JudikaturOLG Wien

1R108/11a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
12. Mai 2011

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Jesionek als Vorsitzende und die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Schaller und Dr. Rassi in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. W***** E***** , *****, 3400 Klosterneuburg, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A*****gesellschaft m.b.H. , 2. Dr. G***** K*****, 3. Dr. G***** K***** S***** m.b.H. , alle Schönbrunner Straße 53, 1050 Wien, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1,500.000,-- sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21.03.2011, GZ 40 Cg 20/03x-75, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos behoben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer erfolglosen Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt aus dem Titel des Schadenersatzes die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1,500.000,-- sA (vgl ON 16). Mit Urteil vom 15.08.2008 wurde das Klagebegehren abgewiesen (vgl ON 53). Der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung wurde mit hg Beschluss vom 18.12.2008 (ON 58) Folge gegeben, das Urteil aufgehoben und die Rechtssache dem Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Über das Vermögen des Klägers wurde mit Beschluss des LG Korneuburg vom 03.09.2009 zu AZ 36 S 104/09z der Anschlusskonkurs eröffnet. Zum Masseverwalter wurde Dr. Viktor Igáli-Igálffy bestellt. Mit Beschluss vom 02.10.2009 sprach das Erstgericht aus, dass das Verfahren gemäß § 7 Abs 1 KO unterbrochen ist (vgl ON 66). Mit Beschluss vom 07.10.2009 setzte das Erstgericht das Verfahren über Antrag des Masseverwalters fort und beraumte für den 27.01.2010 eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung an (ON 68). Am 27.01.2010 wurde die Tagsatzung abberaumt (ON 69). Davor hielt das Erstgericht in einem Aktenvermerk Folgendes fest: „ Anruf von Dr. Göbel (KV): Er gibt an, dass das Konkursgericht einen Gläubigerausschuss beigegeben hat, um zu entscheiden, ob dieses Verfahren bei mir fortgesetzt wird oder nicht. Die Entscheidung liegt noch nicht vor, ohne diese darf er nicht agieren. Er beantragt daher die Vertagung auf unbestimmte Zeit (er werde den Beschluss dann vorlegen). Dem Antrag wird telefonisch stattgegeben.

Das Erstgericht ersuchte den Masseverwalter mit Noten vom 01.04.2010 (vgl ON 69) und vom 30.04.2010 (ON 70) um Bekanntgabe des Stands im Konkursverfahren bezüglich der hier geführten Klage. In seiner Stellungnahme gab der Masseverwalter am 07.05.2010 (ON 71) bekannt, dass sich die Ehegattin des Gemeinschuldners bereit erklärt hätte, die Kostenhaftung für das vor dem Erstgericht geführte Verfahren zu übernehmen. Dem Gläubigerausschuss sei jedoch die daran angeknüpfte Bedingung zu weit und zu allgemein gehalten, weshalb die Garantin aufgefordert worden sei, ihre Bedingungen zu ändern. Der Masseverwalter ersuchte das Erstgericht, den Akt bis zum 30.05.2010 zu kalendieren.

Am 25.08.2010 (ON 71) und 20.12.2010 (ON 73) ersuchte das Erstgericht den Masseverwalter neuerlich, den Stand des Verfahrens bekanntzugeben. In diesen Noten wies das Erstgericht darauf hin, dass ohne Antragstellung das Ruhen des Verfahrens eintreten könne. Bereits am 20.10.2010 (ON 71) hielt das Erstgericht in einem AV fest, dass das Verfahren ruht.

In seiner Bekanntgabe vom 24.01.2011 (ON 74) gab der (nunmehrige) Insolvenzverwalter bekannt, mit dem Gläubigerausschuss werde die Ausscheidung der eingeklagten Forderung erörtert. In der Folge kalendierte das Erstgericht den Akt mehrfach.

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht fest, dass das Verfahren ruht. Es begründete dies damit, dass es weder von Klags- noch von Beklagtenseite seit dem 27.01.2010 den Prozess voranbringende Anträge gegeben hätte. Bei Versäumung von Antragstellungen beider Parteien trete als allgemeine Versäumungsfolge Ruhen des Verfahrens ein.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Insolvenzverwalters wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben.

Die Beklagten beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluss vom 20.04.2011 (ON 79) berichtigte das Erstgericht die Parteienbezeichnung des Klägers dahin, dass sie wie aus dem Kopf der Rekursentscheidung ersichtlich lautet.

Mit seinem am 06.04.2011 eingebrachten Rekurs legte der Insolvenzverwalter den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 23.03.2011 vor, wonach der streitverfangene Anspruch im Insolvenzverfahren gemäß § 119 Abs 5 IO ausgeschieden wurde (GZ 36 S 104/09z-59 des LG Korneuburg). Nach dem offenen Register (Verfahrensautomation Justiz/VJ) wurde dieser Beschluss dem Insolvenzverwalter am 25.03.2011 zugestellt und blieb unbekämpft. Der Rekurs wurde somit vom Insolvenzverwalter noch vor Eintritt der Rechtskraft des Ausscheidungsbeschlusses eingebracht, weshalb dieser zur Erhebung des Rekurses legitimiert war. Erst die rechtskräftige Ausscheidung bedeutet nämlich die Teilaufhebung des Insolvenzverfahrens; das ausgeschiedene Vermögen fällt (erst) ab diesem Zeitpunkt in die unbeschränkte Verfügungsmacht des Schuldners zurück (SZ 61/142; 2 Ob 2368/96s; RIS-Justiz RS0105936 uva). Im Zeitpunkt der Rekurserhebung war somit der Insolvenzverwalter noch befugt, die die Masse ganz oder teilweise betreffenden Prozesse zu führen (Riel, Die Befugnisse des Masseverwalters im Zivilverfahrensrecht 137). Aufgrund des nunmehrigen Eintritts der Rechtskraft des Ausscheidungsbeschlusses (vgl offenes Register) ist der Kläger wiederum selbst und alleine prozessführungsbefugt (vgl 8 Ob 40/95). Das führt aber nicht dazu, dass der zunächst vom Masseverwalter eingebrachte Rekurs unzulässig wäre, weil der Schuldner unmittelbar in den anhängigen Rechts streit eintritt. Diesem Umstand ist durch eine Berichtigung der Parteienbezeichnung Rechnung zu tragen, was das Erstgericht mit Beschluss vom 20.04.2011 getan hat.

