Das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht hat durch die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Dallinger (Vorsitzender) und Dr. Solé sowie durch die Kommerzialräte Dr. Taurer und Mag. Ginner als weitere Senatsmitglieder in der Kartellrechtssache der Antragsteller B*****, vertreten durch den Kartellbevollmächtigten *****R*****, Rechtsanwalt in Wien, betreffend das durch das mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs betraute kooperative Gemeinschaftsunternehmen begründete Kartell wegen Genehmigung des Kartells in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Bewilligt wird die Eintragung in das Kartellregister, Abteilung K zur Reg-Zahl K 125:
Das Kartell wird für einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren ab Rechtskraft dieses Beschlusses genehmigt.
Begründung:
Mit einem am 29.11.2002 bei Gericht überreichten Schriftsatz beantragten die oben genannten Kartellmitglieder zunächst die Feststellung nach § 8a KartellG, dass die beabsichtigte Übertragung der Aktivitäten im Bereich "Abwicklung des Zahlungsverkehrs" auf ein gemeinsam kontrolliertes Teilfunkionsgemeinschaftsunternehmen und die Ausübung der gemeinsamen Kontrolle über dieses mangels kartellgesetzlich relevanter Wettbewerbsbeschränkungen weder als Kartell noch als wettbewerbswidrige Vereinbarung oder als abgestimmte Verhaltensweise (im Sinne des Art 81 Abs 1 des EG-Vertrages) anzusehen sei; in eventu die Genehmigung als Wirkungskartell für die Dauer von fünf Jahren.
Mit Schriftsatz vom 6.6.2003, 27 Kt 456/02-32, wurde der Feststellungsantrag nach § 8a KartG zurückgezogen und der Antrag auf Genehmigung eines Wirkungskartells zum Hauptantrag erhoben.
Zur Begründung brachten die Kartellmitglieder vor, sie beabsichtigen, ihre derzeitigen Aktivitäten im Bereich "Abwicklung des Zahlungsverkehrs" auf ein gemeinsam kontrolliertes Teilfunktionsgemeinschafts- unternehmen zu übertragen. Als erster Schritt sei nach diesen Zielvorgaben die Verknüpfung der nationalen Kreditinstitute zu einem nationalen System der Massenzahlungsverkehrsabwicklung erforderlich.
Die Schaffung eines bankenübergreifenden Clearing-Systems in Österreich sei aber nicht nur vor diesem europäischen Hintergrund sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht erforderlich. Das gegenständliche Projekt lasse beträchtliche Skaleneffekte und Ablaufvereinfachungen erwarten.
Der Bereich "Abwicklung des Zahlungsverkehrs" umfasse unabhängig vom Anlieferungsmedium (beleghaft/beleglos=elektronisch) vom Auftraggeber (Banken, Privat- und Firmenkunden) und unabhängig vom devisenrechtlichen Status des Empfängers/Auftraggebers (inländischer und ausländischer Zahlungsverkehr) alle Arten von eingehenden Zahlungsaufträgen und im Einzelnen die Entgegennahme des Überweisungsauftrages (elektronisch oder in Papierform), die Aufbereitung der Buchungsdaten, die Aufbereitung der Daten zur Spesenverrechnung, die Weiterleitung zur Durchführung an den Begünstigten, die Bereitstellung der Daten zur Prüfung auf Fälschung, Kontodeckung, technisches Format und Geldwäsche und die Bereitstellung der Daten zur Meldung an die Österreichische Nationalbank.
