JudikaturOLG Wien

14R18/97p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 1997

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Walterskirchen als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Zemanek und Dr.Riedl in der Rechtssache der klagenden Partei P***** P ***** , Hausfrau, ***** Wien, vertreten durch Dr.R***** S*****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** N. P ***** , Angestellter, ***** Wien, wegen S 3,020.329,02, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 10.1.1997, 26 Cg 295/96k-3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird t e i l w e i s e F o l g e gegeben und der

angefochtene Beschluß dahin a b g e - ä n d e r t , daß er

lautet:

"Die der Klägerin mit Beschluß vom 13.3.1996, 5 Nc 1/96m-3, bewilligte Verfahrenshilfe wird im Umfang der Geltendmachung von Regreßansprüchen gegenüber dem Beklagten vor Zahlung der Bürgschafts(Mit-)schuld durch die Klägerin für erloschen erklärt."

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit der mit Hilfe des ihr im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwaltes erhobenen Klage begehrt die Klägerin vom beklagten Ehegatten S 3,020.329,02 im wesentlichen mit der Begründung, sie sei als Mitschuldnerin bzw Bürgin gemeinsam mit ihrem Gatten als Kreditnehmer mit Urteil vom 20.4.1995 des LGZ Wien zu ***** verpflichtet worden, einschließlich Zinsen und Kosten S 3,020.329,02 der Bank A***** zu zahlen, die mittlerweile auf das gemeinsame Haus Nr 4 in ***** beim Bezirksgericht Gänserndorf zu ***** Exekution durch Zwangsversteigerung führe. Der Kredit sei ausschließlich zur Instandsetzung des Hauses aufgenommen worden, vom Beklagten jedoch vereinbarungswidrig zur Rückzahlung eines anderen Kredites bei der ***** verwendet worden. Der Beklagte sei daher im Innenverhältnis zur alleinigen Bezahlung des gesamten Betrages verpflichtet. Den Anspruch auf Ersatz der durch die unterlassene Instandsetzung entstandenen Wertminderung der Liegenschaft (Schadenersatz) behalte sich die Klägerin vor.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Erstgericht die Verfahrenshilfe mit der Begründung entzogen, diese Klagsführung sei aussichtslos, solange sie der Bank Austria den mit Urteil zugesprochenen Betrag nicht bezahlt habe. Ob die Klägerin auf Feststellung der alleinigen Ersatzpflicht des Beklagten oder auf Zahlung an den gemeinsamen Gläubiger bzw. auf Feststellung zukünftiger Schäden oder auf Schadenersatz wegen der Wertminderung des Hauses hätte klagen können, brauche in diesem Zusammenhang nicht geprüft zu werden.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin.

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 63 Abs 1 ZPO ist einer Partei die Verfahrenshilfe unter anderem nur dann zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Offenbar mutwillig ist eine Prozeßführung dann, wenn die Partei sich der Unrichtigkeit ihres Prozeßstandpunktes bewußt ist und sie sich dennoch in diesem Bewußtsein in den Prozeß einläßt, weil sie hofft, doch einen Erfolg zu erzielen, oder weil sie zur Erzielung eines durch die Rechtsordnung nicht geschützten Zweckes (zB Zahlungsaufschub usw) selbst einen Mißerfolg ihres Sachantrages in Kauf nehmen will. Daneben erwähnt das Gesetz ausdrücklich eine besondere Form der Mutwilligkeit: Jene, die sich aus der Ausnützung des mangelnden Kostenrisikos im Prozeß ergibt. Hat sich die Verfahrenshilfe anstrebende Partei in einen Rechtsstreit eingelassen, der von einer nicht die Verfahrenshilfe beanspruchenden Partei bei Würdigung aller Umstände des Falles nicht oder nicht in der vollen Höhe des Begehrens geführt würde, dann handelt sie ebenfalls offenbar mutwillig. Das gleiche gilt für die Rechtsverteidigung in einem Rechtsstreit. Diese "verständige Würdigung aller Umstände" hat sich nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht auf eine Würdigung der rechtlichen Möglichkeiten zu beschränken, sondern vor allem wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Da die Partei, die die Kosten aus eigener Tasche vorzuschießen hat, in der Regel auch abwägt, ob sich der Aufwand finanziell als rentabel erweisen wird, muß auch die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei eine solche wirtschaftliche Erfolgsabwägung vornehmen. Es stehen hier die wirtschaftlichen Momente im Vordergrund (vgl Fasching, Ergänzungsband 9; OLG Wien 7.2.1990, 14 R 284/89 ua).

