28R118/12x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr.Rechberger als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Dr. Wittmann-Tiwald und Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer in der Rechtssache des Antragstellers Peter Paul M***** , *****, vertreten durch Hopmeier Wagner Rechtsanwälte OG in Wien, wider die Antragsgegnerin D*****-GmbH , FN *****, wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens, über den Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 15. Mai 2012, 28 Se *****, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g
Am 10.5.2012 beantragte der Antragsteller beim Erstgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin. Die Parteien hätten 2008 eine Kooperationsvereinbarung über die Abhaltung von Coaching-, Beratungsdienstleistungen und Weiterbildungsveranstaltungen abgeschlossen. Der Antragsteller habe seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt, die Antragsgegnerin habe die verrechneten, fälligen Forderungen nicht beglichen. Überdies habe er der Antragsgegnerin mit Vereinbarung vom 29.6.2009 ein Darlehen über EUR 30.000,-- gewährt; trotz mehrfacher Rückforderung hafte die Darlehenssumme aus. Die offenen Forderungen setzten sich wie folgt zusammen: EUR
Werklohn/Honorar 48.281,70
Zinsen für Unternehmen 7.554,74
Darlehen 30.000,--
85.836,44
Die Antragsgegnerin habe ihre Zahlungen eingestellt und sei zahlungsunfähig. Der Rechtsvertreter der Antragsgegnerin habe nach Erhalt des anwaltlichen Aufforderungsschreibens zugestanden, die Forderungen bestünden zu Recht, seien aber nicht fällig. Die Antragsgegnerin verfüge nicht über die Mittel, die zu Recht bestehenden Forderungen des Antragstellers zu erfüllen. Auch im anhängigen Rechtsstreit zu 34 Cg 16/12b des Erstgerichtes sei konkludent die Richtigkeit der Forderungen (wenngleich mit der Einschränkung der mangelnden Fälligkeit) und die schlechte Liquiditätslage der Antragsgegnerin zugestanden worden.
Hiezu legte der Antragsteller folgende Urkunden vor: Auszug aus dem Firmenbuch, zwei Aufforderungsschreiben vom 24.5.2011 und 6.10.2011, ein Konvolut von 12 Honorarnoten, Darlehensvereinbarung vom 29.6.2009 sowie die Kooperationsvereinbarung vom 1.6.2008.
Aus dem Firmenbuchauszug ergibt sich, dass das Stammkapital der Gesellschaft EUR 70.000,-- beträgt und der Antragsteller Gesellschafter der Antragsgegnerin mit einer voll einbezahlten Stammeinlage von EUR 28.000,-- ist. Weiterer Gesellschafter ist Mag. Peter M***** mit einer voll einbezahlten Stammeinlage von EUR 42.000,--, dieser ist auch selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Insolvenzeröffnungsantrag gemäß § 70 Abs 2 Satz 3 KO (gemeint: IO) ab. Der Antragsteller habe mit dem Antrag lediglich die im einzelnen aufgezählten Urkunden vorgelegt. Er müsse aber bereits in seinem Antrag nicht nur die Eröffnungsvoraussetzungen schlüssig vorbringen, sondern diese dem ersten Anschein nach zureichend bescheinigen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs des Antragstellers.
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Der Rekurswerber bringt vor, bereits in seinem Insolvenzeröffnungsantrag habe er ausgeführt, die Antragsgegnerin habe seine Forderung dem Grunde und der Höhe nach als richtig anerkannt sowie zugestanden, dass sie in der „Krise sei“ und die fälligen Verbindlichkeiten mangels der erforderlichen Geldmittel nicht begleichen könne. Die Leistungen des Antragstellers seien nicht Eigenkapital ersetzend, weil er seine Honorarforderungen nicht länger als sechs Monate gestundet habe. Mit Gesellschafterbeschluss vom 1.7.2010 sei vereinbart worden, sämtliche offene Rechnungen an den Antragsteller bis Ende August 2010 zu bezahlen.