Mit dem angefochtenen Beschluss wird das Ruhen des Verfahrens festgestellt.

Zur Feststellung des Eintrittes des Ruhens des Verfahrens bedarf es keines Beschlusses, geboten ist nur ein diesen Umstand wiedergebender Aktenvermerk (7 Ob 578/95; 6 Ob 288/00x uva). Erachtet sich eine der Parteien durch die Folgen des Ruhens des Verfahrens für beschwert, so hat sie einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Streitverhandlung zu stellen, über den vom Gericht meritorisch zu entscheiden ist (7 Ob 578/95; 4 Ob 73/08a; RIS-Justiz RS0064480). Sofern aber das Erstgericht unrichtigerweise dennoch einen Beschluss über das Ruhen fällt, ist dieser mit Rekurs anfechtbar (SZ 27/253; RZ 1937, 295; LG Klagenfurt AnwBl 1970, 167; Fink in Fasching/Konecny 2 Vor §§ 168 – 170 ZPO Rz 21).

Gegen die herrschende Meinung vertritt Gitschthaler in Rechberger 3 §§ 168 – 170 ZPO Rz 2, dass eine Anfechtung eines derartigen Feststellungsbeschlusses unzulässig sei. Dem kann sich der Rekurssenat auch im Hinblick auf die jüngst ergangene Entscheidung 4 Ob 73/08a nicht anschließen. In dieser Entscheidung bezog sich der OGH zum einen auf die oben zitierte Entscheidung SZ 27/253 und legte dar, dass im Zivilprozess eine mit § 153 Abs 1 Satz 2 AußStrG 2005 vergleichbare Bestimmung fehle. Zum anderen hielt der OGH fest, dass durch Auslegen des strittigen Ausspruchs zu ermitteln sei, ob ein anfechtbarer Beschluss oder eine bloße Mitteilung des Gerichts vorliegt. Mangels einer entsprechenden Regelung sei einem mit „Beschluss“ überschriebenen Ausspruch des Gerichts im Zweifel Entscheidungswille zu unterstellen.

Ein derartiger Entscheidungswille liegt hier zweifellos vor, zumal das Erstgericht bereits in einem Aktenvermerk vom 20.10.2010 (ON 71) festgehalten hat, dass das Verfahren ruht. Mit dem angefochtenen Beschluss sollte dies nun beschlussmäßig auch nach außen klargestellt und begründet werden. Dieser Beschluss sollte nach der Intention des Erstgerichts zur Klarstellung dienen, zumal der Insolvenzverwalter in seiner Stellungnahme ON 74 offenbar nicht davon ausging, dass das Verfahren ruht.

Ähnlich wie bei der Situation bei einem deklarativen Unterbrechungsbeschluss nach § 7 IO (vgl zB RIS-Justiz RS0043955) kann auch ein bloß feststellender Beschluss über den Eintritt des Ruhens angefochten werden.

Der somit zulässige Rekurs ist auch berechtigt.

Ruhen kann aufgrund einer Vereinbarung oder infolge Säumnis eintreten. Hier kommt – mangels Vereinbarung - nur Letzteres in Betracht. Nach § 170 ZPO kommt es zu einem Ruhen aufgrund Säumnis, wenn bei einer zur mündlichen Verhandlung anberaumten Tagsatzung keine der Parteien erscheint. Dem wird die Situation gleich gehalten, dass zwar eine Partei erscheint, dennoch jedoch keinen Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteils stellt (vgl Gitschthaler aaO Rz 2). Auch bei einem fehlenden Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils nach Versäumung der Klagebeantwortungsfrist sind die Bestimmungen über das Ruhen des Verfahrens sinngemäß anzuwenden (§ 398 Abs 2 ZPO). Diesen Fällen des Ruhens aufgrund Säumnis ist gemein, dass das Gericht den Prozess von sich aus nicht mehr weiter betreiben kann.

Ein vergleichbarer Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der Fortgang des Verfahrens war nicht von einem Antrag einer der Parteien abhängig. Insbesondere konnte der Eintritt des Ruhens nicht vom Bericht des Masse- bzw Insolvenzverwalters über den Stand im Konkursverfahren oder von Betreibungshandlungen der Parteien abhängig gemacht werden. Ob das Verfahren nach § 7 IO noch unterbrochen war, konnte dahinstehen, weil die angefochtene Entscheidung das Ruhen feststellt, was aber mangels Ruhenstatbestands nicht zutrifft.

Der angefochtene Beschluss war somit ersatzlos zu beheben. Aufgrund der rechtskräftigen Ausscheidung der klagsgegenständlichen Forderung und mangels Eintritts des Ruhens besteht für das Erstgericht kein Hindernis, das Verfahren fortzuführen.

Der Rekurswerber hat keine Kosten verzeichnet. Die Beklagten haben die Kosten ihrer erfolglosen Rekursbeantwortung selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO).

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO. Rechtsfragen der in § 528 Abs 1 ZPO genannten Qualität waren nicht zu lösen.

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