12R1/98z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht hat durch Dr. Weihs als Vorsitzenden sowie durch Dr. Hurch und Dr. Strauss als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, W*****, wider die beklagte Partei A*****, B*****, P*****, wegen S 182.754,33 s.A., infolge der Rekurse der klagenden Partei gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Eisenstadt vom 10.12.1997, GZ 3 Cg 149/97x-5, und vom 11.12.1997, GZ 3 Cg 149/97x-7, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1.) Dem Rekurs gegen den Beschluß ON 5 wird n i c h t Folge gegeben.
Dagegen ist der weitere Rekurs jedenfalls unzulässig.
2.) Hingegen wird dem Rekurs gegen den Beschluß ON 7 F o l g e gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten für bestellte und gelieferte Waren die Zahlung von S 182.754,33 s.A. Mit Beschluß vom 13.10.1997 trug das Erstgericht der Beklagten die Erstattung einer Klagebeantwortung innerhalb einer Frist von drei Wochen auf, welche Frist ungenützt verstrich. Am 28.11.1997 begehrte die Klägerin infolgedessen, gegen die Beklagte ein Versäumungsurteil zu fällen und ihr "die Kosten des bisherigen Verfahrens laut dem beiliegenden Kostenverzeichnis" zuzusprechen. Ein Kostenverzeichnis lag dem Antrag nicht bei.
Am 28.11.1997 erließ das Erstgericht das beantragte Versäumungsurteil, sprach jedoch der Klägerin keine Kosten zu. Das begründete das Erstgericht damit, daß Kosten nicht verzeichnet worden seien, eine Kostennote sei dem Antrag nicht angeschlossen gewesen. Am 4.12.1997 wurde das Versäumungsurteil dem Klagevertreter zugestellt. Am 9.12.1997 beantragte die klagende Partei, ihre Verfahrenskosten mit S 13.860,20 zu bestimmen und legte ein Kostenverzeichnis über diesen Betrag vor.
Mit Beschluß vom 10.12.1997, ON 5, wies das Erstgericht den Antrag auf Kostenbestimmung unter Hinweis auf § 54 Abs.1 ZPO zurück.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
§ 54 ZPO trifft eindeutige Regelungen für die rechtzeitige Übergabe eines Kostenverzeichnisses in dem Fall, in dem eine Beschlußfassung über Kosten ohne vorgängige Verhandlung erfolgen soll. Diesfalls hat die Kostenersatz ansprechende Partei bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruches das Verzeichnis der Kosten samt den zur Bescheinigung der Ansätze und Angaben dieses Verzeichnisses etwa erforderlichen Belegen gleichzeitig mit dem der Beschlußfassung zu unterziehenden Antrag dem Gericht zu übergeben. Nur dann, wenn einer Partei nachträglich Kosten entstehen, trifft § 54 Abs.2 ZPO dafür die Regelung, daß solche innerhalb einer Notfrist von vier Wochen verzeichnet werden können. Die Sondervorschrift des § 54 Abs.2 ZPO ist hier aber, weil nach dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Erlassung des Versäumungsurteils und Zuerkennung der Prozeßkosten keine Kosten nachträglich nicht entstanden sind, nicht anwendbar. Die Vorlage des Kostenverzeichnisses am 9.12.1997 war eindeutig verspätet, weshalb das Erstgericht in Übereinstimmung mit der zitierten Regelung den Antrag von Zuerkennung von Prozeßkosten zurückgewiesen hat.
Rechtliche Beurteilung
Dem unberechtigten Rekurs war der Erfolg zu versagen.
Die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszuges ergibt sich aus § 528 Abs.2 Z 3 ZPO.
Am 11.12.1997 begehrte die Klägerin, ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Vorlage eines Kostenverzeichnisses zu bewilligen. Die zuverlässige Mitarbeiterin des Klagevertreters, Frau P*****, habe es durch ein Versehen unterlassen, dem Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurteils und Kostenzuspruch das im Antrag ausdrücklich angeführte Kostenverzeichnis anzuschließen. Frau Peischler sei an diesem Tag infolge der ihr unmittelbar davor zugekommenen Mitteilung, daß sie schwanger sei, seelisch derart beeinträchtigt gewesen, daß ihre gewohnte Aufmerksamkeit versagt habe. Darin liege ein minderes Versehen im Sinn des § 146 Abs.1 ZPO.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück. § 146 Abs.1 ZPO ermögliche die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur bei Versäumung einer Prozeßhandlung, nicht jedoch im Falle einer fehlerhaften oder unvollständigen Prozeßhandlung.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin.
Der Rekurs ist berechtigt.
Gemäß § 54 Abs.1 ZPO, hat die Partei, welche Kostenersatz anspricht,
bei sonstigem Verlust des Ersatzanspruches das Verzeichnis der Kosten
... vor Schluß der der Entscheidung über den Kostenersatzanspruch
unmittelbar vorangehenden Verhandlung, wenn aber die Beschlußfassung
ohne vorgängige Verhandlung erfolgen soll, ... gleichzeitig mit dem
der Beschlußfassung zu unterziehenden Antrag dem Gericht zu
übergeben.
§ 146 Abs.1 läßt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu, wenn eine Partei an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte.
Dem Argument des Erstgerichtes, die Wiedereinsetzung sei bei einer unvollständigen Prozeßhandlung ausgeschlossen, kann nicht gefolgt werden. Selbst, wenn man die Verzeichnung von Kosten nur als Teil einer anderen Prozeßhandlung (Fällung eines Versäumungsurteiles) ansieht, war der Wiedereinsetzungswerber bei Zutreffen seiner Behauptungen an der Vornahme einer vollständigen, wenigstens zum Teil befristeten (§ 54 Abs.1 ZPO) Prozeßhandlung gehindert. Vom Oberlandesgericht Wien wurde bereits in zwei Fällen (bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen) die Wiedereinsetzung sogar im Falle einer unvollständigen Kostenverzeichnung bewilligt (AnwBl. 1994/4705; 12 R 170/96z).
Für die von Fucik in Rechberger (vgl. Rz 5 zu § 54 ZPO) dargestellte Rechtsmeinung, wonach eine Wiedereinsetzung nur im Falle einer Versäumung der Frist des § 54 Abs.2 ZPO möglich sei, findet sich keine Begründung.
Ausgehend davon, daß die Beklagte eine befristete Prozeßhandlung (rechtzeitige Vorlage eines Kostenverzeichnisses) oder zumindest den befristeten Teil einer anderen Prozeßhandlung (Antrag auf Fällung eines Versäumungsurteiles samt Kostenverzeichnung) versäumte, womit der Verlust des Ersatzanspruches verbunden ist, steht ihr entgegen der Ansicht des Erstgerichtes der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu.
Das Erstgericht wird sich daher im fortgesetzten Verfahren mit dem geltend gemachten Wiedereinsetzungsvorbringen auseinanderzusetzen und nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens entsprechende Feststellungen zu treffen haben, die eine abschließende Beurteilung der Berechtigung des Wiedereinsetzungsbegehrens zulassen.
Rekurskosten wurden nicht verzeichnet.