Die Kartellmitglieder werden hingegen weiterhin für die Kundenbetreuung, den Kundenkontakt, Kundenkonditionen, Vorgabe von Leitwegen, Vertriebswege und Point-of-Sale-Stellen, die Zahlungsverkehrs-Produktgestaltung, die Einhaltung sämtlicher rechtlicher Bestimmungen im Kunden- und Zwischenbankzahlungsverkehr, Deckungsanschaffungen im Treasury und die Gesamtverantwortung für die Kontoführung im Zwischenbankenbereich zuständig sein. Vorteile werden sich daraus ergeben, dass das neue System der Abwicklungspoolung die Abwicklungen noch stärker standardisieren werde und sich die Fixkosten des Betriebes der Systeme auf eine weit höhere Anzahl von Transaktionen verteilen und somit die Stückkostensätze reduziert werden. Ziel sei es, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs technisch fortzuentwickeln und eine weitere Qualitätsverbesserung der Dienstleistung durch die Zusammenlegung der Abwicklung der inländischen und ausländischen Zahlungsverkehrsaktivitäten der Kartellmitglieder zu erreichen. Diese Kosteneinsparungen seien auch im Interesse des Verbrauchers, weil das bestehende Kostenniveau gehalten werden könne. Neu hinzukommende Gesellschafter sollen lediglich die jeweils anfallenden Kosten nach dem Verursacherprinzip zu tragen haben. Die zu gründende ZVG werde ihre Dienstleistungen auf kostendeckender Basis erbringen und keine Gewinne erzielen, was zentrale Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 6 Abs 1 Z 28 UStG und damit für eine unechte Befreiung von der Umsatzsteuer sei. In diesen Genuss können allerdings bloß Kreditinstitute kommen, die Gesellschafter der ZVG würden.
Die volkswirtschaftliche Rechtfertigung ergebe sich aus den erzielbaren erheblichen Kostensynergien und einer Qualitätsverbesserung der Dienstleistung "Abwicklung des Zahlungsverkehrs" und der Möglichkeit im Bereich des Inlandszahlungsverkehrs das bestehende Kostenniveau zu halten sowie das Kostenniveau im Bereich des Auslandszahlungsverkehrs herabzusetzen.
Die Bundeswettbewerbsbehörde nahm zu dem Antrag zunächst dahingehend Stellung, dass gegen die geplante Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens für den Zahlungsverkehr zwar keine grundsätzlichen Bedenken bestehen, aber zu untersagen sei, dass die Gründerinnen (die Kartellmitglieder) ihren Anteil nicht unter 25,1 % (Sperrminorität) sinken lassen werden.
Eine Bindungsfrist von fünf Jahren und eine Kündigungsfrist von zwei Jahren sei überaus lang und könne zu Marktabschottungseffekten führen. Die Bindungspflicht der Gründergesellschafter sei auf höchstens drei Jahre und die Kündigungsfrist auf ein Jahr zu beschränken und das Konkurrenzverbot überhaupt zu untersagen. Im Übrigen sei ein diskriminierungsfreier und objektiver Zugang aller in- und ausländischen Unternehmen zum Gemeinschaftsunternehmen zu ermöglichen.
Der Bundeskartellanwalt verwies auf kostensenkende Alternativmaßnahmen, die die Gründung der ZVG hinfällig erscheinen lassen, die Gefahr, dass das Gemeinschaftsunternehmen zu identen Kostenstrukturen bei wesentlichen Wettbewerbsparametern führe, auf die fehlende Weitergabe von Synergieeffekten an den Endkunden, die Gefahr des Austausches wettbewerbsbeschränkender Informationen infolge der personellen Verflechtung der Muttergesellschaft mit den Gemeinschaftsunternehmen, darauf dass das Gemeinschaftsunternehmen kein Clearing-house darstelle und das Bestehen der Wettbewerbsklausel.
Die Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte nahm dahingehend Stellung, dass die geplante Zahlungsverkehrsallianz zwingend zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Wettbewerbsverhaltens bei den Gründerunternehmen führen werde und ein Absichtskartell vorliege, weil ein Wirkungskartell nur angenommen werden könne, wenn den Beteiligten die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen ihrer Vereinbarungen nicht bewusst seien. Dass ein Bagatellkartell nicht vorliege, bedürfe keiner Begründung, da die drei Großbanken-Gruppen über 50 % des Zahlungsverkehrs abwickeln werden. Kostenvorteile seien an die Konsumenten weiterzugeben.
Mit Schriftsatz vom 30.6.2003 modifizierten die Kartellmitglieder ihr bisheriges Vorbringen dahingehend, dass nach Gesprächen mit den Amtsparteien eine Genehmigung des Vorhabens als Vereinbarungskartell für die Dauer von zumindest dreieinhalb Jahren ab Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses angestrebt werde.
