JudikaturOLG Wien

15R24/96 – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 1996

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht hat durch den

Senatspräsidenten Univ.Prof.Dr.Ertl als Vorsitzenden sowie

Dr.Bayjones und Dr.Pisan-Schuster als weitere Richter in der

Rechtssache der klagenden Partei Anne Lore R ***** , Hausfrau,

wohnhaft in D-70619 Stuttgart, *****, vertreten durch Dr.Tassilo

Neuwirth, Dr.Wolfgang Wagner und Dr.Alexander Neurauter,

Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Mathilde W

***** , Angestellte, wohnhaft in 3390 Melk, *****, 2.) V *****,

3630 Klein Pöchlarn, *****, und 3.) D *****, 1010 Wien, *****, alle

vertreten durch Dr.Eduard Pranz, Dr.Oswin Lukesch und Dr.Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen S 256.481,35 s.A. (Rekursinteresse S 5.295,55), über den Kostenrekurs der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 24.11.1995, GZ 9 Cg 297/93a-24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Es wird dem Rekurs t e i l w e i s e Folge gegeben und die

angefochtene Kostenentscheidung dahin a b g e ä n d e r t , daß sie

insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der

klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters die mit S 61.796,12

bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 1.870,17 (darin S 311,69 USt.) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles.

Die beklagten Parteien bestritten das Klagebegehren, beantragten Abweisung der Klage und wendeten ein, das Schmerzengeldbegehren sei wesentlich überhöht, die begehrten Pflegekosten und Hilfeleistungen habe die Klägerin nicht unfallsbedingt, sondern alters- und schicksalsbedingt in Anspruch nehmen müssen. Dauerschäden wären bei der Klägerin nicht vorgelegen.

Das Erstgericht hat der klagenden Partei einen Betrag von S 227.088,51 s.A. zugesprochen und das Mehrbegehren von S 29.392,84 s. A. abgewiesen. Dem Feststellungsbegehren hat es zur Gänze stattgegeben. Es hat weiters die klagende Partei gemäß § 48 ZPO unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreites schuldig erkannt, den beklagten Parteien zu Handen der Beklagtenvertreter die mit S 7.590,68 bestimmten Kosten der Tagsatzung vom 30.1.1995 zu ersetzen und die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, der klagenden Partei die mit S 67.051,67 (darin enthalten S 7.829,87 USt. und S 20.112,42 Barauslagen) bestimmten Kosten des übrigen Verfahrens zu ersetzen.

Gegen den Zuspruch eines S 61.345,67 übersteigenden Betrages an die klagende Partei richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, die Kostenentscheidung dahin abzuändern, daß der klagenden Partei lediglich Kosten von S 61.345,67 zugesprochen werden.

Dem Rekurs kommt teilweise Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrem Kostenrekurs richten sich die beklagten Parteien lediglich gegen den Zuspruch von 120 % Einheitssatz, den der Klagevertreter für die Verhandlungen vom 29.6.1993, 11.9.1994 sowie die Hauptverhandlung vom 20.4.1993 im Strafverfahren U ***** des Bezirksgerichtes M***** verzeichnete. Diese Kosten wären für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen, weil die Beiziehung eines Anwaltes, der weder am Ort des Prozesses noch am Wohnort seinen Sitz habe, nicht erforderlich sei, außer es seien besondere Gründe dafür maßgebend. Derartige Gründe habe die klagende Partei jedoch nicht einmal behauptet.

Gemäß § 41 Abs 1 ZPO hat die in einem Rechtsstreit vollständig unterliegende Partei ihrem Gegner alle durch die Prozeßführung verursachten, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu ersetzen. Welche Kosten als notwendig anzusehen sind, hat das Gericht bei der Feststellung des Kostenbetrages ohne Zulassung eines Beweisverfahrens nach seinem von sorgfältiger Würdigung aller Umstände geleiteten Ermessen zu bestimmen. Die Vorschriften des Abs 1 gelten insbesondere auch hinsichtlich der Kosten, welche durch Zuziehung eines nicht am Sitz des Prozeßgerichtes wohnenden Rechtsanwaltes entstanden sind (Abs 3). § 23 Abs 5 RATG gewährt dem Anwalt einen Anspruch auf den doppelten Einheitssatz, wenn der Rechtsanwalt die Leistung an einem Ort außerhalb des Sitzes seiner Kanzlei vornimmt, soferne er keinen Anspruch auf Ersatz der Reisekosten und auf Entschädigung für Zeitversäumnis geltend macht.

