28R136/98w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Silberbauer als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Kalivoda und Dr.Kunst in der Firmenbuchsache der prot. Firma N ***** GmbH mit dem Sitz in Wien, FN *****, über den Rekurs des Dr.J***** als Geschäftsführer der Gesellschaft, vertreten durch Wolf Theiss Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 22.6.1998, 74 Fr 3024/98b-5, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird F o l g e gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird a u f g e h o - b e n und die
Sache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung unter
Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund z u r ü c k v e r
w i e - s e n .
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist zulässig.
Text
Begründung:
In dem beim Handelsgericht Wien (nunmehr) zu FN ***** geführten Firmenbuch ist seit 15.12.1966 die N***** GmbH (seit 19.3.1997 unter dieser Bezeichnung) mit dem Sitz in Wien, einem Stammkapital von ATS 150,000.000,-- und dem selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer Dr.J***** V*****, geb. 4.5.1944, eingetragen.
Mit Eingabe vom 17.4.1997 (beim Erstgericht eingelangt am 22.4.1997) legte Dr.J***** V***** als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft dem Firmenbuchgericht den Jahresabschluß zum 31.12.1997 samt Bestätigungsvermerk, den Lagebericht und den Gesellschafterbeschluß vom 9.4.1998 vor.
Mit Vorerledigung vom 27.4.1998 (ON 3) wurde dem Einschreiter aufgetragen, binnen 3 Wochen einen Antrag auf Eintragung der Einreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.1997 zu stellen, welcher der beglaubigten Unterschrift des Geschäftsführers bedürfe. Nach ausdrücklicher Ablehnung einer Befolgung dieses Auftrages wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluß die "Anmeldung auf Eintragung der Einreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.1997" zurück (ON 5). Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die im § 277 Abs 1 HGB vorgesehene Einreichung der Jahresabschlüsse sei mangels Aufzählung im § 11 FBG nicht in vereinfachter Form zulässig und bedürfe daher der im § 12 HGB vorgesehenen Form der Anmeldung. § 5 Z 3 FBG zähle den "Tag der Einreichung des Jahres- und Konzernabschlusses (§§ 277 bis 280 HGB) sowie deren Abschlußstichtag" unter den bei Kapitalgesellschaften vorzunehmenden "Eintragungen" auf. § 12 HGB sei "in systematischer Interpretation so auszulegen, daß die darin vorgesehenen Formvorschriften alle in § 5 FBG vorgesehenen Eintragungen erfassen". Der Ansicht, daß die Einreichung des Jahresabschlusses von Amts wegen in das Firmenbuch einzutragen sei, wird vom Erstgericht entgegengehalten, daß die Fälle amtswegiger Eintragung im Gesetz ausdrücklich als solche bezeichnet seien. Die Amtswegigkeit der gegenständlichen Eintragung nach § 5 Z 3 FBG sei hingegen nicht ausdrücklich angeordnet. Weiters vertritt das Erstgericht die Ansicht, daß "amtswegige Eintragungen nach dem Willen des Gesetzgebers stets gebührenfrei erfolgen, während für die in § 5 Z 3 FBG vorgesehene Eintragung die Entrichtung einer Gebühr vorgesehen" sei. Auch dieser Umstand sei "ein wesentliches Indiz dafür, daß es sich bei der Eintragung gemäß § 5 Z 3 FBG nach dem Willen des Gesetzgebers nicht um eine amtswegig vorzunehmende Eintragung handelt". Da die Einreichung des Jahresabschlüsse und deren Eintragung nach § 5 Z 3 FBG weder in vereinfachter Form noch von Amts wegen zu erfolgen habe, entspreche die gegenständliche Eingabe nicht den Formerfordernissen des § 12 HGB und sei aus diesem Grunde zurückzuweisen gewesen.
Dagegen richtet sich der Rekurs des Dr.J***** V***** als Geschäftsführer der Gesellschaft mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Tag der Einreichung des Jahresabschlusses zum 31.12.1997 im Firmenbuch eingetragen werde.