Die Bindungsdauer und ausschließliche Bezugsverpflichtung der Vertragspartner werde auf drei Jahre ab Gründung der ZVG reduziert; die ausschließliche Bezugsverpflichtung (Exklusivität) gelte für künftig neu hinzutretende Gesellschafter nicht. Im Übrigen sei der Zugang zur ZVG jedem beitrittswilligen Kreditinstitut unter Einschluss der OeNB zu nicht diskriminierenden Bedingungen möglich. Mit jedem beitrittswilligen österreichischen Kreditinstitut werde binnen zwei Monaten ab Einlagen einer Interessensbekundung inhaltliche Verhandlungen über den Beitritt zu den oben genannten Bedingungen aufgenommen bzw Unterlagen zur Übergabe an jeden Interessenten bereitgestellt; die Antragsteller werden die Amtsparteien jeweils über konkrete Beitrittsanträge dritter Unternehmen und die Behandlung dieser Anträge schriftlich informieren.
Ab der operativen Inbetriebnahme der einheitlichen Systemplattform werde die Durchlaufzeit von inländischen Überweisungen/Transaktionen zwischen Konten, die bei Gesellschaftern der ZVG geführt werden - unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften (§ 37 BWG) - in 90 % aller Fälle maximal folgende Dauer (und zwar vom Datum der Abbuchung bis zum Datum der Gutschrift) haben:
a) Ein Tag bei Überweisungen zwischen zwei Konten, die bei demselben Kreditinstitut geführt werden;
b) Zwei Tage in allen anderen Fällen.
Die Antragsteller werden den Amtsparteien einmal pro Jahr schriftlich über die Fortschritte bei der Erreichung dieses Zieles Bericht erstatten.
Darüber hinaus bestehe im Rahmen einer ZVG die Möglichkeit, durch die zukünftige gemeinsame Systemplattform bzw das gemeinsame zukünftige System für die jeweiligen Auftraggeber Effizienzsteigerungen bei den Zahlungsverkehrsdienstleistungen, die zu den nachgelagerten Bereichen des Kerngeschäfts "Girokonto" gehören zu lukrieren und diese Vorteile den Endkunden weiterzugeben.
Weiters werde durch das "Zwei-Standorte-Konzept", das durch die zukünftige gemeinsame Systemplattform auch ermöglicht werde, für den Kunden im Katastrophenfall (bei einem davon betroffenen Standort) das Tagesgeschäft weitgehend ungestört abgewickelt werden können. Aufgrund der vorgenommen Abänderungen gab die Bundeswettbewerbsbehörde die Erklärung ab, keinen Einwand gegen das von den Antragstellerinnen angemeldete Vorhaben zu erheben und den Untersagungsantrag zurückzuziehen.
Beabsichtigt ist zwischen den Antragstellern, die Abwicklung ihres jeweiligen Zahlungsverkehrs (Inland/Ausland) in einer gemeinsamen Gesellschaft ("ZVG") zusammenzulegen.
Neben der eigentlichen Abwicklung des Zahlungsverkehrs sollen nur die mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs unmittelbar verbundenen Prozessabwicklungen als "Hilfstätigkeiten" ohne direkte Kunden- oder Bankgeschäftswirkung für deren Gesellschafter in der ZVG konzentriert werden.
Die ZVG soll als unabhängige Gesellschaft geführt werden. Weiters besteht Übereinstimmung dahingehend, dass jeder Projektpartner berechtigt sein soll, einen - der insgesamt drei - Geschäftsführer zu entsenden und dass jeder Projektpartner berechtigt ist, jeweils vier Mitglieder des Aufsichtsrates zu nominieren.
