JudikaturOLG Wien

7Ra360/96d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
15. Januar 1997

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Hellwagner (Vorsitzender), die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Meinhart und DDr.Huberger in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** M*****, Angestellter, 7453 Steinberg/Dörfl, *****, vertreten durch Dr.Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Firma F***** GesmbH, 2301 Großenzersdorf, *****, vertreten durch Dr.Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien als gemäß 15a GmbHG bestellter Geschäftsführer, wegen S 689.239,35 brutto s.A, samt Nebenforderungen, infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.8.1986, 27 Cga 188/95d-27, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird n i c h t Folge gegeben.

Das Kostenbegehren der klagenden Partei wird z u r ü c k g e w i e s e n.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Erstgericht die Prozeßkosten des bestellten Notgeschäftsführers ***** mit S 43.750,80 (einschließlich S 7.291,80 an USt) bestimmt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Klägers, der nicht berechtigt ist. Gleichzeitig beantragte er Zuspruch von Rekurskosten in der Höhe von S 14.583,60.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger vertritt in seinem Rekurs im wesentlichen die Ansicht, daß die Bestimmung des § 10 ZPO, wonach die durch die Prozeßführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten (§ 41 ZPO) eines vom Prozeßgericht oder von einem anderen Gericht bestellten Kurators die Partei zu tragen hat, durch deren Prozeßhandlung die Bestellung oder Mitwirkung des Kurators veranlaßt wurde, auf einen gemäß § 15a GmbHG bestellten Notgeschäftsführers nicht anwendbar sei. Die Gesetzesanalogie sei nur dann möglich, wenn nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung anzunehmen sei, daß der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen übereinstimmen. Die Ähnlichkeit zwischen dem geregelten und dem ungeregelten Fall besteht dabei in der Gleichheit des Rechtsgrundes und des Schutzbedürfnisses. Das Erstgericht verkenne die wesentlichen Unterschiede zwischen den Rechtsinstituten des Prozeßkurators gemäß § 8 ZPO und des Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG, denen jeweils anders gelagerte Schutzbedürfnisse zu Grunde liegen. Die Bestellung des Notgeschäftsführers diene im Unterschied zu dem Prozeßkurator nicht nur demjenigen, der sie gemäß § 15a GmbHG beantragt habe, weil der Notgeschäftsführer bis zur Behebung des Bestellungsmangels durch die Gesellschafter in der Regel die gesamte Geschäftsführung der GmbH tätige. Im übrigen habe der Notgeschäftsführer einen Anspruch auf angemessene Entlohnung gegen die GmbH. Im Falle des Prozeßkuraturs sei demgegenüber nicht von vornherein klar, daß derjenige, dem ein Kurator zu bestellen sei, die mangelnde Vertretung zu verantworten habe. Dem Prozeßkurator mangle es - ganz im Gegensatz zum Notgeschäftsführer - in der überwiegenden Anzahl der Fälle an der Möglichkeit seine Kosten unmittelbar bei der von ihm vertretenen Person geltend zu machen und von dieser auch innerhalb einer vertretbaren Zeit ersetzt zu erhalten. Der Notgeschäftsführer habe demgegenüber ständig die von ihm vertretene juristische Person zur Verfügung. Er könne aufgrund der notwendigerweise vorhandenen Kapitalmasse seine Ersatzansprüche unmittelbar bei der Kapitalgesellschaft erfolgversprechend geltend machen. Deshalb habe der Gesetzgeber beim Institut der Notgeschäftsführung eben bewußt keine privilegierte Kostentragungsregelung im Sinne des § 10 ZPO geschaffen. Das erkennende Gericht gehe zutreffend von der Wahlmöglichkeit zwischen der Bestellung eines Prozeßkurators und eines Notgeschäftsführers aus und weise richtig darauf hin, daß die Auswahl dem Antragsteller überlassen bleibe. Es ziehe aber daraus den gesetzwidrigen Schluß, daß aus der Wahlmöglichkeit dem Antragsteller kein Vorteil erwachsen soll. Dem sei entgegenzuhalten, daß dann, wenn der Gesetzgeber zwei unterschiedliche Regelungen treffe, die beide ein bestimmtes Ergebnis erzielen, die aber aufgrund der unterschiedlichen Interessenslage und der unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit unterschiedliche Rechts- bzw. Kostenfolgen nach sich ziehen, es nicht demjenigen der eine günstigere Möglichkeit in Anspruch genommen habe, negativ angelastet werden könne. Im übrigen handle es sich bei der Bestellung eines Notgeschäftsführers anstatt eines Prozeßkuraturs nicht um eine Umgehung der nachteiligen Kostentragungsregelung des § 10 ZPO, sondern um die Ausschöpfung spezifischer vom Gesetzgeber aus, aufgrund der Schutzwürdigkeit Dritter im Verständnis zur Kapitalgesellschaft eingeräumte Möglichkeiten.

