JudikaturOLG Wien

7Ra56/96y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
17. April 1996

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Hellwagner (Vorsitzender), die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Meinhart und DDr. Huberger sowie die fachkundigen Laienrichter Hofrat Mag. O***** M***** (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir J***** H***** (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Firma R***** J***** W***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. R***** H. S*****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W***** L*****,*****, vertreten durch Dr. S***** G*****, Dr. H***** P*****, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Feststellung gemäß § 35 EO (Interesse S 7.726,08 und S 170,88 s.A.) infolge der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 7.12.1995, 8 Cga 32/95x-7, gemäß §§ 2 ASGG, 492 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es lautet:

"Das Klagebegehren des Inhaltes, der Anspruch, zu dessen Hereinbringung zu 6 Cga 71/91 des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht am 1.12.1994 Exekution bewilligt wurde, sei erloschen sowie die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.442,24 (darin enthalten S 407,04 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen".

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.691,36 (darin enthalten S 338,56 USt und S 660,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte gemäß § 35 EO die Feststellung, daß der Ausspruch, zu dessen Hereinbringung zu 6 Cga ***** des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht am 1.12.1994 Exekution bewilligt wurde, erloschen sei. Der beklagten Partei seien mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien gegen die klagende Partei ein Betrag von S 218.560,-- brutto samt 4% Zinsen seit 24.10.1991 sowie die Kosten des Verfahrens zugesprochen worden. Mit Überweisung vom 18.11.1994 habe die klagende Partei den Nettobetrag samt Zinsen sowie die Verfahrenskosten dem damaligen Rechtsvertreter des Beklagten überwiesen. Diese Beträge seien dem Konto des Rechtsvertreters am 22.11.1994 gutgeschrieben worden und am 23.11.1994 seien ihm die entsprechenden Kontoauszüge zugestellt worden. Die beklagte Partei habe dann am 23.11.1994 einen Antrag auf Fahrnisexekution über Kapital, Zinsen und Kosten eingebracht, welcher bewilligt worden sei. Auf Grund der Zahlung der klagenden Partei habe die beklagte Partei im Exekutionsverfahren die Exekution eingeschränkt. Diese Einschränkung sei jedoch nicht auch um die Kosten des Exekutionsantrages von S 7.726,08 erfolgt. Weiters habe die beklagte Partei noch die Kosten des Einschränkungsantrages von S 170,88 verzeichnet. Die Exekution über diese Beträge sei am 7.2.1995 durch Pfändung beweglicher Gegenstände zur GZ 1 E ***** des Bezirksgerichtes S***** vollzogen worden. Die klagende Partei brachte weiters vor, daß die beklagte Partei keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten des Exekutionsantrages habe, da sie diesen erst zu einem Zeitpunkt bei Gericht überreicht habe, zu dem die Schuld bereits bezahlt gewesen sei. Weiters sei die Einbringung des Exekutionsantrages am 23.11.1994 unzulässig, weil die Zahlung dem Rechtsvertreter der beklagten Partei spätestens am 22.11.1994 gutgeschrieben worden sei. Die klagende Partei habe die Einstellung der Exekution gemäß § 40 EO beantragt und sei hinsichtlich ihrer Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung auf den Rechtsweg verwiesen worden.

Der Beklagte beantragte die Klageabweisung. Das Urteil der zweiten Instanz sei den Parteienvertretern am 20.10., allenfalls am 21.10.1994, zugestellt worden. Die 14-tägige Leistungsfrist für die dort beklagte Partei habe daher am 3.11. bzw. 4.11.1994 geendet. Es sei möglich, daß die klagende Partei die Beträge am 18.11.1994 auf das Konto der Creditanstalt Bankverein der Kanzlei des Beklagtenvertreters angewiesen habe, jedoch habe sie jedenfalls die Zahlungsfrist mißachtet. Der Überweisungsbeleg sei erst am 23.11.1994 mit der Zustellung der Post zwischen 9.00 und 9.30 Uhr in der Kanzlei des Beklagtenvertreters eingelangt. Die beklagte Partei brachte weiters vor, daß sie, da die klagende Partei in Verzug geraten sei, noch einige Tage zugewartet habe und zwar für den Fall, daß die klagende Partei noch am letzten Tag der Leistungsfrist Zahlung geleistet hätte und es daher noch einige Tage gedauert hätte, bis der Überweisungsbeleg zugestellt worden wäre. Sie habe am 22.11.1994 den Exekutionsantrag verfaßt, der deshalb gerechtfertigt gewesen sei, weil er zeitlich gesehen vor der Zustellung des Bankauszuges bei Gericht überreicht worden sei. Es sei in der Kanzlei des Beklagtenvertreters üblich, daß die Gerichtspost jeweils um ca. 8.00 Uhr in der Früh in der Einlaufstelle des Bezirks- bzw. Landesgerichtes St.Pölten überreicht werde. In diesem Sinne sei am 23.11.1994 um ca. 8.00 Uhr in der Früh der Exekutionsantrag beim Landesgericht St.Pölten überreicht worden. Weiters brachte die beklagte Partei vor, daß im Zeitpunkt der Zahlungsanweisung des Klägers dieser bereits objektiv in Verzug gewesen sei und daher auch alle Nachteile, die durch seinen Verzug entstehen würden, zu tragen habe. Da daher die klagende Partei erst nach Ablauf der Zahlungsfrist Zahlung geleistet habe und die beklagte Partei keine Kenntnis davon gehabt habe, daß tatsächlich eine Zahlung erfolgt sei, sei dieser zur Einbringung des Exekutionsantrages am 23.11.1994 berechtigt gewesen und habe daher die klagende Partei die mit der Exekution verbundenen Kosten zu zahlen. Weiters sei die klagende Partei mit Brief vom 8.11.1994 aufgefordert worden, für die Erhebung der Revision Sicherheitsstellung zu leisten. Der Klagevertreter habe dann am 15.11.1994 telefonisch mitgeteilt, daß keine Revision eingelegt werde und daß das Urteil bereits erfüllt worden sei.

