10Ra66/12t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Ciresa als Vorsitzende, die Richter Mag. Atria und Mag. Koch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Kubec und MR Eberhard König in der Arbeitsrechtssache des Klägers M***** V***** , ***** Wien, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft in Wien, wider den Beklagten ***** C***** W***** , ***** Wien, vertreten durch Dr. Günter Steinlechner, Mag. Peter Maska, Dr. Johannes Pflug, Wirtschaftskammer Wien, Stubenring 8 - 10, 1010 Wien, wegen zuletzt EUR 2.067,81 brutto sA, über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 10.1.2012, 8 Cga 134/11z - 9, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:
„1.) Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger EUR 22,46 brutto samt 8,88 % Zinsen seit dem 20.9.2011 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
2.) Das Mehrbegehren, der Beklagte sei schuldig, dem Kläger weitere EUR 2.045,35 brutto samt 8,88 % Zinsen seit dem 20.9.2011 zu bezahlen, wird abgewiesen.
3.) Der Kläger ist schuldig, der Wirtschaftskammer Wien den mit EUR 420,-- bestimmten Aufwandersatz für das erstinstanzliche Verfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
4.) Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 336,50 bestimmte Pauschalgebühr binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Der Kläger ist schuldig, der Wirtschaftskammer Wien den mit EUR 420,-- bestimmten Aufwandersatz für das Berufungsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war beim Beklagten in folgenden Zeiträumen als Gartenarbeiter beschäftigt: 17.5.1998 bis 23.12.1998, 9.3.1999 bis 23.12.1999, 9.3.2000 bis 22.12.2000, 5.3.2001 bis 21.12.2001, 4.3.2002 bis 11.12.2002, 4.3.2003 bis 16.12.2003, 22.3.2004 bis 22.12.2004, 23.3.2005 bis 22.12.2005, 27.3.2006 bis 21.12.2006, 5.3.2007 bis 17.12.2007, 17.3.2008 bis 3.12.2008, 16.3.2009 bis 18.12.2009, 16.3.2010 bis 17.12.2010 sowie zuletzt vom 15.3.2011 bis 19.9.2011.
Die Arbeitsverhältnisse unterlagen dem Kollektivvertrag für die Dienstnehmer in den gewerblichen Gärtner- und Landschaftsgärtnerbetrieben Österreichs. Zuletzt war der Kläger mit einem Bruttomonatslohn von EUR 1.492,27 beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung. Der Kläger erhielt vom Beklagten (nach Klagseinbringung) EUR 2.533,94 netto, EUR 682,77 netto und EUR 638,29 netto überwiesen. Weiters erhielt der Kläger von der B***** Mitarbeitervorsorge-Kassen AG eine Abfertigung in der Höhe von EUR 1.292,19 brutto und verfügte zum 30.9.2011 darüber hinaus über eine Anwartschaft in der Höhe von EUR 753,16 brutto (gesamt EUR 2.045,35 brutto).
Der Kläger begehrte vom Beklagten – zuletzt eingeschränkt und für das Berufungsverfahren von Relevanz – EUR 2.067,81 brutto sA an kollektivvertraglicher Abfertigung. Die saisonalen Unterbrechungen der Arbeitsverhältnisse hätten nie länger als 120 Tage gedauert und liege beim Kläger eine zusammenzurechnende Dienstzeit von 123 Beschäftigungsmonaten, somit mehr als zehn Jahre, vor. Daraus ergebe sich gemäß § 17 des anzuwendenden Kollektivvertrages ein Abfertigungsanspruch im Ausmaß von sechs Wochenlöhnen.
Der Beklagte stellte die Berechnung der kollektivvertraglichen Abfertigung der Höhe nach außer Streit, bestritt den Anspruch jedoch dem Grunde nach und brachte dazu vor, dass ein Anspruch auf die kollektivvertragliche Abfertigung nach § 17 des Kollektivvertrages nur dann bestehe, wenn kein Anspruch aus dem Arbeiter-Abfertigungsgesetz bestehe. Mit dem BMSVG sei die „Abfertigung alt“ durch die neue Abfertigungsregelung ersetzt worden. Die Bestimmung des § 17 des Kollektivvertrages sei daher sinngemäß auch auf die „Abfertigung neu“ anzuwenden. In eventu werde eine gemäß § 17 Z 4 des Kollektivvertrages vorzunehmende Anrechnung des Anspruches des Klägers gegenüber der Mitarbeitervorsorgekasse eingewendet.
