JudikaturOLG Wien

4R197/01x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2002

Kopf

Im Namen der Republik

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht erkennt durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Derbolav als Vorsitzenden sowie die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr.Jesionek und die Kommerzialrätin Walser in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.C***** G*****, S*****, vertreten durch Mag.J*****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F*****, L*****, vertreten durch Dr.R*****, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 11.173,45 (ATS 153.750,--) s.A. infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 13.06.2001, 33 Cg 111/98t-40, mangels Antrages auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 844,82 (hierin enthalten 20 % Ust. EUR 140,80) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen. Die Revision ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Text

Der Kläger begehrt S 153.750,-- (EUR 11.173,45) s.A. mit der Begründung, von der Beklagten, die sich mit der Vermittlung von Warenterminoptionsgeschäften befasse, am 21.04.1997 zu einer Investition in Höhe des Klagsbetrages veranlasst worden zu sein, ohne über das mit einem solchen Geschäft verbundene Risiko und die exorbitant hohe Spesenbelastung aufgeklärt worden zu sein. Der Kläger sei Verbraucher. Am 22.07.1997 sei der Kläger vom gänzlichen Verlust des eingesetzten Kapitals verständigt worden. Die Beklagte habe den ihr überwiesenen Betrag nicht bzw. verspätet für Warenterminoptionskontrakte verwendet, sie habe keine Konzession nach BWG, die hohe Spesenbelastung von S 69.187,50, was 81,82 % des Kapitals entspreche, erfülle den Tatbestand des § 879 Abs. 2 Z 4 ABGB. Die Beklagte hafte gemäß § 1299 ABGB für die Verletzung der Aufklärungspflicht. Sie habe darüber hinaus die Wohlverhaltensregeln gemäß §§ 11ff WAG grob schuldhaft verletzt. Der Vertrag werde wegen Irreführung durch Unterlassung der gebotenen Risiko- und Kostenaufklärung gemäß §§ 870, 871 und 874 ABGB angefochten, die Beklagte betreibe "Spesenschinderei" indem anstelle der georderten fünf neun Call-Optionen erworben worden seien. Der Kläger berief sich weiters auf das Rücktrittsrecht gemäß § 3 KSchG, da er keine Urkunde mit einer Belehrung über das Rücktrittsrecht erhalten habe, sowie auf Schadenersatz gemäß § 1311 Satz 2 2. Fall ABGB im Zusammenhalt mit der gemäß § 12 Abs. 3 WAG, § 1 UWG und § 101 TKG unzulässigen Telefonwerbung.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wandte die Beklagte ein, dass ihre Tätigkeit nicht dem BWG unterliege, weil sie sich nicht mit dem Handel, sondern bloß mit der Vermittlung und nicht mit Finanz- sondern mit Warenterminkontrakten befasse. Die Wohlverhaltensregel nach § 11 Abs. 1 Z 3 lit. b WAG fände auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung, weil die Anlage 2 zu § 22 BWG erst am 01.01.1998 in Kraft getreten sei. Es habe eine ausreichende Risikoaufklärung stattgefunden, in dem dem Kläger vor dem Telefonat eine Broschüre übersandt worden sei, deren Kenntnisnahme er bestätigt habe. Auch die allgemeinen Geschäftsbedingungen und die vom Kläger unterfertigte Auftragsbestätigung enthielten eine entsprechende Risikobelehrung. Der von der Beklagten vereinnahmte Provisionsanteil sei üblich und angemessen. Die Platzierung der georderten Warenterminoptionskontrakte sei tatsächlich erfolgt, der Verlust habe sich aus dem veränderten Markt ergeben, der Kläger sei in keiner Weise überrumpelt worden und habe hinsichtlich des Rücktrittsrechtes gemäß § 3 KSchG die absolute Frist von einem Monat versäumt. Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren kostenpflichtig statt.

Dabei ging es von den auf den Seiten 6 bis 11 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen aus.

