3R216/96y – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Mayer als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Kunst und Dr. Hradil in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, L*****, vertreten durch Dr. E***** ****, Dr. D***** S*****, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Mag. J*****, Rechtsanwalt, F*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Fa. M*****, 3 S 1574/95f des Handelsgerichtes Wien, wegen (eingeschränkt) Kosten, infolge Kostenrekurses der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27.8.1996, 25 Cg 31/96s-6, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird F o l g e gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß die beklagte Partei die Kosten des Verfahrens I. Instanz selbst zu tragen hat.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.436,48 (darin enthalten S 406,08 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte gegenüber der beklagten Masseverwalterin die Feststellung ihrer Forderung in Höhe von S 515.422,26 als Konkursforderung im Konkurs über das Vermögen der Fa. M*****, 3 S 1574/95f des HG Wien. Diese Forderung sei im Konkurs angemeldet, jedoch von der Beklagten bestritten worden. Die Gemeinschuldnerin schulde der Klägerin für erbrachte Steuerberatungstätigkeiten die Honorare, wie sie sich aus der nach Rechnungsnummern und Rechnungsdaten gegliederten Aufstellung ergeben. Die Summe aller Rechnungen ergebe den angemeldeten Betrag. Am 19.3.1996 (Schriftsatz ON 2) schränkte die Klägerin ihr Begehren auf Kosten ein, da die Beklagte mit Eingabe vom 5.3.1996 die Forderungsbestreitung zur Gänze zurückgezogen habe.
Die Beklagte beantragte infolge ihres Anerkenntnisses den Zuspruch von Kosten gemäß § 45 ZPO. Richtig sei, daß die Beklagte anläßlich der Prüfungstagsatzung vom 22.1.1996 die von der Klägerin am 15.12.1995 angemeldete Konkursforderung bestritten habe. Grund für die Bestreitung sei gewesen, daß der Forderungsanmeldung keine Rechnungen angeschlossen gewesen seien. Darüber hinaus sei der Beklagten im Wege der Postsperre ein Schreiben der Klagevertreter an die Gemeinschuldnerin zugegangen, wonach die Forderung S 372.566,87 betragen habe. Die Beklagte habe den Konzipienten der Klagevertreter ersucht, die bezughabenden Rechnungen zu übermitteln um diese anhand der Buchhaltungsunterlagen kontrollieren zu können, mit Schreiben vom 28.2.1996, welches bei der Beklagten am 1.3.1996 eingelangt sei, seien die Kopien der Rechnungen übermittelt worden. Die Beklagte habe diese unverzüglich mit der Geschäftsleitung der Gemeinschuldnerin besprochen und sodann mit Schriftsatz vom 4.3.1996, eingelangt beim Konkursgericht am 5.3.1996, die Forderungsbestreitung zurückgezogen. Die Beklagte habe somit zur Einbringung der Klage keinen Anlaß gegeben.
Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht die Klägerin für schuldig, der Beklagten S 15.935,60 an Verfahrenskosten zu bezahlen. Es ging von folgenden Feststellungen aus:
Mit Schreiben vom 13.12.1995 forderten die Klagevertreter namens der Klägerin die nunmehrige Gemeinschuldnerin zur Bezahlung eines offenen Betrages von S 375.566,87 auf. Mit Eingabe vom 15.12.1995, beim Konkursgericht eingelangt am 19.12.1995, meldete die Klägerin für Steuerberatungstätigkeiten eine Forderung von S 515.422,26 an, dem Schriftsatz waren keine Rechnungen beigelegt. Aus diesem Grund bestritt die Beklagte die Forderung in der Prüfungstagsatzung. Mit Schreiben vom 28.2.1996 übermittelte die Klagevertreterin Kopien der Rechnungen, welche der Beklagten am 1.3.1996 zugingen. Die Klage langte am 4.3.1996 bei Gericht ein. Mit Eingabe vom 4.3.1996, beim Konkursgericht am 5.3.1996 eingelangt, zog die Beklagte die Forderungsbestreitung zurück und anerkannte den Betrag von S 515.422,26 als Konkursforderung. Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, daß die Beklagte infolge unverzüglicher Rückziehung ihrer Forderungsbestreitung nach Vorlage von Rechnungen keinen Anlaß zur Einbringung der Klage gegeben habe. Sie habe daher gemäß § 45 ZPO Anspruch auf Kostenersatz.