Ziel der Konzentration der Abwicklung des in- und ausländischen Zahlungsverkehrs der Antragsteller ist sicherzustellen, dass in der bisher nicht kostendeckenden Zahlungsverkehrsabwicklung Kostensynergien erzielt werden und dass die Qualität der Dienstleistung "Abwicklung des Zahlungsverkehrs" weiter verbessert wird. Durch die Umsetzung dieses (Zusammenschluss )Vorhabens soll zusätzlich ein erster Schritt zur möglichen Errichtung einer nationalen Zahlungverkehrs-Clearing-Abwicklung (im Folgenden: "Clearing-Haus") nach europäischem Vorbild gesetzt werden - dies mit dem Ziel, die Voraussetzungen für einen späteren Anschluss an ein gesamteuropäisches Clearing-System zu schaffen. Zur späteren Schaffung einer - bisher in Österreich noch nicht vorhandenen - konzentrierten Clearing-Abwicklung bereits vom Gründungsstadium an sollen weitere Kreditinstitute als Gesellschafter oder Nutzer der ZVG in gleichartiger Weise wie für die Antragsteller gewonnen werden. Doch soll dadurch die jeweilige Beteiligung der Antragsteller an der ZVG nicht unter eine Sperrminorität von 25,1 % sinken. Zur näheren vertraglichen Ausgestaltung der Umsetzung des Vorhabens werden die Projektpartner vor Gründung einen Rahmenvertrag abschließen.
Gemessen an den Bilanzsummen zum 31.12.2001 Ende 2001 rund 43 % der Bilanzsummen im österreichischen Bankensektor. Auch betreffend die Anzahl von Kundenkonten bedienen die Projektpartner einen Großteil des österreichischen Marktes (Privatkunden: 49 %; bei Firmenkunden:
KMU: 41 %, Großkunden 61 %).
Jener Markt, auf dem sich die horizontale Zusammenarbeit der Projektpartner im Rahmen der ZVG auswirken wird, ist der Markt für Fernzahlungen (Überweisungen, Schecks, Electronic-Banking und Einzugsverfahren).
Für die geographische Marktabgrenzung ist bedeutsam, dass die Wettbewerbsbedingungen in Österreich homogen sind. Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs für das Inland wird auf Grundlage nationaler Standards und Normen durchgeführt. Auch die rechtlichen Rahmenvorgaben sind national ausgelegt und weichen von denen anderer europäischer Länder erheblich ab. Transaktionskosten und Konsumentenpräferenzen sind durch nationale Gegebenheiten bestimmt. Trotz verstärkter Zunahme von elektronischen Bankdienstleistungen ist das Filialnetz von Banken und die physische Präsenz der beauftragten Bank in räumlicher Nähe zum Kunden weiterhin von großer Bedeutung. Fernzahlungsdienstleistungen sind ein serviceorientiertes Produkt, für das nach wie vor Vertrauen und Beratung wichtig sind. Ausgehend von einem national abgegrenzten Markt für Fernzahlungen ist für die ZVG ein Anteil zwischen 45 und 55 % nach Anzahl der gesamten Fernzahlungen zu erwarten. Eine Aufschlüsselung der gesamten Fernzahlungen in ihre unterschiedlichen Teilsegmente (Schecks, Lastschriften, beleglose Überweisungen, beleghafte Überweisungen) ergibt tendenziell ein gleichartiges Bild.
Eine horizontale Zusammenarbeit kann bei hohen Marktanteilen zu Wettbewerbsproblemen führen. Produktionsvereinbarungen können insbesondere eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens der Partner bedingen und - wenn auch eine Festsetzung von Preisen stattfindet - zu höheren Preisen am Endkundenmarkt führen.
Eine spürbare Kostenangleichung erleichtert eine derartige Abstimmung des Verhaltens, die jedoch nicht automatisch auftreten muss. Doch droht eine Wirkung auf das Wettbewerbsverhalten der Projektpartner insbesondere dann, wenn ein größerer Teil der Gesamtkosten gemeinsame Kosten werden.
Weiters können sich Abschottungsprobleme und Netzeffekte ergeben. Konkret betrifft die Preisabsprache nur die Vorleistungsebene und keinen Markt. Außerdem liegt eine inhärente Preisabsprache, also eine solche vor, die ohne Vereinbarung nicht funktionieren würde. Eine horizontale Vereinbarung wie die ZVG könnte nicht zustande kommen, wenn die Projektpartner keine Absprachen hinsichtlich der Verrechnungspreise treffen würden. Die Preisabsprache ist damit unabdingbar für das Zustandekommen der ZVG.
Aus wettbewerbsökonomischer Sicht ist die konkrete (am Verursacherprinzip orientierte) Preisabsprache per se nicht wettbewerbsbedenklich.