Danach wurde der Kläger von der Beklagten erstmals am 25.02.1997 kontaktiert und an ihn auf Grund dieses Gespräches eine Broschüre versendet, die der Kläger aber wegwarf. Diese Broschüre enthält eine Beschreibung des Warentermingeschäftes, sie gibt Beispiele wider, stellt den Geschäftsablauf dar und enthält Risikohinweise und die Geschäftsbedingungen der Beklagten. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Warenterminoptionsgeschäften den Gewinnchancen hohe Verlustrisiken bis zum Totalverlust des investierten Kapitals gegenüberstehen, dass bei Kursänderungen des dem Optionsrecht zugrunde liegenden Warenterminkontraktes der Wert der Option überproportional bis hin zur Wertlosigkeit vermindert werden kann und dass sich der Kunde sorgsam überlegen solle, ob solche Spekulationsgeschäfte für ihn geeignet sind und seinen finanziellen Möglichkeit entsprechen. Er sollte jedenfalls nur einen Teil seines freien Vermögens in solche Geschäfte investieren und keinesfalls dafür Kredite aufnehmen. Es wird ferner darauf hingewiesen, dass das allgemeine Risiko von Warenterminoptionsgeschäften durch die von der Beklagten erhobene Vermittlungsgebühr nochmals drastisch erhöht werde. Durch die Vermittlungsgebühr werde nämlich die Hebelwirkung des Optionsgeschäftes einseitig zu Lasten des Kunden verschoben. Mit dem geringen Einsatz der Optionsprämie nehme er an der Wertentwicklung des gesamten Kontraktes teil. Er sei auf der Verlustseite durch den Aufschlag der Beklagten schon stark belastet, wofür es auf der Gewinnseite keinen Ausgleich gebe. Am 25.03.1997 rief ein Mitarbeiter der Beklagten neuerlich beim Kläger an und vermerkte in der Karteikarte "kein Geld - NS". Am 21.04.1997 rief neuerlich ein Mitarbeiter der Beklagten, Georg Havor, beim Kläger an. Dass der Kläger zu diesen Telefongesprächen zuvor sein Einverständnis erklärt hätte, vermochte das Erstgericht nicht festzustellen. Havor fragte den Kläger am Telefon, ob er die Unterlagen erhalten und gelesen hätte. Dass der Kläger diese Frage bejaht hätte, ist nicht erwiesen. Unter Bezugnahme auf die Überschwemmungen in den USA, wodurch die Hälfte der Maisernte vernichtet worden sei, sodass bei Mais mit erheblichen Preissteigerungen zu rechnen sei, stellte Havor dem Kläger bei einer Veranlagung von S 153.000,-- erhebliche Gewinne, möglicherweise von 30 % bis zu einer Verdoppelung in Aussicht. Als der Kläger nunmehr sein Interesse bekundete, informierte ihn Havor, die Sache sei dringend, die entsprechenden Unterlagen würden ihm gefaxt, das sei eine Formsache, er solle sie unterschreiben und zurückfaxen. Weitere Belehrungen erteilte Havor dem Kläger am Telefon nicht, insbesondere ist nicht erwiesen, dass er den Kläger auf die Verlustmöglichkeiten bis hin zum Totalverlust, die allgemeinen Risken derartiger Warenterminoptionsgeschäfte und die Höhe der Vermittlungsgebühr der Beklagten bzw. die Spesen, die von der Beklagten vereinnahmt werden und 45 % des eingesetzten Betrages, was einem Aufschlag von 81,82 % entspricht, ausmachen, hinwies. Hätte die Beklagte den Kläger über diese Umstände informiert, hätte er den gegenständlichen Vertrag nicht abgeschlossen. So aber gab er Havor am Telefon "sein O.K." und ging davon aus, damit das Geschäft mündlich abgeschlossen zu haben. Noch am selben Tag erhielt er von der Beklagten eine Auftragsbestätigung gefaxt, in der der Kauf von 5 Call-Optionen am Börsenplatz Chicago, nämlich 25.000 Bushel Mais mit einer Laufzeit September 1997 bestätigt werden. Als Optionsprämie werden S 84.562,50 angeführt, als Aufschlag 81,82 %, dass sind S 69.187,50, insgesamt somit S 153.750,--. In der Auftragsbestätigung wurde auf die umseitig abgedruckten Geschäftsbedingungen hingewiesen. Auch eine zusammenfassende Risikobelehrung war dieser Auftragsbestätigung angeschlossen, in der festgehalten wird, dass es sich um riskante Spekulationsgeschäfte handelt, bei denen der Hoffnung auf schnellen Gewinn sehr reale Verlustgefahren bis zum Totalverlust des investierten Kapitals gegenüber stehen. Weiters informierte die Beklagte darüber, dass das allgemeine Risiko von Warenterminoptionsgeschäften durch die Servicegebühr nochmals erhöht wird und die Vergütung der Beklagten 45 % des Kapitaleinsatzes beträgt. In den Geschäftsbedingungen führt die Beklagte unter Punkt 1. aus, dass unabdingbare Grundlage für ihre Tätigkeit für den Kunden die sei, dass dieser hinreichend über Warenterminoptionsgeschäfte und die speziellen Risiken der durch sie vermittelten Geschäfte informiert wurde und dass sie voraussetze, dass der Kunde den übersandten Prospekt sorgfältig studiert und sich mit der Materie vertraut mache. Der Kunde sichere hiemit zu, dass er dies vor der ersten Auftragserteilung getan habe.