Grundsätzlich werden die Mehrkosten, welche durch die Wahl eines auswärtigen, nicht am Ort des Prozeßgerichtes ansässigen Rechtsanwaltes entstehen, nicht ersetzt, weil es der Partei zumutbar ist, ihre Wahl unter den ortsansässigen zu treffen. Jeder Rechtsanwalt hat kraft Gesetzes in gleichem Maße die Fähigkeit zur Vertretung in allen zivilgerichtlichen Rechtssachen ( F a s c h i n g II 322).

Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung jedoch schon seit vielen Jahrzehnten Ausnahmen gemacht. Schon die E EvBl 1935/558 hat die Ersatzfähigkeit der Mehrkosten bejaht, weil die Partei "zumal" im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes und die Lage des Rechtsstreites "die Bestellung eines Anwaltes ihres besonderen Vertrauens mit Recht als wünschenswert erscheinen lassen konnte"

(dagegen F a s c h i n g II 322, dafür ohne ausdrücklichen

Hinweis auf die erwähnten Einschränkungen in der E F u c i k in R

e c h b e r g e r , ZPO Rz 5 zu § 41). Jedenfalls werden Mehrkosten aber dann zu ersetzen sein, wenn mehrere Prozesse, die zu einem Sachverhaltskomplex gehören, vor verschiedenen Gerichten geführt werden. In diesem Fall wäre es der Partei tatsächlich nicht zumutbar, die gesamte Materie auseinanderzutrennen und jeden Prozeß einem Anwalt am jeweiligen Gerichtsort anzuvertrauen. Das vorliegende Zivilverfahren beruht auf einem Strafprozeß, der jedoch nicht vor dem Erstgericht, sondern vor dem Bezirksgericht Melk geführt wurde, sodaß für die Klägerin aus diesem Zusammenhang nichts zu gewinnen ist. Andere besondere Umstände, welche die Bestellung eines auswärtigen Rechtsanwaltes in diesem Fall rechtfertigen könnten, wurden von der Klägerin nicht behauptet (vgl OLG Wien 1 R 52/96 s).

Das Handelsgericht Wien hat in der E WR 81 anscheinend - die örtlichen Verhältnisse sind aus der Veröffentlichung nicht genau ersichtlich - die Auffassung vertreten, daß die aus der Bestellung eines auswärtigen Anwalts entstandenen Kosten vom unterlegenen Gegner zu ersetzen sind, wenn die Partei ihren Sitz außerhalb des Gerichtsortes hat. Dem kann nur für den Fall zugestimmt werden, daß der bestellte Anwalt seinen Sitz im Gerichtssprengel der Partei hat. In einem solchen Fall liegt es auf der Hand, daß die zweckmäßige Rechtsverfolgung oder -verteidigung durch das räumliche Naheverhältnis zum Rechtsfreund ganz entscheidend erleichtert wird. Ein Grund, dem unterlegenen Gegner die Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn diese typische Erleichterung der Kontaktaufnahme keine Rolle spielt, ist aber nicht zu erkennen und lädt nur zu Rechtsmißbrauch ein. Hat der gewählte Anwalt also weder am Gerichtsort noch am Wohnort (Berufsort) der Partei seinen Sitz, so hat diese die damit verbundenen Mehrkosten grundsätzlich selbst zu tragen.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihren Wohnsitz in der BRD und nicht in Wien, dem Sitz ihres Anwaltes. Sie kann daher den doppelten Einheitssatz ihres Rechtsanwaltes, weil nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, nicht ersetzt erhalten.

Der Rekurs war jedoch nur teilweise berechtigt. Das Erstgericht sprach an doppelten Einheitssatz für die Teilnahme des für die Klägerin einschreitenden Privatbeteiligtenvertreters den Betrag von S 750,-- zu. Es ist die Hälfte dieses Betrages für die Berechnung des zuviel zugesprochenen Betrages heranzuziehen. Ausdrücklich unbekämpft blieb der Zuspruch des halben Einheitssatzes. Darüber hinaus war zu berücksichtigen, daß 15 % Streitgenossenzuschlag nur für die Verhandlungen im Zivilverfahren gebühren und daher dieser Zuschlag nicht für die Privatbeteiligung im Strafverfahren zu berechnen ist. Richtig ist jedoch, daß insgesamt nur 77 %, dem Ausmaß der Quote des Zuspruches entsprechend, in Abzug zu bringen war. Dies ergibt den Betrag von S 5.295,55 (inklusive S 882,59 USt.), der von dem vom Erstgericht zugesprochenen Betrag abzuziehen war.

Die Kostenentscheidung betreffend die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. § 11 RATG sieht als Bemessungsgrundlage diesen dem Gegner aberkannten Betrag vor. Die Kosten sind nach TP 3A zu berechnen.

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