JudikaturOLG Wien

Dg1/12 – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
05. Oktober 2012

Kopf

Das Oberlandesgericht  Wien hat als Dienstgericht für Richter und Staatsanwälte in der Dienstgerichtssache betreffend d***** R***** des Bezirksgerichtes M***** Dr. ***** nach der am 5 . Oktober 2012 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Habl, im Beisein der Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Pisan und des Richters des Oberlandesgerichtes Dr. Krenn als weitere Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Treder als Schriftführer , in Gegenwart des Oberstaatsanwaltes Dr. . Salzmann als Vertreter des Disziplinaranwaltes und in Anwesenheit der Betroffenen Dr. ***** durchgeführten Verhandlung das

Erkenntnis

gefasst:

Spruch

D***** R***** des Bezirksgerichtes M***** Dr . ***** wird gemäß § 83 Abs 1 Z 2 iVrn § 2 Abs 1 Z 3 RStDG in den zeitlichen Ruhestand versetzt .

Text

Entscheidungsgründe:

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht nachstehender Sachverhalt fest : Dr. ***** , geboren am 18 . März 1955 i n Wien , wurde mit 10. August 1981 (damals noch unter dem Namen H*****) auf die Planstelle eine***** R***** des Bezirksgerichtes M***** ernannt und ist seit einigen Jahren für das Geschäftsgebiet Sachwalterschaftssachen (Buchstaben F- T), Rechtshilfe in Sachwalterschaftsachen (Buchstaben F T), Insolvenzsachen, Rechtshilfe in Insolvenzsachen, Klagen nach § 111 KO , Heimaufenthaltssachen (wenn bereits eine Sachwalterschaft besteht oder gleichzeitig beantragt wird) zuständig .