Der Kläger wurde am 21.04.1997 gegen 18 Uhr neuerlich von einem Mitarbeiter der Beklagten angerufen. Es ist nicht erwiesen, dass der Kläger bei diesem Gespräch bestätigt hätte, den Prospekt erhalten, gelesen und verstanden zu haben und dass die Möglichkeit des Verlustes des Kapitals, insbesondere eines Totalverlustes, erörtert worden sei.

Da er bereits "sein O.K." gegeben hatte, las sich der Kläger die ihm zugefaxten Geschäftsbedingungen und die zusammenfassende Risikobelehrung nicht genau durch, sondern unterschrieb beide Erklärungen und faxte sie an die Beklagte zurück. Am 22.04.1997 überwies er S 153.750,--. Erst danach las er sich die Auftragsbestätigung samt Beilagen durch und stellte fest, dass die Beklagte eine Provision von 82 % kassiert hatte und wie schnell man hier das Geld verlieren konnte.

Weitere telefonische Anbote der Beklagten, weiteres Geld zu veranlagen, lehnte er ab. Etwa eine Woche später wurde ihm eine Platzierungsbestätigung über insgesamt 9 Optionskontrakte übermittelt, aus der sich unter anderem eine Spesenbelastung von US $ 719,50 bzw. US $ 519,67 pro Kontrakt ergibt. Üblich waren 1997 Spesenbelastungen bis zu US $ 70,-- pro Kontrakt.

Der Kläger erhielt von der Beklagten weitere Informationsblätter und wurde am 26.08.1997 vom Totalverlust seines Kapitals verständigt. Davon ausgehend verneinte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, Wucher und Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 ABGB, weil weder das Ausbeuten von Leichtsinn, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung vorliege, noch ein den individuellen Fall prägendes besonderes zusätzliches Element, das die Annahme von Sittenwidrigkeit rechtfertige, vorliege. Berechtigt seien aber sowohl die Irrtumsanfechtung, als auch die auf die Verletzung von Aufklärungspflichten gestützten Schadenersatzsansprüche in Verbindung mit § 11f WAG. Der Vertrag sei mündlich zustande gekommen. Erst danach sei der Kläger über die Risken und Spesenbelastung informiert worden, bei deren Kenntnis er den Geschäftsabschluss nicht getätigt hätte. Dieser Irrtum sei von der Beklagten durch Unterlassung der erforderlichen Aufklärung veranlasst worden. Berechtigt sei auch der zum selben Ergebnis führende Schadenersatzanspruch. § 12 Abs. 3 WAG verbiete die telefonische Werbung unter anderem für Verträge und Veranlagungen gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 gegenüber Verbrauchern. Darunter falle auch das gegenständliche Geschäft, weil Z 5 der Anlage 2 zu § 22 BWG, worauf in § 11 Abs. 1 Z 3 WAG Bezug genommen wird, auch in der im April 1997 geltenden Fassung Warentermingeschäfte, Warenterminkontrakte, Käufe von Warenoptionen und andere vergleichbare warenbezogene Verträge erfasse. Der Verstoß gegen § 12 Abs. 3 WAG durch telefonische Kontaktaufnahme ohne dass der Kläger zuvor sein Einverständnis erklärt habe oder eine Geschäftsbeziehung bestanden habe, begründe deliktische, verschuldensabhängige Schadenersatzansprüche des Verbrauchers. Der Verstoß bewirke überdies Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG. Werbung durch unerbetene telefonische Anrufe sei nach der Rechtsprechung auch schon vor dem Inkrafttreten des TKG am 01.08.1997 als wettbewerbswidrig beurteilt worden, wenn der Angerufene nicht zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis dazu erteilt hatte (nunmehr § 101 TKG). Der Kläger sei daher so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, habe also den Klagsbetrag zu erhalten, den er bei ordnungsgemäßer Belehrung durch die Beklagte nicht eingesetzt hätte. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger Beweiswürdigung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Klagsabweisung. Hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Berufung keine Folge zu geben. Die Berufung ist nicht berechtigt.