Die Preis-/Kostenabsprache in Bezug auf die "Einkaufspreise" der Banken für die Dienstleistung Zah- lungsverkehrsabwicklung lässt eine Angleichung des Kostenfaktors Zahlungsverkehrsabwicklung für die Projektpartner erwarten. Außerdem hat das Projekt ZVG den Effekt einer Veränderung der Kostenart dahingehend, dass ein großer Fixkostenblock ausgelagert und durch eine Verrechnung pro Beleg ersetzt wird, sodass wahrscheinlich ist, dass die variablen Kosten pro Transaktion aus Sicht der Banken ansteigen werden, was zu einen wettbewerblichen Effekt führen kann, weil die volkswirtschaftliche Theorie nahelegt, dass zur Preisfindung primär die variablen Kosten herangezogen werden.
Im Übrigen führt der Projektplan zu formellen und informellen Verflechtungen, die einen Informationsaustausch grundsätzlich erleichtern und zu einer gemeinsamen Interessenlage führen können. Ein positiver Effekt auf den Wettbewerb ergibt sich aus der Reduktion von Transaktionskosten. Aus der Perspektive der Transaktionskostentheorie ist die ZVG als sehr positiv für den Wettbewerb zu sehen.
In Summe lässt die Abwägung der dargestellten wettbewerbsfördernden und -beschränkenden Effekte die Schlussfolgerung zu, das im vorliegenden Fall die wettbewerbsbeschränkenden Effekte überwiegen. Doch kann sich ein wirtschaftlicher Nutzen aus dem Gemeinschaftsunternehmen ZVG dann ergeben, wenn es im Stande ist, statische oder dynamische Effizienzen zu generieren, also etwa den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt durch niedrigere Preise, verbesserte Qualität sowie Produkt- und Serviceinnovation zu fördern. Auch die Zusammenlegung unterschiedlicher Fertigkeiten und Ressourcen kann zu Leistungsgewinnen führen.
Konkret sind Kosteneinsparungen im IT-Bereich und insbesondere das Vermeiden redundanter Doppelinvestitionen bzw - kosten zu erwarten und überhaupt eine Reduktion der Transaktionskosten. Auch die Vereinheitlichung des IT-Systems wird entscheidende Effizienzen generieren. Künftig können im Bereich der Weiterentwicklungskosten der IT-Systeme erhebliche Einsparungen realisiert werden. Durch das Gemeinschaftsunternehmen ist eine größere finanzielle Basis vorhanden, die es erlaubt, in kostspielige, neue Technologien zu investieren und Effizienzen weiter zu steigern. Die Vereinheitlichung von Verabreitungsstrukturen und -standards wird zum allgemeinen Konsumentennutzen beitragen, indem die Transaktionen schneller und auf einem höheren Qualitätsniveau abgewickelt werden können. Eine einheitliche Schnittstelle wird angestrebt, wodurch die Interaktion und Kommunikation mit anderen Banken und Systempartnern vereinfacht wird. Indem die Abstimmung nicht mehr mit drei Banken, sondern einem Gemeinschaftsunternehmen erfolgt, werden volkswirtschaftliche Ressourcen gespart und weitere Effizienzen generiert. Auch kann davon ausgegangen werden, dass in anderen Gremien (etwa der Stuzza = Studiengesellschaft für Zusammenarbeit im Zahlungsverkehr GmbH) bei der Implementierung von neuen Standards oder der Weiterentwicklung von Datenformaten geringere Abstimmungskosten anfallen werden, wodurch sich die Zahlungsverkehrslandschaft in Österreich schneller weiterentwickeln könnte.
Ein großes Kosteneinsparungspotenzial liegt in der Einsparung von Personalkosten, wobei Mitarbeiter von den Mutterbanken auf Grundlage bestehender Bankkollektivverträge entsendet werden und neu einzustellendes Personal nach einem Gewerbekollektivvertrag angestellt wird. Daraus sind signifikante Einsparungen im Personalbereich zu erwarten, die allerdings nur langfristig zu realisieren sein werden.
