7Ra174/96a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Hellwagner (Vorsitzender), die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Meinhart und DDr. Huberger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und RegRat Wolfgang Neumeier (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. V*****, Rechtsanwältin in 1010 Wien, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch den M***** S*****, vertreten durch Dr. W*****, Rechtsanwalt in 1010 Wien, wegen Entlassungsanfechtung (Streitwert nach GGG S 7.950.--, nach RATG S 300.000.--), infolge Berufung der beklagten Partei wider das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 6.12.1995, 24 Cga 217/95x-4, mangels Antrages auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß den §§ 2 ASGG, 492 Abs. 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird n i c h t F O L G E gegeben. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.435,40 (darin enthalten S 1.905,90 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt mit dem Vorbringen, seit 14.6.1988 bei der beklagten Partei (im Pflegeheim Klosterneuburg) als Hausarbeiterin beschäftigt gewesen und seit Februar 1995 durchgehend im Krankenstand zu sein (Morbus Crohn), die Feststellung, daß ihr Dienstverhältnis zu beklagten Partei trotz der vorzeitigen Auflösung durch Entlassung vom 8.9.1995 weiterhin aufrecht sei.
Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete eine gerechtfertigt ausgesprochene Entlassung der Klägerin ein, weil diese aufgrund ihrer zahlreichen Krankenstände dauernd dienstunfähig sei.
Folgender Sachverhalt steht unstrittig fest:
Bei der seit 14.6.1988 bei der beklagten Partei zuletzt als Hausarbeiterin im Pflegeheim Klosterneuburg beschäftigten Klägerin traten ab Mai 1984 verschiedene gesundheitliche Beschwerden auf, insbesondere eine Dickdarmerkrankung, die zu mehrfachen Operationen der Klägerin führten (nach der Aktenlage am 8.6.1995 wegen Morbus Crohn; Beilage ./2) und aufgrund derer die Klägerin mit Bescheid vom 24.2.1989 des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Beilage ./C) über Antrag vom 28.11.1988 ab 1.11.1988 als dem Kreis der begünstigten Behinderten angehörend festgestellt wurde (Grad der Behinderung 50%).
Mit Schreiben vom 8.9.1995 sprach die beklagte Partei die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses gemäß § 45 Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995) aus, weil die Klägerin für die Erfüllung ihrer Dienstpflichten körperlich ungeeignet sei und der allgemein erzielbare Arbeitserfolg aufgrund des Krankenstandes ab 28.3.1995 nicht erreicht würde.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß die im Entlassungsschreiben Beilage ./A vom 8.9.1995 sowie im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Entlassungsgründe nicht den angezogenen Tatbestand des § 45 VBO 1995 erfüllten, weil zwar der demonstrative Charakter der Aufzählung der Entlassungsgründe im § 45 Abs. 2 VBO 1995 vorliege, dies jedoch nichts daran ändere, daß ein Tatbestand, der im selben Gesetz als Kündigungsgrund angeführt werden, nicht zu den sonstigen, nicht aufgezählten Entlassungsgründen gezählt werden könne, außerdem gehöre die Klägerin dem Kreis der begünstigten Behinderten an, sodaß eine Kündigung nur nach vorheriger Zustimmung des Behindertenausschusses des Bundessozialamtes ausgesprochen werden dürfe, eine solche sei nicht einmal behauptet worden. Eine Umdeutung der Entlassung in eine Kündigung führe demnach zu dem Ergebnis, daß diese wiederum mangels eingeholter Zustimmung des Behindertenausschusses rechtsunwirksam sei.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft die beklagte Partei mit ihrer fristgerechten Berufung (ON 5) wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Begehren, es im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben (ON 6).