In seiner Tatsachen- und Beweisrüge wendet sich die Beklagte gegen die Feststellung, dass der Kläger die Informationsbroschüre offenbar ungelesen weggeworfen hatte und es nicht erweislich sei, dass er dem Verkäufer Havor eingangs des Verkaufsgespräches den Erhalt und die Lektüre dieser Informationsbroschüre bestätigt habe, dass er die Auftragsbestätigung samt AGB und gesonderter Risikobelehrung ungelesen unterzeichnet und retourniert habe und dass er bei Kenntnis des Risikos und der Kosten den Vertrag nicht abgeschlossen hätte und sein Geld ohne Risiko habe anlegen wollen.

Die Beklagte zweifelt die Glaubwürdigkeit des Klägers, auf dessen Aussage die erstgerichtlichen Feststellungen in diesen entscheidungswesentlichen Punkten gründen, vor allem deswegen an, weil der Kläger zunächst angegeben hatte, die Postfassung der Auftragsbestätigung nicht unterschrieben zu haben.

Der Kläger vermochte aber nachvollziehbar darzulegen, irrtümlich dieser Auffassung gewesen zu sein, weil ihm die Auftragsunterlagen zweifach im Original übermittelt wurden. Da sich noch eine Ausfertigung der Auftragsbestätigung in seinen Händen befunden habe, sei er der Meinung gewesen, nur die Faxauftragsbestätigung unterfertigt zu haben (Seite 2f des Protokolls vom 12.01.2001 = AS 171f). Dass der Kläger tatsächlich noch ein von ihm nicht unterfertigtes Original der Auftragsbestätigung in Händen hatte, ist durch die Beil. ./J erwiesen. Die Erklärung seines dadurch verursachten Irrtums ist durchaus nachvollziehbar und schlüssig. Die Bereitwilligkeit, mit der der Kläger seinen diesbezüglichen Irrtum unverzüglich nach Vorlage der Beil. ./15 zugab und aufklären konnte, lässt aus dieser zunächst unrichtigen Aussage abgeleitete Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit nicht zu.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang erscheint jedenfalls, dass der Kläger sein ausdrückliches Einverständnis zu einer Verwendung der Tonbandaufzeichnungen der mit ihm geführten Telefonate im Zivilprozess erklärt und ausdrücklich die Vorlage an Abspielung dieser in der Stellungnahme der Rechtsanwälte Dorda, Brugger und Jordis, Beil. ./9, erwähnten Tonbandaufzeichnungen beantragt hat (ON 21). Dazu brachte die Beklagte vor, dass es bei ihr Tonbandaufzeichnungen erst seit 1998 gebe (Seite 2 des Protokolls vom 12.01.2001 = AS 171). Diese Erklärung steht allerdings in Widerspruch zum Inhalt der vom Zeugen Lamer vorgelegten Karteikarte Beil. ./I. Darin ist über den Anruf beim Kläger am 25.03.1997 festgehalten "kein Geld - NS". Neben dem Datum 21.04. findet sich der handschriftliche Vermerk "Band", was durchaus zu der Vermutung Anlass gibt, dass es doch eine Tonbandaufzeichnung dieses Gespräches gibt, deren Vorlage die Beklagte aber zur Dartuung ihrer Prozessbehauptungen nicht dienlich erachtet.

