7Ra111/96m – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Hellwagner (Vorsitzender), die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Meinhart und DDr. Huberger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. H***** M***** (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und MinRat. Dr. Peter Hanisch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** H*****, vertreten durch Dr. J***** R*****, Rechtsanwalt, *****, wider die beklagte Partei G***** R*****, vertreten durch Dr. J***** H*****, Rechtsanwalt *****, sowie der Nebenintervenientin auf der Seite der beklagten Partei U***** R*****, vertreten durch Dr.A***** Z*****, Rechtsanwalt, *****, wegen S 31.601,09 brutto und S 90.000,-- netto, infolge Berufung beider Streitteile wider das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 31.5.1995, 27 Cga 45/94x-19, nach durchgeführter mündlicher Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung der Klägerin teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es lautet:
"1.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagevertreters einen Betrag von S 31.601,09 brutto samt 4% Zinsen seit 6.4.1994 sowie einen Betrag von S 60.000,-- netto samt 4% Zinsen seit 6.9.1994 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
2.) Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von S 30.000,-- netto samt 4% Zinsen seit 6.9.1994 zu bezahlen, abgewiesen.
3.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 32.065,04 (darin enthalten S 5.104,30 USt und S 1.440,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz die mit S 21.186,46 (darin enthalten S 2.921,58 USt und S 3.657,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte vorerst S 31.601,09 brutto s.A. mit dem Vorbringen, daß sie vom 1.10.1991 bis 31.12.1993 bei der beklagten Partei beschäftigt gewesen und das Dienstverhältnis durch Dienstgeberkündigung aufgelöst worden sei. Aus der Beendigung des Dienstverhältnisses resultierten noch die gleitend gemachten Ansprüche aus restlichem Krankengeld.
Die Höhe dieses Klagebegehrens wurde ziffernmäßig der Höhe nach außer Streit gestellt (Seite 1 des Protokolles der Verhandlung vom 6.9.1994 = AS 23).
In der Verhandlung vor dem Erstgericht am 6.9.1994 (Seite 5 des Protokolles = AS 27) dehnte die Klägerin ihr Klagebegehren um S 110.000,-- netto auf S 31.601,09 brutto samt 4% Zinsen seit 6.4.1994 (außer Streit stehend wie im Vorabsatz genannt) sowie auf einen Nettobetrag auf S 110.000,-- samt 4% Zinsen seit 6.9.1994 mit dem wesentlichen Begehren aus, daß es sich bei dem Verkehrsunfall der Klägerin am 15.9.1993 um etwa 14.25 Uhr im Stadtgebiet von Amstetten an der Kreuzung Feldstraße/Wagmeisterstraße um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Dabei sei der Pkw der Klägerin Marke Opel Corsa, Erstzulassung 6.5.1991, total beschädigt worden, der Zeitwert habe S 120.000,--, der Restwert S 10.000,-- betragen, sodaß der restliche Fahrzeugschaden geltend gemacht werde.
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (ON 11), unter anderem auch zum Fahrzeugwert, schränkte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 4.4.1995 (Seite 1 des Protokolles = AS 63) ihr Klagebegehren im Nettobegehren um S 20.000,-- auf S 90.000,-- s. A. wie bisher ein (niedrigerer Wiederbeschaffungswert des beschädigten Pkws in der Bandbreite von S 95.000,-- bis S 100.000,-- (Seite 4 im Sachverständigengutachten ON 11 = AS 43).