In der Tagsatzung am 2.10.1995 brachte die beklagte Partei ergänzend vor, daß die Kontoauszüge betreffend der Beträge S 143.588,20 und S 214.508,34 der Kanzlei am 23.11.1994 zugegangen seien.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht dem Klagebegehren stattgegeben und folgenden Sachverhalt festgestellt:

Die klagende Partei wurde mit Urteil des OLG Wien in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.3.1994, GZ 31 R ***** im Verfahren 6 Cga ***** des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht zur Zahlung von S 218.560,-- brutto samt 4% Zinsen seit 24.10.1991 sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten der I. und der II. Instanz verurteilt. Dieses wurde der klagenden Partei am 20.10.1994 zugestellt und wurde, da diese am 15.11.1994 telefonisch mitteilte, keine Revision zu erheben, rechtskräftig.

Die klagende Partei überwies erst am 18.11.1994 die Beträge von S 214.508,34 und S 143.588,20 auf das Konto bei der C********** des Beklagtenvertreters. Diese Beträge wurden diesem Konto am 22.11.1994 gutgeschrieben (siehe Bankauszug vom 22.11.1994 über S 143.588,20, welcher von der beklagten Partei mit Schriftsatz ON 6 dem Gericht vorgelegt wurde). Der Überweisungsbeleg langte jedoch erst am 23.11.1994 mit der Zustellung der Post zwischen 9.00 und 9.30 Uhr in der Kanzlei des Beklagtenvertreters ein. Der Beklagtenvertreter verfaßte, nachdem er einige Tage zugewartet hatte, am 22.11.1994 den Exekutionsantrag, welcher am 23.11.1994 um ca. 8.00 Uhr Früh beim Landesgericht St.Pölten überreicht wurde. Bezüglich der Gerichtspost ist in der Kanzlei des Beklagtenvertreters üblich, daß diese in der Früh um ca. 8.00 Uhr in der Einlaufstelle des Bezirksgerichtes bzw. Landesgericht St. Pölten überreicht wird. Zu diesem Zeitpunkt hatte die beklagte Partei daher subjektiv keine Kenntnis von der Zahlung durch die klagende Partei. Infolge der Zahlung durch die klagende Partei schränkte die beklagte Partei mit Antrag vom 20.12.1994 ein auf Kosten von S 7.726,08 laut Exekutionsbewilligungsbeschluß und die Kosten des Schriftsatzes von S 117,88.

Am 7.2.1995 wurde die Exekution über diese Beträge durch Pfändung beweglicher Gegenstände vollzogen.

Die klagende Partei beantragte daraufhin die Einstellung der Exekution, da der Exekutionsantrag erst zu einem Zeitpunkt bei Gericht überreicht wurde, zu dem die Schuld bereits bezahlt war.

Mit Beschluß vom 3.3.1995 des Bezirksgerichtes S***** wurde die klagende Partei mit ihren Einwendungen auf den Rechtsweg verwiesen.