Sollte man die – vom Antragsteller bestrittene – Ansicht vertreten, bei seinen Ansprüchen handle es sich um Eigenkapital ersetzende Leistungen, dann sei das Insolvenzverfahren wegen Überschuldung zu eröffnen. Die Forderungen des Antragstellers seien in die Prüfung der Überschuldung jedenfalls einzubeziehen, weil er nicht erklärt habe, dass er die Befriedigung erst nach Beseitigung eines negativen Eigenkapitals begehre (§ 225 Abs 1 HGB) und selbst den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt habe. Überdies habe der Antragsteller seine Forderung durch das Anerkenntnis der Antragsgegnerin sowie die von dieser zugestandene Zahlungsunfähigkeit bescheinigt.
Hiezu legte der Rekurswerber weitere Urkunden vor und zwar:
Schreiben des Rechtsanwalts Mag. Peter R***** als Vertreter der Antragsgegnerin vom 8.6.2011; Einspruch der Antragsgegnerin im Verfahren 34 Cg 16/12b des Erstgerichts, Schreiben von Rechtsanwalt Mag. Peter R***** vom 3.11.2011 und vom 18.10.2011 sowie den Gesellschafterbeschluss vom 1.7.2010.
Nach § 70 Abs 2 Satz 3 IO ist der Antrag ohne Anhörung sofort abzuweisen, wenn er offenbar unbegründet ist, insbesondere wenn die Glaubhaftmachung nicht erbracht oder wenn er offenbar missbräuchlich gestellt ist.
Zwar ist es nicht erforderlich, dass der Antragsteller für seine Forderung bereits einen Exekutionstitel erwirkte (RIS-Justiz RS0065986). Wird aber der Insolvenz-eröffnungsantrag auf eine nicht titulierte Forderung gestützt, ist an die Behauptung und Bescheinigung der Forderung ein strenger Maßstab anzulegen. Es muss sichergestellt sein, dass der Schuldner nicht nur auf Grund von Behauptungen eines vorgeblichen Gläubigers in den Konkurs getrieben wird (8 Ob 2239/96i = ZIK 1997, 102; 8 Ob 282/01f = JBl 2002, 737). Forderungen, die nicht unverzüglich bescheinigt werden können und auch nicht ihrer inneren Struktur nach unzweifelhaft glaubhaft sind, eignen sich nicht für die Bescheinigung einer Insolvenzforderung gemäß § 70 Abs 1 IO (OLG Wien 28 R 168/07p, 28 R 22/12d ua).
Eine qualifizierte Bescheinigung des Anspruchs reicht in der Regel aus, selbst wenn diese die Antragsgegnerin bestreitet. So ist etwa die Bescheinigung durch ein außergerichtliches Anerkenntnis des Antragsgegners (OLG Wien 28 R 106/97g) oder ein, wenngleich noch nicht in Rechtskraft erwachsenes Gerichtsurteil (8 Ob 99/04y) ausreichend, nicht aber die Bescheinigung durch Rechnungen, Mahnschreiben oder sonstige Urkunden, die nur eine einseitige Sachverhaltsdarstellung des Antragstellers beinhalten (OLG Wien 28 R 147/09g, 28 R 22/12d).
3. Im Insolvenzverfahren können gemäß § 260 Abs 2 IO (vormals § 176 Abs 2 KO) neue Tatsachen, soweit sie bereits zur Zeit der Beschlussfassung in erster Instanz entstanden waren, sowie neue Beweismittel angeführt werden. Damit können Bescheinigungsmittel für die bis zur Beschlussfassung in erster Instanz entstandenen Tatsachen auch noch im Rechtsmittelverfahren vorgelegt werden (OLG Wien 28 R 264/09p = ZIK 2010/158, 110). Es sind daher die mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden, die sich sämtliche auf einen Zeitraum vor den angefochtenen Beschluss beziehen, zu berücksichtigen.
