JudikaturOLG Wien

13R52/96 – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
04. April 1996

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten DDr.Nechvatal als Vorsitzenden sowie Dr.Reitermaier und Dr.Plach als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Dr.E*****, wider die beklagten Parteien 1.) D***** und 2.) W*****, ebendort, beide vertreten durch Dr.K*****, wegen S 152.410,62 samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg vom 15.12.1995, 1 Cg 259/95x-14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird F o l g e gegeben, der angefochtene Beschluß a u f g e h o b e n und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung a u f g e t r a g e n.

Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung:

Die Klagen und die Ladungen zur ersten Tagsatzung wurden beiden Beklagten letztlich durch Hinterlegung am 25.10.1996 zugestellt. Nachdem die erste Tagsatzung nicht besucht wurde, fällte das Erstgericht antragsgemäß ein Versäumungsurteil, das beiden Beklagten am 9.11.1995 zugestellt wurde.

Gegen die Versäumung der ersten Tagsatzung wendet sich der Antrag auf Wiedereinsetzung der beklagten Parteien mit dem Vorbringen, die Hinterlegung am 25.10.1995 sei nicht rechtswirksam gewesen, da sich der Zweitbeklagte, welcher auch Vertreter der erstbeklagten Partei sei, zu diesem Zeitpunkt nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten habe. Er habe sich sowohl vor als auch nach diesem Zeitpunkt längere Zeit im Ausland aufgehalten, sodaß eine Zustellung nicht hätte vorgenommen werden dürfen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und führte im wesentlichen aus, ein gesetzwidriger Zustellvorgang, wie ihn die Beklagten behaupten, könne nicht gemäß § 146 Abs.1 ZPO mit Wiedereinsetzung geltend gemacht werden, sondern lediglich mit Berufung.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, ihn dahin abzuändern, daß ihrem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Rekurs ist berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 146 Abs.1 ZPO ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - am rechtzeitigen Erscheinen bei einer Tagsatzung oder an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. In Rechtsprechung und Lehre werden unterschiedliche Auffassungen darüber vertreten, ob unter der im § 146 Abs.1 ZPO genannten Zustellung nur die gesetzmäßige Zustellung zu verstehen sei oder auch eine mangelhafte Zustellung. Ein Teil der Lehre vertritt die Meinung, es könne bei einem gesetzwidrigen Zustellvorgang nicht wahlweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Berufung bewilligt werden. So vertritt Fasching die Auffassung (Fasching ZPR Rz 576), es sei im Sinne der Systematik der ZPO zwischen verschiedenen Zwecken zu trennen. Die Berufung sei auf die Beseitigung von Gerichtsfehlern gerichtet, die Wiedereinsetzung auf die Rechtfertigung von Parteisäumnissen. Gitschthaler führt aus (Gitschthaler in Rechberger ZPO Rz 4 zu § 146), bei einer mangelhaften Zustellung liege gar keine Zustellung vor, sodaß auch keine Säumnis der Partei eintreten könne. Frauenberger (ÖJZ 1992, 116) vertritt die gleiche Auffassung, verweist zur Begründung allerdings nur auf die diesbezügliche Rechtsprechung. Auch ein Teil der Rechtsprechung hat sich dieser Auffassung angeschlossen (EFSlg.66.984, 46.645, WR 62 u.a.).

Dagegen vertritt Holzhammer (Zivilprozeßrecht**2, 159) die Auffassung, daß den von der gegenteiligen Lehre vorgebrachten systematisch-logischen Argumenten weniger Gewicht zukomme als einer Zweckinterpretation. In die Bestimmung des § 146 ZPO sei auch die "Scheinsaumzahl" einzubeziehen, die dadurch herbeigeführte Konkurrenz verschiedener Rechtsbehelfe schade nicht. Dem hat sich die neuere Rechtsprechung angeschlossen (WR 495, RZ 1987/36). Diese Rechtsprechung hat sich vor allem darauf berufen, es solle nicht durch einen Formalismus der Partei ein einfaches und kostensparendes Mittel zur Beseitigung der Säumnisfolgen verwehrt werden. Dem ist noch hinzuzufügen, daß die säumige Partei in vielen Fällen erst im Zuge der gerichtlichen Ermittlung auf Grund der erhobenen Rechtsmittel (Rechtsbehelfe) die maßgebenden Einzelheiten des Zustellvorganges erfährt (insbesonders ob die Vorschriften des § 17 Abs.2 ZustG über die Verständigung von der Hinterlegung eingehalten wurden) und so erst in diesem späten Stadium beurteilen kann, welches der erhobenen Rechtsmittel zutreffend war. Damit wird die Partei in den meisten Fällen gezwungen, eine kostenintensive Kumulierung von Rechtsmitteln vorzunehmen, was tunlichst zu vermeiden ist.

Vorliegend stützen sich daher die beklagten Parteien auf einen geeigneten Wiedereinsetzungsgrund, sodaß dem Rekurs stattzugeben und der angefochtene Beschluß aufzuheben war. Das Erstgericht wird nach Prüfung der angebotenen Bescheinigungsmittel und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes neuerlich über die Wiedereinsetzung zu entscheiden haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.

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