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren und wendete im wesentlichen ein, daß es sich bei dem gegenständlichen Verkehrsunfall um keinen Arbeitswegunfall gehandelt habe, sodaß nur für sechs Wochen das Arbeitsentgelt, nicht jedoch für acht Wochen, zu bezahlen sei. Da der Auftrag zur Abholung der Kleidung des Sohnes des Beklagten und der Nebenintervenientin (die Ehe der beiden ist geschieden) von der Volksschule nicht im betrieblichen Interesse gelegen sei, sondern es sich um persönliche Interessen der Nebenintervenientin gehandelt habe, bestünde auch keine Ersatzpflicht für den beim Unfall erlittenen Sachschaden der Klägerin durch totale Beschädigung ihres Pkws.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht der Klägerin einen Betrag von S 25.280,80 brutto s.A. zuerkannt (Krankenentgelt für sechs Wochen) und S 6.320,29 brutto abgewiesen. Hingegen wurde das Ersatzbegehren betreffend den Pkw-Schaden in der Höhe von S 90.000,-- zur Gänze abgewiesen. Das Erstgericht traf die auf den Seiten 5 bis 7 seiner Urteilsausfertigung (= AS 97 bis 99) ersichtlichen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, im übrigen wird im Rahmen der Behandlung der Berufung darauf im einzelnen zurückzukommen sein.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß der Klägerin gemäß § 8 Abs 1 AngG das Entgelt für insgesamt sechs Wochen vom Dienstgeber gebühre. Ein Arbeitswegunfall gemäß § 175 Abs 2 Z 1 ASVG liege nicht vor, weil der geschützte Lebensbereich außerhalb der Erwerbstätigkeit restriktiv zu interpretieren sei und die Klägerin nicht den kürzesten Weg nach Ableistung ihrer Arbeit nach Hause genommen habe. Umwege, die im privaten Interesse lägen, seien sozialversicherungsrechtlich nicht geschützt, sodaß auch eine Ersatzpflicht für den Pkw-Schaden der Klägerin nicht bestehe.
Dieses Urteil bekämpft hinsichtlich des Zuspruches von S 25.280,80 brutto s.A. die beklagte Partei mit ihrer Berufung ON 21 wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Begehren, das Klagebegehren auch in diesem Umfang abzuweisen.
Die beklagte Partei bekämpft das Urteil hinsichtlich der abgewiesenen Begehren von S 6.320,29 brutto und S 90.000,-- netto wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und sekundärer Feststellungsmängel mit dem Begehren, das angefochtene Urteil im voll klagsstattgebenden Sinne abzuändern.
Beide Berufungswerber stellten hilfsweise jeweils einen Aufhebungsantrag.
Sowohl die Klägerin (ON 22), als auch die beklagte Partei und die Nebenintervenientin erstatteten Berufungsbeantwortungen und beantragten jeweils, der Berufung der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Die Berufung der beklagten Partei ist nicht, jene der klagenden Partei jedoch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Da die Berufung der Klägerin hinsichtlich des Betrages von S 6.320,29 brutto sowie das Rechtsmittel der beklagten Partei hinsichtlich S 25.280,80brutto s.A. die idente Problematik betreffen, werden diese gemeinsam behandelt.
Die Klägerin bemängelt in ihrer Berufung, daß die Klägerin dem Ersuchen der Nebenintervenientin nachgekommen sei, für sie noch Kleidung des Kindes aus der Volksschule in Gleis abzuholen und diese in die Schmiedlstraße nach Amstetten zur Großmutter zu bringen. In diesem Zusammenhang wird gerügt, daß nicht festgestellt worden sei, welche Erwartungshaltung seitens der Nebenintervenientin als Chefin auf ihr lastete, als sie um diese zusätzliche Fahrt ersucht worden sei. Es dürfe nicht übersehen werden, daß die Klägerin die Ex-Gattin des Dienstgebers war, in der Filiale Vorgesetztenposition hatte und diese leitende Position zwar vom Erstgericht festgestellt worden sei, aber in Wirklichkeit bei dem Ersuchen um Durchführung der Abholung des Gewandes des Kindes eine versteckte Weisung gegenüber der Klägerin vorgelegen habe. Daraus ergebe sich aber, daß der Unfall der Klägerin am Arbeitsweg sich ereignet habe.
Das Berufungsgericht hat das Beweisverfahren teilweise wiederholt bzw. ergänzt. Einvernommen wurden sowohl die Klägerin, als auch der Beklagte sowie die Zeugin U***** R*****, verwertet wurden zusätzlich die Erhebungsberichte im Akt der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt zur Zahl W 89348/93 sowie der Bescheid zu der genannten Aktenzahl vom 7.11.1995.
Aufgrund dieses ergänzenden Beweisverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Die Klägerin war in der von der Nebenintervenientin geleiteten Filiale beschäftigt und allgemein als zuvorkommend und hilfsbereit bekannt. Am 15.9.1993 vor Dienstschluß um 13.00 Uhr ersuchte Frau U********** die Klägerin, daß sie für sie in der Volksschule Gleis, bei der sie auf ihrem Heimweg vorbeifahre, Kleidungsstücke ihres Sohnes abholen und zur Großmutter in Amstetten bringen sollte. Die Klägerin überlegte sich in diesem Zusammenhang außerdem noch, anläßlich ihrer eigenen Abholung eines Telefonbuches auch ein solches für die Filiale beim Postamt in Amstetten abzuholen. Die Klägerin faßte diesen Auftrag der Nebenintervenientin jedenfalls als dienstliche Anweisung auf, weil ihr U***** R***** noch dazu erklärte, daß ihr die Zeit gutgeschrieben werde.
