15R179/97x – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Univ.Prof.Dr.Ertl als Vorsitzenden sowie Dr.Manica und Univ.Doz.Dr.Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*****, vertreten durch Dr.*****, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien
1) M***** KG und 2) M*****, Kaufmann, beide *****, vertreten durch Dr.J*****, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 179.262,74 samt Nebengebühren (Rekursinteresse S 6.740,32), über den Rekurs der klagenden Partei gegen die im Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 31.7.1997, 22 Cg 262/97s-22, enthaltenen Kostenentscheidungen in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird teilweise F o l g e gegeben.
Die angefochtenen Entscheidungen werden dahingehend abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 60.080,72 (darin S 8.865,12 USt und S 6.890,-- Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen des Beklagtenvertreters Verfahrenskosten von S 3.390,16 (darin S 558,36 an USt und S 40,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.626,24 (darin S 271,04 USt) bestimmten Rekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Nachdem die Klägerin die Klage sowie einen vorbereitenden Schriftsatz eingebracht hatte und nachdem bereits zwei Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung stattgefunden hatten, beantragte sie am Ende der (dritten) Tagsatzung vom 15.5.1997 zum Beweis für den Inhalt eines am 23.6.1993 zwischen den Vertretern der Streitteile geführten Gesprächs die Vernehmung der Zeugin Mag."N." Hofmann, deren Anschrift binnen 14 Tagen bekanntgegeben werde. Die Beklagten beantragten Kostenseparation, da für diese Vernehmung ein weiterer Verhandlungstermin notwendig werde. Nachdem die Klägerin den vollständigen Namen und die Adresse der Zeugin schriftlich bekanntgegeben hatte, fand am 14.7.1997 in der Zeit von 9.07 Uhr bis 9.33 Uhr eine weitere Tagsatzung statt, in der nach Wiederholung der bisherigen Verfahrensergebnisse die beantragte Zeugin vernommen und die Verhandlung geschlossen wurde.
Mit den angefochtenen Kostenentscheidungen sprach das Erstgericht der (in der Hauptsache obsiegenden) Klägerin Kostenersatz in Höhe von S 56.730,56 zu und verhielt sie gleichzeitig zum Ersatz der in der letzten Tagsatzung angefallenen Kosten von S 6.740,32 an die Beklagten. Die Kostenseparation wurde im wesentlichen damit begründet, daß es für die Klägerin ein Leichtes gewesen wäre, die Einvernahme der Zeugin so rechtzeitig zu beantragen, daß keine zusätzliche Verhandlungstagsatzung erforderlich gewesen wäre, da ihr stets bekannt gewesen sei, daß diese Zeugin an einem maßgeblichen Gespräch teilgenommen habe. Das (klagsstattgebende) Urteil erwuchs in der Hauptsache und im Zinsenausspruch in Rechtskraft.
Gegen die Kostenentscheidungen richtet sich der Kostenrekurs der Klägerin mit dem Antrag, diese dahin abzuändern, daß (ersichtlich gemeint: unter Entfall jeglicher Kostenersatzpflicht der Klägerin) den Beklagten zur ungeteilten Hand auch der Ersatz der Verfahrenskosten (der Klägerin) von S 6.740,32 aufgetragen werde; hilfsweise wird beantragt, den Beklagten den Ersatz von Kosten in Höhe von S 3.350,16 aufzuerlegen und die ausgesprochene Kostenersatzpflicht der Klägerin auf S 3.390,16 herabzusetzen.
Der Rekurs ist in seinem Eventualantrag berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nicht gefolgt werden kann der Rechtsansicht der Klägerin, daß die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 48 ZPO nicht gegeben wären. Nach dieser Bestimmung kann dem Prozeßgegner ua der Ersatz jener Kosten zuerkannt werden, die dadurch verursacht wurden, daß die andere (auch obsiegende) Partei schuldhaft tatsächliche Anführungen oder Beweisanbietungen verspätet vorgebracht hat. Daß der Antrag auf Vernehmung der Zeugin Mag.Klingenbrunner-Hofmann in diesem Sinne schuldhaft verspätet gestellt wurde, hat das Erstgericht zu Recht angenommen.
Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang ausführt, daß ihrem Prozeßvertreter "ebenso wie der klagenden Partei" bis zur Aussage des Zweitbeklagten nicht bekannt gewesen sei, daß diese ehemalige Mitarbeiterin bei dem relevanten Gespräch vom 23.6.1993 dabei gewesen ist, so ist dadurch für sie nichts zu gewinnen. Im Rahmen einer dem üblichen Standard entsprechenden Prozeßvorbereitung hat sich jede Prozeßpartei zu bemühen, den strittigen Sachverhalt so weit wie möglich aufzuklären und insbesondere in Erfahrung zu bringen, welche ihrer Mitarbeiter zur Klärung im Prozeß strittiger Fragen etwas beitragen können. Werden derartige Nachforschungen unterlassen, so kann sich die Partei, die erst nachträglich Informationen über in Frage kommende Zeugen erlangt, nicht auf ihre Unkenntnis berufen.
