3R71/98b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Mayer als Vorsitzenden und die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Jelinek und Dr.Kalivoda in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, *****, als Masseverwalter im Konkurs der F*****, wider die beklagte Partei N*****, F-64500 S*****, Frankreich, wegen S 850.000,- s.A., über den Rekurs der Republik Österreich, vertreten durch den Revisor beim Handelsgericht Wien, gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 18.3.1998, GZ 25 Cg 40/97s-27, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs der Republik Österreich, vertreten durch den Revisor beim Handelsgericht Wien, wird F o l g e gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:
"Die Gebühren der Dolmetscherin Dr.Gertrude Barnert, 1230 Wien, Anton-Krieger-Gasse 42, für die Übersetzung der in Frankreich zugestellten Gerichtsstücke werden nach den Bestimmungen des GebAG 1975 mit S 796,- inklusive Umsatzsteuer bestimmt."
Die Änderung der Auszahlungsanordnung bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Der Revisisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Dem Kläger wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 18.8.1997 die Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a-f ZPO, darunter auch die einstweilige Befreiung von der Entrichtung der Gebühren der Dolmetscher, in vollem Umfang bewilligt. Da die Beklagte eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Frankreich ist, hat das Erstgericht mit Beschluß vom 15.7.1997 D***** zur Dolmetscherin für die französische Sprache bestellt und ihr die Übersetzung des Zustellscheines, des Beschlusses, mit dem der Auftrag zur Klagebeantwortung erteilt wurde, sowie des Beschlusses, mit dem der Auftrag zur Namhaftmachung eines inländischen Zustellbevollmächtigten erteilt wurde, aufgetragen.
In ihrer gleichzeitig mit den gewünschten Übersetzungen überreichten Gebührennote verzeichnete die Dolmetscherin gemäß § 53 Abs 1 iVm § 34 Abs 1 und 4 GebAG für ihre Leistungen inklusive Umsatzsteuer S 1.656,-. Als Übersetzungshonorar begehrte sie auf Basis der Tarifinformation des österreichischen Verbandes der Gerichtsdolmetscher ein Zeilenhonorar von S 18,-, für 6 Beglaubigungen verrechnete sie pauschal S 300,-. Mit dem Gebührenbestimmungsantrag verband sie die Erklärung, gemäß § 34 Abs 2 GebAG auf die Bezahlung der Gebühren aus Amtsgeldern zu verzichten.
Nachdem das Erstgericht, ohne die Gebührennote vorweg dem Revisor und der beklagten Partei zur Äußerung zuzustellen, die Gebühren in der beantragten Höhe bestimmt hatte, erhob die Republik Österreich, vertreten durch den Revisor beim Handelsgericht Wien, Rekurs, dem mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 29.12.1997, 3 R 227/97t, Folge gegeben wurde. In seiner Begründung wies das Rekursgericht darauf hin, daß trotz der Erklärung der Dolmetscherin, auf die Zahlung der gesamten Gebühr aus Amtsgeldern zu verzichten, eine Bestimmung der Mühewaltungsgebühr nach § 34 Abs 1 GebAG nicht in Betracht komme, weil gemäß § 34 Abs 2 GebAG in Verfahren, in denen eine der zur Zahlung verpflichteten Parteien Verfahrenshilfe genieße, die Gebühr für Mühewaltung nach den Tarifen des GebAG zu bestimmen sei. Da das Erstgericht gegen die Vorschrift des § 39 Abs 1 GebAG verstoßen und die Gebührennote dem Revisor nicht zur Äußerung zugestellt hatte, hob das Rekursgericht den Gebührenbestimmungsbeschluß wegen Nichtigkeit auf und trug die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Das Erstgericht stellte daraufhin die Gebührennote den Parteien, sowie den gesamten Akt dem Bezirksrevisor "zur Entnahme einer Ausfertigung der Rekursentscheidung und Einsicht in die Gebührennote ON 9" zu. Der Revisor retournierte den Akt mit dem Stampiglienaufdruck "Akt dem Handelsgericht Wien nach Beschlußentnahme rückgemittelt. Auf Rechtsmittel wird verzichtet", wobei die Worte "Auf Rechtsmittel wird verzichtet" durchgestrichen waren. Mit dem angefochtenen Beschluß bestimmte das Erstgericht neuerlich die Gebühren in der von der Dolmetscherin beantragten Höhe. In der Begründung führte es lediglich aus, daß die von der Dolmetscherin beanspruchten Gebühren den erbrachten Leistungen sowie den Bestimmungen des GebAG entsprächen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der neuerliche Rekurs des Revisors beim Handelsgericht Wien mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Der Rekurswerber weist darauf hin, daß die von der Dolmetscherin verzeichneten Gebühren nicht dem GebAG entsprächen, weil § 54 GebAG nur ein Seiten-, nicht aber ein Zeilenhonorar (wie von der Dolmetscherin verzeichnet) kenne. Auch die Entlohnung für Beglaubigungen sei nach § 54 GebAG fix mit S 32,-
bestimmt.
Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Frage, ob einer Partei, die sich in erster Instanz zum Gebührenantrag des Sachverständigen (Dolmetschers) nicht oder nicht rechtzeitig geäußert hat, das Rechtschutzinteresse (die Beschwer) für ein anschließendes Rechtsmittel gegen die antragsgemäße Gebührenbestimmung fehlt, wird von den österreichischen Rekursgerichten unterschiedlich beantwortet (vgl. die Übersicht in Krammers Anmerkung zu 2 Entscheidungen des OLG Innsbruck und des LG Eisenstadt in SV 1997/3, 31). Das Rekursgericht schließt sich der überzeugenden Begründung des OLG Innsbruck in seinem Beschluß vom 5.5.1997, 4 R 1/97x (SV 1997/3, 27) an. Unterläßt eine Partei die rechtzeitige Äußerung, so ist dies lediglich als Zustimmung zu den tatsächlichen Angaben des Sachverständigen aufzufassen. Deren Überprüfung im Rahmen eines dennoch erhobenen Rekurses stünde schon das Neuerungsverbot entgegen.
Hingegen ist es der Partei nicht verwehrt, Unschlüssigkeiten des Gebührenantrages, Aktenwidrigkeiten und die Verletzung zwingender gesetzlicher Vorschriften geltend zu machen, weil § 39 Abs 3 GebAG idF der Novelle 1994 dem Gericht nur eine Erleichterung bei der Begründung (indem es den Gebührenantrag zum Beschluß- und Begründungsinhalt macht) einräumt, es aber nicht von der Prüfung der Übereinstimmung des Antrages mit Akt und Gesetz entbindet.
Im vorliegenden Fall kommt noch dazu, daß der Revisor der ihm zugestellten Rekursentscheidung die Unzulässigkeit des "Gebührensplittings" entnehmen konnte und er darauf vertrauen durfte, daß auch das Erstgericht bei der neuerlichen Gebührenbestimmung die rekursgerichtlichen Vorgaben beachten werde. Sein "Schweigen" kann daher umsoweniger als Zustimmung zu den Gebührenansätzen der Dolmetscherin gedeutet werden (hervorgehoben wird dies noch durch die vorsichtige Streichung des Satzes "auf Rechtsmittel wird verzichetet"). Allenfalls kann es als Außerstreitstellung der außergerichtlichen Einkünfte der Dolmetscherin aufgefaßt werden. Die grundsätzliche Frage, ob Gebührensplitting zulässig ist oder nicht, gehört aber zu den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen, deren Einhaltung das Erstgericht immer zu prüfen hat.
Wie schon im oben angeführten Aufhebungsbeschluß dargelegt, kommt eine Bestimmung der Mühewaltungsgebühren nach richterlichem Ermessen in Annäherung an die Einkünfte, die der Dolmetscher im außergerichtlichen Erwerbsleben üblicherweise bezöge, nach § 34 Abs 2
GebAG dann nicht in Betracht, wenn eine der zur Zahlung verpflichteten Parteien Verfahrenhilfe genießt. In diesem Fall bestimmt sich die Mühewaltungsgebühr nach den Tarifen des GebAG, konkret also nach dem § 54 GebAG. Da die Leistung der Dolmetscherin vor dem 1.1.1998 erbracht wurde, sind die Tarifsätze laut BGBl Nr 623/1994 heranzuziehen. Demnach beträgt die Gebühr des Dolmetschers bei schriftlicher Übersetzung für jede volle Seite der Übersetzung S 157,- (§ 54 Abs 1 Z 1a GebAG). Umstände, die eine Erhöhung dieses Tarifansatzes rechtfertigen würden (etwa nach § 54 Abs 1 Z 1b oder c), hat die Dolmetscherin nicht behauptet. Da sie den Auftrag hatte, zwei Beschlüsse und einen Zustellschein zu übersetzen, wobei jede Urkunde nur eine Seite hatte, steht ihr daher eine Mühewaltungsgebühr von S 471,- zu. Dazu kommen 6 Beglaubigungen a S 32,- gemäß § 54 Abs 1 Z 2 GebAG (= S 192,-) sowie die USt von S 132,60. Die Gesamtgebühr von S 795,60 ist gemäß § 39 Abs 2 GebAG auf volle Schilling aufzurunden.
Die von der Dolmetscherin angesprochenen S 18,- pro Zeile auf Grund der Tarifempfehlungen des Verbandes der österreichischen Gerichtsdolmetscher bzw. das Pauschalhonorar für 6 Beglaubigungen von S 300,- entsprechen offenbar den im außergerichtlichen Erwerbsleben erzielbaren Einkünften, welche aber auf Grund der oben angeführten Besonderheit (Verfahrenshilfe) nicht berücksichtigt werden können.
Obwohl der Rekurswerber lediglich Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt hat, ist seinem Rechtsmittel mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß er die Abänderung (Reduzierung der Gebühr auf die Tarifansätze des § 54 GebAG) anstrebt. Zur Vermeidung weiterer Verzögerungen war daher der angefochtene Beschluß abzuändern (EvBl 1993/146; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 471).
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO jedenfalls unzulässig.