JudikaturOLG Wien

3R131/03m – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. September 2003

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Mayer als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Bibulowicz und Dr. Herberger in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Schneider Schneider, Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch Braunegg Hoffmann Partner, Rechtsanwälte in 1013 Wien, wegen j 66.310,28 s.A., über die Rekurse der beklagten Partei gegen die Beschlüsse des Handelsgerichtes Wien vom 16.7.2003, GZ 30 Cg 117/02m-21 und vom 25.6.2003, GZ 30 Cg 117/02m-18 (Rekursinteresse jeweils j 5.000,--), in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Klägerin war Pächterin einer Tankstelle der Beklagten. Der Vertrag wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 21.12.2000 zum 30.6.2001 gekündigt. Gegenstand der Klage ist die Geltendmachung eines Ausgleichsanspruches gemäß § 24 Handelsvertretergesetz.

Die Beklagte bestritt die Richtigkeit einer von der Klägerin zum Beweis der von dieser behauptetermaßen zugeführten Stammkunden vorgelegten “Stammkundenliste” (Beil ./D) und beantragte, “durch Sachverständigengutachten aus dem Bereich Marktforschung die Motive von Tankstellenkunden, sich für eine bestimmte Tankstelle zu entscheiden, sowie die Frequenz an der Tankstelle der Klägerin durch Stammkunden zu ermitteln” (Seite 8 in ON 5).

Die Klägerin beantragte daraufhin ebenfalls die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet der Marktforschung “zum Beweis für die Akquisition der in der Stammkundenliste angeführten Kunden und deren Bindung als Stammkunden an die von ihr geführte Tankstelle” (S 2 in ON 10) sowie zum Beweis dafür, “dass auf die in der Zeit vom 3.8.1995 bis 30.6.2001 an die gegenständliche Tankstelle gebundenen Stammkunden insgesamt 60 % ihres damaligen Treibstoffumsatzes entfallen sei (S 1 in ON 17).

Die Beklagte ließ aus der von der Klägerin vorgelegten “Stammkundenliste” 50 Personen stichprobenartig durch eine von ihr beauftragte Auskunft- und Detektei unter anderem hinsichtlich der Intensität ihrer Frequentierung der gegenständlichen Tankstelle und hinsichtlich ihrer Motive für deren Besuch befragen und legte einen diesbezüglichen Bericht mit Schriftsatz vom 1.4.2003 ON 11 vor. Nachdem sich die Klägerin gegen diese Vorgangsweise ausgesprochen hatte, erörterte das Erstgericht in der mündlichen Verhandlung am 25.5.2003 mit den Parteien die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Marktforschung (ON 17).

Mit Beschluss vom 25.6.2003 trug das Erstgericht den Parteien einen Kostenvorschuss von je j 5.000,-- für die voraussichtlichen Gebühren des Sachverständigen aus dem Gebiet der Marktforschung auf. Den von der Beklagten dagegen erhobenen Rekurs vom 8.7.2003 (beim Erstgericht überreicht am 10.7.2003) wies es in Punkt 2.) des angefochtenen Beschlusses vom 16.7.2003 ON 21 teilweise zurück. Rechtlich erwog es, gemäß § 332 Abs 2 iVm § 365 ZPO sei lediglich die Höhe des auferlegten Kostenvorschusses bekämpfbar. Auch jenseits der Anfechtungsgrenze von j 2.500,-- könne hingegen die Frage, wer Beweisführer und daher zum Kostenvorschuss verpflichtet ist, im Rekursverfahren nicht aufgeworfen werden, weshalb die Anträge gemäß Punkt 1 bis 3 als unzulässig zurückzuweisen seien.

Lediglich der in Punkt 4. gestellte Eventualantrag, welcher sich gegen die Höhe des auferlegten Kostenvorschusses richte, sei zulässig.

Der Antrag auf einstweilige Hemmung des Verfahrens sei als verfehlt abzuweisen, weil der Beschluss eines ausführbaren oder vollstreckbaren Inhaltes entbehre.