Es ist sicherlich unzulässig, dem Zeugen Havor alleine wegen der seither verstrichenen Zeit jede Glaubwürdigkeit deswegen abzusprechen, weil er sich unmöglich konkret an das gegenständliche Telefongespräch mit dem Kläger erinnern könne. Das hat das Erstgericht auch keineswegs getan. Es trifft aber zu, dass dieses Telefongespräch wohl für den Kläger einen ungleich höheren Aufmerksamkeitswert hatte, als für den Zeugen Havor, der derartige Kundengespräche seit Jahren mehrmals täglich führt. Dass sich jede Änderung des standardisierten und immer gleichbleibenden Ablaufes eines solchen Gespräches im Gedächtnis festsetzen würde, wie die Beklagte meint, überzeugt nicht, weil die Reaktionen der Gesprächspartner, denen die Beklagte derartige Geschäfte anbietet, vermutlich durchwegs unterschiedlich ausfallen und die Intensität, mit der sich ein angesprochener Kunde tatsächlich mit der Broschüre auseinandergesetzt (und diese verstanden) hat, variieren wird. Dass der Kläger sein Geld tatsächlich risikolos anlegen wollte, ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - unmissverständlich aus der Aussage des Klägers, insbesondere auf Seite 6 des Protokolls vom 19.11.1999 (= AS 65).

Um die Glaubwürdigkeit des Klägers zu erschüttern, führt die Beklagte noch ins Treffen, dass der Zeuge Lamer bei einem weiteren Telefonat am 28.04.1997 keine Verärgerung des Klägers zu spüren vermeinte, es wird auf das überschießende Vorbringen und auf die Erfahrungssätze verwiesen. Dass der Klagevertreter möglicherweise aus dem Parallelprozess und nicht auf den gegenständlichen Fall zutreffendes Vorbringen entnommen hat, lässt eher auf anwaltliche Vorsicht schließen, denn auf Unglaubwürdigkeit des Klägers.

Es mag sein, dass sich der Kläger bei ungelesener Unterfertigung und Versendung der Auftragsunterlagen am 21. bzw. 22.04.1997 äußerst unklug verhalten hat. Mit den Erfahrungssätzen ist ein solches Verhalten aber durchaus in Einklang zu bringen, wenn man bedenkt, dass sich der Kläger auch zur Veranlagung von S 153.750,-- bloß aufgrund eines telefonischen Angebotes hat veranlassen lassen. Auch was die weiters bekämpfte Feststellung, dass es nicht erweislich sei, dass der Kläger beim Buchhaltungsgespräch mit Klein bestätigt habe, den Prospekt gelesen und verstanden zu haben und auch telefonisch über die Möglichkeit des totalen Teilverlustes aufgeklärt worden zu sein, anlangt, gelten die bisherigen Überlegungen. Das Erstgericht hat sich aufgrund des persönlichen Eindruckes des Klägers entschlossen, seiner Aussage Glauben zu schenken, worin grundsätzlich keine fehlerhafte Beweiswürdigung erblickt werden kann. Dass die Mitarbeiter der Beklagten überhaupt kein Interesse an einer unrichtigen Darstellung des Sachverhaltes hätten, trifft aber - ohne ihnen damit eine bewusste falsche Aussage unterstellen zu wollen - nicht zu, wäre doch die Nichtbefolgung von Dienstanweisungen mit für sie nachteiligen Konsequenzen, zumindest im Hinblick auf den Provisionsanspruch, verbunden.

Soweit die Beklagte die Feststellung bekämpft, dass der Kläger der Meinung war, bereits mündlich am Telefon am 21.04. einen Vertrag abgeschlossen zu haben, sind dem in Vorgriff der rechtlichen Beurteilung folgende rechtliche Erwägungen voranzustellen:

Der Vertrag kommt gemäß § 861 ABGB durch die übereinstimmenden Willenserklärungen (mindestens) zweier Personen zustande. Von Sonderregelungen abgesehen überlässt es das Gesetz den Parteien, in welcher Form sie ein Geschäft schließen wollen, mündlich, schriftlich, vor dem Notar, mit oder ohne Zeugen (§ 883 ABGB). Haben die Parteien für einen Vertrag die Anwendung einer bestimmten Form vorbehalten, so wird nach § 884 ABGB vermutet, dass sie vor Erfüllung dieser Form nicht gebunden sein wollen.

