JudikaturOLG Wien

Ds6/12 – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2012

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte in der Disziplinarsache gegen den ***** wegen des Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RStDG nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Habl, im Beisein des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Strauss und der Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Stöger-Hildbrand als beisitzende Richter, der RiAA MMag. Rainer als Schriftführerin, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Dr. Mucha als Vertreterin des Disziplinaranwaltes sowie in Anwesenheit des Disziplinarbeschuldigten ***** durchgeführten Disziplinarverhandlung am 22. Oktober 2013 zu Recht erkannt:

Spruch

***** ist schuldig, er hat dadurch, dass er

1.) in einem nicht näher bekannten Zeitraum vor März 2007 und dann von März 2007 bis Jänner 2011 während seiner Anwesenheit im Gericht auch in den parteiöffentlichen Zeiten pornographisches Bild– und Filmmaterial, teils verbunden mit der Vornahme von Tätigkeiten an sich selbst, die der Befriedigung seines sexuellen Gelüstes dienten, in seinem jeweils unversperrten und für jedermann zugänglichen Büro am Dienstcomputer betrachtete,

2.) am 20. Jänner 2011 gegen 16.30 Uhr mit offener Hose und in der hohlen Hand offensichtlich Sperma mit sich führend am Gang vor seinem Büro der Kanzleibeamtin FI ***** ***** begegnete und aus seinem Büro durch die offene Türe deutlich wahrnehmbar Geräusche eines Pornofilms hörbar waren,

3.) am 20. August 2012 vormittags, entgegen der ausdrücklichen mündlichen Ermahnung ***** vom 21. Jänner 2011, in seinem unversperrten Büro auf dem Dienstcomputer einen Film offenkundig pornographischen Inhaltes betrachtete und dabei von der Kanzleibeamtin FI ***** *****, die sein Büro in dienstlicher Absicht aufsuchte, betreten wurde,

4.) in einem nicht näher bekannten Zeitraum bis zum 20. August 2012 eine Vielzahl von Bilddateien mit überwiegend pornografischen Darstellungen bzw männlicher Travestie, die teils auch im eigenen Amtsraum aufgenommen wurden und teils ***** selbst in entsprechenden Posen zeigen, auf dem Arbeitsspeicher seines Justiz-Dienst-PCs abgespeichert und laufend betrachtet sowie auf dem Justiz-Laufwerk D ein logfile mit der Bezeichnung „Fuck me hard feat. Be Jaay“ zwecks Bearbeitung eines pornographischen Films angelegt hat,

noch als ***** (im Aktivstand) gegen die Richter und Staatsanwälte treffenden Pflichten (§ 57 Abs 3 RStDG) sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen ihrer Berufsstände nicht gefährdet wird, verstoßen.

Er hat hiedurch mit Rücksicht auf die Art und die Schwere der Verfehlungen ein Dienstvergehen im Sinne des § 101 Abs 1 RStDG begangen. Über ihn wird demnach gemäß § 158 Z 1 in Verbindung mit § 159 lit b RStDG eine Geldstrafe in der Höhe von zwei Ruhebezügen verhängt.

Gemäß dem § 137 Abs 2 RStDG hat der Disziplinarbeschuldigte die mit EUR 100,-- bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Der am ***** geborene ***** wurde am 1. Jänner 1991 als Richteramtsanwärter für den Sprengel des Oberlandesgerichtes ***** in den richterlichen Vorbereitungsdienst aufgenommen. Nach der am 3. Juli 1992 mit ausgezeichnetem Erfolg abgelegten Richteramtsprüfung wurde er mit Wirkung vom 1. Oktober 1992 zum ***** ernannt und war dann überwiegend in Zivilsachen (zuletzt 88%) und Außerstreitsachen (SW) tätig.

Lautete seine Dienstbeschreibung für das Kalenderjahr 1993 noch auf „ausgezeichnet“ wurde diese vom Personalsenat des ***** für 2005 auf „entsprechend“ herabgesetzt, die Dienstbeschreibung für 2006 lautete auf „nicht entsprechend“. Für 2007 wurde die Dienstbeschreibung auf „entsprechend“ angehoben, für 2008 auf „nicht entsprechend“ herabgesetzt und für 2009 und 2010 auf „gut“ gesetzt. Für das Jahr 2011 stufte der Personalsenat des ***** die Dienstbeschreibung wieder auf „nicht entsprechend“ herab. Seiner dagegen erhobenen Beschwerde gab der Personalsenat des Oberlandesgerichtes ***** mit Beschluss vom 5. Juli 2012, 1 Jv 4778/12z-04d, nicht Folge. Auch für das Jahr 2012 wurde die Gesamtbeurteilung mit „nicht entsprechend“ festgesetzt.

