20Bs383/96 – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen Öczan E***** wegen §§ 159 Abs.1 Z 1 und 2, 161 Abs.1 StGB; 114 Abs.1 und 2 ASVG über die Berufung des genannten Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. August 1996, GZ 11 a E Vr 3685/96-15, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Streller sowie im Beisein der Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Brem und Dr. B. Kunst als weitere Senatsmitglieder und der Vertragsbediensteten Szucsich als Schriftführerin, in Gegenwart des Oberstaatsanwaltes Dr. Seystock sowie in Anwesenheit des Angeklagten Öczan Ekiz durchgeführten Berufungsverhandlung am 21. Jänner 1997 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird F o l g e gegeben, das angefochtene Urteil - teilweise auch gemäß §§ 477 Abs.1, 489 Abs.1 StPO von amtswegen aufgehoben und
1.) die Sache in den Urteilsfakten A./1.) und 2.) zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen;
2.) im Urteilsfaktum B./ in der Sache selbst entschieden:
Öczan E***** wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe in Wien als Geschäftsführer der K***** GesmbH, sohin als zur Einzahlung der Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung einer juristischen Person zuständiges Organ, in der Zeit von Februar 1995 bis Februar 1996 Beiträge der Gesellschaftsdienstnehmer zur Sozialversicherung in Höhe von S 17.481,83 einbehalten und dem berechtigten Versicherungsträger, der Wiener Gebietskrankenkasse, vorenthalten, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der gegenwärtig 35-jährige Öczan E***** der Vergehen der fahrlässigen Krida nach den §§ 159 Abs.1 Z 1 und 2, 161 Abs.1 StGB sowie jenes nach § 114 Abs.1 und 2 ASVG schuldig erkannt und nach dem § 114 Abs.1 ASVG zu einer zweimonatigen, gemäß § 43 Abs.1 StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er in Wien als Geschäftsführer der K***** GesmbH, A./ die Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, die erforderliche Sorgfalt außer Acht ließ und dadurch 1.) in der Zeit von 1986 bis Anfang Juni 1994 deren Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeiführte, daß er infolge nicht ausreichender kaufmännischer Fähigkeiten den Geschäftsbetrieb mit unzureichenden Eigenmitteln führte, unverhältnismäßig Kredit benützte und mit der Eröffnung eines Reisebüros ohne Konzession ein gewagtes Geschäft unternahm; 2.) in der Zeit von Anfang Juni 1994 bis August 1995 in zumindest fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zumindest schmälerte, indem er neue Schulden einging, alte Schulden bezahlte und die Eröffnung eines insolvenzrechtlichen Verfahrens nicht rechtzeitig beantragte, und B./ als zur Einzahlung der Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialversicherung einer juristischen Person zuständiges Organ in der Zeit von Februar 1995 bis Februar 1996 Beiträge der Gesellschaftsdienstnehmer zur Sozialversicherung in Höhe von S 17.481,83 einbehielt und dem berechtigten Versicherungsträger, der Wiener Gebietskrankenkasse, vorenthielt.
Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstrichters kam der Angeklagte Öczan E***** 1986 nach Österreich und machte sich mit einem Marktstand selbständig. Die K***** GesmbH wurde am 3.1.1986 gegründet, am 24.1. desselben Jahres in das Firmenbuch eingetragen und das Stammkapital zur Hälfte einbezahlt. Öczan E***** war seit 1987 alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft, obwohl er über keinerlei kaufmännische Ausbildung verfügte und nicht alle mit der Führung einer Gesellschaft für einen Geschäftsführer verbundenen Verpflichtungen gekannt habe. Aufgrund mangelnder Kenntnisse und Fähigkeiten sowie leichtfertiger wirtschaftlicher Gebarung habe die Gesellschaft durch ihren Geschäftsführer E***** bei nicht ausreichender Eigenkapitalausstattung zunehmend Fremdkapital benützt, was im Laufe des Jahres 1993 zu einer buchmäßigen Überschuldung führte. Ab 13.5.1993 bis 7.11.1995 wurden gegen die Gesellschaft insgesamt 31 Exekutionen mit Beträgen zwischen S 410,-- und S 121.924,11 geführt. Der Hauptgrund für die Anhäufung von Schulden an Fremdkapital sei der sorglose Versuch des Angeklagten gewesen, im Jahre 1993 im Rahmen der Gesellschaft ein Reisebüro zu betreiben, ohne über die notwendige Konzession zu verfügen. Dadurch fielen über ein Jahr Kosten an, denen keine entsprechenden Erträge gegenüberstanden. Vor allem gestiegene Personalkosten und eine wesentlich höhere Geschäftsraummiete wirkten sich negativ aus. E***** hätte diese Probleme der Geschäftsausweitung unterschätzt, obwohl die negative Entwicklung bei Fehlen der rechtlichen Voraussetzungen für den angestrebten Unternehmensinhalt vorauszusehen war.