Auch bei Sachaufwendungen und Standortkosten ist eine bessere Ressourcenausnutzung zu erwarten.
Die ZVG kann außerdem als "Wachstumszelle" angesehen werden, die im Rahmen einer europäischen Vereinheitlichung des Zahlungsverkehrs eine tragende Rolle als nationales Clearinghaus einnehmen könnte. Zusammenfassend kann die ZVG - langfristig - umfassende Effizienzen generieren.
Die Interessen der Letztverbraucher werden durch eine Verbesserung der qualitativen Eigenschaften der Fernzahlungsdienstleistung (leichter Zugang - hohe Abwicklungsqualität) berührt. Aus Sicht des Verbrauchers stellt sich der Zugang zum Fernzahlungsverkehr als Element der Grundversorgung dar, bei dem auch nationale Bedürfnisse, Präferenzen und Bedenklichkeiten der Verbraucher zu berücksichtigen sind. Damit ist einer "österreichischen Lösung" aus Sicht des Verbrauchers grundsätzlich der Vorzug zu geben.
Eine qualitative Beteiligung des Verbrauchers ist daraus abzuleiten, dass zu erwarten ist, dass die Qualität der Dienstleistungserbringung einen Schwerpunkt in der Bewertung der Geschäftsführung durch die Gesellschafter bilden wird und durch die Gründung der ZVG der Fokus auf Qualität in der Zahlungsverkehrsabwicklung zunehmen wird. Weiters sieht der Projektplan Investitionen in Systemverbesserungen vor, die von den einzelnen Projektpartnern nicht in einem gleichen Umfang durchgeführt werden könnten. "Parallel" getätigte Investitionen entfallen, sodass die vorhandene Liquidität effizienter investiert werden kann, was die Abwicklungsqualität fördert. Auch von einer höheren Innovationsrate ist auszugehen.
Durch die Gründung der ZVG wird die Aufteilung der Banken in Produktions- und Transaktionsbanken vorangetrieben, womit die Projektpartner ihre Kernkompetenzen wie den Vertrieb von Finanzdienstleistungen konzentrieren. Die Anbindung der Kunden an Finanznetze und die Befriedigung von Kundenbedürfnissen wird zum zentralen Element, sodass sich der Grad an Kundenorientierung voraussichtlich erhöhen wird.
Mittelfristig ist für die ZVG auch die Abwicklung von Auslandstransaktionen vorgesehen. In diesem Bereich kann von einem signifikanten Nutzen für den Endverbraucher ausgegangen werden. Von einer direkten pekuniären Weitergabe von Kostenersparnissen an den Endverbraucher kann jedoch gemäß der bestehenden Projektplanung kurzfristig nicht ausgegangen werden. Nur in Hinblick auf Auslandstransaktionen steht durch die Umsetzung der EG-Verordnung 2560/2001 eine Verringerung der Gebühren unmittelbar bevor. Die Prüfung der Unerlässlichkeit der Wettbewerbsbeschränkungen für die Erzielung der dargestellten wirtschaftlichen Vorteile erfordert konkret ein Eingehen auf die Exklusivvereinbarung, die Bindungsdauer und die Mitarbeiterentsendung.
Die Beurteilung der die Projektpartner betreffenden Exklusivitätsvereinbarung erfordert eine Berücksichtigung vor allem der hohen irreversiblen spezifischen Projekt-Investitionen und des Umstands, dass eine Umstellung nicht rasch erfolgen kann. Eine Bindungsdauer von drei Jahren erscheint unter den gegebenen Umständen aus wirtschaftstheoretischer Sicht sinnvoll.
Betreffend Mitarbeiterentsendung ist es konkret erforderlich, dass Mitarbeiter lediglich entsendet werden und ihr bisheriges Arbeitsverhältnis bei den entsendenden Kreditinstituten beibehalten wird. Zu einer Senkung der Personalkosten der ZVG führt, dass neu anzustellende Bedienstete nach Gewerbekollektivverträgen angestellt werden. Der Gefahr eines Informationsaustausches durch Mitarbeiter suchen die Projektteilnehmer vertraglich vorzubeugen. Alternativen zur Gründung der ZVG, die zu einem gleichen volkswirtschaftlichen Ergebnis führen könnten, sind derzeit auszuschließen.