Rechtliche Beurteilung

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien forderte Dr. ***** mit Schreiben vom 23 . Dezember 2011, Jv 14537 /11k-17b, auf, binnen einem Monat nach Zustellung dieser Aufforderung ihre Versetzung i n den zeitlichen Ruhestand zu beantragen. In der Begründung wurde ausge führt, dass nach § 83 Abs 1 Z 2 RStDG ein Richter in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen sei , wenn er die Aufnahmeerfordernisse nach § 2 Abs 1 Z 2 und 3 RStDG , das seien die volle Handlungsfähigkeit und die uneingeschränkte persönliche und fachliche Eignung für die mit der Ausübung des richterlichen Amtes verbundenen Aufgaben nicht mehr erfülle.  Aus den ihm vorliegenden Berichten des Vorstehers des BG M***** und der Präsidentin des LG ***** sowie aus dem letzten Regelrevisionsbericht gehe hervor, dass Dr. ***** keine strukturierte Arbeitsleistung mehr erbringe (ON 2) . Da Dr. ***** dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Dienstgericht für Richter und Staatsanwälte vom 29 . Februar 2012 gegen sie gemäß § 92 RStDG das dienstgerichtliche Verfahren zu ihrer Versetzung in den zeitlichen Ruhestand eingeleitet (ON 3). Aus den gemäß § 89a Abs 1 RStDG eingeholten ärztlichen Gutachten der Versicherungsanstalt der öffentlichen Bediensteten betreffend Dr. ***** (ON 8) sich zusammengefasst Folgendes: Dr. ***** ergibt leidet an einem sogenannten "Burnout" dh einer Erschöpfung, eingeschränkter Stress-Belastbarkeit und einer maximal durchschnittliche psychische Belastbarkeit. Sie weist eine massive psychische Instabilität auf und damit verbunden eine reduzierte Konflikt- und Entschlussfähigkeit. Aufgrund von anankastischen (zwanghaften) Persönlichkeitszügen bestehe eine berufliche Überlastung. Bedingt durch ihren pedantischen Arbeitsstil kommt sie ständig in Zeitverzug und kann die geforderte Leistung nicht erbringen. Es kommt durch diese gesundheitliche Einschränkung in zahlreichen Verfahren zu massiven Verfahrensverzögerungen, ineffizienter Vorgangsweise und unübersichtlicher Aktenführung, wodurch Dr. ***** den Überblick über die Verfahren verliert, wie die Nichtübergabe bereits Unterfertigter Entscheidungen an die Kanzlei zur Abfertigung, weswegen die Akten unbearbeitet bleiben. Auf Grund des dargestellten, zusammengefasst als "Burnout" diagnostizierten Gesundheitszustandes und der sich daraus ergebenden Überforderung ist Dr. ***** nicht mehr in der Lage den hohen Anforderungen an die geforderte Leistung eines Richters zu entsprechen, wie besondere nervliche Belastbarkeit, Fähigkeit unter Zeitdruck oder sonst unter situativ bedingtem Stress auch sehr folgenschwere und rechtlich komplexe determinierte Entscheidungen zügig zu treffen. Dies führte auch bereits am 28.11.2011 zu einer "nicht entsprechenden" Dienstbeurteilung durch den Personalsenat des Landesgerichtes *****. Zu den Feststellungen über den Werdegang d***** R***** *****. ***** und den Verlauf des Dienstgerichtsverfahrens gelangte das Gericht aufgrund des Akteninhalts des Personalaktes AZ Pers 1- B- 178 und des Dg-Verfahrens. Die Konstatierungen betreffend den Gesundheitszustand Dris. ***** und deren Leistungsdefizite gründen sich auf die unbedenklichen und widerspruchsfreien Gutachten sowie die Zusammenfassung des Obergutachters der BVA Pensionsservice, Dr. Gerald Zwettler. Die klinische Psychologin und gerichtliche Sachverständige Dr. Mag. Eva Schrank kam zu dem Ergebnis , dass die psychophysische Leistungsfähigkeit , dh die logische Intelligenz, Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit, Reaktions- sowie Koordinationsfähigkeit bei Dr. ***** der Altersnorm entspricht und daher durchschnittlich gut ist. Jedoch sei Dr. ***** aufgrund ihrer derzeit evidenten massiven psychischen Instabilität und der damit verbundenen reduzierten Konflikt- und Entschlussfähigkeit nicht in der Lage den Anforderungen eine***** R***** zu entsprechen. Aufgrund der diagnostizierten Störung "Burnout" empfahl sie einen mehrwöchigen Rehabilitationsaufenthalt mit hochfrequenter psychotherapeutischer Behandlung und danach Weiterführung einer Psychotherapie . Sie empfahl zur Rehabilitation einen "Ruhezustand" von einem Jahr und danach eine neuerliche Begutachtung , ob eine Wiedereingliederung in den Beruf möglich sei . Der neurologisch-psychiatrische Sachverständige Dr. Wolfgang Haitzinger fand keine Hinweise für ein spezifisch psychiatrisches Leistungsdefizit oder das Bestehen einer Depression . Aufgrund von anankastischen ( zwanghaften) Persönlichkeitszügen bestehe eine berufliche Überlastung. Bedingt durch ihren pedantischen Arbeitsstil komme sie ständig in Zeitverzug und könne die geforderte Leistung nicht erbringen. Die Erwartung einer Besserung wurde - ohne näherer Begründung - verneint , eine Nachuntersuchung ebenfalls ohne nähere Begründung - empfohlen, zur Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen zur Vermittlung eines besseren "Timemanagements" geraten. Der Oberbegutachter der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter , Dr . Gerald Zwettler , diagnostizierte anhand der fachärztlichen Befundberichte bei Dr. ***** eine Erschöpfung , eingeschränkte Stress -Belastbarkeit sowie Hinweise auf eine maximal durchschnittliche psychische Belastbarkeit. Zusammenfassend kam er aus medizinischer Sicht zu dem Ergebnis, dass bei Dr. ***** mehr als eine durchschnittliche Stress-Belastbarkeit nicht mehr vorausgesetzt werden könne, d***** R***** sei nur mehr eingeschränkt flexibel , um grundlegende Änderungen (Zeitvorgaben, Arbeitsmenge) mittragen zu können , wobei "ein wesentlicher Faktor das erreichte Lebensalter der körperlichen Rückbildung" darstelle . Ob sich die Einschränkungen nach Rehabilitation und absolvierter Psychotherapie entscheidend ändere , sei zumindest unsicher. Das Ausmaß der Besserung könne bei einer Nachuntersuchung nach einem Jahr festgestellt werden. Aus den Gutachten steht somit im Vordergrund die eingeschränkte Belastbarkeit , der ständige Zeitverzug auf Grund des auf die zwanghafte Persönlichkeitsstruktur zurückzuführenden pedantischen Arbeitsstils und die dadurch eingetretene Überforderung, weswegen sie auch die von eine***** R***** geforderte Leistung nicht mehr erbringen kann. Das Ausmaß der Funktionseinschränkungen ergibt sich auch aus den Berichten des Vorstehers des Bezirksgerichtes M***** , der Präsidentin des Landesgerichtes ***** und dem Regelrevisionsbericht , wo die massiven Verfahrensverzögerungen detailliert aufgezeigt werden . So wird mit Aktenzeichen belegt die ineffiziente Vorgangsweise , die unübersichtliche Aktenführung, wodurch d***** R***** den Überblick über die Verfahren verliert, wie die Nichtübergabe bereits unterfertigter Entscheidungen an die Kanzlei zur Abfertigung, wodurch die Akten unbearbeitet bleiben, in vielen Verfahren aufgelistet. Dr. ***** ist auf Grund ihres diagnostizierten, zusammengefasst als "Burnout" zu bezeichnenden Zustandes, nicht in der Lage den Anforderungen zu entsprechen. Dr. ***** erklärte, auch unter größter Anstrengung die Arbeit nicht in angemessener Zeit erbringen zu können. Sie bemerke in den letzten Jahren einen Rückgang ihrer Effizienz, sie sei zwar erfahrener geworden, aber auch vorsichtiger, "oder langsamer oder weniger effektiv". Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist rechtlich davon auszugehen, dass Dr . ***** dem Anforderungsprofil des Richterberufes nicht mehr entspricht . An das geistige Leistungsvermögen eines Richters sind nämlich hohe Anforderungen zu stellen, die jedenfalls folgende Fähigkeiten umfassen müssen: - hohes Niveau der kognitiven und kreativen Intelligenz; - hohes Abstraktionsvermögen bei hohem Aufnahmevermögen, verbunden mit der Fähigkeit , einen weitläufig und kontroversiell vorgebrachten Sachverhalt rasch aufzunehmen und Informationen zu sortieren ; hohe Aufmerksamkeits - und Konzentrationsleistung über lange ununterbrochene Verhandlungsphasen; - die Fähigkeit, zügig zu entscheiden, dh intellektuelle und psychische Bereitschaft , einen Sachverhalt mit dem Anspruch auf Endgültigkeit und dem Bewusstsein der damit verbundenen einschneidenden Konsequenzen zu beurteilen; - besonders hohe emotionale und psychische Stabilität, verbunden mit besonderer nervlicher Belastbarkeit ; hohe Reflexionsfähigkeit und extrem hohe Selbstkontrolle; - Fähigkeit unter Zeitdruck oder sonst unter situativ bedingtem Stress auch sehr folgenschwere und rechtlich komplexe determinierte Entscheidungen zu treffen ; - die Fähigkeit zu präzisem schriftlichen und mündlichen Ausdruck und zwar auf hohem Niveau und ohne Beeinträchtigung in Verbindung mit dem Vermögen zu zügiger Arbeit und Termindisziplin . Das diagnostizierte  „Burnout" stellt eine mit dem Beruf d***** R***** nicht vereinbare Funktionsbeeinträchtigung dar, wodurch eine weitere berufliche Tätigkeit von Dr. ***** als R***** ausgeschlossen ist, zumal eine besondere nervliche Belastbarkeit , eine Fähigkeit unter Zeitdruck oder sonst unter situativ bedingtem Stress auch sehr folgenschwere und rechtlich komplexe determinierte Entscheidungen zu treffen in Verbindung mit dem Vermögen zu zügiger Arbeit nicht mehr gegeben ist . Es liegen daher bei d***** R***** Dr. ***** die Aufnahmeerfordernisse gemäß § 2 Abs 1 Z 3 RStDG , einschließlich der in § 14 Abs 2 leg.cit. erforderlichen sozialen Fähigkeiten (z . B. Kritik-, Konflikt-, Kommunikations- und Teamfähigkeit) , nämlich die uneingeschränkte persönliche und fachliche Eignung für die mit der Ausübung des richterlichen Amtes verbundenen Aufgaben nicht mehr vor . Ob bei Dr. ***** auf Grund der von den Gutachtern empfohlenen Behandlungsmaßnahmen allenfalls eine relevante Besserung der gesundheitlichen Situation eintreten wird , könnte frühestens in einem Jahr beurteilt werden und würde erst im Zusammenhang mit einer allfälligen Reaktivierung von Dr. ***** gemäß § 85 RStDG von Bedeutung sein . Dr. ***** war daher gemäß § 83 Abs 1 Z 2 iVm § 2 Abs 1 Z 3 RStDG in den zeitlichen Ruhestand zu versetzen.

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