Im Zuge der Schwierigkeiten der Gesellschaft kam es zu Zahlungsverzügen bei Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung der Wiener Gebietskrankenkasse, weil der Angeklagte vorhandenes Bargeld für andere Zahlungen verwendete, wobei er ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dadurch Dienstnehmeranteile zum Nachteil der Wiener Gebietskrankenkasse einzubehalten und somit vorzuenthalten. Im Zuge einer Zahlungsvereinbarung wurden die Beitragsrückstände am 18.7.1996 zwar beglichen, Dienstnehmeranteile für Februar 1995 bis Februar 1996 in Höhe von S 17.481,83 wurden allerdings vom Insolvenz-Ausfallgeldfonds bezahlt und vom Angeklagten nicht refundiert.
Gegenüber Lieferanten waren die Außenstände relativ gering, die Geschäftsraummiete wurde im Jahr 1994 regelmäßig entrichtet, 1995 kam es zu einem Rückstand von rund 5 Monatsmieten, der mit einer Zahlung im Mai 1995 zum Großteil abgetragen wurde. Die Dienstnehmerbezüge wurden regelmäßig ausbezahlt. Offen blieben Forderungen der Gebietskrankenkasse und von Versicherungen. Ab 1993 war die K***** GesmbH auch immer wieder im Rückstand mit diversen Finanzabgaben. Aufgrund einer Forderung der Finanzbehörde in Höhe von rund S 213.000,-- im Juni 1994 war die Gesellschaft zu dieser Zeit nicht mehr in der Lage, binnen angemessener Frist alle ihre fälligen Schulden zu begleichen. Verschärft wurde dieser Zustand durch die Forderungen der Wiener Gebietskrankenkasse im Juni 1994 in Höhe von rund S 40.000,--.
Auch nach diesem Zeitpunkt habe der Geschäftsführer E***** die Gesellschaft mit derselben Gleichgültigkeit betreffend Gläubigerschädigung weitergeführt, weitere Umsätze getätigte (wodurch Zahlungsverpflichtungen für Umsatzsteuer entstanden) und Dienstnehmer beschäftigt (wodurch Zahlungsverpflichtungen für Lohnabgaben und Sozialversicherungsbeiträge entstanden). Die von der Gesellschaft nach dem Juni 1994 vereinnahmten liquiden Mittel wurden für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes und die Bezahlung früherer Schulden verwendet. Von der Wiener Gebietskrankenkasse wurde am 29.3.1995 ein Konkursantrag eingebracht und mangels kostendeckenden Vermögens am 22.8.1995 abgewiesen. Jeweils deutlich nach den Fälligkeitszeitpunkten gelang es der K***** GesmbH, ihre Schulden unter anderem bei der Wiener Gebietskrankenkasse durch Zahlung abzutragen.
Seine Beweiswürdigung stützte das Erstgericht auf die Erhebungen der Wirtschaftspolizei und das Gutachten des betriebswirtschaftlichen Sachverständigen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ging es davon aus, der Angeklagte habe durch seine mangelnden kaufmännischen Kenntnisse und seine Sorglosigkeit die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt, diesen Zustand nicht rechtzeitig erkannt und die Gläubiger durch Weiterwirtschaften und Unterlassen insolvenzrechtlicher Antragstellungen geschädigt. Diese negativen, für den Angeklagten vorhersehbaren Folgen wären durch verantwortungsbewußtes Wirtschaften und insbesondere das Unterlassen des gewagten Geschäftes der Aufnahme und Finanzierung eines Geschäftsbetriebes ohne Konzession leicht zu vermeiden gewesen. Der Strafaufhebungsgrund nach § 114 Abs.3 ASVG komme dem Angeklagten zu B./ des Schuldspruches nicht zugute, da diese Zahlung nicht durch ihn, sondern durch einen Dritten erfolgte und sohin nicht strafaufhebend wirke.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich das als "Berufung" (ON 18) bezeichnete, inhaltlich aber eine Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe darstellende Rechtsmittel des Öczan E*****, dem schon im Punkte der Nichtigkeit, aber auch in jenem der Schuld Berechtigung zukommt.