Maßnahmen, die trotz der wettbewerbsbeschränkenden Effekte der horizontalen Vereinbarung zu einem volkswirtschaftlich optimalen Wohlfahrtsniveau führen können, liegen insbesondere in der Verhinderung einer Marktabschottung durch die Gründung der ZVG zulasten konkurrierender in- und ausländischer Kreditinstitute: Der Zugang zur ZVG sollte jeder Bank, die eintreten will, im Prinzip offenstehen, jedoch zu Konditionen die auch für die Gründungspartner nicht nachteilig sind.
Mit dem eröffneten Zugang zur ZVG für jedes beitrittswillige Kreditinstitut einschließlich OeNB zu nicht diskriminierenden Bedingungen ohne exklusive Bezugsverpflichtung für neu hinzutretende Gesellschafter und der oben angeführten zu erzielenden Dauer der Durchlaufzeit von inländischen Überweisungen/Transaktionen zwischen Konten, die bei Gesellschaftern der ZVG geführt werden, sind Maßnahmen getroffen, die in einer Gesamtabwägung zu einem volkswirtschaftlich optimalen Wohlfahrtsniveau führen können. Rechtlich ist vom Vorliegen eines Vereinbarungskartells, nämlich eines Absichtskartells im Sinne des § 10 Abs 1 KarG auszugehen, weil nicht angenommen werden kann, dass den Mitgliedern des Kartells die Tatsache, dass ein Kartell vorliegt, nicht bewusst ist (Barfuss/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, 39; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht³, Rz 104 zu § 7 mwN der Rsp). Gemäß § 23 KartG hat das Kartellgericht Kartelle mit Ausnahme von Bagatellkartellen auf Antrag des Kartellbevollmächtigten zu genehmigen, wenn (soweit hier von Bedeutung) das Kartell volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist. Bei der Prüfung der volkswirtschaftlichen Rechtfertigung ist auf die Interessen der Letztverbraucher besonders Bedacht zu nehmen.
Bei Preisbindungen ist die volkswirtschaftliche Rechtfertigung jedenfalls nicht gegeben, wenn die einzelnen Spannen die üblicherweise durchschnittlich gewährten überschreiten. Bei anderen Kartellen ist auch darauf Bedacht zu nehmen, ob das Kartell zur Vermeidung schwerwiegender betriebswirtschaftlicher Nachteile notwendig ist.
Eine umfassende Beurteilung der festgestellten Umstände erlaubt in Übereinstimmung mit dem Gutachten der Sachverständigen den rechtlichen Schluss, dass das gegenständliche Kartell volkswirtschaftlich gerechtfertigt ist.
Dabei ist zu beachten, dass grundsätzlich ein Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (und jede Verweigerung der Genehmigung eines Kartells) nur zulässig ist, wenn er im öffentlichen Interesse liegt und geeignet und notwendig ist, um dieses öffentliche Interesse zu schützen, sodass bei verfassungskonformer Interpretation des Kriteriums der volkswirtschaftlichen Rechtfertigung einem Kartell nur dann die Genehmigung verweigert werden darf, wenn diese Maßnahme im konkreten Fall zum Schutz gesamtwirtschaftlicher Interessen notwendig ist (Nachweise der Rsp bei Barfuss/Wollmann/Tahedl aaO, 61 FN 66). Ein Bagatellkartell liegt nach der maßgeblichen Abgrenzung am relevanten nationalen Markt für Fernzahlungen nicht vor. Gemäß § 24 Abs 1 KartG hat das Kartellgericht im Genehmigungsbeschluss zu bestimmen, für welchen Zeitraum die Genehmigung gilt (Genehmigungsdauer). Die Genehmigungsdauer ist ab Rechtskraft des Beschlusses mit Rücksicht auf den Zeitraum zu bestimmen, für den die volkswirtschaftliche Rechtfertigung des Kartells beurteilt werden kann, höchstens jedoch mit fünf Jahren. Diese Dauer ist im Einklang mit dem modifizierten Antrag mit dreieinhalb Jahren festzusetzen.
Oberlandesgericht Wien
als Kartellgericht
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