Gemäß § 68 Abs 1 ZPO ist die Verfahrenshilfe so weit für erloschen zu erklären, als Änderungen in den Vermögensverhältnissen der Partei dies erfordern oder die weitere Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Nach § 68 Abs 2 ZPO hat das Gericht die Verfahrenshilfe soweit zu entziehen, als sich herausstellt, daß die seinerzeit angenommenen Voraussetzungen nicht gegeben waren.

Demnach muß aufgrund der Änderung der Sachlage nach Bewilligung der Verfahrenshilfe eine der Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe weggefallen sein, um die Verfahrenshilfe für erloschen erklären zu können. Hat das Erstgericht wie im vorliegenden Fall den von der seinerzeitigen Antragstellerin und nunmehrigen Klägerin dargelegten Sachverhalt wegen seiner Vielschichtigkeit nicht von vornherein für aussichtslos gehalten und die Verfahrenshilfe vor allem zur detaillierten Überprüfung und Erarbeitung eines schlüssigen Klagebegehrens aufgrund stichhaltiger Beweismittel durch einen Rechtsanwalt bewilligt, weil ohne eine solche Prüfung weder eine rechtliche, noch eine wirtschaftliche Erfolgsabwägung vorgenommen werden kann (Vermeidung der Ausnützung des mangelnden Kostenrisikos als im § 63 Abs 1 ZPO genannte besondere Form der mutwilligen Prozeßführung), so ist die Verfahrenshilfe für erloschen zu erklären, wenn sich aufgrund der Recherchen die bei der Bewilligung noch nicht erkennbare Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit der angestrebten Prozeßführung herausstellt (vgl OLG Wien 28.1.1993, 14 R 284, 285/92 = WR 573; OLG Wien 21.12.1994, 14 R 283/94).

Berichtet der Verfahrenshilfeanwalt am Ende seiner Recherchen dem Gericht nicht darüber, daß der von ihm mit Hilfe der Klägerin erhobene Sachverhalt nur eine aussichtslose Klage rechtfertige und beantragt er nicht selbst das Erlöschen (Entziehen) der Verfahrenshilfe, sondern bringt er eine aussichtslose Klage ein, so hat das Gericht von Amts wegen die Verfahrenshilfe für erloschen zu erklären oder zu entziehen. Denn es widerspricht dem Regelungszweck der Verfahrenshilfe, aussichtslose oder extrem risikoreiche Prozesse auf Kosten der Allgemeinheit zu führen (vgl OLG Innsbruck 17.3.1992, 1 R 74/92 = EvBl 1992/195; WR 573; OLG Wien 24.11.1994, 14 R 240/94 ua).