Darin begehrt der Angeklagte zusammenfassend die Urteilsaufhebung mit der Behauptung, er habe die Fa. K***** GesmbH von 1986 bis 1992 schuldenfrei geführt und sei allen Verpflichtungen rechtzeitig nachgekommen. Ab 1993 sei er mit Zahlungsschwierigkeiten konfrontiert gewesen, weil er ein Reisebüro eröffnen wollte und ihn der in Aussicht genommenene Konzessionsinhaber Adolf Kappel nicht darüber informiert hatte, daß er aufgrund einer Verurteilung nach § 159 Abs.1 Z 1 und 2 StGB kein Recht mehr hatte, seine Konzession zu verleihen. Nach Bestellung des Peter Wulzhofer zum gewerberechtlichen Geschäftsführer am 4.5.1994 habe er, der Berufungswerber, mit der Tätigkeit des Reisebüros begonnen und bis Juni 1996 alle Schulden bezahlt. Am Tage der Hauptverhandlung seien keine Schulden mehr offen gewesen.
Aufgrund dieser Berufungsausführungen ergeben sich erheblich Bedenken an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung. Wenngleich der Erstrichter die zunehmende Verwendung von Fremdkapital, die im Laufe des Jahres 1993 zu einer buchmäßigen Überschuldung der Gesellschaft führte, nebst der nicht ausreichenden Eigenkapitalausstattung als Ursachen der im Juni 1994 eingetretenen Zahlungsunfähigkeit ansieht, war es Öczan E*****, wie er zu Recht in der Berufung ausführt, jedenfalls seit der Geschäftsgründung 1986 bis zum Endes des Jahres 1992 gelungen, die Gesellschaft weitgehend schuldenfrei zu führen (siehe Gutachten AS 235). Wie das Erstgericht selbst feststellt, war der "Hauptgrund" für die Anhäufung von Schulden an Fremdkapital der Versuch des Angeklagten, im Jahre 1993 ein Reisebüro zu betreiben. Tatsächlich kam es erst im Laufe dieses Jahres zu einer buchmäßigen Überschuldung der Gesellschaft. Demgemäß ist nicht nachzuvollziehen, weshalb die kaufmännischen Fähigkeiten des Angeklagten, die immerhin 7 Jahre lang hingereicht hatten, die Gesellschaft erfolgreich zu führen, und die über mehrere Jahre offenkundig ausreichenden Eigenmittel Ursachen der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gewesen sein sollen. Was nun die unverhältnismäßige Kreditbenützung anlangt, ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen (AS 245), daß die in der Bilanz 1993 ausgewiesenen Darlehensverbindlichkeiten von S 155.000,-- im Zuge der Bilanzbuchungen 1994 als Gesellschafterdarlehen qualifiziert wurden. Hinsichtlich der im Lauf des Jahres 1994 von Einzelpersonen gewährten Darlehen - deren Realitätsgerechtigkeit vom Sachverständigen erheblich in Zweifel gezogen wurde - wurde in den Schuldscheinen eine Begleichung im Laufe des Jahres vereinbart. Laut Bilanz zum 31.12.1994 hafteten S 245.000,-- an derartigen Darlehen aus. Per 31.12.1995 wird eine Verbindlichkeit von S 570.000,-- ausgewiesen, wobei hinsichtlich des Gläubigercharakters der in diesem Jahr eingegangenen Verbindlichkeiten neuerlich vom Sachverständigen Zweifel angemeldet wurden. Abgesehen davon, daß diese Unklarheiten des Gutachtens durch entsprechende Befragung des Angeklagten aufzuklären gewesen wären, um den wahren Charakter dieser Zuschüsse aufzudecken und erst dann mit Sicherheit feststellen zu können, daß allenfalls vom Angeklagten unverhältnismäßig Kredit benützt wurde, bedarf insbesondere die Eröffnung des Reisebüros einer eingehenden Betrachtung. Die Sicht des Erstrichters, es habe sich dabei um ein gewagtes Geschäft gehandelt, da die notwendige Konzession nicht vorhanden war, übergeht die Verantwortung des Angeklagten, es sei wegen der Nichterteilung der Reisebürokonzession über einen Zeitraum von einem Jahr zu einem Liquiditätsengpaß gekommen (AS 215). Dazu ergibt sich aus den mit der Berufung vorgelegten Unterlagen des Angeklagten die Geschäftsführerbestellung des Adolf K***** für die K***** GesmbH und dessen Namhaftmachung an die Gewerbebehörde mit Dezember 1992, Verweigerung der Konzession für das Gewerbe Reisebüro und ablehnende Entscheidung des Ansuchens um Genehmigung