JudikaturOLG Wien

1R67/12y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. April 2012

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie den Richter des Oberlandesgerichts Dr. Rassi und die Richterin des Oberlandesgerichts Mag. Bartholner in der Rechtssache der klagenden Partei J***** P***** Gesellschaft m.b.H. u. Co. KG , *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei S*****ges.m.b.H. , *****, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum, Dr. Peter Karlberger, Dr. Manfred Wiener, Mag. Wilfried Opetnik und Mag. Petra Rindler, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 28.410,65 s.A., über den Kostenrekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse EUR 1.975,68) gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9.2.2012, 33 Cg 104/10h-12, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 250,22 (hierin USt EUR 41,70) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 und 3 ZPO).

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Klägerin begehrte zuletzt EUR 28.410,65 samt Anhang an restlichem Werklohn für diverse Tischlerarbeiten beim Bauvorhaben 1130 Wien, *****. Mit dem nur im Kostenpunkt angefochtenen Urteil verhielt das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 11.712,23 s.A., wies das Mehrbegehren von EUR 16.698,42 s.A. ab und verpflichtete die Klägerin zum Ersatz der mit EUR 1.831,16 (darin EUR 305,19 USt und Barauslagen EUR 10,35) bestimmten Prozesskosten an die Beklagte; die Beklagte verurteilte es zu einem Barauslagenersatz an die Klägerin von EUR 284,69.

Ausgehend vom Obsiegen der Beklagten mit 58,8% habe ihr die Klägerin gemäß § 43 Abs 1 ZPO 17,6% der Vertretungskosten und 58,8% der Barauslagen, die Beklagte hingegen der Klägerin 41,2% ihrer Barauslagen zu ersetzen. Die von der Beklagten verzeichneten persönlichen Auslagen von EUR 2.800,-- zuzüglich USt seien nicht ersatzfähig, da die Partei keine Kosten dafür ansprechen dürfe, dass sie ihrem Anwalt Informationen erteile oder dass sie zur Prozessvorbereitung persönlich Erhebungen anstelle.

Ausschließlich gegen die Nichtzuerkennung dieser Auslagen von EUR 2.800,-- zuzüglich USt entsprechend dem Ausmaß ihres Obsiegens mit 58,8 % (sohin EUR 1.975,68) wendet sich der Kostenrekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung im Sinne eines weiteren Kostenzuspruchs in diesem Umfang.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Mit ihrem Schriftsatz vom 9.5.2011 (ON 8) brachte die Beklagte vor, ihr seien dadurch, dass sie von der Klägerin in Streit gezogen worden sei, nebenprozessuale Kosten von netto EUR 2.800,-- entstanden. Die Beklagte habe beim gegenständlichen Bauvorhaben die i***** GmbH (im Folgenden: „I*****“)mit dem Projektmanagement beauftragt. Diese habe die Abwicklung des Bauvorhabens durchgeführt. Daher habe sich ein Großteil der von der Beklagten vorgelegten Urkunden im Besitz der I***** befunden. Während des Verfahrens habe die I***** unter anderem die gesamte Korrespondenz mit der Klägerin und sämtliche Unterlagen betreffend die nicht zuordenbaren Bauschäden sichten und die relevanten Unterlagen der Beklagten zur Verfügung stellen müssen. Für die in diesem Zusammenhang erbrachten 22 Arbeitsstunden habe die I***** gegenüber der Beklagten netto EUR 2.800,-- verrechnet. Dabei handle es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten iSd § 41 Abs 1 ZPO. Die Vorlage der Urkunden habe jedenfalls dazu gedient, den Prozesserfolg zu fördern, weil die Beklagte nur unter Mitwirkung der I***** die Vereinbarungen mit der Klägerin, die gerügten Mängel und die Gegenforderungen habe darstellen können. Im konkreten Fall seien daher die Beauftragung der I***** und auch die damit verbundenen Kosten zur notwendigen und zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich gewesen.

Dazu legte die Beklagte die an sie gerichtete Rechnung der I***** vom 3.5.2011 (./55) samt Stundenaufstellung vor. Damit verrechnete die I***** der Beklagten für die Aufbereitung der Unterlagen für den Prozess 22 Stunden à EUR 125,-- (EUR 2.750,--) zuzüglich Nebenkostenpauschale EUR 50,-- und 20% USt, insgesamt EUR 3.360,--. Die angeschlossene Stundenaufstellung betrifft „Zusammenstellung der Unterlagen, wie Einscannen der Werkverträge, der Vertretungsunterlagen“, „Erstellen der Anwesenheitsliste Baubesprechungen, Einscannen der Belege, Aufstellung zur Schlussrechnung, siehe auch mail vom 4.8.2010 an Anwalt“, „Heraussuchen der gesamten Korrespondenz wegen Terminverzügen, Einscannen derselben“, „Heraussuchen der gesamten Korrespondenz wegen Baustellenbesprechungen, Einscannen derselben siehe Mail vom 11.8.2010 an Anwalt“, „Heraussuchen der Nachträge, Einscannen derselben, Erklärung des Nachlasses“, „Bearbeitung des Schriftsatzes, siehe mail an Anwalt 19.8.2010“, „Suchen diverser Rechnungen betreffend Baustellenreinigung, Mobil WCs, siehe mail an Anwalt vom 24.12.2010“, „Suchen diverser Rechnungen betreffend Fliesenleger, Baureinigung, siehe mail an Anwalt vom 11.1.2011“, „alle Baubesprechungsprotokolle eingescannt und verschickt, siehe mail an Anwalt vom 20.3.2011“, „Bearbeitung der Urkundenvorlage“.