In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zum Ergebnis, daß die klagende Partei sich in Verzug befunden habe, als sie am 18.11.1994 den geschuldeten Betrag überwiesen habe. Der Tag der Auftragserteilung gelte als Zahlungstag, wenn der Verpflichtete seinem Kreditinstitut den Auftrag gibt, von seinem Konto den Schuldbetrag auf das Konto seiner Gläubiger zu überweisen. Allerdings wirke nicht nur die rechtzeitige Zahlung auf den Einzahlungs- und Überweisungsauftrag zurück. Der Kläger habe den geschuldeten Betrag an den Beklagtenvertreter auf dessen Konto bei der ***** überwiesen. Sobald die geschuldete Leistung bei dieser Bank eingelangt sei, sei sie zufolge § 1424 ABGB "als an den Gläubiger selbst erbracht anzusehen" und damit der Verzug des Schuldners beendet. Ab diesem Zeitpunkt bestehe jene Verfügungsmöglichkeit für den Gläubiger, welche für die Beendigung des Verzuges maßgeblich sei. Ob sich die vom Gläubiger gemäß § 1424 ABGB bezeichnete Stelle mit der Gutschrift eines bei ihr für den Beklagtenvertreter eingelangten Betrages auf dessen Konto mehr oder weniger Zeit lasse, betreffe die Einflußsphäre des Beklagten als Gläubiger und sei daher für die Beendigung des Verzuges ohne Bedeutung. Es käme jedenfalls nicht auf die Verständigung des Gläubigers an. Der Verzug der klagenden Partei sei jedenfalls am 22.11.1994 infolge der Gutschrift auf das Konto des Beklagtenvertreters, also vor Stellung des Exekutionsantrages, beendet gewesen. Daher wäre der Beklagte nicht berechtigt gewesen, den Exekutionsantrag einzubringen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte bringt im wesentlichen vor, daß der Grundsatz, wonach die Rechtzeitigkeit einer Zahlung bzw. die Berechtigung zur Exekutionsführung (bei Zahlung durch Bankanweisung) vom Zeitpunkt des Einlangens am Konto des Gläubigers abhänge und nicht von der Kenntnisnahme des Gläubigers von der Zahlung nur in den Fällen gelte, in denen der Schuldner zumindest die Einzahlung oder den Überweisungsauftrag rechtzeitig durchgeführt habe. Keinesfalls gelte dies aber, wenn sich der Schuldner von vornherein im Verzug befinde, sondern hänge dann die Rechtzeitigkeit der Zahlung und die Berechtigung zur Exekutionsführung von der Kenntnisnahme durch den Gläubiger ab. Insbesonders, wenn der Zeitraum zwischen Zahlungseingang und Kenntnisnahme einem ordentlichen und ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb entspreche und der Gläubiger, wie im vorliegenden Fall, irgendeine Versäumnis nicht angelastet werden könne.

Der Überweisungsbeleg der klagenden Partei ist am 23.11.1994 zwischen 9.00 Uhr und 9.30 Uhr beim Beklagtenvertreter eingelangt. Der Exekutionsantrag wurde am 22.11.1994 verfaßt und wurde vor Einlangen des Bankauszuges am 23.11.1994 um ca. 8.00 Uhr bei Gericht überreicht. Man könne daher im vorliegenden Fall nicht davon ausgehen, daß alleine der Umstand, daß die Zahlung erfolgte und auf das Konto des Beklagtenvertreters gutgeschrieben worden sei, bereits ausschließlich die Einflußsphäre des Beklagten als Gläubiger betreffe, sondern falle die Frist zur Kenntniserlangung noch in die vom Schuldner zu vertretenden Verzugsfolgen. Als Zahlungszeitpunkt sei daher im vorliegenden Fall nicht das Einlangen des Geldes auf dem Konto des Beklagtenvertreters sondern der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntniserlangung über die Zahlung zugrundezulegen.

Diesen Ausführungen ist zuzustimmen.

Ist - wie im gegenständlichen Fall - die Einzahlung des geschuldeten Betrages erst nach Ablauf der fixierten Leistungsfrist erfolgt, dann ist nach ständiger Rechtsprechung (RPflSlg E 1976, 249/147, LGZ Wien 46 R 598/77, 46 R 1218/84, 46 R 1081/87) zu beachten, daß dem Gläubiger nicht zugemutet werden kann, auch nach Ablauf der Leistungsfrist vor Überreichung des Exekutionsantrages zu prüfen, ob nicht doch eine Gutschrift eingelangt ist. Es besteht daher im Fall des Ablaufes der Leistungsfrist das Exekutionsrecht des Gläubigers so lange, bis er durch Ausfolgung des Betrages oder durch Einlangen der Gutschriftsanzeige die Möglichkeit einer Verfügung über den geleisteten Betrag erhält. Will der säumige Schuldner diese Folgen von sich abwenden, dann muß er die Überweisung dem Gläubiger nachweisen. Vom Gläubiger kann in diesem Fall nur verlangt werden, daß er vor Absendung oder Überreichung des Exekutionsantrages die bereits eingelangte Post nach einer Gutschriftsanzeige durchsieht.

Im vorliegenden Fall überreichte der Beklagtenvertreter den Exekutionsantrag, welchen er am 22.11.1994 verfaßt hatte, am 23.11.1994 um ca. 8.00 Uhr früh beim Landesgericht St.Pölten. Der Überweisungsbeleg langte jedoch erst am 23.11.1994 mit der Zustellung der Post zwischen 9.00 Uhr und 9.30 Uhr in der Kanzlei des Beklagtenvertreters ein. Der Beklagtenvertreter hatte somit bei Einbringung des Exekutionsantrages keine Kenntnis von der Zahlung und es konnte von ihm nicht mehr verlangt werden, als die am 22.11.1994 eingelangte Post nach einer Gutschrift durchzusehen.

Es war daher der Berufung Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründen sich auf §§ 2 ASGG, 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungsverfahrens auf §§ 2 ASGG, 41 und 50 ZPO.

Gemäß § 45 Abs 1 iVm § 46 Abs 1 ASGG war auszusprechen, daß die Revision nicht zugelassen wird, weil der zu lösenden Rechtsfrage keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt.

Rückverweise