Der Rekurs ist im Sinne des in dem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrages berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 277 Abs 1 HGB idF des EU-GesRÄG haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften den Jahresabschluß und den Lagebericht nach seiner Behandlung in der Hauptversammlung (Generalversammlung), jedoch spätestens 9 Monate nach dem Bilanzstichtag, mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung oder Einschränkung beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Kapitalgesellschaft einzureichen; innerhalb derselben Frist sind der Bericht des Aufsichtsrats, der Vorschlag über die Verwendung des Ergebnisses und der Beschluß über dessen Verwendung einzureichen. ... Die zitierte Vorschrift regelt somit die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses, des Lageberichtes, des Berichtes des Aufsichtsrates, des Vorschlages über die Verwendung des Ergebnisses und des Beschlusses über dessen Verwendung durch Einreichung dieser Urkunden beim Firmenbuchgericht.
Nach § 5 Z 3 FBG idF des EU-GesRÄG ist unter anderem bei Aktiengesellschaften der Tag der Einreichung des Jahres- und Konzernabschlusses (§§ 277 bis 280 HGB) sowie deren Abschlußstichtag (im Firmenbuch) einzutragen.
Im angefochtenen Beschluß vertritt das Erstgericht im Gegensatz zur Einschreiterin den Standpunkt, diese im § 5 Z 3 FBG angeordnete Eintragung habe über Anmeldung und damit unter Einhaltung der Formvorschriften des § 12 HGB zu erfolgen.
Dazu hat das Rekursgericht folgendes erwogen:
Die hier gegenständlichen Vorschriften (§ 277 Abs 1 HGB und § 5 Z 3 FBG) enthalten keine Anordnung, wonach im Zusammenhang mit der Einreichung des Jahresabschlusses und der übrigen im § 277 Abs 1 HGB genannten Urkunden eine Anmeldung zu erfolgen hätte.
Unter einer Anmeldung wird im Firmenbuchrecht ein auf eine bestimmte Eintragung im Firmenbuch gerichteter Parteienantrag verstanden (Keidel/Stöber, Registerrecht5, Rz 18). Eine solche Anmeldung ist gemäß § 12 Abs 1 HGB persönlich bei dem Gerichte zu bewirken oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen.
Von dem im § 12 HGB normierten Grundsatz der besonderen Form der Einreichung von Anmeldungen werden in den im § 11 FBG taxativ aufgezählten Fällen (OLG Wien 6 R 93/91 in NZ 1992, 253; Schenk in Straube, HGB I**2, 108) Ausnahmen zugelassen. In diesen, hier nicht gegenständlichen Fällen, ist eine "vereinfachte Anmeldung" durch Unterfertigung namens des Rechtsträgers durch vertretungsbefugte Personen in der zur Vertretung notwendigen Anzahl auch ohne beglaubigte Form zulässig.
Bei der Einreichung von Schriftstücken handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang, nämlich den der Vorlage bzw. Einbringung von Urkunden (wie schriftlichen Anmeldungen, Unterschriftszeichnungen etc.) bei Gericht (6 Ob 97/97a). Die Einreichung (Einbringung, Vorlage) als tatsächlicher Vorgang, womit schriftliche Parteieneingaben (Anmeldungen) oder sonstige vorzulegende Urkunden (etwa wie hier die im § 277 HGB genannten Schriftstücke) der Behandlung durch die Behörde (Firmenbuchgericht) zugeführt werden, ist somit zu unterscheiden von der Anmeldung als einem auf Eintragung im Firmenbuch gerichteten Parteienantrag.
Einzureichen sind beim Firmenbuchgericht nicht nur Anmeldungen; vielmehr können auch (andere) Urkunden Gegenstand einer Einreichung beim Firmenbuchgericht bilden. Diese Einreichungen von Schriftstücken (abgesehen von Anmeldungen, soweit sie nicht unter § 11 FBG fallen), erfolgt formlos (vgl. Keidel/Stöber aaO, Rz 24).
Daß abgesehen von der Einreichung von Anmeldungen auch die Einreichung von (anderen) Urkunden einer beglaubigten Form bedürfte, ist dem Gesetz jedenfalls nicht zu entnehmen. Im § 277 Abs 1 HGB idF des EU-GesRÄG ist die (jährlich zu wiederholende) bloße Einreichung der dort erwähnten Urkunden angeordnet. Dafür, daß diese Urkundeneinreichung in öffentlich beglaubigter Form zu erfolgen hätte, enthält diese Bestimmung keinerlei Hinweis.