In der letzten Tagsatzung stellten die Parteien außer Streit, dass es sich bei dem – nach den erfolgten Zahlungen des Beklagten – noch offenen Klagsbetrag nur mehr um die Abfertigung handelt (ON 7, Seite 2). Die Abfertigung wurde mit einem Betrag von EUR 2.067,81 brutto eingeklagt und in dieser Höhe auch außer Streit gestellt. Streitgegenständlich war daher zuletzt ein Betrag von EUR 2.067,81 brutto an kollektivvertraglicher Abfertigung samt 8,88 % Zinsen seit 20.9.2011.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht das eingeschränkte Klagebegehren auf Grundlage des eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalts zur Gänze abgewiesen.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht nach Darstellung der Bestimmung des § 17 des Kollektivvertrages und der §§ 1 ArbAbfG und 23 AngG aus, dass es sich bei der kollektivvertraglichen Abfertigung um einen subsidiären Anspruch handle, welcher nur dann gebühren solle, wenn kein Anspruch auf eine gesetzliche oder sonstige, aus welchem Titel auch immer gebührende Abfertigung bestehe. Eine andere Interpretation würde zu dem Ergebnis führen, dass ein Arbeitnehmer, der einen Anspruch auf eine gesetzliche Abfertigung nach dem BMSVG habe, sowohl die gesetzliche als auch die kollektivvertragliche Abfertigung erhalten würde, wohingegen ein Arbeitnehmer mit einem Anspruch auf eine Abfertigung nach dem Arbeiter Abfertigungsgesetz nur diese erhalten würde. Den Kollektivvertragsparteien sei eine solche Ungleichbehandlung nicht zu unterstellen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist im Ausmaß von EUR 22,46 brutto sA (kollektivvertraglicher Abfertigungsanspruch in der Höhe von EUR 2.067,81 brutto abzüglich Abfertigungsanspruch des Klägers gegenüber der Mitarbeitervorsorgekasse in der Höhe von EUR 2.045,35 brutto) berechtigt; darüber hinaus jedoch nicht berechtigt.
§ 17 des auf das (letzte) Arbeitsverhältnis des Klägers zum Beklagten anzuwendenden Kollektivvertrages für die Dienstnehmer in den gewerblichen Gärtner- und Landschaftsgärtnerbetrieben Österreichs lautet auszugsweise wie folgt, wobei die unterstrichene Passage nach Inkrafttreten des BMVG (später BMSVG) eingefügt wurden:
„§ 17 – Abfertigung
1. Für die Abfertigung gelten die Bestimmungen des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes, BGBl. 107/1979 (siehe Anhang D).
2. Wechsel ins System der „Abfertigung neu“
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Übertritt aus dem Abfertigungsrecht des Angestelltengesetzes/Arbeiter-Abfertigungsgesetzes in jenes des BMVG (Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz), sind der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber berechtigt, binnen einem Monat ab Unterzeichnung der Übertrittsvereinbarung ohne Angabe von Gründen von dieser zurückzutreten. Dies gilt nicht, sofern die Übertrittsvereinbarung inhaltlich durch eine Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 Z 26 ArbVG (Festlegung von Rahmenbedingungen für den Übertritt in das Abfertigungsrecht des BMVG) bestimmt ist.
Falls kein Anspruch gemäß Arbeiter-Abfertigungsgesetz besteht, gilt Folgendes:
1. Arbeitnehmer erhalten nach einer mindestens fünfjährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit eine Abfertigung, wenn sie
a) vom Arbeitgeber gekündigt werden, ausgenommen der Fall, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Wiedereinstellung innerhalb von 120 Tagen zu den ursprünglichen Lohnbedingungen bei der Auflösung schriftlich zusichert,
b) unverschuldet entlassen werden,
c) mit einem wichtigen Grund austreten oder
d) Männer bei Erreichen des 65., Frauen bei Erreichen des 60. Lebensjahres ... ihr Arbeitsverhältnis durch Kündigung lösen.