Es trifft nicht zu, dass die Parteien für die Auftragserteilung die Schriftform vereinbart hätten. Wenn dem Kläger mitgeteilt wurde, die entsprechenden Unterlagen würden ihm gefaxt werden, das sei eine Formsache, er solle sie unterschreiben und zurückfaxen, so bedeutet der Ausdruck "Formsache" im allgemeinen Sprachgebrauch geradezu das Gegenteil, nämlich dass die Unterfertigung schriftlicher Urkunden nur dem Nachweis des bereits wirksam mündlich Vereinbarten dienen soll. Nicht einmal der Zeuge Havor gibt an, dem Kläger erklärt zu haben, dass für den Kläger vor Unterfertigung der Unterlagen keine Bindung entstehe. Er führte vielmehr aus (S 8 des Protokolls vom 19.11.1999 = AS 69) "dann wird dem Kunden der technische Ablauf beschrieben, dass wir nämlich ein kaufmännisches O.K. brauchen, um tätig zu werden, dass heißt einzukaufen. Nachdem ich dem Kläger alles erklärt hatte, habe ich von ihm dieses O.K. auch erhalten". Davon, dass dieses "O.K." erst mit Unterfertigung der Auftragsbestätigung wirksam würde, war keine Rede. Ein solches Verständnis stimmte auch mit dem Wortlaut der Auftragsbestätigung "Herr Ing.Cankut Gürel ....... bestätigt der Firma FDI AG Wien folgenden Auftrag" nicht überein. Überdies lautet Punkt 16. der Geschäftsbedingungen (Beil. ./B): "Erhält der Kunde eine Bestätigungskopie (Kontraktbestätigung) zur Kenntnisnahme, welche er trotz Vereinbarung nicht signiert, so berührt das in keiner Weise seine Bindung an die betreffende Transaktion". Da nicht ersichtlich ist, welche weitere Bestätigungskopie oder Kontraktbestätigung dem Kläger noch zur Unterfertigung übersandt worden wäre oder übersandt werden sollte, ist die Annahme, Punkt 16. der Geschäftsbedingungen beziehe sich auf eben diese Auftragsbestätigung zumindest naheliegend.

Dass die Beklagte hingegen im Falle der Nichtbestätigung nicht weiter auf Zahlung bestehen würde, vermag daran nichts zu ändern, wäre doch in einem solchen Falle die Beweissituation für die Beklagte nahezu aussichtslos.

Auch hinsichtlich der Feststellungen des Erstgerichtes über die Unangemessenheit der Provisionshöhe, die die Beklagte unter Hinweis auf das Gutachten Holm bekämpft, ist an der auf dem Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen Dr.Peter Ipkovich basierenden Beweiswürdigung des Erstgerichtes festzuhalten. Das von der Beklagten vorgelegte und in ihrem Auftrag erstellte Privatgutachten von Diplombetriebswirt Holm, Beil. ./13 ist kein Sachverständigengutachten im Sinne der ZPO und beweist bloß, welche Ansicht der Verfasser vertritt (vgl. Rechberger, Kommentar² Rz 8 zu vor § 351 ZPO mwN). Da selbst Holm (vgl. Seite 6 der Beil. ./13) ausführt, dass der Gebührensatz von 45 % "am oberen Ende der für derartige Geschäfte üblichen Gebührenskala anzusiedeln" ist, liegt ein gravierender, der Aufklärung bedürftiger Widerspruch nicht vor. Dass in einzelnen anderen Fällen, wie im Gutachten Leisinger oder in dem vorgelegten Urteil des OLG Frankfurt am Main Gebühren in dieser Größenordnung vereinnahmt wurden, bzw. als nicht unüblich angesehen wurden, ist nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens Ipkovich zu begründen, zumal jene Fälle hier nicht zur Beurteilung heranstehen und ihre Hintergründe nicht bekannt sind.

