13R216/12y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Bibulowicz als Vorsitzende sowie Dr. Jahn und Mag. Häckel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** N*****, 1170 Wien, M*****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth, Dr. Alexander Neurauter, Dr. Martin Neuwirth, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. P***** P***** , 1170 Wien, B*****, und 2. P***** T***** U*****, Polen, 0 00-876 Warszawa, ***** O*****, beide vertreten durch Tramposch Partner Rechtsanwälte Dr. Andreas Weinzierl, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 29.056,-- sA und Feststellung (Streitwert: EUR 2.500,--), infolge Rekurses der beklagten Parteien (Rekursinteresse: EUR 572,88) gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien 6.9.2012, 26 Cg 19/09v-48, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass er (insgesamt) lautet:
„Der Kostenbestimmungsantrag der klagenden Partei wird abgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Antrages selbst zu tragen.“
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 166,26 bestimmten Kosten des Rekurses (darin enthalten EUR 27,71 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 3).
B e g r ü n d u n g:
Text
Die Klägerin begehrte Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall von zunächst EUR 32.751,52 sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden. Im Zuge des Verfahrens dehnte sie ihr Zahlungsbegehren auf EUR 35.386,32 sA aus und schränkte es letztlich auf EUR 29.056,-- sA ein.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 4.10.2010 erkannte das Erstgericht die Beklagten für schuldig, der Klägerin EUR 25.649,67 sA zu bezahlen, stellte die Haftung der Beklagten für alle Folgen aus dem Verkehrsunfall, jene der Zweitbeklagten beschränkt mit der Versicherungssumme, fest, wies das Mehrbegehren ab und verpflichtete die Beklagten zum anteiligen Kostenersatz sowie die Klägerin zum Ersatz der Kosten für die Einwendungen.
Mit Schriftsatz vom 26.7.2012 stellte die Klägerin den Antrag, den Beklagten aufzutragen, ihr die mit dem bei ihrem Rechtsfreund am 25.7.2012 eingelangten Zahlungsauftrag vorgeschriebene restliche Pauschalgebühr von EUR 716,10 zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte das Erstgericht die Beklagten für schuldig, der Klägerin die nachträglich entstandenen Kosten in Höhe von EUR 572,88 sowie die Kosten des Kostenbestimmungsantrages von EUR 19,48 zu ersetzen. Wenn es infolge Ausdehnung eines Klagebegehrens zur Berechnung einer höheren Pauschalgebühr kommt, sei der Gläubiger dieser Zahlungspflicht nicht der Bevollmächtigte der Partei, sodass gemäß § 54 Abs 2 Satz 3 ZPO die Frist erst zu laufen beginne, wenn der Partei (vom Gericht) ihre Verbindlichkeit zahlenmäßig bekanntgegeben und wenn sie fällig oder vorher bezahlt wird (HG Wien: 1 R 297/98t; LGZ Wien: 40 R 303/04m).
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit einem auf Antragsabweisung gerichteten Abänderungsantrag.
Die Klägerin beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Die Rekurswerber verweisen auf die Entscheidung des LG Eisenstadt zu 37 R 50/07p, wonach die mit einer Klagsausdehnung verbundenen höheren Gerichtsgebühren vor Schluss der mündlichen Verhandlung verzeichnet werden müssen und eine spätere Verzeichnung nicht unter § 54 Abs 2 ZPO fällt, weil diese Kosten bereits mit dem Zeitpunkt der Protokollierung der Klagsausdehnung entstehen (RIS-Justiz RES 0000143).