Zudem wurde ***** mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Disziplinargericht für Richter vom 6. September 2006 zu AZ ***** schuldig erkannt, als *****

Rechtliche Beurteilung

1.) in der von ihm geleiteten Gerichtsabteilung 4 in den Jahren 2001 bis 2006 in insgesamt 44 Streitverfahren durch verspätete Entscheidungsausfertigung von bis zu 16 ½ Monaten, in 123 Streitverfahren durch verzögerte Aktenbearbeitung (Stillstände bis zu 24 ½ Monate) und in insgesamt 47 Sachwalterbestellungs- und Pflegschaftsverfahren durch verzögerte Bearbeitung Verfahrensverzögerungen und Verfahrensstillstände bewirkt zu haben,

2.) trotz unbefriedigenden Erledigungsstandes zahlreicher Verfahren von seinem gewählten Wohnsitz in ***** zu seiner Dienststelle in ***** zumindest Monate lang täglich erst am späten Vormittag an- und am frühen Nachmittag wieder abgereist zu sein, und hiedurch seine Amtspflichten (§ 57 Abs 1 RDG) und seine Anwesenheitspflicht (§ 60 RDG) verletzt und ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RDG begangen zu haben, weshalb er zu einer Disziplinarstrafe der Minderung der Bezüge im Ausmaß von 10 vH für die Dauer eines Jahres verurteilt wurde.

Mit, in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes ***** vom 30. April 2013, Pers 1-G-44, wurde ***** auf seinen, nach ergangener Aufforderung gemäß § 91 RStDG im Hinblick auf die für zwei aufeinander folgende Kalenderjahre auf „nicht entsprechend“ lautenden Gesamtbeurteilungen, gestellten Antrag vom 12. April 2013 gemäß § 88 RStDG mit Ablauf des 31. Mai 2013 in den Ruhestand versetzt.

***** bezieht nun (nachdem er mit dem hg. Beschluss vom 12. September 2012 [Pkt. 2. in ON 5] gemäß § 146 Abs 1 RStDG vom Dienst suspendiert und gemäß § 150 leg cit die Monatsbezüge für die Dauer der Suspendierung auf zwei Drittel gekürzt worden waren) seit 1. Juni 2013 einen Ruhebezug in der Höhe von rund EUR 1.515,-- netto pro Monat, 14 mal jährlich, er besitzt an Vermögen eine rund 30 m² große Eigentumswohnung in ***** und hat Schulden in Höhe von rund EUR 360.000,-- aus dem Wohnungskauf. Er hat eine Lebensgefährtin und ist sorgepflichtig für ein Kind im Alter von 12 ½ Jahren, für das er monatlich EUR 360,-- an Alimenten bezahlt.

Eine vom Disziplinarbeschuldigten 1995 geschlossene Ehe wurde 1997 geschieden; danach ging er immer wieder auch homosexuelle Beziehungen ein bzw fand Gefallen am Tragen von Frauenkleidern.

In einem nicht näher bekannten Zeitraum vor März 2007 und danach bis Jänner 2011 hat der Disziplinarbeschuldigte (ungeachtet einer Aufforderung seitens des Vizepräsidenten des Landesgerichtes ***** auf Grund eines „Geredes im Haus“, er betrachte bei nicht versperrter Türe am Computer Pornos, in Hinkunft kein Verhalten zu setzen, das geeignet wäre, ein derartiges „Gerede“ hervorzurufen; s Beil. I zu ON 2), wie im Spruch unter Punkt 1. näher beschrieben, pornographisches Bild- und Filmmaterial, teils verbunden mit der Vornahme von Tätigkeiten an sich selbst, die der Befriedigung seines sexuellen Gelüstes dienten, auch in den parteiöffentlichen Zeiten im unversperrten Büro am Dienstcomputer betrachtet. Am 20. Jänner 2011 gegen 16.30 Uhr kam es zu dem unter Punkt 2. des Spruches geschilderten Geschehen. Anlässlich eines auf Grund dieses Vorfalles am nächsten Tag geführten Gespräches (Beil./III zu ON 2) forderte *****, *****, den Disziplinarbeschuldigten auf, solche und ähnliche Vorfälle, inklusive dem Ansehen von einschlägigem Bildmaterial hinkünftig zu unterlassen und sich einer entsprechenden psychischen Beratung/Behandlung zu unterziehen, widrigenfalls von ihr der offizielle Dienstweg beschritten werden würde.