Im § 5 Z 3 FBG wird (ähnlich wie im § 4 Z 7 FBG) die Eintragung des Datums dieser Einreichung (sowie des Bilanzstichtages) angeordnet. Das Erstgericht vertritt in diesem Zusammenhang den Standpunkt, eine amtswegige Firmenbucheintragung komme nur in Betracht, wenn dies ausdrücklich im Gesetz angeordnet sei. Alle anderen Eintragungen seien nur über (förmliche oder vereinfachte) Anmeldung vorzunehmen.
Tatsächlich sieht das Gesetz Eintragungen in das Firmenbuch wohl regelmäßig über Anmeldung vor. Andererseits ist aber auch in einer Reihe von Ausnahmefällen im Gesetz eine amtswegige Firmenbucheintragung vorgeschrieben (vgl. § 10 Abs 2 FBG sowie die bei Grömmer/Oberhofer in Oberhofer, Firmenbuch, II 7.1. S. 1 angeführten "Ausnahmefälle"). Freilich läßt der Umstand, daß im Gesetz in der Mehrzahl der Fälle die Eintragung über Anmeldung und nur in "Ausnahmefällen" eine amtswegige Eintragung vorgesehen ist, noch keinen verläßlichen Rückschluß auf den gegenständlichen Fall zu, in dem vom Gesetzgeber für die Eintragung des Datums der Einreichung des Jahresabschlusses weder eine Anmeldung noch Amtswegigkeit angeordnet wurde.
Es besteht keine im Gesetz festgelegte Verpflichtung zur Anmeldung des Zeitpunktes der Einreichung des Jahresabschlusses und der übrigen im § 277 Abs 1 HGB genannten Urkunden. Daher können die gesetzlichen Vertreter der Kapitalgesellschaften auch nicht zu einer solchen Anmeldung, wohl aber zur Einreichung der genannten Schriftstücke durch Zwangsstrafen verhalten werden (vgl. § 24 Abs 1 FBG, der im übrigen auch ausdrücklich zwischen Anmeldung und Einreichung von Schriftstücken zum Firmenbuch unterscheidet sowie § 283 HGB).
Immerhin wird aber im § 277 Abs 1 HGB der Vorgang, der zu dieser Eintragung führt, wiederholt bezeichnet, und zwar ausschließlich als "Einreichen".
Die bei Anmeldungen regelmäßig einzuhaltenden Formvorschriften (§ 12 HGB) dienen dem Zweck, dem Firmenbuchgericht mittels öffentlicher Urkunde die Identität der als bzw. für den Antragsteller auftretenden Personen darzutun (OLG Wien, 6 R 93/91 in NZ 1992, 253; Burgstaller in Jabornegg HGB, Rz 2 zu § 12 HGB). Für die Einbringung des Jahresabschlusses und der übrigen in § 277 Abs 1 HGB genannten Urkunden wird im Gesetz eine solche Identitätsprüfung nicht für erforderlich gehalten. Andernfalls wären dafür besondere Formvorschriften anstatt der bloßen "Einreichung dieser Urkunden" vorgesehen oder eine Anmeldung (sei es auch nur des Einreichungstages) angeordnet worden.
Wenngleich eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung der amtswegigen Einreichung dieser Daten von vornherein Klarheit verschafft hätte, kann doch aus dem Schweigen des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang nicht der Schluß gezogen werden, daß die Eintragung des - unschwer aus der Eingangsstampiglie der Urkundenvorlage zu entnehmenden - Datums der Einreichung einer förmlichen Anmeldung bedürfte. Wenn der Gesetzgeber die Anordnung eines besonderen Identitätsnachweises nicht einmal für die Urkundeneinreichung (§ 277 Abs 1 HGB) für notwendig befunden hat, kann ihm nicht zugesonnen werden, daß er ausgerechnet für die Eintragung des Datums dieser Urkundeneinreichung auf einem solchen Identitätsnachweis bestehen wollte.