Lediglich gegen die Zurückweisung ihres Rekurses vom 8.7.2003 in den Punkten 1 bis 3 ihrer dortigen Rekursanträge, welche sich gegen den Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses dem Grunde nach wenden, richtet sich der Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss ON 21 vom 16.7.2003, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss “ersatzlos aufzuheben sowie dem Handelsgericht Wien aufzutragen, den Rekurs vom 8.7.2003 zur Entscheidung über die Rekursanträge 1 bis 3 dem Rekursgericht vorzulegen”.

Der Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 16.7.2003 (ON 21) ist nicht berechtigt.

Gemäß §§ 365 iVm 332 Abs 2 ZPO können Beschlüsse, mit denen der Erlag eines Kostenvorschusses für einen Sachverständigenbeweis aufgetragen wird, nur hinsichtlich der Höhe und nur dann angefochten werden, wenn der Gesamtbetrag der einer Partei aufgetragenen Vorschüsse j 2.500,-- übersteigt.

Die Frage, ob der Auftrag zum Erlag eines Sachverständigenkostenvorschusses bei Übersteigen des Betrages von j 2.500,-- auch dem Grunde nach (also mit der Begründung, der Vorschuss sei ihm zu Unrecht auferlegt worden, weil der Rekurswerber nicht Beweisführer im Sinn des § 365 ZPO ist) angefochten werden kann, wird in der Rechtsprechung kontroversiell beantwortet.

In 17 R 142/00b (WR 896) und 16 R 203/02v, jeweils des OLG Wien, wird die Anfechtbarkeit dem Grunde nach bejaht. Nach dem Ausschussbericht zur ZVN 1983 diene diese mit dieser Novelle eingeführte Anfechtungsbeschränkung dem Ausgleich zwischen dem Anliegen der Prozessbeschleunigung und dem Anliegen, eine erhebliche Beeinträchtigung der Rechtsverfolgung desjenigen, der nicht beweispflichtig ist und dennoch mit einem Kostenvorschuss belastet oder durch Überschätzung der Kosten benachteiligt werde hintanzuhalten. § 365 ZPO ordne nur die sinngemäße Anwendung des § 332 Abs 2 ZPO an. Nach dem Regelungszweck werde bis zur Anfechtungsgrenze von j 2.500,-- der Prozessbeschleunigung, darüber aber der Überprüfung sowohl der Höhe des Kostenvorschusses als auch der Beweispflicht der Vorrang eingeräumt.

In OLG Wien 18.4.1997, 15 R 62/97s (u.a.) wird die Anfechtbarkeit von Entscheidungen über Kostenvorschüsse dem Grunde nach verneint. Die Beschränkung der Bekämpfung auf die bloße Höhe des Kostenvorschusses werde beiden Zielen, nämlich einerseits der Prozessbeschleunigung und andererseits der Vermeidung einer erheblichen Beeinträchtigung der Rechtsverfolgung gerecht. Die gegenteilige Ansicht liefe auf die Wiederbelebung des Beweisinterlokuts hinaus. Das Rechtsmittelgericht könnte bei jeder Überschreitung der Grenze von (nunmehr) j 2.500,-- angerufen werden, damit es seine Wohlmeinung über die gesamte vom Gutachten betroffene Sach- und Rechtslage nach dem jeweiligen Verfahrensstand abgebe. Dies würde zu einer erheblichen Prozessverzögerung führen. Darüber hinaus würde eine solche Auslegung gerade in Handelssachen zu vernünftig kaum lösbaren Bindungsproblemen führen. Würde die Wohlmeinung des Rechtsmittelgerichtes im Beweisinterlokut nicht mit Bindungswirkung auch für dieses selbst ausgestattet, sodass es auch bei identer Sach- und Rechtslage seine Meinung anlässlich der Endentscheidung in der Hauptsache ändern könnte, wäre dies für die rechtssuchenden Parteien unzumutbar. Eine Bindung des Rechtsmittelgerichtes auch für die Endentscheidung stünde aber nicht im Einklang mit der Zweiseitigkeit des Berufungsverfahrens. Darüber hinaus weiche in Handelssachen die Gerichtsbesetzung im Berufungsverfahren von derjenigen im Rekursverfahren über einen Kostenvorschuss ab.

