7Ra144/95 – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Hellwagner (Vorsitzender), die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Meinhart und DDr. Huberger in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Margit ***** H*****, *****, *****, vertreten durch Dr. Tassilo N*****und andere, Rechtsanwälte in *****, wider die beklagte Partei *****VersAG, *****, wegen S 11.442,-- samt Nebenforderung, infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.6.1995, 23 Cga 103/95z-7 den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufgetragen.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt die Zahlung von S 11.442,-- samt Nebenforderungen. Sie sei Dienstgeberin von Marina Z*****. Diese sei anläßlich eines Verkehrsunfalles als Beifahrerin des von Günter W*****gelenkten Motorrades, welches bei der beklagten Partei haftpflichtversichert sei, verletzt worden. Das Verschulden am Zustandekommen des Unfalles treffe den Lenker dieses Fahrzeuges. Marina Z*****sei erheblich verletzt worden und im Krankenstand gewesen. Sie habe daher gegen die beklagte Partei Anspruch auf Ersatz des Bruttolohnes und der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des eingeklagten Betrages.
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes D*****vom 24.5.1995 hat sich dieses für unzuständig erklärt und die Klage an das offenbar nicht unzuständige Erstgericht überwiesen. Dies, obwohl der Klagevertreter in der ihm aufgetragenen Äußerung vom 3.4.1995 ausgeführt habe, daß es völlig "evident" sei, daß die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes nicht vorliege. Nach Ansicht des Bezirksgerichtes D*****handelt es sich aber um einen Anspruch im Sinne der Bestimmungen des § 52 Z 2 ASGG.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Erstgericht die Klage wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.
Die Arbeitsrechtsstreitigkeiten seien taxativ im § 50 ASGG aufgezählt. Eine Forderung der Marina Z*****bzw. an ihrer Stelle durch deren Dienstgeber gegen den Versicherer des Fahrzeuges, welcher den Unfall verschuldet habe, sei keine Arbeitsrechtsstreitigkeit im Sinne des § 50 ASGG, weil zwischen Marina Z*****und der beklagten Partei kein Dienstverhältnis bestehe oder jemals bestanden habe.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und auszusprechen, daß das Arbeits- und Sozialgericht sachlich zuständig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Vorerst ist jedoch folgendes zu bemerken. Die Ansicht des Bezirksgerichtes D*****, daß es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen der Klägerin um solche im Sinne des § 52 Abs 2 ASGG handle, ist nach Auffassung des Rekursgerichtes verfehlt. Eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs 1 Z 1 liegt zwar auch dann vor, wenn bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unerlaubte Handlungen betreffen, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen, hiebei muß es sich jedoch um unerlaubte Handlungen oder um unerlaubte Unterlassungen des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers oder eines Dritten handeln, die einer von ihnen zu vertreten hat. Der Rechtsstreit muß aber jedenfalls zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern oder nach § 50 Abs 1 Z 3 zwischen zwei Arbeitnehmern geführt werden. Zwischen der unerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhältnis muß auch ein entfernter sachlicher Zusammenhang bestehen. Ob dieser Zusammenhang unmittelbar oder mittelbar rechtlich oder tatsächlich ist, ist belanglos. Der Zusammenhang ist gegeben, wenn ohne das Arbeitsverhältnis keine Gelegenheit oder kein Anlaß zur Begehung der unerlaubten Handlung bestanden hätte. Unerlaubte Handlung kann auch erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden sein, sofern der vorerwähnte Zusammenhang besteht (Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, § 50 