4. Aus dem Aufforderungsschreiben des damaligen Vertreters des Antragstellers vom 24.5.2011 in Verbindung mit dem Antwortschreiben des Rechtsvertreters der Antragsgegnerin ergibt sich, dass die Antragsgegnerin von den nun im Insolvenzeröffnungsantrag behaupteten Forderungen eine Honorarforderung im Ausmaß von EUR 47.254,22, die Darlehensforderung von EUR 30.000,-- sowie Zinsen in Höhe von EUR 2.626,74, insgesamt EUR 79.880,96, anerkannte:
Im genannten Aufforderungsschreiben machte der Antragsteller unter detaillierter Aufschlüsselung ein Honorar von EUR 51.199,19 geltend. Honorare in einer Gesamthöhe von EUR 47.254,22 sind ident mit jenen im Insolvenzeröffnungsantrag, wie sich aus den angeschlossenen Honorarnoten ergibt. Weiters enthält das Aufforderungsschreiben die Darlehensforderung von EUR 30.000,-- sowie Zinsen von EUR 2.626,74.
Als Antwort auf dieses Aufforderungsschreiben erklärte der Rechtsvertreter der Beklagten: „Die Forderungen Ihres Mandanten bestehen unzweifelhaft dem Grunde und der Höhe nach zu Recht, sie sind jedoch im Moment nicht zur Rückzahlung fällig, da es sich sämtlich um Eigenkapital ersetzende Kredite im Sinne des EKEG handelt. Bekanntlich können Kredite, die ein Gesellschafter seiner Gesellschaft in der Krise gewährt, nicht zurückgefordert werden, solange diese Krise währt. (...)“
Nach § 70 Abs 1 IO (vormals KO) können auch Gläubiger von Eigenkapital ersetzenden Forderungen einen Insolvenzeröffnungsantrag stellen. Damit soll auch dieser Gläubigergruppe die Möglichkeit eingeräumt werden, eine geordnete Gläubigerbefriedigung im Rahmen eines Konkursverfahrens zu erzwingen ( Karollus in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht, 1. Zusatzband § 14 EKEG Rz 39). Im Konkurs sind jedoch deren Forderungen gemäß § 57a Abs 1 IO nachrangig, nämlich nach den Insolvenzforderungen zu befriedigen.
Nach § 70 Abs 1 IO kommt es auf die Fälligkeit der Insolvenzforderung nicht an.
Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der Antragsteller das Bestehen der Insolvenzforderung im anerkannten Umfang von EUR 79.880,96 ausreichend bescheinigte.
5.1. Der Antragsteller behauptete in seinem Insolvenzeröffnungsantrag, die Antragsgegnerin sei zahlungsunfähig, sie habe zugestanden, nicht über die erforderlichen Mittel zu verfügen, um die zu Recht bestehenden Forderungen des Antragstellers zu erfüllen.
Die Antragsgegnerin erhob gegen die Klage auf Zahlung von EUR 28.991,85 zu 34 Cg 16/12b Einspruch und brachte hiezu unter anderem vor, der Antragsteller (dort Kläger) habe sich als Gesellschafter an der Antragsgegnerin (dort Beklagten) beteiligt, um mit Hilfe seiner Arbeitskraft und der bei seiner Beteiligung zur Verfügung gestellten Geldmittel die Gesellschaft aus der Verlustzone zu führen. Zum damaligen Zeitpunkt sei die Antragsgegnerin zahlungsunfähig gewesen. Der Antragsteller (Kläger) sei zu 40% an der Antragsgegnerin (Beklagten) beteiligt. Bei den Kreditierungen des Antragstellers (Klägers) handle es sich um Eigenkapital ersetzende Gesellschafterdarlehen, deren Rückzahlung nur erfolgen könne, wenn die Gesellschaft nicht mehr in der Krise sei. Tatsächlich befinde sich die Gesellschaft nach wie vor in der Krise im Sinne des EKEG, sodass ein Zahlungsanspruch des Klägers nicht fällig sei.