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Wie der OGH in seiner Entscheidung vom 24.5.1995 (INFAS 1995/A 142 [6a/95]) ausführt (zur Regelung im § 37 Abs. 2 Z 2 der Wr.VBO aF), dies entspricht der Kündigungsregelung der geistigen oder körperlichen Nichteignung zur Erfüllung der Dienstpflichten im § 42 Abs. 2 Ziffer 2 VBO 1995, wobei auch im VBG 1948 des Bundes idgF (§ 32 Abs. 1 lit. b leg.cit.) ein ähnlicher Kündigungsgrund normiert ist, kommt es zwar dabei auf die Erfüllung bzw. Nichterfüllung der dem Vertragsbediensteten übertragenen Dienstpflichten an. Eine Subsumtion unter die Entlassungsgründe kommt demnach nicht in Frage, zumal auch die Nichterreichung des allgemein erzielbaren Arbeitserfolges (§ 42 Abs. 2 Ziffer 6 VBO 1995) einen Kündigungsgrund darstellt. Wenn auch richtig ist, daß die Kündigungsbeschränkungen des § 8 BehEinstG auf definitive Dienstverhältnisse zum Bund nicht anwendbar sind (vgl. ARD 4646/25/95), ist zu erwägen, daß § 8a BEinstG darauf verweist, daß bei Bediensteten von Gebietskörperschaften bei Beendigung des Dienstverhältnisses wegen langer Dienstverhinderung infolge Krankheit, wenn eine solche Beendigungsform vorgesehen ist, im Falle eines begünstigten Behinderten gemäß § 2 BEinstG dem Behindertenausschuß drei Monate vor Ablauf dieser Frist von Amts wegen Gelegenheit zu geben ist, zur Zweckmäßigkeit einer Vereinbarung über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses vor seinem Ablauf kraft Gesetzes Stellung zu nehmen, sodaß also auf eine besondere Beendigungsform (vgl. § 24 Abs. 9 VBG 1948 idgF) abgestellt ist (vgl. diesbezüglich auch die Entscheidung des OLG Wien vom 28.2.1996, 7 Ra 79/95=ARD 4671/26/95 bzw. 4746/19/96, wobei im Handbuch des ARD 1996 auf Seite 152 bei Zitierung dieser Entscheidung unter § 8a BEinstG nicht auf den damaligen Sachverhalt verwiesen worden ist, daß nämlich mit Bescheid des Behindertenausschusses für Wien vom 8.3.1994 eine Zustimmung zur Kündigung nicht erteilt worden war, jedoch die Beendigung des Dienstverhältnisses gemäß § 24 Abs. 9 VBG 1948 erfolgt ist und ua die Aufhebung auch wegen der Regelungen in der zuletzt zitierten Bestimmung erfolgte, die Kündigung des Dienstverhältnisses aber nicht verfahrensgegenständlich gewesen ist!).
Es bedarf sohin keiner weiteren Erörterung mehr, daß im vorliegenden Fall, in dem keine Befassung des Behindertenausschusses erfolgt ist, eine Entlassung der Klägerin gemäß § 45 der Wr.VBO 1995 erfolgt ist, sohin nicht von einer "sui generis-Beendigung" des Dienstverhältnisses wegen langer Krankenstandsdauer ausgegangen worden ist. Selbst bei Annahme eines Kündigungsgrundes, der offenkundig jedoch nicht herangezogen worden ist (§ 42 Abs. 2 Z 2 bzw. Z 6 VBO 1995), wobei eine Umdeutung des Entlassungsgrundes in einen solchen Kündigungsgrund jedenfalls verfehlt ist, läge mangels Befassung des Behindertenausschusses eine Umgehung des BehEinstG vor. Es bedarf daher gar nicht mehr der Befassung mit dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, weil ausgehend von einer Entlassung, selbst wenn im Sinne des § 45 Abs. 3 VBO 1995 iS der Entscheidung des OGH vom 13.10.1993, 9ObA 186/93, die dauernde Dienstunfähigkeit als Entlassungsgrund angesehen würde [vgl. dazu die Entscheidung des VfGH vom 10.3.1994, G 197/92 (INFAS 6a/94, A 134)], das Behinderteneinstellungsgesetz; wo die Kündigungsbestimmungen im Sinne des Kataloges der Kündigungsgründe einen besonderen Bestandsschutz darstelle, auf Grund des Vorgehens der Beklagten umgangen würde. Es erübrigt sich aber im vorliegenden Fall die Prüfung der Dienst(un)fähigkeit der Klägerin, sohin aber auch einer allfälligen Verfassungswidrigkeit einer Entlassungsregelung zur Umgehung des Behindereinstellungsgesetzes, weil der angezogene Entlassungsgrund aus dem Gesetz nicht ableitbar ist. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes ist zutreffend (§§ 2 ASGG, 500 a ZPO). Es war daher spruchgemäß mit der Bestätigung der angefochtenen Entscheidung vorzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 41, 50 ZPO. Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision hatte zu entfallen, weil ein privilegierter Fall (§ 46 Abs. 3 Ziffer 1 und 2 ASGG) vorliegt.