/12m).