JudikaturOLG Wien

7Rs67/09p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2009

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr. Stürzenbecher-Vouk als Vorsitzende, die Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Nigl und Mag. Brandl (Senat gemäß § 11a Absatz 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J***** B***** , *****, vertreten durch Mag. R***** M*****, Rechtsanwalt in W*****, als Sachwalter, dieser vertreten durch Mag. H***** N*****, Rechtsanwalt in W*****, wider die beklagte Partei Land Wien , vertreten durch Mag. E***** F*****, Magistrat der Stadt Wien, MA 40 – Fachbereich Sozialrecht, 1030 Wien, Thomas-Klestil-Platz 8, wegen Pflegegeld, infolge Kostenrekurs der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10.2.2009, 24 Cgs 209/08p-14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 29.4.2008, 26 P 26/07f-20, wurde Mag. H***** N*****, Rechtsanwalt in K*****, gemäß § 268 ABGB für den Kläger zum Sachwalter bestellt und mit der Besorgung unter anderem der Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern betraut. Zwischenzeitig wurde der Klagevertreter mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 2.2.2009, 26 P 26/07f-53, als Sachwalter des Klägers enthoben und Mag. R***** M*****, Rechtsanwalt in W*****, zum Sachwalter für die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt.

Mit Bescheid vom 7.5.2008 gewährte die beklagte Partei dem Kläger ab 1.1.2008 Pflegegeld der Stufe 1. Die dagegen erhobene Klage mit dem Begehren, dem Kläger ein höheres Pflegegeld als jenes der Stufe 1 ab 1.1.2008 zu gewähren, hat das Erstgericht mit Urteil vom 10.2.2009 rechtskräftig abgewiesen und ausgesprochen, dass der Kläger seine Verfahrenskosten selbst zu tragen hat.

Das Erstgericht begründete seine Kostenentscheidung damit, dass sich keine Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 1 lit b ASGG mangels tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten ergaben. Im Übrigen komme § 10 ZPO in diesem Fall nicht zur Anwendung. Der Sachwalter werde allenfalls einen Anspruch auf Entlohnung bzw. Entschädigung gemäß § 276 ABGB beim Pflegschaftsgericht geltend machen müssen.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass die beklagte Partei verpflichtet werde, dem Sachwalter die Kosten gemäß § 10 ZPO in der Höhe von EUR 496,13 zu ersetzen, in eventu der beklagten Partei aufzutragen, dem Kläger die Kosten in der Höhe von EUR 496,13 gemäß § 77 ASGG zu ersetzen.

Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber vertritt die Auffassung, dass der beklagten Partei der Ersatz der Kosten des Klägers gemäß § 10 ZPO hätte aufgetragen werden müssen. Der Sachwalter sei unter anderem zur Verwaltung des Vermögens und der Einkünfte des Betroffenen bestellt worden. Es habe daher eine Dauerverpflichtung des Sachwalters bestanden, das Einkommen des Betroffenen zu sichern. Hiezu gehöre es, den Bescheid der beklagten Partei, der Pflegegeld der Stufe 1 gewährt habe, zu bekämpfen, zumal die berechtigte Erwartung bestanden habe, die Klage würde erfolgreich sein. Zur Verwaltung des Einkommens und des Vermögens gehöre jedenfalls auch die Geltendmachung zweckgebundener Einkommen, wie sie das Pflegegeld darstelle. Wenn nun der Sachwalter zur Einkommens- und Vermögensverwaltung bestellt sei und ihn im Rahmen seiner Tätigkeit die Verpflichtung treffe, Klage auf Gewährung eines höheren Pflegegelds zu führen, so seien die Kosten dem Sachwalter gemäß § 10 ZPO zu ersetzen.

Gemäß § 10 ZPO sind die durch die Prozessführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten eines vom Prozessgericht oder von einem anderen Gericht bestellten Kurators von der Partei, durch deren Prozesshandlung die Bestellung oder Mitwirkung des Kurators veranlasst wurde, unbeschadet eines ihr etwa zustehenden Ersatzanspruchs zu bestreiten.

