3R101/07f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Jelinek als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Herberger und Mag.Guggenbichler in der Rechtssache der klagenden Partei U***** GmbH, *****, 3105 St. Pölten-Unterradelberg, vertreten durch Rechtsanwälte Dr.Amhof und Dr.Damian GmbH in Wien, wider die beklagte Partei „W***** GmbH, *****, 2230 Gänserndorf, wegen EUR 114.807,02 s.A. über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Handelsgericht vom 28.8.2007, GZ 4 Cg 68/07a-6, in nichtöffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
Mangels Erstattung einer Klagebeantwortung beantragte die Klägerin unter gleichzeitiger Verzeichnung von Prozesskosten in Höhe von EUR 4.817,01 die Fällung eines Versäumungsurteiles, welches vom Erstgericht am 9.7.2007 erlassen wurde. Im Versäumungsurteil sprach das Erstgericht der Klägerin lediglich Kosten in Höhe von EUR 3.952,77 zu. Das Versäumungsurteil wurde sowohl dem Klagevertreter als auch der Beklagten am 11.7.2007 zugestellt.
Den gegen das Versäumungsurteil am 24.8.2007 (Datum der Postaufgabe) erhobenen Kostenrekurs der Klägerin wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss unter Hinweis auf die Zustellung des Versäumungsurteiles am 11.7.2007 als verspätet zurück.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben und dem Erstgericht die Vorlage ihres Kostenrekurses aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Gemäß § 225 Abs 2 ZPO hat die verhandlungsfreie Zeit auf den Anfang und den Ablauf von Fristen in Ferialsachen, der Notfristen im Rechtsmittelverfahren gegen Versäumungs- und Anerkenntnisurteile, der Frist zur Erhebung des Widerspruchs gegen ein Versäumungsurteil, der Frist zum Einspruch gegen einen bedingten Zahlungsbefehl, der Frist zur Klagebeantwortung sowie der Frist zur Erhebung von Einwendungen im Mandatsverfahren und im Bestandverfahren keinen Einfluss.
Die Rekurswerberin meint, die Frist zur Erhebung des Kostenrekurses falle nicht unter diese Bestimmung, weil sich dieser nicht gegen das Versäumungsurteil an sich richte, sondern nur gegen die einen untrennbaren Konnex mit jenem bildende Kostenentscheidung. Dies ergebe sich aus dem vom Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 225 Abs 2 ZPO verfolgten Zweck, dem Kläger im Falle eines Versäumungsurteils rascher zur Gewissheit zu verhelfen, ob dagegen ein Rechtsmittel in Form der Berufung oder des Widerspruchs erhoben wird. Außerdem solle der Gläubiger in diesem Fall auch rascher unter Ausschluss der verhandlungsfreien Zeit exekutiv die Durchsetzung seiner Forderungen betreiben können. Ein Kostenrekurs habe aber ohnedies keine aufschiebende Wirkung, sodass er der Vollstreckbarkeit eines Versäumungsurteiles zu Gunsten der antragstellenden (in der Regel: klagenden) Partei nicht im Wege stehe, weshalb es für Kostenrekurse der Bestimmung des § 225 Abs 2 ZPO nach der Intention des Gesetzgebers nicht bedurft hätte.
Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen.
Die Rekurswerberin strebt eine teleologische Reduktion der in § 225 Abs 2 ZPO unter anderem für die Notfristen im Rechtsmittelverfahren gegen Versäumungsurteile geregelten Ausnahme von der Ablaufshemmung von Fristen aufgrund der verhandlungsfreien Zeit nach § 225 Abs 1 ZPO für die Frist zur Erhebung des Kostenrekurses an.
Das Gesetz differenziert in § 225 Abs 2 ZPO nicht zwischen Berufungsfrist und Frist zur Erhebung des Kostenrekurses, sondern spricht schlechthin von Notfristen im Rechtsmittelverfahren gegen Versäumungsurteile. Dass die bloße Anfechtung der Kostenentscheidung mittels Rekurs zu erfolgen hat (§ 55 ZPO), ändert nichts daran, dass die Kostenentscheidung Teil des Urteiles ist.