Trotz dieser Ermahnung betrachtete der Genannte am 20. August 2012 vormittags wiederum in seinem unversperrten Büro auf dem Dienstcomputer einen Film, offenkundig pornographischen Inhalts, wobei er von der Kanzleibeamten FI ***** *****, die sein Büro in dienstlicher Absicht aufsuchte, betreten wurde (Punkt 3. des Schuldspruches).

Bis zu diesem Vorfall, der letztlich Anlass für die gegenständliche Disziplinaranzeige seitens des Präsidenten des Oberlandesgerichtes ***** vom 24. August 2012 (ON 2) war, hatte der Disziplinarbeschuldigte in einem nicht näher bekannten Zeitraum auch eine Vielzahl von auf dem Arbeitsspeicher seines Justiz-Dienst-PCs abgespeicherten Bilddateien mit in Punkt 4. des Schuldspruchs näher bezeichneten Inhalten laufend betrachtet sowie auf dem Justiz-Laufwerk ein der Bearbeitung eines pornographischen Films dienendes logfile mit der Bezeichnung „Fuck me hard feat. Bee Jaay“ angelegt.

Diese Verhaltensweisen sind im Zusammenhang mit einer beim Disziplinarbeschuldigten vorliegenden Persönlichkeits- und Verhaltensstörung in Form einer Störung der Sexualpräferenz (ICD-10: F65) und eines fetischistischen Transvestitismus (ICD-10: F65.1) zu sehen. Ungeachtet dieser manifesten Störungen im Sexualverhalten war der Disziplinarbeschuldigte bei den oben näher dargelegten Verfehlungen, die er gewissermaßen als Kompensation zum beruflichen Zeitdruck vornahm, dennoch zweifelsohne in der Lage, die Unrechtmäßigkeit seines Tuns einzusehen, und dieser Einsicht gemäß zu handeln. Er war sich bewusst, dass ein Richter derartige Verhaltensweisen im und außer Dienst nicht zu setzen hat, nahm dabei die Möglichkeit, dass dadurch das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstandes gefährdet werde, billigend in Kauf.

Zu diesen Konstatierungen gelangte das Disziplinargericht über den in der mündlichen Disziplinarverhandlung einverständlich vorgetragenen, wesentlichen Inhalt des Standesausweises inklusive der Dienstbeschreibungen, des Erkenntnisses des Oberlandesgerichtes Wien als Disziplinargericht für Richter vom 6. September 2006 zu AZ ***** und des gegenständlichen Ds-Aktes, dabei insbesondere der Anzeige ON 2 und der Nachtragsanzeige ON 4, jeweils mit Beilagen, des psychiatrischen Gutachtens des Univ.Prof.Dr. Erwin Ott ON 7 iVm den Angaben des Disziplinarbeschuldigten, der sich zum objektiven Tatgeschehen und zur subjektiven Tatseite in vollem Umfang geständig verantwortet hatte. Nachdem er bereits anlässlich seiner Vernehmung vor dem Untersuchungskommissär (ON 6) die ihm angelasteten Verfehlungen weitgehendst zugestanden hatte, bekannte er sich letztlich auch des Vorwurfs laut Punkt 4 des Verweisungsbeschlusses, auf dem Justiz-Laufwerk D:// ein näher beschriebenes logfile zur Bearbeitung eines pornographischen Films angelegt zu haben, schuldig, indem er über Befragen seitens der Vertreterin des Disziplinaranwaltes die ihm angelastete Vorgehensweise (auch im Zusammenhang mit der Vielzahl der auf seiner Festplatte gespeicherten Dateien) nicht ausschließen konnte.