Dagegen richtet sich der Kostenrekurs der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Kostenbegehren der Beklagten ab- bzw. zurückgewiesen werde, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Zutreffend wendet sich die Rekurswerberin gegen die auf § 45 ZPO gegründete Kostenentscheidung des Erstgerichtes im angefochtenen Urteil. Richtig ist, daß die Klägerin für sie nachteilige Kostenfolgen dann zu gewärtigen hätte, falls sie tatsächlich verpflichtet gewesen wäre, ihrer Forderungsanmeldung Urkunden anzuschließen. Eine solche Verpflichtung eines Gläubigers ist aber dem Gesetz nicht zu entnehmen. Wohl wurde eine solche Verpflichtung vom OLG Wien in seiner Entscheidung vom 13.4.1949, EvBl. 1949/389 bejaht, doch vermag sich das Rekursgericht, wie schon mehrfach geäußert (zuletzt 3 R 31/96t vom 16.4.1996), dieser Auffassung nicht anzuschließen: Soweit sich das OLG Wien (EvBl. 1949/389) auf die Entscheidung GlUNF 6722 vom 24.9.1912 beruft, ist der Hinweis verfehlt, da diese Entscheidung noch vor Inkrafttreten der derzeit geltenden Konkursordnung erging und im damaligen § 110 KO eine ausdrückliche Verpflichtung des Anmeldenden enthalten war, der Anmeldung die erforderlichen Urkunden in Ur- und Abschrift anzuschließen. Der seit 1914 geltenden KO ist aber eine solche Verpflichtung nicht zu entnehmen. Vielmehr spricht § 103 Abs.1 KO ausdrücklich nur von der Verpflichtung des Anmeldenden, die Beweismittel, die zum Nachweis der behaupteten Forderung beigebracht werden können, "zu bezeichnen". Damit wird aber der Anmeldende nicht auch verpflichtet, die maßgeblichen Urkunden bereits mit der Anmeldung vorzulegen. Dies wird auch in der Entscheidung des OLG Wien, EvBl. 1949/389, nicht verkannt. Darin wird die in Rede stehende Verpflichtung des Anmeldenden damit begründet, daß die erforderliche "Bezeichnung" der Urkunden im Sinne der §§ 76, 78 ZPO, 104 Abs.3 KO im Anschluß von Abschriften dieser Urkunden bestehe. Dies läßt sich aber den zitierten Bestimmungen nicht entnehmen: § 104 Abs.3 KO normiert lediglich, daß von in Urschrift vorgelegten Beilagen eine Abschrift anzuschließen ist. Damit wird aber ebensowenig eine Verpflichtung des Beklagten zur Urkundenvorlage in der Anmeldung angeordnet, wie durch die Bestimmungen der §§ 76, 78 ZPO, die ebenfalls nur von der "Bezeichnung" bzw. "Angabe" der Beweismittel sprechen. Demzufolge geht die herrschende Auffassung davon aus, daß die Vorlage von Urkunden in der Anmeldung zwar durchaus zweckmäßig, aber nicht gesetzlich vorgeschrieben ist (Petschek/Reimer/Schiemer,
Das österr. Insolvenzrecht 563, vgl. auch RdW 1987, 292; 8 Ob 16/94; 8 Ob 31/95). Durch die Bestimmung des § 103 Abs.1 KO soll am Konkursverfahren Beteiligten, insbesondere dem Masseverwalter und dem Gemeinschuldner, die Möglichkeit gegeben werden, sich sachgemäß über den Bestand der angemeldeten Forderungen zu unterrichten, um bei der Prüfungstagsatzung in der Lage zu sein, sich über Bestand und Rangordnung der Forderungen richtig zu äußern (4 Ob 4/84; 8 Ob 31/95; Bartsch/Pollak I, 480). Eine solche Überprüfung wäre der Beklagten jedoch schon anhand der Forderungsanmeldung möglich gewesen, zumal diese nach einzelnen Rechnungsnummern und Rechnungsdaten sowie Rechnungsbeträgen gegliedert war und daher unschwer den Vergleich mit der Buchhaltung, wie von der Beklagten vorgebracht erlaubt hätte. Darüber hinaus wurde von der Beklagten nicht einmal vorgebracht, daß die Gemeinschuldnerin die Originalrechnungen nicht erhalten hätte. Die Klägerin durfte daher gemäß § 77 Abs.2 ZPO davon ausgehen, daß die Rechnungen der Beklagten bekannt waren, sodaß eine Bezeichnung in der Forderungsanmeldung ausreichend erscheinen mußte. Das Rekursgericht sieht sich somit nicht veranlaßt, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, derzufolge die vorprozessualen Informationspflichten eines anmeldenden Gläubigers nicht auf Maßnahmen ausgedehnt werden dürfen, die der Gesetzgeber in den maßgeblichen Bestimmungen ausdrücklich nicht angeordnet hat. Die Klagsführung ist daher als von der Beklagten veranlaßt anzusehen, sodaß § 45 ZPO keine Anwendung findet.
Daher war - mangels Kostenverzeichnung durch die Klägerin im Verfahren erster Instanz - spruchgemäß zu entscheiden. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Gemäß § 528 Abs.2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls
unzulässig.
Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11