JudikaturOLG Wien

28R93/12w – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
04. Juli 2012

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr.Rechberger als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Dr.Fabian und Dr.Wittmann-Tiwald in der Rechtssache der Antragstellerin W***** G***** , W***** 15-19, 1103 W*****, wider die Antragsgegnerin K***** KG , FN *****, B***** 10/1, 1210 W*****, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 19.März 2012, 38 Se 12/12k-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Die Antragstellerin beantragte am 11.1.2012 beim Erstgericht wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin. Diese ist seit Oktober 2010 im Firmenbuch eingetragen; deren unbeschränkt haftender Gesellschafter A***** K***** vertritt selbstständig die Gesellschaft seit 1.12.2011.

Als die Antragstellerin einen Kostenvorschuss von EUR 4.000,-- erlegte, eröffnete das Erstgericht mit Beschluss vom 29.2.2012 den Konkurs über das Vermögen der Antragsgegnerin. Am 12.3.2012 beantragte die Antragstellerin, den „organschaftlichen Vertreter A***** K*****“ zum Ersatz des Kostenvorschusses von EUR 4.000,-- zu verpflichten.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht diesen Antrag zurück. Rechtlich führte es aus, der unbeschränkt haftende Gesellschafter sei kein organschaftlicher Vertreter iSd § 69 IO iVm § 71d Abs 2 IO und daher nicht zur Rückzahlung des Kostenvorschusses verpflichtet.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs der Antragstellerin mit dem Abänderungsantrag im Sinne der Stattgebung ihres Sachantrags.

Der unbeschränkt haftende Gesellschafter A***** K***** beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

1. Die Rekurswerberin bringt vor, nach § 71d Abs 1 IO könne der Kostenvorschuss von jeder Person verlangt werden, die nach § 69 IO zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet gewesen sei. Nach Abs 2 dieser Bestimmung habe darüber das Insolvenzgericht auf Antrag mit Beschluss zu entscheiden. Es sei nicht ersichtlich, warum die Möglichkeit, mittels Beschluss einen raschen Exekutionstitel zu erlangen, auf organschaftliche Vertreter und Mehrheitsgesellschafter beschränkt sein solle. Dann bestünde nur bei Gläubigern von GmbH ein erhöhter Anreiz, einen Kostenvorschuss zu erlegen, weil nur in solchen Fällen rasch ein Exekutionstitel geschaffen werden könne.

2. Der Rückgriffsanspruch nach § 71d Abs 2 IO, auf den sich die Antragstellerin inhaltlich beruft, ist eine Sonderregelung nur für juristische Personen. Überdies unterliegt die Antragstellerin einem Missverständnis über die unterschiedlichen Rückforderungstatbestände des § 71d Abs 1 und Abs 2 IO. Im Einzelnen:

3. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzt zum einen die Zahlungsunfähigkeit (oder die Überschuldung bei juristischen Personen) sowie einen Antrag des Schuldners (§ 69) oder eines Gläubigers (§ 70 IO) voraus. Weitere Voraussetzung ist nach § 71 IO das Vorhandensein von kostendeckendem Vermögen des Schuldners. Dieses muss ausreichen, um die Anlaufkosten des Insolvenzverfahrens, welche üblicherweise mit EUR 4.000,-- beziffert werden, zu decken.

Ein Insolvenzverfahren ist aber selbst bei fehlendem kostendeckenden Vermögen ua dann zu eröffnen, wenn der Antragsteller den ihm vom Gericht aufgetragenen Kostenvorschuss erlegt (§ 71a IO).

4.1. § 71d IO sieht einen Rückgriff vor, wobei die Tatbestände des Abs 1 und Abs 2 zu unterscheiden sind: Nach dem ersten Rückgriffstatbestand (§ 71d Abs 1 IO) kann derjenige, der einen Kostenvorschuss geleistet hat, diesen Betrag von jeder Person verlangen, die nach § 69 IO verpflichtet war, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, und die den Antrag schuldhaft nicht gestellt hat. Der Anspruch verjährt in 3 Jahren nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Gegen den zur rechtzeitigen Antragstellung gemäß § 69 IO Verpflichteten ist im streitigen Rechtsweg vorzugehen ( Senoner , Handbuch der Kostendeckung 107).

Die Verpflichtung des Schuldners, einen Insolvenzantrag zu stellen, trifft nach § 69 IO natürliche Personen, die unbeschränkt haftenden Gesellschafter und Liquidatoren einer eingetragenen Personengesellschaft und die organschaftlichen Vertreter juristischer Personen; bei eingeschränkter oder fehlender Handlungsfähigkeit solcher Personen trifft die Verpflichtung deren gesetzlichen Vertreter.

Da die Antragstellerin einen Beschluss des Insolvenzgerichtes anstrebt, beruft sie sich inhaltlich auf einen Rückgriffsanspruch nach § 71d Abs 2 IO.

4.2. Nach dem zweiten Rückgriffstatbestand (§ 71d Abs 2 IO) kann derjenige, der den Kostenvorschuss geleistet hat, diesen Betrag unabhängig von den Voraussetzungen des Abs 1 von jeder Person verlangen, die gemäß § 72a oder § 72d IO zur Leistung eines Kostenvorschusses verpflichtet gewesen wäre. Über diese Verpflichtung zum Ersatz des Kostenvorschusses hat das Insolvenzgericht auf Antrag mit Beschluss zu entscheiden. Auf diesen Beschluss ist § 72b Abs 4 und 5 IO sinngemäß anzuwenden.