Wer eine fremde Schuld zahlt, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet, tritt gemäß § 1358 ABGB in die Rechte des Gläubigers ein und ist befugt, von dem Schuldner den Ersatz der gezahlten Schuld zu fordern. Unter Zahlung versteht das Gesetz die Leistung dessen, was man zu leisten schuldig ist (§ 1412 ABGB). Diese Leistung kann auch anders als durch Übermittlung des entsprechenden Geldbetrages an den Gläubiger geschehen, so etwa durch Leistung an Zahlungsstatt (§ 1414 ABGB) oder durch Aufrechnung (§ 1438 ABGB). In dieser Weise erbrachte Leistungen eines Bürgen bzw Mitschuldners begründen dessen Rückforderungsanspruch nach § 1358 ABGB in gleicher Weise wie seine Zahlung im engeren Sinn. Nach dem Vorbringen der Klägerin hat sie an die Bank Austria AG keine Zahlung geleistet. Vielmehr wurde zur Hereinbringung der Geldschulden Exekution durch Zwangsversteigerung ihrer Liegenschaftsanteile geführt. Die exekutive Befriedigung des Gläubigers aus dem Vermögen des Bürgen oder Mitschuldners muß der Zahlung im Sinne des § 1358 ABGB gleichgehalten werden. Die Wirkung der Zahlung tritt im Falle der Zwangsversteigerung erst durch die Ausfolgung des Meistbotes ein. Wird doch erst dadurch der Empfänger des Geldes in die Lage versetzt, über das Geld zu verfügen. Die Klägerin kann daher beim Beklagten Rückgriff nach § 1358 ABGB nur soweit nehmen, als der Bank ***** aus dem Meistbot für ihre versteigerten Liegenschaftsanteile zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten samt Zinsen und Kosten Beträge zugewiesen wurden. An die Stelle einer freiwilligen Zahlung tritt daher im Falle der zwangsweisen Hereinbringung die Zuweisung aus dem Erlös der im Zuge des Exekutionsverfahrens verwerteten Vermögenswerte des Verpflichteten (vgl EvBl 1996/108 mwN).

Da die Klägerin weder die freiwillige Zahlung noch die Zuweisung des ihren Liegenschaftsanteil betreffenden Meistbotes an die Bank ***** behauptet, ist - wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat - die Klagsführung aussichtslos. Diese Aussichtslosigkeit war der Klägerin jedoch ohne die Hilfe eines Rechtsanwaltes nicht schon bei Bewilligung der Verfahrenshilfe erkennbar. Die Verfahrenshilfe war demnach nicht zu entziehen, sondern für erloschen zu erklären. Da sich die seinerzeitige Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht ausschließlich auf Regreßansprüche des Bürgen bzw Mitschuldners beschränkte, war das Erlöschen der Verfahrenshilfe entsprechend einzuschränken.

Dem Rekurs war daher nur teilweise Folge zu geben.

§ 65 Abs 2 letzter Satz ZPO verbietet die Zustellung eines Beschlusses über die Verfahrenshilfe an den Gegner vor der Klagszustellung. Durch diese Bestimmung soll zum einen ein berechtigtes Anliegen des präsumtiven Klägers geschützt werden, dem Gegner erst mit der Zustellung der Klage die Streitsache bekannt werden zu lassen; andererseits soll damit dem Beklagten erst zusammen mit der Klage die Prüfung ermöglicht werden, ob - abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen des § 63 Abs 1 ZPO - eine mutwillige oder aussichtslose Prozeßführung des Klägers vorliegt (vgl Fasching, Ergänzungsband 30). Nach der klaren Bestimmung des Gesetzes soll das Verfahrenshilfeverfahren auch nach dem VerfahrenshilfeG 1973 bis zur Zustellung der Klage (wie vordem das gesamte Verfahrenshilfeverfahren) ein einseitiges Verfahren bleiben, an dem der in Aussicht genommene Beklagte nicht zu beteiligen ist (vgl OLG Wien 10.7.1989, 14 R 75/89; 14 R 221/90 = WR 492).

Dem einseitigen Verfahrenshilfeverfahren ist ein Kostenersatzanspruch dann fremd, wenn die eingebrachte Klage aussichtslos ist. Die Klägerin hat daher die Kosten ihres teilweise erfolgreichen Rekurses selbst zu tragen.

Der Ausspruch über die generelle Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO iVm § 526 Abs 3 ZPO.

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