Einen vermeintlichen Verfahrensmangel erblickt die Beklagte in der Nichtzulassung der Fragen, ob der Kläger bei der Sendung Help TV war und ob er zusammen mit der Arbeiterkammer in einer Fernsehsendung war. Die Beklagte meint, dass durch die Beantwortung dieser Fragen dargestellt werden hätte können, dass der Kläger keinesfalls eine Person sei, die sich angesichts eines geschlossenen mündlichen Vertrages trotz Vorliegen eines vermeintlichen Willensmangels bzw. der behaupteten Nichtaufklärung ihn sein Schicksal ergebe, sondern vielmehr ein Mann sei, der mit Intelligenz und Hartnäckigkeit alle Möglichkeiten ausschöpft, zu seinem erstrebten Ziel zu kommen. Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Zunächst ist es irrelevant, welche anderen Wege außer Rechtsweg der Kläger beschritten hat, um eine Vergütung seines Schadens zu erlangen. Aber auch die von einer Teilnahme des Klägers an einer Servicesendung des ORF gezogene Schlussfolgerung der Beklagten ist nicht zu teilen. Es sind nämlich üblicherweise keineswegs die in geschäftlichen Dingen Erfahrenen und Routinierten, die bei derartigen Servicesendungen ihre "Fälle" der Öffentlichkeit darlegen, sodass die Beantwortung der nicht zugelassenen Fragen tatsächlich in keiner Weise relevant ist. In ihrer Rechtsrüge meint die Beklagte, das Erstgericht sei zu Unrecht bereits von einem mündlich anlässlich des Telefonates zustande gekommenen Vertragsabschluss ausgegangen. In diesem Zusammenhang ist auf die obigen rechtlichen Ausführungen zu verweisen. Der Vermittlungsauftrag wurde nicht nur nach dem subjektiven Eindruck des Klägers, sondern tatsächlich bereits mündlich anlässlich des Telefonates erteilt. Was die Frage des Abschlusswillens der Beklagten anlangt, so kommt es zunächst darauf gar nicht an, weil im Hinblick auf die Irrtumsanfechtung die bindende Willenserklärung des Klägers maßgeblich ist. Inwieweit Havor zum Abschluss bevollmächtigt war, ist einerseits deshalb, andererseits aber auch im Hinblick darauf nicht relevant, dass das Geschäft jedenfalls von einem vertretungsbefugten Organ der Beklagten genehmigt wurde, was durch Unterfertigung der sodann dem Kläger per Fax und per Post übermittelten Auftragsbestätigung dokumentiert ist. Das "Nachholen" einer vor dem Vertragsabschluss versäumten Aufklärung vermag aber am Inhalt des ursprünglich zustande gekommenen Vertrages nichts zu ändern. Wenn der Kläger die Unterlagen ungelesen unterfertigte, fehlt es nicht nur ihm an animus novandi, sondern hatten beide Teile keineswegs die Absicht, eine bereits bestehende Verbindlichkeit zu erneuern. In der Unterfertigung der Auftragsbestätigung (samt Risikobelehrung) kann auch kein Verzicht auf die Irrtumsanfechtung erblickt werden. Zum einen wurde ein solcher Verzicht von der Beklagten gar nicht behauptet, zum anderen müsste in diesem Fall auch erwiesen sein, dass sich der Kläger bei Unterfertigung der Auftragsbestätigung samt Risikobelehrung seines Rechtes zur Irrtumsanfechtung und damit dessen bewusst gewesen wäre, bisher noch nicht an den Vertrag gebunden zu sein. Im Übrigen ist ein nachträglicher Verzicht nicht schon anzunehmen, wenn der Irrende nach Aufklärung nicht sofort anficht, sondern abwartet, ob das Geschäft für ihn günstig ist (JBl 1964, 88; Schwimman/Apathy, ABGB² V § 871 Rz 34 mwN).