Der erkennende Senat schließt sich der wohl begründeten Ansicht in 15 R 62/97s des OLG Wien an. Hervorzuheben ist, dass der Gesetzeswortlaut (“nur hinsichtlich seiner Höhe”) eindeutig gegen eine Anfechtbarkeit dem Grunde nach spricht. Auch daraus, dass die Anfechtungsbeschränkung in § 332 (welcher den Kostenvorschuss für Zeugengebühren regelt) Abs 2 letzter Satz ZPO enthalten ist und für die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, mit dem ein Kostenvorschuss für Sachverständigengebühren aufgetragen wurde, kraft des Verweises in § 365 letzter Satz ZPO, wonach § 332 Abs 2 sinngemäß anzuwenden ist, gilt, ist für die Bejahung einer Anfechtbarkeit auch dem Grunde nach - entgegen der Auffassung im Rekurs - nichts gewonnen. Unrichtig ist, dass beim Zeugenbeweis regelmäßig unstrittig ist, wer als Beweisführer im Sinne der ZPO anzusehen ist, nämlich jene Partei, welche den Zeugen beantragt hat und es daher nach dem Regelungszweck nur dort ausgeschlossen sein soll, die Kostenvorschusspflicht dem Grunde nach durch das Rechtsmittelgericht überprüfen zu lassen. Es mag zwar in der Mehrzahl der Fälle zutreffen, dass sich lediglich eine Partei auf einen bestimmten Zeugen beruft, doch kommt es auch nicht selten vor, dass sich beide Parteien auf den selben Zeugen berufen, eine Partei zum Beweis des Vorliegens einer bestimmten Tatsache, die andere Partei zum Beweis ihres Nichtvorliegens. Auch in einem solchen Fall kann es strittig sein, wer “Beweisführer” ist und stellt sich somit dieselbe Problematik wie beim Sachverständigenbeweis.

Wenn § 365 letzter Satz ZPO die “sinngemäße” Anwendung des § 332 Abs 2 anordnet, so darf nicht übersehen werden, dass letztere Bestimmung nicht nur die in Rede stehende Anfechtungsbeschränkung, sondern vorweg die (für den Zeugenbeweis geltende) Bestimmung enthält, dass bei nicht rechtzeitigem Erlag des Vorschusses die Ausfertigung der Ladung zu unterbleiben und die Verhandlung auf Antrag des Gegners ohne Rücksicht auf die ausstehende Beweisaufnahme fortzusetzen ist. In sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmung hat somit beim Sachverständigenbeweis nicht bloß die Ladung des Sachverständigen sondern schon dessen Bestellung zu unterbleiben. Die Auslegung des Wortes “sinngemäß” dahin, dass die Wortfolge “nur hinsichtlich seiner Höhe” in § 332 Abs 2 letzter Satz ZPO zu entfallen hat, ist als vom Wortsinn nicht mehr umfasst und exzessiv ausdehnend abzulehnen. Es ist davon auszugehen, dass, hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Auftrag zum Erlag eines Sachverständigenvorschusses bei Übersteigen des Betrages von j 2.500,-- auch dem Grunde nach anfechtbar sein soll, dies in der Verweisungsbestimmung des § 365 letzter Satz ZPO durch Aufnahme eines Zusatzes wie etwa “die Einschränkung der Anfechtbarkeit nur hinsichtlich seiner Höhe gilt nicht” geregelt hätte.

Einer teleologischen Reduktion steht insbesondere entgegen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber ein Beweisinterlokut im einseitigen Rekursverfahren mit Bindungswirkung für das Rechtsmittelgericht bei der Entscheidung in der Hauptsache im zweiseitigen Berufungsverfahren (nicht zuletzt auch wegen der unterschiedlichen Senatsbesetzung im Rekurs- und Berufungsverfahren in Handelssachen) eröffnen wollte. Dass die Entscheidung über die Beweislastverteilung im Rahmen der Überprüfung des Auftrags zum Erlag eines Kostenvorschusses für das Rechtsmittelgericht bei der Entscheidung in der Hauptsache nicht bindend sein soll, wäre aber für die Parteien unzumutbar.

