JudikaturOLG Wien

8Rs9/05k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 2005

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Manica als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter DDr.Schwarz und Mag.Atria in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *****, 1120 Wien, *****, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Gebührenbeschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18.11.2004, 10 Cgs 137/03i-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Gebührenrechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Beschlussfassung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Aufgrund des Gerichtsauftrages vom 21.6.2004 (in ON 13) erstattete der Sachverständige ***** das neurologisch-psychiatrische Sachverständigen-Gutachten ON 14, wobei ein neurologischer Status und psychopathologischer Status erhoben wurden. Der Sachverständige stellte für das neurologische und psychiatrische Gutachten jeweils einen Betrag von € 177,--, somit € 354,-- unter Hinweis auf eine Vereinbarung vom 1.5.2004 als Honorar in Rechnung.

Die Beklagte sprach sich gegen die doppelte Verrechnung der Pauschalgebühr aus, zumal hiebei Aufwendungen für Zeitversäumnis, Anamneseerhebung, Schreibgebühr, Porto doppelt abgegolten würden.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen ***** für das neurologische und das psychiatrische Gutachten jeweils mit € 177,--, somit insgesamt mit € 354,--. Es stützte sich hiebei auf eine Vereinbarung zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, dem Hauptverband der gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs und betroffenen Versicherungsträgern über eine Pauschalierung der Sachverständigengebühr in Sozialgerichtsverfahren vom 22.4.2004, in Wirksamkeit getreten am 1.5.2004. Nach dieser Vereinbarung sei für die Erstattung eines Gutachtens inklusive Teilnahme an der Verhandlung ein Pauschalbetrag von € 177,-- vorgesehen. Der Sachverständige ***** habe daher für das neurologisch-psychiatrische Gutachten Anspruch auf die doppelte Pauschalgebühr. Die Vertreterin der beklagten Partei sei jedenfalls nicht zu einer Aufkündigung dieser Vereinbarung befugt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die Gebühr des Sachverständigen mit € 177,-- zu bestimmen, in eventu die Kostenentscheidung zur Verfahrensergänzung aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Sinne des subsidiär gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Auszugehen ist davon, dass der Sachverständige für seine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren einen öffentlich-rechtlichen Gebührenanspruch gegen den Bund (repräsentiert durch das Gericht) hat. Zwischen den Parteien und dem vom Gericht bestellten Sachverständigen werden keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen privatrechtlicher Natur hergestellt. Zur Geltendmachung des Gebührenanspruches des Sachverständigen ist das besondere Verfahren nach dem GebAG 1975 ausschließlich vorgesehen (Krammer-Schmidt, MGA, GebAG³, Anm 1 zu § 38). Der Sachverständige hat den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen nach Abschluss seiner Tätigkeit bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich, unter Aufgliederung der einzelnen Gebührenbestandteile, bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen (§ 38 Abs 1 GebAG 1975). Die Gebühren des Sachverständigen sind grundsätzlich nach den Bestimmungen des GebAG zu bestimmen (aaO, E 39 zu § 38 GebAG 1975). Verzichtet der Sachverständige auf die Zahlung der Gebühr aus Amtsgeldern, so steht ihm im zivilgerichtlichen Verfahren eine höhere als die vorgesehene Gebühr dann zu, wenn die Parteien einvernehmlich der Bestimmung der Gebühr in dieser Höhe zustimmen oder wenn die Parteien innerhalb der gemäß § 39 Abs 1 letzter Satz GebAG 1975 festgesetzten Frist gegen die vom Sachverständigen verzeichneten Gebühren keine Einwendungen erhoben (§ 37 Abs 2 GebAG 1975). Einem Sachverständigen steht auch dann eine höhere als die im GebAG 1975 vorgesehene Gebühr zu, wenn in Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 3 ASGG die Parteien, in sonstigen Sozialrechtssachen der Versicherungsträger der Bestimmung in dieser Höhe zugestimmt haben (§ 42 Abs 1 Z 2 ASGG).