Bei der teleologischen Reduktion wird eine im Gesetz enthaltene, aber zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Zweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt (Lb Koziol/Welser Band I 11 , 31 mwN). Sie ist im Fall einer („verdeckten“) Gesetzeslücke vorzunehmen, die im Fehlen einer nach der ratio notwendigen Ausnahme besteht. Voraussetzung ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes - entgegen seinem Wortlaut - gar nicht getroffen wird und dass sich diese von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (Bydlinski in Rummel³ Rz 7 zu § 7 ABGB mwN).
Nun ist zwar richtig, dass der erkennbare Zweck der Aufnahme von Versäumungs- und Anerkenntnisurteilen in den Ausnahmenkatalog des § 225 Abs 2 ZPO darin besteht, dass in Fällen, in denen eine Bestreitung des Klagsanspruches nicht erfolgt, rasch geklärt werden soll, ob die gerichtliche Entscheidung rechtskräftig wird, doch sind die im Rekurs angestellten Überlegungen, warum dies für die Kostenentscheidung nicht gelten soll, keinesfalls von so zwingender Art, dass die Gleichbehandlung von Berufungs- und Rekursfrist sachlich ungerechtfertigt und willkürlich erschiene.
Die in einem Urteil enthaltene Entscheidung über den Kostenpunkt kann ohne gleichzeitige Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung nur mittels Rekurs angefochten werden (§ 55 ZPO). Die Rekursfrist beträgt 14 Tage (§ 521 ZPO). Ansonsten ist die Bekämpfung der Kostenentscheidung nur im Rahmen der binnen 4 Wochen einzubringenden Berufung, mit der das Urteil in der Hauptsache bekämpft wird, möglich. Nach der Intention des Gesetzgebers soll somit die in das Urteil aufgenommene Kostenentscheidung spätestens gleichzeitig mit der Bekämpfung des Urteiles in der Hauptsache - binnen 4 Wochen - anfechtbar sein. Die Frist zu Erhebung eines bloßen Kostenrekurses wird vom Gesetzgeber nur halb so lang bemessen wie jene zur Erhebung der Berufung. Es liefe daher auch der gesetzgeberischen Wertung, dass zur bloßen Bekämpfung der Kostenentscheidung nur eine wesentlich kürzere Frist zur Verfügung stehen soll als zur Bekämpfung eines Urteiles in der Hauptsache, zuwider, wollte man die Bestimmungen des § 225 Abs 2 ZPO dahin interpretieren, dass bei einem Versäumungsurteil durch die verhandlungsfreie Zeit zwar nicht die vierwöchige Berufungsfrist wohl aber die 14-tägige Frist zur Erhebung des Kostenrekurses gehemmt wird. Dies hätte nämlich zur Folge, dass entgegen den Fristenregelungen außerhalb der verhandlungsfreien Zeit - je nach dem Zeitpunkt der Zustellung - die Frist zur Erhebung eines bloßen Kostenrekurses wesentlich länger sein könnte als jene zur Erhebung der Berufung.
Die grundsätzlich angeordnete Fristenhemmung während der verhandlungsfreien Zeit trägt nicht zuletzt dem Bedürfnis der Rechtsanwaltschaft Rechnung, in der für Urlaubsreisen üblichen Kernzeit nicht innerhalb der vierwöchigen Berufungs- oder der (grundsätzlich) 14-tägigen Rekursfrist für die rechtzeitige Erhebung uU aufwendiger Rechtsmittel Sorge tragen zu müssen. Nun ist aber gerade die Erhebung eines Kostenrekurses gegen die Kostenentscheidung in einem Versäumungsurteil regelmäßig mit keinem nennenswerten Aufwand verbunden.
Es ist somit davon auszugehen, dass der Gesetzgeber, hätte er die Frist zur Erhebung von Kostenrekursen von der Bestimmung des § 225 Abs 2 ZPO ausnehmen wollen, dies ausdrücklich so geregelt hätte.
Das Erstgericht hat den Kostenrekurs der Klägerin daher zutreffend als verspätet zurückgewiesen (§ 523 ZPO), weshalb dem Rekurs nicht Folge zu geben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 und Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig (vgl. MGA 16 E 48 zu § 528 ZPO mwN).