Schließlich stellt auch der Auftrag zum Erlag eines Sachverständigengebührenvorschusses eine Entscheidung “über die Gebühren der Sachverständigen” im Sinn des § 528 Abs 2 Z 5 ZPO dar (MGA 15 , E 114 zu § 528 ZPO mwN, 5 Ob 149/97s). Die Entscheidung über Sachverständigengebühren sieht der Gesetzgeber als von soweit untergeordneter Bedeutung an, dass darüber ein Rechtszug an den OGH gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO jedenfalls unzulässig ist. Es wäre daher ein Wertungswiderspruch, die Entscheidung über die für den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache häufig erheblich bedeutsame Frage der Beweislastverteilung in eine Rekursentscheidung über die Gebühren der Sachverständigen vorzuverlagern, ohne ab einem bestimmten Streitwert der Hauptsache zumindest bei divergierenden Entscheidungen erster und zweiter Instanz den Rechtszug an den OGH zu ermöglichen.

Ein Wertungswiderspruch zwischen der Verneinung der Anfechtbarkeit des Auftrages zum Erlag eines Sachverständigenkostenvorschusses dem Grunde nach einerseits und der Anfechtbarkeit des gemäß § 2 Abs 2 GEG für den Fall der Auszahlung von Sachverständigengebühren aus Amtsgeldern (bei Übersteigen des Betrages von j 300,--) zu fassenden Grundsatzbeschlusses besteht hingegen nicht, weil es beim Grundsatzbeschluss des § 2 Abs 2 GEG lediglich darum geht, welche Partei für den bereits aufgenommenen Sachverständigenbeweis bestimmte und aus Amtsgeldern auszuzahlende Sachverständigengebühren dem Bund rückzuersetzen hat, nicht jedoch darum, welche Partei einen Kostenvorschuss zu erlegen hat, damit der Sachverständigenbeweis überhaupt erst aufgenommen wird.

Das Erstgericht hat daher mit Beschluss vom 16.7.2003, ON 21, den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss vom 25.6.2003, ON 18, soweit sich dieser gegen den Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses dem Grunde nach richtet, zutreffend zurückgewiesen.

Die vom Erstgericht erkennbar vorgenommene Abweisung des Antrages der Beklagten, ihrem Rekurs vom 8.7.2003 hemmende Wirkung zuzuerkennen, wird von der Beklagten nicht bekämpft, weshalb darauf nicht einzugehen ist.

Dem Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss vom 16.7.2003, ON 21, war daher nicht Folge zu geben.

Zulässig ist der Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss vom 25.6.2003, ON 18, mit welchem auch der Beklagten ein Kostenvorschuss von j 5.000,-- aufgetragen wurde, nur insoweit, als er sich gegen die Kostenvorschusshöhe richtet (Punkt 4 der dortigen Rekursanträge).

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Zur Höhe des der Beklagten auferlegten Kostenvorschusses enthält der Rekurs keinerlei Ausführungen. Er ist daher in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt. Dass mit der Beantwortung der an den Sachverständigen heranzutragenden Fragen eine erhebliche Mühewaltung verbunden sein wird, kann als notorisch angesehen werden, sodass eine exzessive Bemessung der aufgetragenen Kostenvorschüsse durch das Erstgericht nicht zu erkennen ist.

Dem Rekurs gegen den Beschluss ON 18 vom 25.6.2003 (soweit er zulässig ist) war daher ebenfalls nicht Folge zu geben.

Gemäß § 41 Abs 3 GebAG findet ein Kostenersatz nicht statt. Dies gilt für alle Kosten im Rahmen der Gebührenbestimmung, demnach auch für den Rekurs gegen den Auftrag zum Erlag eines Sachverständigengebührenvorschusses (OLG Wien 14.10.2002, 16 R 203/02v). Darüber hinaus hat die Beklagte die Kosten ihrer erfolglosen Rekurse auch gemäß §§ 40, 50 ZPO selbst zu tragen.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 528 Abs 2 Z 2 und 5 ZPO.

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