Aus der Rechtsnatur des Gebührenanspruches des Sachverständigen im Zusammenhang mit den zitierten Regeln, nach denen dem Sachverständigen eine höhere als im GebAG 1975 vorgesehene Gebühr zustehe, folgt, dass die vom Sachverständigen und der beklagten Partei angesprochene Pauschalvereinbarung vom Gericht weder unmittelbar anzuwenden ist noch das Gericht in sonstiger Weise bindet . Diese Vereinbarung gelangt daher nur mittelbar zur Anwendung, wenn ein Sachverständiger seine Gebühr auf der Grundlage dieser Vereinbarung pauschaliert und der Versicherungsträger zustimmt (vgl. aaO, Anm 8 und 9 zu § 37 GebAG; auch OLG Wien 8 Rs 35/96 = RIS-Justiz RW0000102; 8 Rs 216/99i, auch 9 Rs 208/99w). Unterbleibt jedoch die Zustimmung des Versicherungsträgers, ist vom Gericht nicht zu prüfen, ob sich der Sachverständige und/oder der Versicherungsträger an die Vereinbarung gehalten hat. Können keine höheren Gebühren des Sachverständigen gemäß den §§ 37 Abs 2 GebAG, 42 Abs 1 Z 2 ASGG bestimmt werden, so unterliegt die Geltendmachung der Gebühr dem § 38 GebAG 1975 bzw. die Bestimmung der Gebühr nach den Ansätzen des GebAG 1975. In einem derartigen Fall ist jedoch eine Aufgliederung der einzelnen Gebührenbestandteile unumgänglich. Diese Aufgliederung hat nicht das Gericht von Amts wegen, sondern der die Gebühr geltend machende Sachverständige vorzunehmen (§ 38 Abs 1 GebAG 1975). Verzeichnet der Sachverständige eine nicht oder nicht ausreichend aufgegliederte Gebühr, ist er vom Gericht unter Fristsetzung aufzufordern, die Aufgliederung vorzunehmen (SV-Slg 36.775 ua).

Erklärte sich die Vertreterin der beklagten Partei mit der vom Sachverständigen begehrten doppelten Pauschalverrechnung nicht einverstanden, so kann jedenfalls von einer Aufkündigung der Pauschalvereinbarung keine Rede sein. Es kann auch der beklagten Partei beigepflichtet werden, dass bei der Erstattung eines neurologisch und psychiatrischen Gutachtens bestimmte, nur einmal anfallende und nur einmal zustehende Gebührenteile wie für Aktenstudium, Zeitversäumnis, Fahrtkosten, Schreibgebühr, Teilnahme an einer Verhandlung bei einer doppelten Pauschalierung neuerlich ungebührlicherweise berücksichtigt wurden.

Da die beklagte Partei der vom Sachverständigen begehrten Pauschalierung nicht zugestimmt hat, wird das unterbliebene Verbesserungsverfahren nachzuholen sein und der Sachverständige wird seine Gebühr aufzugliedern haben. Hiebei ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber durch die Verwendung des Wortes “oder” in den lit b, d, e des § 43 Abs 1 Z 1 GebAG 1975 zwischen den Attributen “neurologisch” und “psychiatrisch” der darin erwähnten Untersuchungen und in den Nachsätzen der lit d und e zu erkennen gegeben hat, dass er jede dieser neurologischen oder psychiatrischen Fachuntersuchungen jeweils mit den in den angeführten Bestimmungen genannten Sätzen honoriert wissen will (MGA, GebAG³, E 62 zu § 43).

Aus den angeführten Gründen war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass auch nach Aufschlüsselung gemäß den Bestimmungen des GebAG der Gebührenanspruch mit der Höhe der ursprünglich geltend gemachten Gebühr limitiert bleibt.

Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO iVm § 2 ASGG ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Die gemäß § 42 Abs 3 GebAG erforderlichen Anordnungen bleiben dem Erstgericht vorbehalten.

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