7Rs154/08f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Prof. DDr. Huberger als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Stürzenbecher-Vouk und Mag. Nigl (Senat gemäß § 11a Abs2 Z2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A***** F***** , *****, R*****gasse *****, vertreten durch Dr. Franz Amler, Rechtsanwalt in St.Pölten, wider die beklagte Partei P*****anstalt, *****, *****, vertreten durch Dr. Johannes Strobl, ebendort, wegen Berufsunfähigkeitspension, über den Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse EUR 1.324,90) gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 16.9.2008, 30 Cgs 139/07k-53, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s :
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 222,91 (darin enthalten EUR37,15 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
Mit seiner am 21.12.2004 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1.9.2004. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Nach Durchführung eines umfangreichen Beweisverfahrens schlossen die Streitteile in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 25.1.2008 einen Vergleich, in dem sich die beklagte Partei verpflichtete, dem Kläger ab 1.5.2007 bis 30.4.2009 eine befristete Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Mit zugleich ergangenen Beschluss wurde vom Landesgericht St. Pölten ausgesprochen, dass die Entscheidung über die vom Kläger begehrten Kosten schriftlich erfolgte (AS 200).
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Verfahrenskosten des Klägers mit EUR 1.684,32 (darin enthalten EUR 280,72 USt) und erkannte die beklagte Partei schuldig, diese Verfahrenskosten dem Kläger binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Rechtlich führte es dazu aus, dass nach nunmehr aktueller Rechtsprechung der Versicherte auch dann einen vollen Kostenersatzanspruch habe, wenn er mit seinem Begehren lediglich für einen bestimmten Zeitraum durchdringe.
Dagegen richtet sich der rechtzeitige Rekurs der beklagten Partei (ON 54) mit dem Antrag, die von der beklagten Partei zu ersetzenden Anwaltskosten auf insgesamt EUR 359,42 (inklusive USt) herabzusetzen „bzw einen weiteren Anspruch des Klägers auf Ersatz der Verfahrenskosten darüber hinaus zu verneinen“.
Unter Hinweis auf die Entscheidung 9 Rs 38/05g des Oberlandesgerichtes Wien führt die Rekurswerberin dazu aus, dass aufgrund der im gegenständlichen Verfahren bestätigten Arbeitsfähigkeit des Klägers zum ursprünglichen Stichtag 1.9.2004 und der damit verbundenen Richtigkeit der ursprünglichen Entscheidung der beklagten Partei, den Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension abzulehnen, sowie aufgrund der unüblich langen Verfahrensdauer ein bloß teilweiser Ersatz der Verfahrenskosten nach Billigkeit gerechtfertigt sei. Der Kläger hätte in der Verhandlung am 23.4.2007 die Klage zurückziehen und im Jahr 2007 einen neuerlichen Antrag wegen Verschlechterung stellen können. Der Kläger habe jedoch das Verfahren mutwillig weitergeführt.
Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung unter Hinweis auf die Entscheidung 7 Rs 33/07k des Oberlandesgerichtes Wien, dem Rekurs kostenpflichtig nicht Folge zu geben (ON 55).
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
§ 77 ASGG enthält für Sozialrechtssachen zwischen Versicherten und Versicherungsträgern eine von den vom Erfolgsprinzip geprägten Normen der §§ 41 ff ZPO weit abweichende Regelung zugunsten des Versicherten, die auch die Spezialnormen der ZPO verdrängt (vgl Neumayr in ZellKomm, § 77 ASGG, Rz 1; OLG Wien, 10 Rs 43/07b). Ist - wie im vorliegenden Fall - eine Rechtsstreitigkeit wegen einer wiederkehrenden Leistung Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt § 77 Abs 2 ASGG, dass der Versicherte auch im Falle eines nur teilweisen Obsiegens einen vollen Kostenersatzanspruch hat (vgl Neumayr, aaO, § 77 ASGG, Rz 16; vgl auch Fasching/Klicka in Tomandl, SV System 738).
Im Bereich wiederkehrender Leistungen sind das Ausmaß des Erfolgs und die Höhe des Streitwerts völlig unerheblich, solange der Versicherte nur irgendeinen Erfolg erzielt. Von einem Kostenersatzanspruch auf Basis einer Bemessungsgrundlage von EUR 3.600,-- ist daher auch dann auszugehen, wenn der Versicherte mit seinem Begehren lediglich für einen bestimmten Zeitraum durchdringt (vgl Obermaier , Kostenhandbuch Rz 409 mwN). Von einem vollständigen Unterliegen ist nur dann auszugehen, wenn der Versicherte nur das bereits seinerzeit bescheidmäßig zugesprochene erhält (vgl Neumayr, aaO, § 77 Rz 11; RIS-Justiz RS0111683). Die Bestimmung des § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG stellt nur auf den Prozesserfolg als solchen ab; unerheblich ist das Ausmaß dieses Erfolges bzw. die Relation des Prozesserfolges zum angefochtenen Bescheid der Versicherungsanstalt (RIS-Justiz RL0000041).
Auch nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats [vgl hg 7 Rs 71/08z, 7 Rs 33/07k und 7 Rs 158/08v (=RIS-Justiz RW0000390)] wie auch der überwiegenden Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien (10 Rs 43/07b; 9 Rs 183/06g; ggt 9 Rs 38/05g) steht dem Versicherten damit voller Kostenersatz auch dann zu, wenn die begehrte wiederkehrende Leistung nicht für den gesamten ursprünglich begehrten Zeitraum, sondern lediglich für einen - später beginnenden - Teilzeitraum zugesprochen werden kann. Maßgeblich für die Frage des Obsiegens ist allein die Sachlage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung. Ist in diesem Zeitpunkt das Klagebegehren oder ein Teil davon berechtigt, ist es unerheblich, ob der angefochtene Bescheid zum Zeitpunkt seiner Erlassung rechtmäßig war (OLG Linz 12 Rs 178/98 = SVSlg 47.667). § 86 ASGG ermöglicht quantitative Änderungen aus demjenigen Versicherungsfall, der den Gegenstand der Klage bildet ( Neumayr aaO § 86 Rz 6 mit zahlreichen Zitaten), ist jedoch keine kostenrechtliche Norm sodass §77 ASGG ungeachtet der durch § 86 ASGG bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten und ohne Unterscheidung von Verfahrensabschnitten (dazu vgl. Obermaier aaO Rz 416, 417) eben nur auf den im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung zu beurteilenden Prozesserfolg abstellt (vgl. 10 Rs 43/07b). Eine mutwillige Prozessführung liegt jedenfalls nicht vor.
Dem Rekurs der beklagten Partei war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung im Rekursverfahren gründet sich auf § 77 Abs Z 2 lit a ASGG, wobei der Ansatz nach TP3A gemäß § 11 Abs 1 zweiter Satz RATG auf jenen Betrag, dessen Aberkennung im Kostenrekursverfahren beantragt wurde, zu reduzieren war (vgl OLG Wien 7 Rs 71/08z und 7 Rs 158/08v; Obermaier aaO Rz 274ff und 596 zu TP 2, 3 und § 11 RATG, RZ 2008, 222 ; RATG idF BgBl. II 308/2008).
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 528 Abs2 3 ZPO.