2. Die Abfertigung beträgt für alle Arbeitnehmer nach einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit gemäß Ziffer 3
von fünf Jahren ... drei Wochenlöhne,
von zehn Jahren ... sechs Wochenlöhne,
von 15 Jahren ... acht Wochenlöhne,
von 20 Jahren ... zwölf Wochenlöhne,
von 25 Jahren ... 20 Wochenlöhne.
3. Für die Bemessung der Dauer der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit im Sinne der Z 1 und 2 sind die Dienstzeiten zusammenzurechnen, wenn keine längere Unterbrechung als 120 Tage zwischen Ende des einen und dem Beginn des nächsten Arbeitsverhältnisses beim selben Arbeitgeber liegt.
4. Bestehen in Betrieben bereits Abfertigungen oder werden, unter welchem Titel auch immer, anlässlich der Lösung des Arbeitsverhältnisses solch einmalige Bezüge (mit Ausnahme des Urlaubszuschusses und des Weihnachtsgeldes) gewährt, können sie auf die kollektivvertragliche Abfertigung angerechnet werden.
5. Die Auszahlung der Abfertigung erfolgt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der sonst üblichen Lohnverrechnung.“
Der Kläger führt in seiner Rechtsrüge aus, dass mit § 17 des Kollektivvertrages bereits vor Inkrafttreten des BMVG ein – hinter den Regelungen des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes weit zurückbleibender – kollektivvertraglicher Abfertigungsanspruch geschaffen worden sei, um es den Arbeitern zu ermöglichen, bei entsprechend langer Beschäftigungsdauer beim selben Dienstgeber trotz der branchentypischen saisonalen Unterbrechungen eine (im Vergleich zum gesetzlichen Anspruch wesentlich geringere) Abfertigung zu erhalten. Mit der Einführung des BMVG hätten die Kollektivvertragsparteien der bestehenden Regelung ein gesondertes Rücktrittsrecht für den Fall eines Übertritts vom System „Abfertigung alt“ in das System „Abfertigung neu“ vorangestellt (Z 1). Der kollektivvertragliche Abfertigungsanspruch für jene Fälle, in denen kein Anspruch gemäß Arbeiter-Abfertigungsgesetz bestand, sei jedoch unverändert beibehalten worden. Der kollektivvertragliche Abfertigungsanspruch sollte daher durch das BMVG und die daraus erwachsenden Ansprüche nicht verdrängt werden. Die Anrechnungsbestimmung des § 17 Z 4 des Kollektivvertrages beziehe sich ausschließlich auf in Betrieben bestehende Abfertigungen oder andere einmalige Bezüge, die vom Dienstgeber anlässlich der Lösung des Arbeitsverhältnisses gewährt werden. Leistungen nach dem BMVG bzw bloße Anwartschaften nach diesem Gesetz könnten daher nicht angerechnet werden. Die Auslegung des Erstgerichts, wonach der kollektivvertragliche Abfertigungsanspruch durch das BMVG verdrängt worden sei, würde im Fall des Klägers zudem bedeuten, dass dieser die vor Inkrafttreten des BMVG in den Jahren 1998 bis 2002 erworbenen Anwartschaften auf den kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruch ersatzlos verlieren würde, zumal diese Zeiten auch nicht in eine Vorsorgekasse übertragen worden seien.
Die Berufungsausführungen überzeugen nur im Hinblick auf das Bestehen des kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruches für den Kläger, nicht jedoch im Hinblick auf die Frage der vorzunehmenden Anrechnung der Leistungen der Mitarbeitervorsorgekasse.
Bei der Auslegung eines Kollektivvertrages ist in erster Linie der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrages ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Den Kollektivvertragsparteien kann grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechend praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, die einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen soll, sodass jene Auslegung zu wählen ist, die diesen Anforderungen am ehesten entspricht (RIS Justiz RS0010089, RS0008828).
