JudikaturOLG Wien

7Ncs1/07p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
16. März 2007

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes DDr.Huberger als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Dr.Tarmann-Prentner und Maga. Smutny (Senat gemäß § 11 Abs.2 ASGG) in der Befangenheitsangelegenheit zu ***** Nc ***** des LG St.Pölten (betreffend dg. ***** Cgs *****) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Landesgericht St. Pölten zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Tochter des beim LG St.Pölten als Sachverständigen tätigen Facharztes Dr. H***** T*****, der auch nunmehr mit der Richterin des LG St.Pölten Dr. M***** B*****-T***** verheiratet ist, erhob zu ***** Cgs ***** gegen die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft im Rahmen der sukzessiven Kompetenz (§§ 65 ff ASGG) eine Klage wegen Waisenpension nach ihrer verstorbenen Mutter, im Zusammenhang mit dem Nichtgebühren dieser (Halb)Waisenpension für die Monate März bis Juni 2006 wegen Wegfalles der Kindeseigenschaft und eines aufzurechnenden Pensionsüberbezuges von EUR 1.493,05.

Die nach der Geschäftsverteilung des LG St.Pölten zuständige Richterin Mag. A***** R***** M***** hat beim Präsidenten des LG St.Pölten ihre Befangenheit im Hinblick auf die persönlich-beruflichen Kontakte mit der Stiefmutter der Klägerin (richtig wohl „Stieftochter" und nicht „Schwieger"tochter) Richterin des LG St.Pölten Dr. M***** B*****-T***** angezeigt (ON 2).

Der Präsident des LG St.Pölten hat den Akt gemäß § 23 JN dem OLG Wien mit Note vom 2.3.2006 vorgelegt und ausgeführt, dass die gegebene, eingangs dargelegte [familiäre] Situation bei jeder Richterin und jedem Richter des LG St.Pölten die Frage der Befangenheit aufwerfe und für einen objektiven Beobachter, insbesondere die beklagte Partei den Anschein der Befangenheit vermittle, sodass der gesamte Gerichtshof als befangen anzusehen sei.

Insbesondere bei größeren Gerichten reicht selbst der Umstand, dass ein dem Gremium angehörender Richter involviert sein könnte, für sich allein noch nicht aus, die Befangenheit aller anderen Mitglieder dieses Gerichtes auch dann anzunehmen, wenn sie darlegen, mangels weiterer als beruflicher Kontakte mit dem Kollegen, nicht befangen zu sein (vgl. Rechtssatz Justiz RS0046129, insbesondere auch 1 Ob 13/90 = EvBl 1990/145 S 743). Grundsätzlich spricht die Vermutung für die Unparteilichkeit eines Richters, solange nicht Sachverhalte dargetan worden sind, die das Gegenteil annehmen lassen (vgl. dazu auch OGH vom 25.5.2004 5 Nc 11/04v). Es mag zwar zutreffen, dass dann, wenn die Mehrheit der Richterschaft eines Gerichtes ihre Befangenheit anzeigt, die Befangenheit jener wenigen Richter des Gerichtshofes, die sich nicht für befangen erklärt haben, aus der Gesamtsituation zu sehen ist, sodass es dann zu einer notwendigen Delegation gemäß § 30 JN kommen müßte (vgl. OGH vom 27.9.2001, 6 Nd 510/01; RS0046132).

Rechtliche Beurteilung

Diese Situation liegt aber nach der Aktenlage beurteilbar noch nicht vor, weil die Einholung von Äußerungen der weiteren Richter des LG St. Pölten bisher nicht erfolgt ist (vgl. in diesem Sinne auch OGH vom 26.3.1997 3 Ob 2228/96k), sodass erst dann, wenn - allenfalls mit Ausnahme ganz weniger Richter des LG St.Pölten - eine Befangenheit begründet anzunehmen wäre, zu prüfen und zu beurteilen sein wird, ob eine solche Sondersituation vorliegt, dass eine aus den äußeren Umständen abzuleitende Besorgnis bei allen Richtern und Richterinnen des Gerichtshofes anzunehmen ist, sodass bei der Entscheidung andere als rein sachliche Motive für den gesamten Gerichtshof bzw. dessen richterlichen Mitglieder eine Rolle spielen könnten.

Mangels einer derzeit vorliegenden entsprechen- den Entscheidung des LG St.Pölten aber auch dem Umstand des Nichtvorliegens der Äußerungen der übrigen Mitglieder des Gerichtshofes, sind die Akten dem vorlegenden Gericht - derzeit - zurückzustellen (vgl. dazu in anderer Konstellation hins. der Rückstellung der Akten OGH vom 7.12.2004 1 Nc 116/04f).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, weil auch derzeit nach der Aktenlage noch keine Delegationsentscheidung möglich erscheint. Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

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