der Bestellung des Adolf K***** zum Geschäftsführer durch das Amt der Wiener Landesregierung vom 11.3.1993, die mit dem Antrag auf Nachsicht vom Ausschlußgrund des Konkurses hinsichtlich Adolf K***** verbundene Berufung vom 30.3.1993, der dieser Berufung stattgebende Bescheid des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10.3.1994, womit der angefochtene Bescheid behoben wurde, und der neuerliche Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 5.5.1994, mit dem die am 12.1.1994 erstattete Anzeige betreffend die Ausübung des Gewerbes durch den Geschäftsführer Anton K***** zur Kenntnis genommen wurde. Diesen mit der Berufung vorgelegten Unterlagen kommt bei Klärung der Frage, ob der Angeklagte durch sein Vorhaben, als zweites Standbein auch ein Reisebüro betreiben zu wollen, tatsächlich ein gewagtes Geschäft abgeschlossen hat, maßgebliches Gewicht zu, ergibt sich doch daraus das an den Angeklagten von Adolf Kappel herangetragene Angebot einer Reisebürokonzession ebenso wie das damalige Vorliegen des zumindest scheinbar gültigen Konzessionsdekretes vom 28.9.1988 für den Genannten. Ganz wesentlich für den Vorsatz des Angeklagten erscheint daher sein diesbezüglicher Informationsstand zu Beginn der Betreibung des Reisebüros, aber auch die Klärung der Frage, ob er nicht während der Folgezeit berechtigte Hoffnung haben konnte, daß er sich des Adolf Kappel als Geschäftsführer bedienen könne. Dabei wird auch der Inhalt des Bescheides vom 10.3.1994 insoweit relevant sein, als sich daraus aufgrund der schon seit 1.7.1993 wirksam gewordenen Gewerberechtsnovelle 1992 lediglich die Verpflichtung zur Anzeige der Bestellung eines Geschäftsführers, nicht aber wie früher das Erfordernis der Genehmigung dieser Bestellung ergibt. Erst nach Prüfung all dieser Umstände wird zu ermessen sein, ob die vom Erstgericht angenommenen Begehungsweisen des § 159 Abs.1 Z 1 StGB tatsächlich gegeben waren und die Zahlungsunfähigkeit durch diese Geschäftsausweitung tatsächlich fahrlässig herbeigeführt wurde. Daneben bedarf der Deliktszeitraum 1986 - 1992 aus den vorangeführten Erwägungen einer eingehenden Begründung.
Zusätzlich zu den von der Schuldberufung geweckten Bedenken an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Feststellungen leidet das Ersturteil auch am materiellen und daher von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs.1 Z 9 lit a StPO, mangelt ihm doch zu A./2.) des Urteilsspruches die wesentliche Feststellung, welche Gesellschaftsgläubiger durch das Eingehen neuer Schulden und die Bezahlung alter Schulden bzw. das nicht rechtzeitige Beantragen der Eröffnung eines insolvenzrechtlichen Verfahrens geschädigt wurden. Diesbezüglich greift auch der Einwand der Schuldberufung, wonach bis zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung sämtliche Gläubiger befriedigt wurden und das Unternehmen in Betreibung des Marktstandes und des Reisebüros erfolgreich sein soll. Letztlich reichen unter dem Gesichtspunkt der vom Erstgericht festgestellten gänzlichen Schuldabtragung (AS 307) die getroffenen Feststellungen nicht aus, den Teilaspekt, ob die Befriedigung der Gläubiger auch dadurch zumindest geschmälert wurde, daß der Angeklagte die Eröffnung eines insolvenzrechtlichen Verfahrens nicht rechtzeitig beantragte, einer Überprüfung zu unterziehen. Denn eine Verschiebung innerhalb einer Befriedigungsmasse kann dann nicht angenommen werden, wenn ohne kridamäßige Verteilung ungeachtet einer zeitweise bestandenen Zahlungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Urteilsfällung sämtliche Gläubigerforderung einschließlich allfälliger Verzugsfolgen getilgt wurden. Zusammenfassend erwies sich daher aufgrund der festgestellten Urteilsmängel in den Fakten A./1.) und 2.) eine Neudurchführung des Verfahrens unter Beweisergänzung vor dem Erstgericht als unumgänglich, weshalb das angefochtene Urteil in diesen Punkten aufzuheben war.