Die Filiale wurde von der Nebenintervenientin ablaufmäßig geführt, insbesondere wurde zwar der Verkauf der Fleisch- und Wurstwaren arbeitsteilig mit den Mitarbeiterinnen durchgeführt, die Kassaführung erforderte Tagesberichte, die tägliche Tageslosung mußte auf die Bank gebracht werden. Wenn auch die Nebenintervenientin keine Personalhoheit hatte, Urlaubseinteilungen dem Beklagten bekanntgegeben werden mußten, hatte die Nebenintervenientin allerdings dennoch die Möglichkeit, das Personal entsprechend einzuteilen, wobei auch Zeitfreigaben z.B. für die Teilnahme an einem Begräbnis in ihre Kompetenz fielen. Die Bezahlung der für die Filiale bestellten Ware erfolgte mittels Schecks, die vom Beklagten unterfertigt waren. Sie hatte die Stellung wie eine Filialleiterin, wobei Personalaufnahmen bzw. Entlassungen allein dem Beklagten vorbehalten waren.
Aus dieser Stellung der Nebenintervenientin gegenüber der Klägerin ergab sich auch, daß J***** H***** die Anweisung der Nebenintervenientin als dienstlichen Auftrag angesehen und als solchen auch durchgeführt hat. Am Vorfallstag verließ sie um etwa 13.00 Uhr das Geschäft und holte die Kleider von der Volksschule in Gleis ab, brachte diese zur Großmutter der Nebenintervenientin und fuhr von dort auf das Postamt in Amstetten. Auf der Heimfahrt ereignete sich an der Kreuzung Feldstraße/Wagmeisterstraße im Stadtgebiet von Amstetten um etwa 14.25 Uhr der Verkehrsunfall. Die Klägerin übersetzte die Wagmeisterstraße unter Mißachtung des von der Einmündung der Feldstraße in die Wagmeisterstraße aufgestellten Verkehrszeichens gemäß § 52 lit c Z 24 StVO 1960 (Stoptafel). Im Kreuzungsbereich kam es zur Kollision mit dem vom W***** T***** gelenkten LKW mit dem polizeilichen Kennzeichen PT *****. Beim Postfahrzeug handelte es sich um einen Renault Traffic-T-Kastenwagen, die Klägerin fuhr mit ihrem Opel Corsa mit dem polizeilichen Kennzeichen AM *****.
Zwischenzeitig wurde auch mit Bescheid der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, vom 7.11.1995 der Verkehrsunfall vom 15.9.1993 zwar als Arbeits(weg)unfall anerkannt, jedoch eine Rente diesbezüglich nicht gewährt, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im rentenbegründenden Ausmaß nicht vorliege. Diesbezüglich ist im übrigen beim Landesgericht St. Pölten ein sozialgerichtliches Verfahren zu dg. 5 Cgs ***** anhängig.
Im übrigen übernimmt das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Beweisverfahrens und legt diese zusätzlich zu den eigenen getroffenen Feststellungen seiner Beurteilung zugrunde (§§ 2 ASGG, 498 ZPO).
Ziffernmäßig außer Streit steht auch der Betrag von S 6.320,29 brutto (Seite 11 des Protokolls der Berufungsverhandlung vom 15.5.1996).
Dieser Betrag stellt den Differenzbetrag von sechs auf acht Wochen Krankengeld seitens des Dienstgebers dar.
Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges der Klägerin beträgt aufgrund der guten Marktgängigkeit von Fahrzeugen dieser Marke und Type S 95.000,-- bis S 100.000,--, wobei auch der eingeschränkte Betrag von S 90.000,-- (Seite 1 des Protokolles der Verhandlung vom 4.4.1995 = AS 63) ziffernmäßig der Höhe nach außer Streit steht (Seite 11 des Protokolles der mündlichen Berufungsverhandlung vom 15.5.1996 unten).