Dass die Irrtumsanfechtung zulässig ist, wenn ein Vertragspartner seine Aufklärungspflicht verletzt hat, entspricht ständiger Rechtsprechung (SZ 68/76, SZ 66/41, SZ 61/26 uva). Bei der Irrtumsveranlassung durch Unterlassung gebotener Aufklärung wird Kausalität (für den Nichtabschluss des Vertrages überhaupt) vermutet (SZ 66/41 u.a.); hier steht sie sogar ausdrücklich fest. Ihrer sehr weit gehenden und strengen Aufklärungspflicht (vgl. ÖBA 1994, 156; ÖBA 1995, 317; 1998, 720) ist sich die Beklagte, wie sich aus ihrer Broschüre und der Risikobelehrung ergibt, bei derartig risikoträchtigen und mit einer hohen Kostenbelastung verbundenen Investitionen durchaus bewusst. Der sich aus der Vertragsanfechtung gemäß §§ 871, 877 ABGB ergebende Rückabwicklungsanspruch besteht daher zu Recht.

Dem Erstgericht ist beizupflichten, dass das auch der auf culpa in contrahendo gestützte Schadenersatzanspruch zum selben Ergebnis führte.

Auf die besondere Sittenwidrigkeit, die sich aus dem unerbetenen telefonischen Ansprechen des Kunden nach § 1 UWG (ecolex 1999/246; RdW 1998, 399) ergibt, und der nunmehr auch § 101 TKG Rechnung trägt, kommt es hingegen in diesem Zusammenhang nicht an. Selbst wenn danach Schadenersatzansprüche eines Verbrauchers nach dem UWG bejaht werden, kann es hier nur um den adäquaten Vertrauensschaden gehen, nämlich etwa um Auslagen, die im Vertrauen auf einen vermeintlich gewonnen Hauptpreis aufgewendet wurden (RdW 1998, 399) oder um, die durch die mit dem unkontrollierten Eindringen in die Privatsphäre bewirkten Belästigungen verbundenen Nachteile (SZ 70/227). Es geht dabei um den Schutz der Individualsphäre vor der Belästigung durch Anrufe zu Werbezwecken, nicht aber darum, den Angerufenen vor übereilten und sich ungünstig entwickelnden Geschäftsabschlüssen zu schützen. Dass die Verbraucherschutzbestimmung des § 12 Abs. 3 WAG hier grundsätzlich anders zu sehen wäre, ist nicht erkennbar. Lediglich der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass hier die Verbrauchereigenschaft des Klägers unbestritten blieb und überdies evident ist, sodass es einer ausdrücklichen Feststellung nicht bedurfte.

Gemäß § 12 Abs. 3 WAG ist die telefonische Werbung für eines der in § 1 Abs. 1 Z 7 lit. b-f BWG genannten Instrumente und für Instrumente, Verträge und Veranlagungen gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 gegenüber Verbrauchern verboten, sofern der Verbraucher nicht zuvor sein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hat oder wenn nicht mit dem Verbraucher bereits eine Geschäftsbeziehung besteht, es sei denn, dass er die telefonische Werbung abgelehnt hat. Die EB führen dazu lediglich aus, dass Abs. 3 die Telefonwerbung bei Nichtkunden verbiete. Erlaubt sei allerdings auch die Bewerbung eines Kunden mit Produkten einer Produktgattung, die dieser noch nicht habe, also z.B. die Bewerbung eines Gehaltskontoinhabers mit Kapitalanlagefondanteilen. Während für die Verletzung der Schutzbestimmungen nach den §§ 13 und 14 WAG in § 15 Abs. 1 WAG ausdrücklich ein Schadenersatzanspruch vorgesehen ist, ist das Verbot der Telefonwerbung lediglich gemäß § 27 Abs. 2 WAG mit einer Verwaltungsstrafe bis zu S 300.000,-- geahndet. Inwieweit § 12 Abs. 3 WAG auf den gegenständlichen Sachverhalt wegen des erst später erfolgten Inkrafttretens der Anlage 2 zu § 22 BWG, auf die die Verweisungsnorm des § 11 Abs. 1 Z 3 BWG Bezug nimmt, am 01.Jänner 1998 (§ 107 Abs. 9 BWG), Anwendung findet, kann daher dahingestellt bleiben.

Auf Unterlassung der gebotenen Aufklärung gestützt erweist sich das Klagebegehren aber in Konkurrenz zur Irrtumsanfechtung als berechtigt.

Der Berufung musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die zitierte

Judikatur nicht zulässig.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

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