Diese Bestimmung gilt analog auch für den Sachwalter. Hat nicht das Prozessgericht oder einer der im Prozess tätig gewordenen Instanzen den Sachwalter bestellt, ist nach den Grundsätzen des § 10 ZPO dasjenige der im Prozess tätig gewordenen Gerichte zur Erledigung des Kostenbestimmungsantrages zuständig, vor dem der Sachwalter im Prozess erstmals eingeschritten ist.

Die beklagte Partei hat jedoch im vorliegenden Fall die Bestellung des Sachwalters für den Kläger nicht veranlasst. Die Veranlassung im Sinne des § 10 ZPO kann nicht auf den abschlägigen Bescheid der beklagten Partei, wodurch die vorliegende Klage veranlasst wurde, ausgedehnt werden, zumal die beklagte Partei durch den abschlägigen Bescheid nur ihre gesetzliche Verpflichtung erfüllte (OLG Wien 7 Rs 201/02h, 7 Rs 101/03d).

Die Voraussetzungen des Kostenersatzes gemäß § 10 ZPO wurden vom Erstgericht zu Recht verneint.

Überdies argumentiert der Rekurswerber, dass die Voraussetzungen für den Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG gegeben seien. Der Kläger beziehe nur ein sehr geringes Einkommen, wie sich dies aus dem in erster Instanz vorgelegten Einkommensnachweis ergebe. Die Verneinung von tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten sei bereits deshalb unrichtig, weil ansonsten das Bezirksgericht Favoriten für den Kläger keinen Sachwalter bestellen hätte müssen bzw. dürfen. Verfahrenshilfe habe der Sachwalter nicht beantragen können, weil das Erstgericht im Falle eines Pflegegeldverfahrens Verfahrenshilfe nicht gewähre.

Gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG hat in einer Rechtsstreitigkeit zwischen einem Versicherungsträger und einem Versicherten der Versicherte gegenüber dem Versicherungsträger Anspruch auf Ersatz aller seiner sonstigen durch die Prozessführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Verfahrenskosten dem Grunde und der Höhe nach nur nach Billigkeit, wenn er zur Gänze unterliegt; dabei ist besonders auf die tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens sowie auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten Bedacht zu nehmen.

Grundsätzlich haben funktionell als Sachwalter einschreitende Rechtsanwälte im sozialrechtlichen Verfahren Anspruch auf anwaltlichen Kostenzuspruch (OLG Wien 7 Rs 121/03d mwN).

Neben den Einkommens- und Vermögensverhältnissen sind auch die tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Falles zu beachten (10 ObS 337/02k; OLG Wien 7 Rs 101/03d).

§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG stellt nicht auf die zwingende Vertretung durch einen Sachwalter, der Rechtsanwalt ist, ab, sondern auf Billigkeitsgründe, die mit der mangelnden Einschätzbarkeit der Prozesschancen wegen besonderer Schwierigkeiten zusammenhängen. Die sorgfältige Prüfung, ob eine Klage aussichtsreich ist, soll dem Sachwalter durch diese Bestimmung keinesfalls abgenommen werden (OLG Wien 7 Rs 101/03d).

Ein Zuspruch von Kosten aus Gründen der Billigkeit nur deshalb, weil für die klagende Partei ein Sachwalter bestellt ist, ist nicht gerechtfertigt, weil dies zu einer unsachlichen Besserstellung von unter Sachwalterschaft stehenden Personen gegenüber durch andere Rechtsvertreter vertretenen Versicherten führen würde (SV-Slg 44.705; OLG Wien 7 Rs 257/00 = SV-Slg 47.703; OLG Wien 7 Rs 101/03d).

Im vorliegenden Fall vermag der Kläger nicht darzulegen, worin die tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten gelegen wären, die eine Kostenentscheidung nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG gerechtfertigt hätten. Wie bereits oben ausgeführt, reicht der bloße Hinweis auf die Sachwalterbestellung für sich nicht aus, um die Voraussetzung des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG zu rechtfertigen.

Der vorliegende Fall ist durch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten gekennzeichnet, sodass auch ein Kostenersatzanspruch des Klägers nach Billigkeit nicht in Betracht kommt.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Gemäß § 11a Abs 2 ASGG hat die Entscheidung durch einen Dreiersenat zu erfolgen.

Die Voraussetzungen des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG sind auch hinsichtlich des Rekursverfahrens zu verneinen.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf den §§ 2 ASGG, 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

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