§ 71d Abs 2 IO verweist auf Sonderbestimmungen für juristische Personen in den §§ 72 f IO. Darunter normiert § 72a IO die Verpflichtung für organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person, einen Kostenvorschuss von höchstens EUR 4.000,-- zu leisten. § 72d IO ordnet eine Verpflichtung für die Mehrheitsgesellschafter (mehr als 50% Anteil) zur Leistung eines Kostenvorschusses neben den organschaftlichen Vertretern an.

Der zweite Rückgriffstatbestand (§ 71d Abs 2 IO) wurde mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2010 – IRÄG 2010 (BGBl I 2010/29) eingeführt. Damit sollte die Möglichkeit, Rückersatz für einen erlegten Kostenvorschuss zu erhalten, erweitert werden, sah doch der (unverändert aufrecht erhaltene) Abs 1 eine Ersatzpflicht nur dann vor, wenn die nach § 69 IO zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtete Person den Antrag schuldhaft nicht gestellt hatte. Dieser Anspruch ist, wie ausgeführt, im streitigen Rechtsweg durchzusetzen, während im Fall des Abs 2 das Insolvenzgericht zu entscheiden hat.

Zu den Beweggründen für die Einführung dieses neuen Rückgriffstatbestandes führt der allgemeine Teil der Erläuterungen aus, dass die Konkursabweisung mangels Masse als zu attraktiv empfunden worden sei. Es biete sich dem Unternehmen der unbeabsichtigte Vorteil, dass mangels Prüfung durch einen Masseverwalter dem Gericht keine Anhaltspunkte für ein mögliches strafbares Verhalten des Schuldners bekannt werden. Gerade in jenen Fällen, in denen nicht einmal genügend Masse vorhanden sei, um die Verfahrenskosten zu decken, könnten sich Unternehmer so einer näheren Überprüfung entziehen. Der erfolgversprechende Ansatz zur Zurückdrängung der Anzahl der Konkursabweisungen mangels Masse sei, die Insolvenzverfahren unabhängig davon zu eröffnen, ob kostendeckendes Vermögen vorhanden sei oder nicht. Dies hätte jedoch die Konsequenz, dass die Entlohnung des Masseverwalters vom Staat zu tragen wäre, was aus budgetären Gründen nicht verwirklichbar sei. Statt dessen solle die Anzahl der Konkursabweisungen mangels Masse verringert werden, indem der Mehrheitsgesellschafter zum Erlag eines Kostenvorschusses heranzuziehen sei. Überdies solle für Gläubiger, die einen Kostenvorschuss erlegt hätten, der Rückgriff auf jene Personen, die zur Leistung verpflichtet gewesen wären, ganz generell eröffnet und nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft werden. Für diesen Rückforderungsanspruch solle der Gläubiger rasch einen Exekutionstitel beim Konkursgericht erhalten. Dadurch solle der Anreiz für Gläubiger zum Erlag eines Kostenvorschusses erhöht und auf diese Weise die Konkurseröffnung erleichtert werden (RV 612 BlgNR 24.GP 6).

Auch die weiteren Erläuterungen zu § 71d Abs 2 IO bekräftigen, dass der Rückersatz nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft sein solle. (RV 612 BlgNR 24.GP 16f).

5. Zur Anwendung des § 71d Abs 2 IO auf Personengesellschaften:

5.1. Eine Personengesellschaft, wie die offene Gesellschaft oder die Kommanditgesellschaft ist zwar rechtsfähig (§ 105, § 161 Abs 2 IO), aber keine juristische Person ( Artmann in Jabornegg/Artmann, UGB² § 105 Rz 6 ff). Die für organschaftliche Vertreter oder Mehrheitsgesellschafter einer juristischen Person geltende Verpflichtung zum Erlag eines Kostenvorschusses gilt nicht auch für unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft. Dies lässt sich damit erklären, dass anders als bei juristischen Personen den Gläubigern von Personengesellschaften im Falle der Konkurseröffnung noch ein weiterer Haftungsfonds der unbeschränkt haftenden Gesellschafter zur Verfügung steht (OLG Wien 28 R 60/07k = Mohr , IO 11 § 72 E 1).

5.2. Nach dem Wortlaut, dem Willen des Gesetzgebers und auch nach der Systematik der Bestimmung bezieht sich der Rückforderungsanspruch nach § 71d Abs 2 IO eindeutig auf juristische Personen. Eine planwidrige Gesetzeslücke ist nicht feststellbar. Der mit dieser Regelung verfolgte Zweck lässt sich nicht ohne weiteres auf unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft übertragen. Vielmehr unterscheiden sich organschaftliche Vertreter und Mehrheitsgesellschafter einer juristischen Person von unbeschränkt haftenden Gesellschaftern einer Personengesellschaft. Deren unmittelbare und unbeschränkte Haftung ermöglicht es den Gläubigern von eingetragenen Personengesellschaftern, direkt gegen diese Personen vorzugehen, sei es in Exekutions- und Insolvenzverfahren, aber auch bei der Überprüfung von möglichem strafbaren Verhalten.

Zusammengefasst verneinte das Erstgericht zu Recht die Voraussetzungen eines Rückgriffsanspruchs gemäß § 71d Abs 2 IO gegenüber dem unbeschränkt haftenden Gesellschafter der Antragsgegnerin.

Der Rekurs erweist sich somit als nicht berechtigt.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.

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