Auch wenn das Erstgericht möglicherweise zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß die Teilnahme der Zeugin an dem maßgeblichen Gespräch "der Klägerin" schon lange bekannt gewesen sei, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, daß sie ihr bei ohne weiteres zumutbarer Sorgfalt leicht hätte bekannt sein können. Daß der ehemalige Prokurist Dr.R***** an diesem Gespräch teilgenommen hat, war den maßgeblichen Organen der Klägerin offenbar bekannt, jedenfalls aber ihrem Prozeßvertreter, dessen Verhalten der von ihm vertretenen Partei zuzurechnen ist (§ 38 ZPO). Eine entsprechende Befragung des Zeugen Dr.R***** hätte zweifellos an den Tag gebracht, daß auch die später namhaft gemachte Zeugin bei dem fraglichen Gespräch anwesend war. Diese Frage hätte ohne weiteres auch noch in der Tagsatzung vom 4.2.1997 gestellt werden können, bei der Dr.R***** als Zeuge vernommen wurde. Dann wäre es der Klägerin möglich gewesen, den Antrag auf Vernehmung der Zeugin so rechtzeitig zu stellen, daß sie noch zur Tagsatzung vom 15.5.1997 hätte geladen und bei diesem Termin vernommen werden können; die Anberaumung einer weiteren - ausschließlich der Zeugenvernehmung dienenden - Tagsatzung wäre dann nicht erforderlich gewesen.
Wenn die Klägerin in ihrem Rekurs weiters ausführt, das Erstgericht habe verkannt, daß Anträge auf ergänzende zeugenschaftliche Einvernahmen, die zur Widerlegung einer gegnerischen Aussage dienen, dann nie zu einer Kostenseparation führen könnten, wenn der Inhalt der zu widerlegenden Aussage im vorhinein nicht bekannt sein konnte, so ist dem entgegenzuhalten, daß es grundsätzlich niemals auf den (im vorhinein niemals bekannten) Inhalt einer Parteien- oder Zeugenaussage ankommen kann, sondern in erster Linie auf das Prozeßvorbringen des Gegners. Danach war aber auch für die Klägerin klar, daß entscheidende Bedeutung den Vereinbarungen anläßlich des Gesprächs vom 23.6.1993 zukommen würde, sodaß keine Rede davon sein kann, daß die Relevanz des betreffenden Beweisthemas nicht evident gewesen wäre; auch der Zeuge Dr.R***** wurde im übrigen bei seiner Vernehmung zu dem Gespräch vom 23.6.1993 befragt.
Da es der Klägerin daher zum Verschulden zuzurechnen ist, daß sie sich nicht rechtzeitig um die Ausforschung für das Prozeßthema relevanter Zeugen bemüht hat, die wie dargelegt ohne Schwierigkeiten möglich gewesen wäre, hat sie den Beklagten gemäß § 48 Abs.1 S 1 ZPO die ihnen dadurch verursachten Kosten zu ersetzen. Dabei ist jedoch zu beachten - eine bloß näherungsweise Bestimmung des Kostenbetrages in Anwendung des § 273 ZPO kommt nach § 48 Abs.1 S 2 ZPO nur bei unverhältnismäßigen Schwierigkeiten in Betracht -, daß nur jener Kostenbetrag als durch das schuldhaft verspätete Beweisanbot verursacht anzusehen ist, der jenen übersteigt, der auch bei rechtzeitiger Antragstellung aufgelaufen wäre. Nach § 48 Abs.1 ZPO sind daher grundsätzlich nur die "Mehrkosten" zu ersetzen, wogegen über die "Sowieso-Kosten" in Abhängigkeit vom Prozeßausgang abzusprechen ist (vgl dazu nur M.Bydlinski, Prozeßkostenersatz 335, Fasching II 349 ua).
Im vorliegenden Fall hat die Tagsatzung vom 15.5.1997, in der die Zeugin bei rechtzeitiger Antragstellung hätte vernommen werden können, von 10.55 Uhr bis 12.30 Uhr gedauert, also 95 Minuten. Die Tagsatzung vom 14.7.1997, die ausschließlich der Vernehmung der Zeugin diente, dauerte 26 Minuten, was den Schluß zuläßt, daß bei Vernehmung der Zeugin in der vorhergegangenen Tagsatzung diese nicht 3 (angefangene) halbe Stunden, sondern 5 gedauert hätte. Damit hätten sich die "Sowieso-Kosten" gemäß TP 3 A II RATG auf Seiten beider Streitteile um die Hälfte des tarifmäßigen Ansatzes zuzüglich 60% Einheitssatz, 10% Streitgenossenzuschlag sowie 20% USt, also auf jeweils S 3.350,16 erhöht. Nur die diese Beträge übersteigenden Kosten der Tagsatzung vom 14.7.1997 sind daher auf den verspäteten Beweisantrag der Klägerin zurückzuführen und von dieser trotz ihres Erfolgs in der Hauptsache selbst zu tragen bzw den Beklagten (zuzüglich der weiters aufgelaufenen Fahrtkosten von S 40,--) zu ersetzen.
Die angefochtenen Kostenentscheidungen waren daher im Sinne des Eventualantrags der Rekurswerberin dahin abzuändern, daß die in der Tagsatzung vom 14.7.1997 aufgelaufenen Verfahrenskosten nur in dem die "Sowieso-Kosten" übersteigenden Teil als von der verspäteten Antragstellung veranlaßt zu behandeln, im übrigen aber nach dem Prozeßausgang in der Hauptsache zuzuerkennen waren.
Die Klägerin hat durch ihren Kostenrekurs einen Zuspruch von weiteren S 3.350,16 ersiegt und eine Ersatzpflicht in derselben Höhe abgewehrt, sodaß ihr gemäß § 11 RATG der Ersatz der auf einer Bemessungsgrundlage von S 6.700,32 ermittelten Rekurskosten gebührt (§§ 50, 41 ZPO).
Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergibt sich aus § 528 Abs.1 Z 3 ZPO.