6.1. Das Eigenkapitalersatz-Gesetz (EKEG) regelt in seinem § 1 den Grundtatbestand des Eigenkapitalersatzrechts. Danach ist ein Kredit, den eine Gesellschafterin oder ein Gesellschafter der Gesellschaft in der Krise gewährt, Eigenkapital ersetzend. Eine Gesellschaft befindet sich nach § 2 EKEG unter anderem in der Krise, wenn sie zahlungsunfähig (§ 66 IO) oder überschuldet (§ 67 IO) ist. Die Kreditgewährung durch einen Gesellschafter an die Gesellschaft in der Krise werden in den §§ 2 bis 5 EKEG definiert. § 14 leg cit regelt die Rechtsfolgen der Beurteilung eines Kredits als Eigenkapital ersetzend außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Diese Bestimmung ordnet eine Rückzahlungssperre an: Der Gesellschafter kann einen Eigenkapital ersetzenden Kredit samt den darauf entfallenden Zinsen nicht zurückfordern, solange die Gesellschaft nicht saniert ist und, wenn das Insolvenzverfahren nach einem bestätigten Sanierungsplan aufgehoben ist, soweit der Rückzahlungsanspruch die Sanierungsplanquote übersteigt. Die Gesellschaft ist nicht saniert, solange sie zahlungsunfähig oder überschuldet ist oder Reorganisationsbedarf besteht oder einer dieser Umstände durch Rückzahlung des Eigenkapital ersetzenden Kredits eintreten würde. Dennoch geleistete Zahlungen hat der Gesellschafter der Gesellschaft rückzuerstatten.
6.2. § 70 Abs 1 IO ermöglicht es einem Gläubiger einer Eigenkapital ersetzenden Forderung, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Allerdings sind bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit die Besonderheiten des EKEG, die Rückzahlungssperre des § 14 EKEG, zu berücksichtigen. Diese bewirkt eine gesetzlich angeordnete reine Zwangsstundung. Auch die zulässig verrechneten Zinsen unterliegen der Rückzahlungssperre ( Mohr in Dellinger/Mohr, EKEG § 14 Rz 3).
Daraus folgt, dass bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners die von der Rückzahlungssperre erfassten Forderungen des antragstellenden Gläubigers nicht zu berücksichtigen sind ( Vogt in Schopper/Vogt, EKEG 286). Andernfalls bestünde die Gefahr, die Rückzahlungssperre durch einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu unterlaufen und eine Rückzahlung noch vor der Sanierung zu erhalten (wenn auch gemäß § 57a IO nachrangig gegenüber Insolvenzforderungen).
Das Antragsrecht nach § 70 Abs 1 IO bezweckt, dass der Gläubiger einer Eigenkapital ersetzenden Forderung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens dann beantragen kann, wenn bei der Schuldnerin eine Zahlungsunfähigkeit selbst bei Außerachtlassung seiner Eigenkapital ersetzenden Leistung vorliegt, somit die beabsichtigte Sanierung gescheitert ist.
7.1. Wenn die Antragsgegnerin behauptet, sie befinde sich in der Krise, weshalb sie die Forderung des Antragstellers nicht erfüllen könne, dann gesteht sie zwar implizit ihre Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu.
Sollten jedoch die Leistungen des Antragstellers tatsächlich Eigenkapital ersetzend sein, dürfen sie bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit, wie ausgeführt, nicht berücksichtigt werden.
7.2. Der Antragsteller ist mit 40% an der Antragsgegnerin, einer Kapitalgesellschaft, beteiligt. Es ist daher möglich, dass das EKEG auf seine Forderungen gegenüber der Antragsgegnerin Anwendung findet. Die Antragsgegnerin beruft sich gegenüber dem Antragsteller auf die Rückzahlungssperre des § 14 EKEG, wie sich aus den mit dem Rekurs vorgelegten Urkunden ergibt. Der Antragsteller hätte somit behaupten und bescheinigen müssen, dass die Antragsgegnerin selbst ohne Berücksichtigung der von der Rückzahlungssperre erfassten Leistungen, zahlungsunfähig ist.
Da der Antragsteller bloß behauptete, die Antragsgegnerin sei zahlungsunfähig, und er auch nicht liquide bescheinigte, dass seine Leistung keinesfalls dem EKEG unterliegen, fehlt es an einer ausreichenden Behauptung der Zahlungsunfähigkeit.
9. Zusammengefasst erweist sich der Rekurs als nicht berechtigt.
Der Antragsteller hat die Kosten des erfolglosen Rekurses jedenfalls selbst zu tragen, weil im Insolvenzverfahren grundsätzlich kein Kostenersatz vorgesehen ist (§ 254 Abs 1 Z 1 IO).
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.