Die Konstatierungen zur Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Disziplinarbeschuldigten zu den Tatzeiten gründen sich auf die gutachterlichen Darlegungen des Univ.Prof.Dr. Erwin Ott (ON 7), der beim Untersuchten eine Persönlichkeits- und Verhaltensstörung in Form einer Störung der Sexualpräferenz und eines fetischistischen Transvestitismus diagnostizierte, dennoch, da bei diesem ein Zustand der Unkontrollierbarkeit, der zum völligen Impulskontrollverlust führen könnte, nicht gegeben sei, zur Einschätzung gelangte, dass zwar die Steuerungsfähigkeit bei den sexuellen Deviationen fallweise möglicherweise etwas vermindert, keineswegs aber aufgehoben gewesen sei, weshalb der Genannte während des in Frage stehenden Zeitraumes der inkriminierten Handlungen über die notwendige Einsichtsfähigkeit verfügt und dieser gemäß habe handeln können. Schließlich hat sich auch der Disziplinarbeschuldigte keinesfalls mit einer Unzurechnungsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten verantwortet; sein Erklärungsversuch für die ihm angelasteten Verhaltensweisen (konkret laut Punkt 1.) des nunmehrigen Schuldspruches anlässlich seiner Vernehmung vor dem Untersuchungskommissär [Protokoll S 3 in ON 6] und über dessen Vorhalt, dass während seiner Befriedigungshandlungen Kanzleipersonal in sein Zimmer hätte kommen können,) er wisse zwar, dass er das alles nicht hätte tun sollen, schäme sich dafür, hätte es aber nicht verhindern können, steht mit den obigen Darlegungen des psychiatrischen Sachverständigen im Einklang, wonach sexuelle Deviationen wie die gegenständlichen häufig mit einer Störung der Impulskontrolle verbunden sind, (vorliegendenfalls aber nicht zu einem völligen Impulskontrollverlust geführt haben).

Die weiteren Feststellungen zur subjektiven Tatseite ergeben sich aus der geständigen Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten, der sich, wie jeder Angehöriger des Richterstandes im Klaren darüber war, dass er als solcher derartige Verhaltensweisen wie die schuldspruchgegenständlichen weder im noch außer Dienst in seinem Dienstzimmer wie auch unter Heranziehung seines Dienstcomputers nicht zu setzen hat, und die Möglichkeit, dass durch das Bekanntwerden seiner Verfehlungen das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstandes gefährdet werden könnte, zumindest billigend in Kauf nahm, zumal er, wie oben dargelegt, mehrfach auf seine offensichtlichen Verletzungen von Standespflichten angesprochen und aufgefordert worden war, solche in Hinkunft zu unterlassen (s Beilagen ./I und ./III zu ON 2).

Richter und Staatsanwälte haben sich gemäß § 57 Abs 3 RStDG im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen ihrer Berufsstände nicht gefährdet wird.

Durch die im Spruch näher genannten Tathandlungen und Umstände hat ***** gegen diese Standespflicht trotz entsprechender Mahnungen und entgegen dem Versprechen weiteren Wohlverhaltens wiederholt und massiv verstoßen und hiedurch mit Rücksicht auf die Art und die Schwere der Verfehlungen ein Dienstvergehen im Sinne des § 101 Abs 1 RStDG begangen.

Es geht nicht an, dass ein Richter, dessen Aufgabe es ist, Recht zu sprechen und dabei unter Umständen andere für ihr Verhalten zu maßregeln, selbst seine eigenen Deviationen nicht soweit im Griff hat, dass er sie nur privat und nicht (noch) als aktiver Richter im Gerichtsgebäude und in seinem doch für andere Personen zugänglichen Dienstzimmer auslebt.

Bei der Strafbemessung wurde als mildernd das volle und reumütige Geständnis des Disziplinarbeschuldigten und die seinen Tathandlungen zugrundeliegende Persönlichkeitsstörung gewertet, als erschwerend demgegenüber die auch trotz Abmahnung wiederholte Begehung sowie der lange Tatzeitraum.

Bei rechtbesehener Abwägung dieser Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung, dass dem Disziplinarbeschuldigten im Hinblick auf seine (nicht gelöschte) Vorverurteilung zu***** und mangels tadellosen weiteren Verhaltens (§ 145 RStDG; s.o. S 3f) der Milderungsgrund des bisher ordentlichen Lebenswandels nicht zukommen kann, erscheint die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von zwei Ruhegenüssen gemäß §§ 158 Abs 1; 159 lit b iVm § 166 RStDG als tatschuldangemessene Sanktion.

Die Kostenentscheidung orientiert sich am Verfahrensaufwand (in Form eines Vorverfahrens und einer mündlichen Verhandlung) und den, oben dargelegten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Disziplinarbeschuldigten.

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