Dieser Ansicht ist nicht beizupflichten.

Dem vom Kläger vertretenen Standpunkt sind vor allem jene Argumente entgegenzuhalten, welche das Oberlandesgericht Wien in seiner Entscheidung vom 26.4.1995, 6 R 510/95 vertreten hat:

"Der Notgeschäftsführer macht im gegenständlichen Fall den Ersatz seiner Vertretungskosten nicht als Entlohnungsanspruch gegenüber der von ihm vertretenen GmbH geltend, sodaß dahingestellt bleiben kann, ob sein Begehren im Hinblick auf die Geltendmachung eines Verwendungsanspruches gegen die Gesellschaft im streitigen Verfahren zu behandeln (NZ 1990, 128; 1990, 130; 1990, 133; 1990, 134;

Koppensteiner GmbHG Rz 12 zu § 15a, NZ 1994, 213) oder ob darüber im außerstreitigen Verfahren vor dem Firmenbuchgericht zu entscheiden ist (Reich-Rohrwig GmbHR 101; Kastner-Doralt-Nowotny GesR5 371;

Wünsch GmbHG Rz 29 zu § 15a; Schumer NZ 1990, 113; Danzl RdW 1989, 384). Er begehrt vielmehr Ersatz der Vertretungskosten im gegenständlichen Zivilverfahren unter Bezugnahme auf § 10 ZPO vom Prozeßgegner, dessen Prozeßhandlungen zwar nicht die Bestellung an sich - diese erfolgte am 8.10.1993 durch das Firmenbuchgericht ohne Bezug auf das gegenständliche Verfahren - , wohl aber seine Mitwirkung im Verfahren veranlaßt haben.

Angestrebt wird daher die analoge Anwendung dieser die Entlohnung eines Kurators regelnden Bestimmung des § 10 ZPO auf die vom Notgeschäftsführer für die Vertretung in streitigen Verfahren geltend gemachten Ansprüche.

Fehlen die zur Vertretung einer GmbH in einem anhängigen oder anhängig zu machenden Verfahren erforderlichen Geschäftsführer kann wahlweise mit der Bestellung eines Prozeßkurators nach § 10 ZPO oder eines Notgeschäftsführers nach § 15a GmbHG vorgegangen werden (Kastner-Doralt-Nowotny5, 371; Reich-Rohrwig GmbHR 99; Schiemer Anm.

1.2 zu § 76 AktG, welcher Bestimmung § 15a GmbHG nachgebildet wurde), wobei es dem Antragsteller überlassen bleibt, welche Abhilfemöglichkeit er wählt.

Aufgabe des nach § 15a GmbHG bestellten Geschäftsführers ist grundsätzlich die Überbrückung eines Vertretungsnotstandes der Gesellschaft für rechtsgeschäftliche Handlungen, wenn entweder kein Geschäftsführer vorhanden ist oder vorhandene Geschäftsführer - aus welchen Gründen auch immer - an einer Vertretung der Gesellschaft gehindert sind. Der Notgeschäftsführer erlangt kraft Bestellung unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht, wie sie auch einem von den Gesellschaftern bestellten Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft mbH zukommt (Koppensteiner GmbH Rz 12 zu § 15a; Wünsch GesRZ 1985, 160, WR 637). Ein als Notgeschäftsführer bestellter Rechtsanwalt ist daher auch zur Vertretung in streitigen Verfahren berechtigt und wird bei Einschreiten für eine - mangels Vorhandenseins eines sonstigen vertretungsbefugten Organes prozeßunfähige - GesmbH gleich einem Prozeß - oder Zustellkurator nach §§ 8 bzw. 116 ZPO als gesetzlicher Vertreter für die prozeßunfähige Partei tätig, wobei es nicht darauf ankommt, welches Gericht die Bestellung vorgenommen hat.

Schon vor der GmbHG-Novelle 1980 (BGBl.1980/320), durch welche die Bestimmung des § 15a GmbH geschaffen wurde, bejahten Lehre und Rechtsprechung die Bestellung von Kuratoren für infolge Fehlens der satzungsmäßigen Organe handlungsunfähige juristische Personen, wobei § 276 ABGB analog angewendet wurde (Knell, Die Kuratoren im Österreichischen Recht 81; SZ 34/151). So hat die Judikatur den Kuratoren im Sinne des § 10 ZPO auch alle Sachwalter zugezählt, die vom Gericht für Personen bestellt wurden, die ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen und ihre Rechte nicht selbst vertreten können (WR 370). Nichts anderes sieht aber § 15a GmbH vor, sodaß auch der Notgeschäftsführer nach dieser Gesetzesbestimmung als eine Art Kurator für eine unvertretene juristische Person angesehen werden muß (vgl.WR 637; Danzl RdW 1989, 383), entspricht doch seine Funktion jener eines für eine handlungs- bzw. prozeßunfähige Person bestellten Sachwalters und Kurators.