Begründend führte das LG Eisenstadt dazu aus:
Gemäß § 54 Abs 1 ZPO habe die Partei, die Kostenersatz anspricht, bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruches grundsätzlich die Kosten vor Schluss der der Entscheidung über den Kostenersatzanspruch unmittelbar vorangehenden Verhandlung zu verzeichnen. Nur dann, wenn einer Partei nach diesem Zeitpunkt noch weitere Kosten entstanden sind, könne sie eine Ergänzung der Entscheidung über die Höhe der zu ersetzenden Kosten beantragen (§ 54 Abs 2 Satz 1 ZPO). § 54 Abs 2 Satz 2 ZPO definiere, wann die Kosten als entstanden anzusehen sind. Bestehen die Kosten in einer Zahlungspflicht, so würden sie mit deren Begründung als entstanden gelten. Haftet jedoch mit der zum Kostenersatz berechtigten Partei auch deren Gegner solidarisch, würden die Kosten erst mit der Zahlung als entstanden gelten. Da für die Gerichtsgebühren gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Kläger alleine zahlungspflichtig ist, sei daran anzuknüpfen, wann die Zahlungspflicht begründet wurde. Gemäß § 2 Z 1 lit b GGG werde der Anspruch des Bundes auf Bezahlung der Gerichtsgebühren für den Fall der Ausdehnung des Klagebegehrens mit dem Zeitpunkt des Beginns der Protokollierung begründet. Diese Kosten hätten daher bereits in der vor Schluss der mündlichen Verhandlung gelegten Kostennote geltend gemacht werden können. § 54 Abs 2 Satz 3 ZPO beziehe sich nur auf jene Kosten, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind.
Für diese Rechtsansicht spricht, dass nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Kosten des Rechtsmittelverfahrens dritter Instanz bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruches im Rechtsmittelschriftsatz zu verzeichnen sind (§ 54 Abs 1 ZPO), mit dessen Überreichung gemäß § 2 Z 1 lit c GGG die Pflicht zur Entrichtung der Pauschalgebühr entsteht. Werden im Wege des Gebühreneinzugs höhere als die verzeichneten Pauschalgebühren abgebucht, sei eine Ergänzung/Berichtigung des Kostenverzeichnisses unzulässig und liege kein Fall des § 54 Abs 2 ZPO vor (2 Ob 194/06b, 1 Ob 70/07m).
Allerdings vertritt ein Teil der Rechtsprechung die Ansicht, aus § 54 Abs 2 ZPO ergebe sich, dass die Zahlungspflicht der Partei vom Gericht bekanntgegeben werden müsse (HG Wien: 1 R 297/98t = RWH0000032; LGZ Wien: 40 R 303/04m = RWZ0000082 ua). Begründet wird dies damit, dass von der Entstehung der öffentlich-rechtlichen Gebührenpflicht nach dem GGG die Bestimmungen insbesondere des § 52 Abs 2 ZPO über die rechtzeitige Verzeichnung der Kosten zu unterscheiden seien. Gläubiger der zum Ersatz begehrten Pauschalgebühren sei gemäß § 2 GGG der Bund, sodass der Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühr schon mit deren Entstehung geltend gemacht werden kann. Durch die Neufassung des § 54 Abs 2 ZPO durch die ZVN 1983 sollte jedoch auch klarer ausgedrückt werden, dass bei Kosten, die in einer Zahlungspflicht bestehen, in bestimmten Fällen der Beginn des Fristenlaufes über das Entstehen des Kostenersatzanspruchs hinaus geschoben ist, sofern es sich nicht um eine Zahlungspflicht der Partei gegenüber ihrem Bevollmächtigten handelt. Dabei solle nicht genügen, dass der Partei die zahlenmäßige Höhe ihrer Zahlungspflicht irgendwie bekannt geworden ist, sondern sie müsse ihr vom Gericht bekannt gegeben worden sein. Nach Ansicht des Rekursgerichtes widerspricht diese Meinung der oben zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Danach richtet sich die Frage, wann die Verpflichtung zur Entrichtung der Pauschalgebühr iSd § 52 Abs 2 ZPO als entstanden gilt, ausschließlich nach den Bestimmungen des GGG. Gemäß § 2 Z 1 lit b GGG wird der Anspruch des Bundes auf Bezahlung der Gerichtsgebühren für den Fall der Ausdehnung des Klagebegehrens in einer mündlichen Verhandlung aber mit dem Zeitpunkt des Beginns der Protokollierung – das ist hier der 10.6.2009 – begründet. Weshalb hinsichtlich des Entstehens der Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühr zwischen der Pauschalgebühr für eine Rechtsmittelschrift und jener für eine Klagsausdehnung ein Unterschied zu machen wäre, ist nicht nachvollziehbar.
Zudem bezieht sich § 54 Abs 2 ZPO ausdrücklich nur auf jene Kosten, die einer Partei nach dem Zeitpunkt, bis zu dem nach § 54 Abs 1 ZPO das Kostenverzeichnis einzureichen ist, entstanden sind (§ 54 Abs 2 Satz 1 ZPO).