Zutreffend zeigt die Berufung den Zweck der gesonderten kollektivvertraglichen Abfertigungsregelung auf, nämlich für Arbeiter, die auf Grund der branchentypischen saisonalen Unterbrechungen die für einen gesetzlichen Abfertigungsanspruch erforderliche Mindestdauer eines durchgehenden Dienstverhältnisses von drei Jahren nicht erreichen, einen – im Vergleich zum gesetzlichen Anspruch wesentlich geringeren – eigenen kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruch zu verschaffen. Dieser Anspruch war offensichtlich von Anfang an als subsidiärer Anspruch gedacht, was so nicht nur ausdrücklich normiert wurde ( „Falls kein Anspruch gemäß Arbeiter-Abfertigungsgesetz besteht, gilt Folgendes: ...“ ), sondern auch in der umfassenden Anrechnungsbestimmung des § 17 Z 4 zum Ausdruck kommt.
Die der kollektivvertraglichen Abfertigungsregelung zugrunde liegende Problematik des Erfordernisses eines durchgehenden mindestens dreijährigen Dienstverhältnisses als Voraussetzung für einen Abfertigungsanspruch wurde durch das betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz (BMVG, nunmehr betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz, BMSVG) mit Wirkung für ab dem 1.1.2003 neu begründete Arbeitsverhältnisse beseitigt.
Gemäß § 46 Abs 3 Z 1 BMSVG gelten unter anderem kollektivvertragliche Abfertigungsbestimmungen weiter, wenn nach dem 31.12.2002 auf Grund von Wiedereinstellungszusagen oder Wiedereinstellungsvereinbarungen unterbrochene Arbeitsverhältnisse unter Anrechnung von Vordienstzeiten bei dem selben Arbeitgeber fortgesetzt werden.
Für den Kläger und die hier zu beurteilende kollektivvertragliche Abfertigungsregelung ist zunächst festzuhalten, dass der Kollektivvertrag die gesetzliche Abfertigungsregelung in keiner Weise (zu Gunsten des Arbeitnehmers) modifiziert hat, sondern bloß einen eigenen, subsidiären Abfertigungsanspruch geschaffen hat. Da der Kläger bis zum 1.1.2003 infolge der jeweils nur „unterjährigen“ Arbeitsverhältnisse keinen Abfertigungsanspruch bzw keine Anwartschaft auf einen Abfertigungsanspruch nach dem Arbeiter-Arbeiterfertigungsgesetz bzw Angestelltengesetz erworben hat (zuletzt endendes Dienstverhältnis mit 11.12.2002), unterlagen die Arbeitsverhältnisse des Klägers ab dem 1.1.2003 (konkret beginnend das erste Arbeitsverhältnis mit 4.3.2003) den Bestimmungen des BMSVG, ohne dass dafür eine Umstiegsvereinbarung im Sinne des § 47 BMSVG erforderlich war.
Anderes gilt für den subsidiären kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruch. Auf Grund der Bestimmung des § 46 Abs 3 Z 1 BMSVG galt die subsidiäre kollektivvertragliche Abfertigungsregelung auch für die zwischen den Parteien nach dem 31.12.2002 begründeten Arbeitsverhältnisse weiter (siehe dazu auch K. Mayr in ZellKomm² § 48 BMSVG Rz 2 und 3).
Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die gesetzliche Regelung des BMVG (später BMSVG) durchaus die Möglichkeit einer parallelen Geltung der „Abfertigung neu“ in Bezug auf den gesetzlichen Abfertigungsanspruch und des Weiterlaufens der „Abfertigung alt“ in Bezug auf einen darüber hinausgehenden bzw alternativen kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruch offen ließ.
Die Kollektivvertragsparteien haben nach dem Inkrafttreten des BMVG ausschließlich eine nähere Regelung zur Übertragungsvereinbarung (im Kollektivvertrag genannt Übertrittsvereinbarung) getroffen, sie haben jedoch die Regelung des alternativen kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruches und insbesondere dessen Subsidiarität unverändert belassen ( „Falls kein Anspruch gemäß Arbeit-Abfertigungsgesetz besteht, ...“ ). Hätten sie die Subsidiarität – im Sinne des Vorbringens des Beklagten – tatsächlich auch auf einen Anspruch nach dem BMVG bzw BMSVG erweitern wollen, hätten sie dies durch Anführung einer solchen Leistung in der Subsidiaritätsklausel des Kollektivvertrages leicht ausdrücken können.