Die I***** war von der Beklagten mit dem Projektmanagement für das Bauvorhaben ***** beauftragt (Aussage des Geschäftsführers der Beklagten ***** ON 7, 7). Dieser ist alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter sowohl der Beklagten als auch der I*****; beide Gesellschaften firmieren unter derselben Geschäftsanschrift (*****).

Die Beklagte argumentiert nun, dass es sich beim rekursgegenständlichen Aufwand nicht um eine Abgeltung ihrer eigenen Bemühungen handle, sondern um die Kosten der außergerichtlichen Sammlung des Beweismaterials und Prozessstoffs, die ihr durch ein Fremdunternehmen in Rechnung gestellt worden seien und somit als vorprozessuale Kosten geltend gemacht werden könnten.

Richtig ist wohl, dass zu den vorprozessualen Aufwendungen, die wie die eigentlichen Prozesskosten behandelt werden, nach herrschender Ansicht auch die Kosten der außergerichtlichen Sammlung des Beweismaterials und Prozessstoffes zählen ( Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1, § 41 ZPO Rz 36). Dazu zählen unter anderem (vgl Obermaier , Kostenhandbuch², Rz 375 ff; Christandl , RZ 2004, 262 [mit umfangreicher tabellarischer Übersicht von Lehre und Rechtsprechung]) die Kosten von Beweissicherungsverfahren, von Vorverfahren, von Privatgutachten (RIS-Justiz RS0035826), Detektivkosten, Mahnschreiben (RIS-Justiz RS0035770) sowie Kosten für Fahrten, Telefonate, Papier-, Kopier- und EDV-Aufwand, Internet-, Meldeamts- und Rechtsdatenbankengebühren uvm ( Obermaier , Kostenhandbuch², Rz 398).

Für ihre persönlichen Bemühungen kann die Partei aber nach § 42 Abs 1 ZPO – abgesehen von einem Ersatz für den durch Zeitversäumnis entstandenen Schaden sowie Reiseauslagen bei der Wahrnehmung von Gerichtsterminen – keine Vergütung ansprechen. Wird eine Partei durch Bevolmächtigte vertreten, welche nicht dem Rechtsanwalts- oder dem Notariatsstande angehören, so ist der unterliegende Gegner nur zum Ersatz der Gerichtsgebühren und anderen Staatsgebühren und der durch die Prozessführung verursachten notwendigen Barauslagen zu verhalten (§ 42 Abs 2 ZPO). Zu den persönlichen Bemühungen, für die die Prozesspartei keine Vergütung beanspruchen kann, zählen insbesondere die Teilnahme an persönlichen Verhandlungen mit dem Gegner, an Informationsgesprächen und taktischen Besprechungen mit dem eigenen Anwalt und Bemühungen zur Sammlung der Prozessunterlagen, insbesondere des Beweismaterials. Das von der Partei einem Bevollmächtigten, der nicht Rechtsanwalt oder Notar ist, vereinbarungsgemäß zu zahlender Honorar ist nach der klaren Anordnung des § 42 Abs 2 ZPO von der Partei ohne Anspruch auf Ersatz selbst zu tragen ( Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 42 ZPO Rz 1 und 6 mwN).

In Zusammenschau der zitierten Lehre und Rechtsprechung zu den vorprozessualen Kosten und der Begrenzung durch § 42 ZPO ergibt sich, dass ein der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dienender außergerichtlicher Aufwand nur dann unter die Prozesskostenersatzpflicht fällt, wenn es sich dabei um einen Auslagenersatz für Sachaufwand (Fahrten, Telefonate, Papier-, Kopier- und EDV-Aufwand etc), Gebühren oder die Kosten von Vorverfahren (Beweissicherung, Privatbeteiligung im Strafverfahren, Verwaltungsverfahren etc) handelt. Das Honorar für die Leistungen eines Dritten ist nur dann ersatzfähig, wenn die Leistung besondere Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, über die die Partei selbst nicht verfügt (Sachverständiger, Dolmetscher, Patentanwalt, Detektiv etc). Für prozessvorbereitende Leistungen, die die Partei selbst erbringen könnte, wie hier insbesondere das Sichten und Zusammenstellen der prozessrelevanten Unterlagen, hat sie jedoch keinen Kostenersatzanspruch, auch wenn sie mit diesen Leistungen einen Dritten beauftragt hat.

Konkret hätte die beklagte Gesellschaft den Aufwand des Sichtens und Zusammenstellens der Unterlagen durch ihre Mitarbeiter vornehmen lassen müssen, ohne dafür einen Ersatzanspruch geltend machen zu können. Diesen Aufwand hat sie sich erspart, indem sie damit die I***** betraut hat. Angesichts der dargestellten engen Verflechtung der beiden Gesellschaften ist keine sachlich relevante Notwendigkeit für diese Vorgangsweise ersichtlich. Dass die Beklagte (im Gegensatz zur I*****) nicht über Mitarbeiter verfügt, die dazu in der Lage wären, hat sie zum Einen nicht behauptet, zum Anderen wird diese Annahme schon durch die Identität der Person des Geschäftsführers und Gesellschafters der Beklagten und der I***** widerlegt. Die Betrauung eines Dritten mit der Sammlung und Aufbereitung der Prozessunterlagen war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig.

Abschließend ist darauf zu verweisen, dass der OGH entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs den durch ein Fremdunternehmen in Rechnung gestellten Aufwand für die prozessuale Beweissammlung und -sicherung ausdrücklich als ersatzfähige vorprozessuale Kosten qualifiziert hätte. Der von der Beklagten dazu zitierten Entscheidung 9 ObA 178/05z ist lediglich zu entnehmen, dass es sich bei dem in jenem Verfahren klageweise geltend gemachten Aufwand um Kosten der Prozessvorbereitung handelte; über die Ersatzfähigkeit dieses Aufwands durch den Prozessgegner sagt die Entscheidung jedoch nichts aus.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

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