Zu B./ des Urteilsspruches ist folgendes auszuführen:
Die Tathandlung nach § 114 Abs.1 StGB besteht im Einbehalten oder Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen des Dienstnehmers durch den Dienstgeber. Nach den erstgerichtlichen Urteilsannahmen hat der Angeklagte Dienstnehmeranteile zur Sozialversicherung zumindest bedingt vorsätzlich durch Verwendung einbehalten und dem berechtigten Sozialversicherungsträger damit vorenthalten, wozu der Erkenntnisrichter gleichzeitig feststellte, daß die Beitragsrückstände im Zuge einer Zahlungsvereinbarung vom 5.1.1996 am 18.7.1996 - somit vor Schluß der Verhandlung - beglichen waren, dabei die Dienstnehmeranteile für Februar 1995 bis Februar 1996 in Höhe von S 17.481,83 - allerdings vom Insolvenz-Ausfallgeldfonds - bezahlt wurden.
Damit wird die Frage aktuell, ob dem Angeklagten der Strafaufhebungsgrund des § 114 Abs.3 Z 1 ASVG auch dann zugute kommt, wenn ein anderer - diesfalls der Insolvenz-Ausfallgeldfonds - für ihn rückständige Beiträge rechtzeitig bezahlt hat. Ihre Klärung kann nur auf Grundlage der Bestimmungen für die Sicherung von Arbeitnehmeransprüchen im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers (IESG) herbeigeführt werden. Dazu ist zunächst festzustellen, daß laut § 1 Abs.1 IESG (unter anderem) Arbeitnehmer im Falle der Konkurseröffnung
Aus den vorstehenden Erwägungen kann daher auch die vom Erstrichter zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 23.5.1996 zu 23 Bs 150/96, die unter grammatikalisch-logischer Interpretation des § 114 Abs.3 ASVG und unter Heranziehung des Berichtes des Justizausschusses zur Einführung des dritten Absatzes leg cit, wonach § 114 Abs.3 ASVG dem Institut der tätigen Reue nach § 167 StGB nachgebildet wurde, zum Ergebnis kommt, § 114 Abs.3 ASVG enthalte eben keine dem 4.Absatz des § 167 StGB entsprechende Bestimmung, bei Beurteilung des konkreten, nunmehr vorliegenden Falles als richtungweisende Vorentscheidung nicht herangezogen werden, weil tatsächlich nicht die Rechtsregeln der Schadensgutmachung durch Dritte, sondern jene der (Legal )Zession mit der Folge des Forderungsüberganges bei gleichzeitigem Ausschluß des Rückgriffsrechtes des Zessionars anzuwenden sind. Somit ist maßgebend, daß beim berechtigten Sozialversicherungsträger die ausstehenden Beträge bis zum Schluß der Verhandlung zur Gänze einbezahlt waren und diesem gegen den Angeklagten keine Forderung mehr zusteht. Daraus ergibt sich, daß dem Angeklagten der Strafaufhebungsgrund der Nichtigkeit im Sinne des § 114 Abs.3 Z 1 ASVG zugute kommt, weshalb in amtswegiger Wahrnehmung des § 281 Abs.1 lit b StPO das angefochtene Urteil in seinem Schuldspruch zu B./ aufzuheben und mit einem Freispruch vorzugehen war.
Mit seiner Strafberufung war der Angeklagte auf die Urteilskassation zu verweisen.