Sowohl der Wortlaut als auch die Systematik der kollektivvertraglichen Bestimmung sprechen daher dafür, dass sich die Subsidiarität der kollektivvertraglichen Abfertigungsregelung nicht auch auf Leistungen nach dem BMVG (BMSVG) bezieht. Zutreffend ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis in der Berufung, wonach bei einer solchen Erweiterung der Subsidiarität bereits erworbene Anwartschaften auf die kollektivvertragliche Abfertigung (wie im Fall des Klägers auf Grund früherer zusammenzurechnender Dienstverhältnisse) ersatzlos beseitigt worden wären; eine solche einseitig benachteiligende Regelung kann den Kollektivvertragsparteien nicht unterstellt werden.
Eine solche Erweiterung der Subsidiaritätsklausel in Bezug auf den Anspruchsgrund war und ist auch deswegen nicht erforderlich gewesen, da die bewusst weit gefasste Anrechnungsbestimmung der Z 4 eine sachgerechte Begrenzung des kollektivvertraglichen Anspruches ermöglicht. Der Begriff der anzurechnenden Abfertigungen oder einmaliger Bezüge anlässlich der Lösung des Arbeitsverhältnisses „unter welchem Titel immer“ geht sogar über ein Abfertigungsäquivalent im engeren Sinne hinaus. Abgesehen davon, dass die Anrechnungsbestimmung bereits wortgleich vor Schaffung des BMVG bestand und somit auf eine abfertigungsäquivalente Leistung einer vom Arbeitgeber verschiedenen Institution noch gar nicht Rücksicht genommen werden konnte, findet sich in der Anrechnungsbestimmung auch keine ausdrückliche Beschränkung auf vom Dienstgeber gewährte Leistungen.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass bei der vom Kläger gewünschten Auslegung der Dienstgeber im Ergebnis dem selben Arbeitnehmer sowohl die gesetzliche „Abfertigung neu“ (über die Beitragszahlungen an die Vorsorgekasse), als auch die kollektivvertragliche „Abfertigung alt“ bezahlen müsste. Eine solche Auslegung erscheint mit dem Wortlaut wie auch dem Sinn und Zweck der kollektivvertraglichen Anrechnungsbestimmung nicht vereinbar.
Der Kläger erhielt von der Mitarbeitervorsorgekasse eine Abfertigung in der Höhe von EUR 1.292,19 brutto ausbezahlt und verfügte er dort zum 30.9.2011 „darüber hinaus“ (Feststellung Urteilsausfertigung Seite 3) über eine Anwartschaft in der Höhe von EUR 753,16 brutto, über welche er im Sinne des § 17 BMSVG verfügen konnte, somit auch deren Auszahlung verlangen konnte (siehe auch das Schreiben Beil./G). Auf den kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruch war daher der Anspruch des Klägers gegenüber der Mitarbeitervorsorgekasse in der Höhe von insgesamt EUR 2.045,35 brutto anzurechnen.
Im Ergebnis ist der Kläger mit lediglich EUR 22,46 brutto durchgedrungen, was in Bezug auf die eingeklagte Abfertigung rund 1 % ausmacht. Auf Grund dieses nahezu gänzlichen Obsiegens des Beklagten war neuerlich eine Kostenentscheidung wie im angefochtenen Urteil zu treffen, auf deren zutreffenden Begründung im angefochtenen Urteil verwiesen wird (§ 500a ZPO).
Auf Grund des weitgehenden Obsiegens des Beklagten war auch der den Beklagten vertretenden Wirtschaftskammer Wien der Aufwandersatz im Berufungsverfahren zuzuerkennen.
Die hier zu beurteilende Rechtsfrage geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinaus, sodass gemäß § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision zuzulassen war.