Die Bestellung eines Notgeschäftsführers ist auch dann möglich, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung von Kuratoren nach §§ 8 Bwz. 116 ZPO gegeben sind (Kastner-Doralt-Nowotny5, 371; SZ 50/172).

Hingegen ist die Bestellung von Kuratoren zur Vertretung der GmbH im Prozeß dann ausgeschlossen, wenn bereits ein Notgeschäftsführer bestellt wurde (Wünsch GesRZ 1980, 165), da dessen umfassende Vertretungsmacht auch die Vertretung im Prozeßverfahren beinhaltet. Derjenige Gläubiger, der nun bei Vorliegen der Voraussetzungen die Bestellung eines Notgeschäftsführers begehrt, um die für ihn nachteilige Kostentragungsregel des § 10 ZPO zu umgehen, wäre besser gestellt als jener, der von vornherein die Bestellung eines Prozeßkurators nach § 8 ZPO beansprucht, obwohl die Funktion des Notgeschäftsführers bei Vertretung der GmbH in streitigen Verfahren jener eines Prozeßkurators gleich ist. Mit Rücksicht auf diese Funktion des Notgeschäftsführers und den Umfang seiner Tätigkeit als Vertreter der prozeßunfähigen GmbH im streitigen Verfahren ist die analoge Anwendung des § 10 ZPO auf seinen Entlohnungsanspruch insoweit gerechtfertigt, als sich dieser auf die Vertretung im streitigen Verfahren bezieht. Der dem Notgeschäftsführer für seine darüber hinausgehende Tätigkeit auch noch gegen die vertretene Gesellschaft selbst allenfalls zustehende Verwendungsanspruch hindert die Geltendmachung der Vertretungskosten nach § 10 ZPO nicht (siehe auch Knell 234f zum gleichgelagerten Fall des vom Außerstreitgericht bestellten Kurators).

Der Kostenersatzanspruch nach § 10 ZPO kommt sowohl zur Anwendung, wenn der Prozeßgegner die Bestellung des Kurators ausdrücklich beantragt hat, als auch dann, wenn durch seine Prozeßhandlung die Mitwirkung eines bereits von einem anderen Gericht bestellten Kurators veranlaßt wurde (Knell aaO 234; EvBl.1989/152; MietSlg.39.728, 34.687, Fasching Kommentar II 173, WR 370). Durch die von der Klägerin begehrte Zustellung der Klage an den Notgeschäftsführer der Beklagten wurde zweifelsohne dessen Mitwirkung im Sinn des § 10 ZPO veranlaßt (MietSlg.34.687), sodaß die Klägerin grundsätzlich zur Bestreitung dieser Kosten nach Maßgabe der genannten Gesetzesbestimmung verpflichtet ist."

Im vorliegenden Fall ist auch zu beachten, daß anders als nach dem in der Rechtssache 6 R 510/95, zugrunde liegenden Sachverhalt am 12.10.1995 beim HG Wien als Firmenbuchgericht der Klagevertreter für den Kläger und andere Dienstnehmer der beklagten Partei den Antrag auf Bestellung eines Geschäftsführers gemäß § 15a GmbHG gestellt hat, sodaß der Kläger durchaus einen Einfluß gehabt hat, zu entscheiden, ob er die Mitwirkung des Notgeschäftsführers am Verfahren veranlaßt und damit die Kostenregelung des § 10 ZPO auslöst, um eine eigene Prozeßführung zu ermöglichen, oder ob er die Prozeßführung aus wirtschaftlichen Gründen unterläßt. Dem Erstgericht ist daher aus den dargelegten Gründen beizupflichten, daß mit Rücksicht auf die Funktion des Notgeschäftsführers und den Umfang seiner Tätigkeit als Vertreter der prozeßunfähigen GmbH im streitigen Verfahren der § 10 ZPO analog anzuwenden ist.

Es war daher dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Antrag auf Zuspruch von Rekurskosten war zurückzuweisen, weil es sich bei der Bestimmung der Kuratorskosten nach § 10 ZPO um ein amtswegiges dem außerstreitig ein angelehntes Verfahren handelt, welchem der Zuspruch von Rekurskosten fremd ist (MGA ZPO14, § 10/12).

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf die Bestimmung des §§ 2 ASGG, 528 Abs.2 Z 3, 500 Abs.2 Z 1,2,3 und 526 Abs.3 ZPO.

Der Entscheidung waren gemäß § 11a Abs.2 ASGG keine fachkundigen Laienrichter beizuziehen.

Rückverweise