Die Feststellungen des Berufungsgerichtes gründen sich auf die glaubwürdige Aussage der Klägerin insbesondere im Zusammenhalt mit den Inhalten der Erhebungsberichte der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, worin ebenfalls die ausdrückliche Abgeltung des Weges der Klägerin durch die Nebenintervenientin erwähnt ist. Auch aus der Gesamtsituation in der Filiale ist zweifelsfrei abzuleiten, daß die Klägerin in einem Unterordnungsverhältnis zur Nebenintervenientin gestanden ist, und daher in dem Auftrag zur Fahrt zur Volksschule in Gleis eine dienstliche Weisung erblicken mußte, insbesondere schon deshalb, weil ihr auch der zeitliche Mehraufwand dienstvertraglich abgegolten werden sollte.
Die Angaben der Nebenintervenientin als Zeugin vermochten an der Beurteilung des Berufungsgerichtes nichts zu ändern, weil insbesondere deren Angaben vor den Erhebungsorganen der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt dagegen sprechen, worin eine Gefälligkeitserledigung ausdrücklich ausgeschlossen und ein Auftrag seitens der Nebenintervenientin dargestellt worden ist, weiters spricht dagegen, daß die Zeugin selbst die Klägerin als eine der treuesten und nettesten Mitarbeiterinnen beschrieben hat, die niemals "Nein" gesagt hätte, sodaß auch aus der Gesamtsituation der Einbindung in den kleinen Betrieb (Filiale) hier für die Klägerin nur von einer dienstlichen Anweisung ausgegangen werden kann.
Diese Zurechnung bleibt auch dann, selbst wenn der Beklagte als Dienstgeber über den Auftrag nicht Bescheid gewußt haben sollte, immerhin wurde von ihm die Arbeitsunfallmeldung erstattet, sodaß aus seiner Sicht offenbar eine solche erforderlich gewesen ist.
Die leitende Funktion der Nebenintervenientin in der Filiale entspricht sich aus dem Gesamtbild der Beweisergebnisse, insbesondere aber auch den eigenen Angaben der Zeugin U***** R*****.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daher:
Der Unfall, den die Klägerin am 15.9.1993 erlitten hat, ist als Arbeits(Weg)Unfall zu werten.
Damit ergibt sich aber auch, daß Arbeitsunfälle, die im unmittelbaren, zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit der Berufsarbeit stehen, wobei die wesentlichen Bedingungen, die an dem Eintreten der Unfallfolgen mitgewirkt haben als Ursache angesehen werden (im vorliegenden Fall Arbeitswegunfall) gemäß § 8 Abs 1 2.Satz AngG die achtwöchige Frist zur Bezahlung des Entgelts auslösen. Der Klägerin war daher der ziffernmäßig außer Streit stehende Betrag von S 6.320,29 brutto (zwei Wochen Entgelte) zuzuerkennen.
Hinsichtlich des Sachschadens von S 90.000,--, wovon S 60.000,-- der Klägerin zuerkannt werden, ist die Anwendung des § 6 DHG auf Fälle der sogenannten Risikohaftung gemäß § 1014 ABGB zu prüfen. Der OGH hat wiederholt entschieden, daß § 1014 ABGB auch auf Arbeitsverträge analog anzuwenden ist und der Arbeitgeber aus diesem Rechtsgrund die "arbeitsadäquaten" Sachschäden, wie ein solcher im vorliegenden Fall
gegeben ist (Autoschaden), zu ersetzen hat (Arb 10.268 = DRdA 1984/1
[Jarbornegg], Arb 10.495 = ZAS 1987/10 [Kerschner] = DRdA 1988/6
[Jabornegg], Arb 10.785, 10.901; OGH vom 8.11.1995, 9 Ob A 184/95). § 1014 ABGB verpflichtet den Gewaltgeber nicht nur, allen zur Besorgung des Geschäftes notwendig und nützlich gemachten Aufwand selbst bei fehlgeschlagenem Erfolg zu ersetzen, sondern normiert auch eine verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für alle mit den typischen Gefahren des aufgetragenen Geschäftes verbundenen "arbeitsadäquaten" Sachschäden (Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 10 zu § 1014; DRdA 1991/2 [Jabornegg]). Auf solche Ansprüche ist § 1486 Z 5 ABGB analog anzuwenden (Oberhofer, Präklusion und Verjährung in Haftungsrecht der wirtschaftlich Unselbständigen, ZAS 1989, 54; SZ 62/150).
Der Anspruch des Dienstnehmers analog § 1014 ABGB ist als vertraglicher zu qualifizieren (Kerschner in Tomandl, Haftungsprobleme im Arbeitsverhältnis 60; Kerschner DHG Rz 13 zu § 3, Rz 16 zu § 6; JBl 1989, 734 mwN). Dieser unterliegt grundsätzlich als Geldanspruch aus dem Arbeitsverhältnis der Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB (Kerschner aaO Rz 16 zu 3 6; SZ 62/150).