Der in der Literatur (RdW 1998, 53) erörterte Fall einer Einreichung solcher Unterlagen durch gesellschaftsfremde Personen wird dem aufmerksamen Rechtspfleger schon im Hinblick auf den Bestätigungsvermerk aber auch auf die gesetzlich geregelte Befristung der Einreichung solcher Unterlagen unschwer auffallen und ebenso problemlos auch ohne förmliche Anmeldung einer Klärung zugeführt werden können.
Demnach ist die Eintragung des Datums der Einreichung entgegen der Ansicht des Erstgerichtes im Einklang mit der auch in der Literatur einhellig vertretenen Auffassung (Eiselsberg/Schenk/Weissmann, FBG, Rz 3 zu § 5; Burgstaller in Jabornegg, HGB-Komm., Rz 5 zu § 5 FBG; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I**2 Rz 2/680; Grömmer/Oberhofer in Oberhofer, Firmenbuch, II 7.1.1. S. 2; "C.N." [Christian Novotny] in RdW 1998, 53) von Amts wegen vorzunehmen.
Die Amtswegigkeit dieses Eintragungsverfahrens schließt die Rekurslegitimation des Einschreiters im Hinblick auf dessen Interesse an der gesetzmäßigen Behandlung seiner Einreichung nicht aus, zumal den Geschäftsführern im § 283 HGB für den Fall der Nichtbefolgung der Einreichungsverpflichtung Zwangsstrafen angedroht sind.
Aber auch der vom Erstgericht unternommene Versuch einer gebührenrechtlichen Rechtfertigung der im angefochtenen Beschluß vertretenen Auffassung, die Eintragung gemäß § 5 Z 3 FBG erfordere eine den Formvorschriften des § 12 HGB entsprechende Anmeldung, vermag nicht zu überzeugen. Das Erstgericht vermeint in diesem Zusammenhang, "daß amtswegige Eintragungen nach dem Willen des Gesetzgebers stets gebührenfrei erfolgen, während für die in § 5 Z 3 FBG vorgesehene Eintragung die Entrichtung einer Gebühr vorgesehen ist". Wie im Rekurs zutreffend ausgeführt wird, unterliegt gemäß § 1 Abs 1 GGG die Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte einschließlich der an diese gerichteten Eingaben der Gebühr. Ein Hinweis dafür, daß für amtswegige gerichtliche Tätigkeiten keine Gebührenpflicht bestünde, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Dieses unterscheidet vielmehr für Eintragungen in das Firmenbuch unter TP 10 bei der Festsetzung von Pauschalgebühren - weitere Gerichtsgebühren sind im Firmenbuchverfahren nicht zu entrichten (Anm. 1 zu TP 10) - keineswegs zwischen amtswegigen Eintragungen und solchen, die über Anmeldung vorzunehmen sind. Vielmehr fallen in Firmenbuchsachen unter die Gebührenpflicht der TP 10 GGG insbesondere alle unter TP 10 D.I. lit a bis h angeführten Eintragungen. Im Hinblick auf die in lit d enthaltene Generalklausel ("... sonstige gebührenrechtlich nicht besonders geregelte Eintragungen ...") wird auch nach dieser Bestimmung für jede im Gesetz vorgesehene Eintragung, ob sie nun über Parteieneintrag oder von Amts wegen erfolgt, insbesondere bei Aktiengesellschaften angeordnet, daß eine Pauschalgebühr zu entrichten sei. Schon aus diesem Grunde kann auch dem Gerichtsgebührengesetz keinerlei Hinweis auf die Notwendigkeit einer förmlichen Anmeldung zur Eintragung des Datums der Einreichung des Jahresabschlusses in das Firmenbuch entnommen werden.
Da es einer (förmlichen oder vereinfachten) Anmeldung zur Eintragung des Datums der Einreichung der im § 277 Abs 1 HGB angeführten Urkunden entsprechend § 5 Z 3 FBG nicht bedarf, war wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist zulässig, weil - soweit ersichtlich - zu der Frage, ob die Eintragung des Datums der Einreichung des Jahresabschlusses und der übrigen zur Erfüllung der Offenlegungspflicht gemäß § 277 Abs 1 HGB einzureichenden Urkunden einer den Formvorschriften des § 12 HGB entsprechenden Anmeldung bedarf oder nicht, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht vorliegt.