Erl 7, 259). Die Bestimmungen des § 52 Z 2 ASGG, wonach der § 50 auch für Fälle gilt, in denen die Rechtsstreitigkeiten geführt werden, durch eine Person, die kraft Gesetzes anstelle des ursprünglichen Partei hieui befugt ist, kann die Ansicht des Bezirksgerichtes D*****nicht stützen. Rechtsnachfolger im Sinne der Z 2 ist eine Person, die kraft Gesetzes anstelle der ursprünglichen Partei zur Führung der Rechtsstreitigkeit befugt ist. Dies sind etwa der Masseverwalter im Konkurs, der Zwangsverwalter nach § 109 Abs 3 EO oder der Überweisungskläger, an den eine aus dem Arbeitsverhältnis entspringende oder gepfändete Forderung des verpflichteten Arbeitnehmers gegen einen Arbeitgeber (den Drittschuldner) zur Einziehung oder an Zahlungsstatt überwiesen worden ist. Z.B. macht in einer Drittschuldnerklage der Überweisungsgläubiger nur Rechte des verpflichteten Arbeitnehmers geltend, zu deren Ausübung er kraft des gerichtlichen Überweisungsbeschlusses befugt ist. Unter Z 2 fällt hingegen nicht ein Schadenersatzanspruch gegen den Drittschuldner wegen Nichterstattung der Drittschuldneräußerung (aaO § 52 Erl 3). Zutreffend vertritt daher die Klägerin in ihrer Äußerung vom 3.4.1995 die Ansicht, daß ihre Schadenersatzansprüche mit dem Dienstverhältnis überhaupt nichts zu tun haben und sie mit ihrer Klage eigene Rechte, aber nicht Rechte ihrer Arbeitnehmerin Marina Z*****wie der Überweisungsgläubiger geltend macht. Ebenso wie Klagen betreffend Schadenersatzansprüche gegen den Drittschuldner wegen Verweigerung der Drittschuldneräußerung nicht in die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes fallen, konnte nach Prüfung der Angaben der Klägerin in ihrer Klage, von denen des Bezirksgerichtes D*****gemäß § 41 Abs 1 und 2 JN ausgehen hätte müssen, die Rede sein, daß die Klägerin eine Person sei, die kraft Gesetzes anstelle der ursprünglichen Partei zur Geltendmachung des Klageanspruches befugt sei. Das Bezirksgericht D*****hätte aufgrund der von ihm selbst zitierten Entscheidung 2 Ob 21/94 unschwer erkennen können, daß es für die gegenständliche Rechtssache sachlich zuständig ist, auch in der zitierten Entscheidung nicht das Erstgericht, sondern in erster Instanz das Landesgericht für ZRS Wien angerufen wurde und dort der Rechtsstreit zu 22 Cg 712/92 anhängig war. Wenn auch der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung daher 2 Ob 21/94 ausgesprochen hat, daß der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergeht, ist dieser Entscheidung in keiner Weise zu entnehmen, daß er der Ansicht war, daß es sich bei der dort genannten Rechtsstreitigkeit um eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 ASGG handelt.
Dennoch war der Rekurs im Ergebnis berechtigt, weil das Erstgericht gemäß § 38 Abs 4 ASGG an den rechtskräftigen Ausspruch über die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes D*****gebunden ist. Das Erstgericht, an das die gegenständliche Rechtssache überwiesen worden ist, darf die überwiesene Rechtssache nämlich nicht mehr an das erste überweisende Gericht zurücküberweisen und seine Unzuständigkeit nicht deshalb aussprechen, weil es das überweisende Gericht für zuständig erachtet. Auch die beklagte Partei darf beim Gericht, an das überwiesen wurde, eine neuerliche Unzuständigkeitsrede nicht auf Tatsachen stützen, aus denen sich die Zuständigkeit des überweisenden Gerichtes ergibt. Die Bestimmungen des § 38 Abs 4 ASGG schließt jedenfalls einen weiteren Streit über die sachliche Zuständigkeit des überweisenden Gerichtes aus, so daß zwischen diesem Gericht und dem Gericht, an das die Arbeits- und Sozialrechtssache überwiesen worden ist, ein negativer Kompetenzkonflikt nicht entstehen könne (Kuderna aaO, § 38 Erl 13).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 52 ZPO.
Gemäß § 11 a Abs 2 Z 1 und 2 lit a waren der Beschlußfassung keine fachkundigen Laienrichter beizuziehen.