Beim Ersatz dieses Anspruches muß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für das ihn nach der Arbeit oder Tätigkeit übertragene Unfallrisiko nach den nämlichen Grundsätzen entlasten, wie sie bei Beschädigung eines den Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Dienstvertrages zur Anwendung kämen. Fällt dem Dienstnehmer ein Versehen zur Last, hat er nach den Grundsätzen des DHG einzustehen und ist der Umfang seiner Ersatzansprüche nach den im § 2 Abs 1 DHG angeführten Kriterien zu beurteilen (Löschnigg/Reissner, Arbeitgeberhaftung für Sachschäden auf der Dienstreise, ecolex 1991, 110 [112], Arb 10.268, 10.495, 10.784, 10.901 u.a.).
Der Anspruch des Dienstnehmers analog § 1014 ABGB resultiert zwar aus dem adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Geschäftsbesorgung und der Schadensentstehung, ist aber kein Schadenersatzanspruch im Sinne des § 2 Abs 1 DHG, weil diese Bestimmung sich nur auf vom Dienstnehmer dem Dienstgeber verursachte Schäden, nicht aber auf Eigenschäden des Dienstnehmers bezieht, deren Vergütung als Vertragsanspruch dem Dienstgeber gegenüber geltend gemacht wird. Sie sind aber auch nicht Rückgriffsansprüche des Dienstnehmers im Sinne des § 3 DHG, weil es dort um den Fall des Drittschadens geht, der eine Eigenhaftung des Arbeitgebers Dritten gegenüber voraussetzt, die aber beim Anspruch nach § 1014 ABGB nicht besteht (Kerschner in Tomandl aaO 68 f; Kerschner aaO Rz 13 zu § 3). Ein Wertungswiderspruch, daß dem Dienstnehmer für dienstbedingte Eigenschäden bei grober Fahrlässigkeit drei Jahre, bei leichter Fahrlässigkeit hingegen nur sechs Monate zur Geltendmachung zur Verfügung stünden, liegt, im Hinblick auf die Frist des § 6 DHG betreffend Schadenersatz - oder Rückgriffsansprüche zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer (§ 2 Abs 2, § 3 Abs 2 bis 4, § 4 Abs 2 und 4 DHG), nicht vor. In der DHG-Novelle 1983, womit Ansprüche aus grob fahrlässig schädigenden Handlungen in den Anwendungsbereich des DHG einbezogen wurden, hielt damals der Gesetzgeber eine Anpassung des § 6 an die Änderung des § 2 nicht für systematisch erforderlich und sah es als sachgerecht an, daß Ersatzansprüche, die auf einem groben Verschulden beruhen, nicht schon nach sechs Monaten erlöschen. Ansprüche nach § 1014 ABGB, an die der Gesetzgeber offenbar nicht gedacht hatte (vgl. Gamerith in Rummel2, ABGB § 896 Rz 11; SZ 62/150), nicht mitumfaßt. Es handelt sich dabei aber nicht um eine planwidrige Lücke, die eine analoge Anwendung des § 6 DHG zur Folge hätte, weil Ansprüche des Dienstnehmers nach § 1014 ABGB nicht die im § 6 DHG genannten Schadenersatz- oder Rückgriffsansprüche, sondern vertragliche Ansprüche sind, die eben der Verjährungsfrist des § 1486 Z 5, ABGB, wie bereits ausgeführt, unterliegen. Dies ungeachtet, ob sie von einem minderen Grad des Versehens oder auf grober Fahrlässigkeit beruhen.
