8Rs185/06v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Manica als Vorsitzenden sowie den Richter des Oberlandesgerichtes DDr. Schwarz und die Richterin des Oberlandesgerichtes Mag. Schredl (Senat nach § 11a Abs 2 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *****, 9800 Spittal a.d. Drau, Löhnestraße 41/8, vertreten durch *****, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, wider die beklagte Partei *****, 1040 Wien, Operngasse 17-21, vertreten durch *****, ebenda, wegen Insolvenz-Ausfallgeld, infolge Kostenrekurses der beklagten Partei (Rekursinteresse EUR 41,76) gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26.9.2006, 7 Cgs 148/06i-9, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie im Kostenpunkt zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 556,02 (darin EUR 77,50 USt und EUR 91,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Mit dem Urteil vom 26.9.2006 erkannte das Erstgericht die beklagte Partei schuldig, dem Kläger EUR 660,- netto zu bezahlen sowie ihm die mit EUR 606,14 (darin EUR 85,86 USt und EUR 91,- Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.
Rechtliche Beurteilung
Nur gegen die Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, dem Kläger nur EUR 556,02 an Prozesskosten zuzuerkennen. Das Erstgericht habe für die Klage den doppelten Einheitssatz zugesprochen, obwohl es sich nach ständiger Rechtsprechung bei Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 1, 2 und 4 bis 8 ASGG nicht um Fälle des § 23 Abs 6 RATG handle. Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.
Nach § 23 Abs 6 RATG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2004/128 ist in Rechtsstreitigkeiten, in denen ein bedingter Zahlungsbefehl zu erlassen ist oder in denen die Beantwortung der Klage nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung aufgetragen wird - vorbehaltlich des Abs. 7 - auch für die Klage, die Beantwortung der Klage und den Einspruch gegen den Zahlungsbefehl der auf diese Leistung entfallende Teil des Einheitssatzes doppelt zuzusprechen.
Nach der ständigen Rechtsprechung handelt es sich bei einer Klage in einer Sozialrechtssache wie im vorliegenden Fall nach § 65 Abs 1 Z 7 ASGG jedoch nicht um einen Fall des § 23 Abs 6 RATG. Die Bestimmung des § 23 Abs 6 RATG wurde im Rahmen der Zivilverfahrensnovelle 1983 als honorarrechtlicher Ausgleich für jene Fälle geschaffen, in denen aufgrund des nunmehr obligatorischen Mahnverfahrens oder der Möglichkeit, sofort eine Klagebeantwortung aufzutragen, eine Verdienstmöglichkeit für den Rechtsvertreter entfiel. In weiterer Folge kam es durch BGBl I Nr. 93/2003 zu einer Neufassung des § 23 Abs 6 RATG, um den Änderungen der Zivilverfahrensnovelle 2002 Rechnung zu tragen.
Schon vor der Neufassung des § 23 Abs 6 RATG durch BGBl I 93/2003 verweigerte die stRsp (siehe OLG Linz, 12 Rs 49/04v und 12 Rs 77/04m mwN; OLG Wien SVSlg 50.390; OGH 10 ObS 169/91 = SSV-NF 5/77; RIS-Justiz RS0072316) den Zuspruch des doppelten Einheitssatzes im Sozialrechtsverfahren, da in Rechtsstreitigkeiten über den Bestand, den Umfang oder das Ruhen eines Anspruches auf Versicherungsleistungen schon vor dem In-Kraft-Treten der ZVN 1983 weder ein bedingter Zahlungsbefehl erlassen, noch eine erste Tagsatzung anberaumt werden durfte (OLG Linz, 12 Rs 77/04m; Obermaier, Kostenhandbuch, Rz 421).
§ 23 Abs 6 in der nunmehr geltenden Fassung BGBl I 2004/128 stellt - im Unterschied zu § 26 Abs 3 RATG idF ZVN 2002, BGBl I 2003/93 - nicht mehr auf den Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung „nach
§ 243 ZPO" ab, wobei es sich offenkundig um einen Redaktionsfehler handelte (OLG Linz, 12 Rs 77/04m), sondern nur auf den Auftrag hiezu im Sinne der „Bestimmungen der Zivilprozessordnung". Die direkte Klagebeantwortung des Sozialversicherungsträgers war allerdings schon bisher nach § 85 ASGG und nicht „nach den Bestimmungen der ZPO" zu erstatten, woraus die Rechtsprechung ableitete, dass im sozialgerichtlichen Verfahren auch gem. der Rechtslage BGBl I 2003/93 für die Klage nur der einfache Einheitssatz gebührt (OLG Linz, 12 Rs 102/04p).
In den Erläuternden Bemerkungen zur ZVN 2004 (613 der BlgNR XXII. GP) stellte der Gesetzgeber klar, dass es seiner Intention entspricht, den doppelten Einheitssatz bei Direktauftrag zur Klagebeantwortung nur im Cg-Verfahren und nicht im sozialgerichtlichen Verfahren anzuordnen. Damit liegt zumindest seit der Geltung des § 23 Abs 6 RATG idF der ZVN 2004, das heißt seit 1.12.2004, weder eine Regelungslücke noch ein Versehen des Gesetzgebers vor, sodass für die Klage beim Sozialgericht nur der einfache Einheitssatz gebührt. Das entspricht auch der oben zitierten Rechtsprechung vor den Novellen BGBl I 2003/93 und BGBl I 2004/128, sodass insofern keine Änderung der Rechtslage, sondern nur eine gesetzgeberische Klarstellung erfolgte (Obermaier, Kostenhandbuch, Rz 421 und 532; OLG Wien, 8 Rs 52/05h).
Aus diesen Ausführungen ergibt sich zusammenfassend, dass auch durch die Neufassung der Bestimmung des § 23 Abs 6 RATG durch Art XII BGBl I Nr 128/2004 (Zivilverfahrens-Novelle 2004) in Sozialrechtsstreitigkeiten - wie bereits bisher- weder für die Klage noch für die Beantwortung der Klage der auf diese Leistung entfallende Teil des Einheitssatzes doppelt zuzusprechen ist. Dem Kostenrekurs der beklagten Partei kommt daher Berechtigung zu. Die erstgerichtliche Kostenentscheidung war dahin abzuändern, dass dem Kläger für die Klage nicht der doppelte Einheitssatz, insgesamt sohin ein Betrag von EUR 556,02 zuzuerkennen war.
Da im Rekursverfahren keine Kosten verzeichnet wurden, hatte eine Kostenentscheidung zu entfallen.
Der Revisionsrekurs ist gem. §§2 ASGG, 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls
unzulässig.
Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11