Wenn auch im Regelfall ein Verstoß gegen die Vorrangregel grundsätzlich erheblich schwerer zu qualifizieren ist, ist dennoch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, daß die Klägerin diese Strecke früher oftmals gefahren ist und nunmehr nach einem längeren Zwischenraum wieder diese Kreuzung passierte, auf der nunmehr eine Stoptafel aufgestellt worden ist. Es ist der Klägerin auch kein verkehrsrowdyhaftes Verhalten vorzuwerfen, sondern mitzuberücksichtigen, daß zum Unfallszeitpunkt an der Kreuzung der Verkehrsspiegel noch nicht vorhanden gewesen ist (Seite 5 des Protokolles vom 4.4.1995 = AS 85 unten) und im Hinblick auf die festgestellten Sichtverhältnisse und vor allem auf den Umstand, daß in der Wagmeisterstraße eine Verparkung bis knapp vor der Einmündungslinie gegeben war, der Klägerin ein im Verkehrsgeschehen nicht untypischer Aufmerksamkeitsfehler unterlaufen ist. Da sich zum Zeitpunkt ihres Einfahrens in die Kreuzung das gegnerische Unfallsfahrzeug aufgrund der Verparkung noch nicht im direkten Sichtbereich befunden hat, die Klägerin außerdem aufgrund ihres früheren gewohnheitsmäßigen Befahrens dieser Kreuzung nicht von einer Stoptafel ausgegangen ist, kann ihr eine grobe Fahrlässigkeit gerade noch nicht zugeordnet werden.
Es ist daher von einer leichten Fahrlässigkeit der Klägerin auszugehen.
Es ist sohin unter sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes, die auch im falle des § 1014 ABGB Platz greifen, eine Mäßigung des Schadens dergestalt angemessen, daß der Klägerin zwei Drittel ihres Schadens, sohin S 60.000,--, zu ersetzen sind.
Sohin ergibt sich der Zuspruch an die Klägerin insgesamt mit zusätzlichS 6.320,29 brutto und S 60.000,-- netto, sodaß sich die Gesamtsumme mit S 31.601,09 brutto zuzüglich S 60.000,-- netto errechnet. Das Mehrbegehren von S 30.000,-- netto war hingegen abzuweisen (1/3 des Schadensbegehrens)
Der Berufung der Klägerin war daher im aufgezeigten Umfang stattzugeben, der Berufung der beklagten Partei war nicht Folge zu geben (Bestätigung im Umfang von S 25.280,80 bruttoI.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, wobei auf die Ausführungen des Erstgerichtes zum Kostenpunkt zu verweisen ist, jedoch nunmehr von einem 100%-igen Obsiegen der Klägerin in der 1. Phase und einem 75%-igen der zweiten Phase auszugehen ist, sodaß ihr die gesamten Kosten der 1. Phase und 50% der 2. Phase des erstinstanzlichen Verfahrens betreffend die Verhandlung vom 4.4.1995 zu ersetzen sind.
Die Pauschalgebühr ist die Klägerin unter Berücksichtigung des vollen Obsiegens in der 1. Phase zur Gänze zu ersetzen, ebenso hat die beklagte Partei die Kosten der Verhandlung vom 31.5.1995 auf Grund der unbekämpft gebliebenen Kostenseparation gemäß § 48 ZPO zur Gänze zu tragen.
Im Berufungsverfahren ergibt sich, daß die Klägerin mit rund 69% ihres Begehrens durchgedrungen ist, sodaß ihr 38% der Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung von 69% der Pauschalgebühr zu ersetzen sind (§ 43 Abs 1, insbesondere 2.Satz ZPO).
Die Nebenintervenientin hat gegenüber der Gegenseite einen Kostenersatzanspruch nur im selben Verhältnis wie die Hauptpartei, der sie beigetreten ist (OLG Wien vom 11.4.1984, 16 R 67/84 = WR 85), sodaß im Ergebnis auch gegenüber dem Nebenintervenienten eine "Kostenaufrechnung" vorgenommen wird (ZBl 1937/280). Da die Nebenintervenientin zwar nach herrschender Judikatur nicht kostenersatzpflichtig wird, sie jedoch den Kostenersatzanspruch nur im selben Verhältnis wie die Partei hat, der sie beigetreten ist, die hier keinen Kostenersatz erhält, waren ihr auch weder für das erstinstanzliche Verfahren noch für das Berufungsverfahren Kosten zuzuerkennen (OGH vom 17.11.1966, 2 Ob 254/66; ebenso 2 Ob 674/53, 2 Ob 154/79; OLG Wien vom 3.3.1981, 11 R 24/81; OLG Wien 14 R 137/90).
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gründet sich auf § 46 Abs 1 Z 1 ASGG. Ein privilegierter Fall gemäß § 46 Abs 3 Z 1 ASGG liegt nicht vor, sodaß die Revision nur zulässig ist, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt; ein solcher Fall liegt nicht vor, im übrigen weicht das Berufungsgericht nicht von der Rechtsprechung des OGH zum § 1014 ABGB ab (9 Ob A 184/95 vom 8.11.1995).
Es war sohin vollinhaltlich spruchgemäß zu entscheiden.