18Bs270/95 – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat in nichtöffentlicher Sitzung durch den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Schittenhelm als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Habl und Dr. Trieb als weitere Senatsmitglieder in der Medienrechtssache der Antragstellerin Ö***** gegen die Antragsgegnerin F***** wegen §§ 14 f MedienG über die Beschwerden der Antragstellerin und Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Juni 1995, GZ 9 b E Vr 11.614/92-32, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1.) Der Beschwerde der Antragstellerin wird n i c h t Folge gegeben.
2.) Der Beschwerde der Antragsgegnerin wird F o l g e gegeben und der angefochtene Beschluß dahingehend abgeändert, daß das von der Antragstellerin Ö***** der Antragsgegnerin F***** zu bezahlende Einschaltungsentgelt mit S 113.451,-- bestimmt und die Antragstellerin verpflichtet wird, der Antragsgegnerin die Kosten des Bestimmungs- und Beschwerdeverfahrens (zur Gänze) zu ersetzen.
Text
Begründung:
Mit dem angefochtenen Beschluß bestimmte das Erstgericht die Höhe des von der Antragstellerin zu ersetzenden Einschaltungsentgeltes gemäß § 17 Abs.5 MedienG (richtig: Abs.4 a.F.) lediglich für die Veröffentlichung der Entgegnung am 1. Dezember 1992 im Programm des ORF Hörfunk Ö 2 mit S 12.000,-- und wies das Mehrbegehren ab. Gleichzeitig trug es der Antragstellerin und der Antragsgegnerin gemäß § 19 Abs.2 und 4 MedienG den Kostenersatz des Verfahrens über den Bestimmungsantrag je zur Hälfte auf und setzte die von der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu ersetzenden Kosten mit S 2.250,-- fest.
Gegen diesen Beschluß richten sich die rechtzeitigen Beschwerden der Antragstellerin und Antragsgegnerin (ON 33 und 34), wovon lediglich der Beschwerde der Antragsgegnerin Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Zur Beschwerde der Antragstellerin:
Eingangs ist zu bemerken, daß die Zulässigkeit der Beschwerde gegen einen Beschluß auf Bestimmung der Höhe des Einschaltungsentgeltes nach § 17 Abs.5 (Abs.4 a.F.) MedienG von der ständigen Judikatur nicht in Frage gestellt wird (vgl. 27 Bs 292/94, 18 Bs 27/95, 18 Bs 139/95 des OLG Wien etc.).
Der Einwand, daß der Bestimmungsantrag verfristet sei, schlägt fehl. Richtig ist wohl der Hinweis auf das Fehlen einer ausdrücklichen Befristung im § 17 Abs.4 alt bzw. 5 neu MedienG zur Bestimmung der Höhe der Einschaltungsentgeltskosten und auf die Verweisungsvorschrift des § 14 Abs.3 MedienG. Als analoge Bestimmung der Strafprozeßordnung können jedenfalls nicht - wie die Beschwerdeführerin vermeint - die Fristen der §§ 46 bzw. 393 a StPO herangezogen werden, weil diese Normen keine vergleichbaren Ansatzpunkte aufweisen. Die größte Parallele findet sich wohl im § 395 StPO, weil hier auch eine Regelung über einen Kostenersatz, der zuvor von einer gerichtlichen Entscheidung dem Grunde nach festgestellt worden ist, getroffen wird, wobei das Gericht nur dann tätig wird, wenn ein solcher Festsetzungsantrag in Ermangelung eines Übereinkommens der Parteien gestellt wird. Eine Frist für einen solchartigen Antrag ist aber nach § 395 StPO gleichfalls nicht vorgesehen. Die in Frage kommende dreijährige zivilrechtliche Verjährungsfrist ist wiederum - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - noch nicht annähernd erreicht worden.
Insoweit die Beschwerde den Zuspruch eines Einschaltungsentgeltes zur Gänze bestreitet, ist ihr folgendes zu erwidern:
Der Antragstellerin ist zu ihrem Standpunkt, das Erstgericht habe die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 22. Oktober 1986 (1 Ob 33/86, Medien und Recht 1986, Heft 6 E 16) zu Unrecht zur Interpretation herangezogen, einzuräumen, daß diese Entscheidung ein "zweipersonales Verhältnis" vor Augen hatte, während im vorliegenden Fall deshalb eine "dreipersonale Konstellation" vorliegt, weil hier nicht wie üblicherweise eine Identität der Antragsgegnerin und Medieninhaberin gegeben ist, sondern die Antragsgegnerin nicht mit dem "verbreitenden Medium" ORF ident ist. Es ist weiters zuzustimmen, daß die Antragsgegnerin über keinen eigenen Anzeigenkostentarif verfügt, woraus allerdings noch nicht schlüssig ableitbar ist, daß ihr kein Einschaltungsentgelt zustehe.
Auszugehen ist vielmehr von der Berufungsentscheidung des OLG Wien vom 7. Juni 1993 (ON 20), wonach laut Punkt IV.) gemäß dem § 17 Abs.4 MedienG (a.F.) die Antragstellerin zur Zahlung eines Einschaltungsentgeltes für die zu Unrecht erwirkte Veröffentlichung der Entgegnung (sowie für die allfällige Veröffentlichung des Berufungsurteils in dem zu Punkt III.) festgehaltenen Umfang) verurteilt worden ist, was wiederum bedeutet, daß im Sinne des von der Antragstellerin selbst zugestandenen Regelungszieles dieser Gesetzesbestimmung die der Antragsgegnerin durch die aufgetragene Veröffentlichung der Gegendarstellung entstandenen Kosten ersetzt werden sollen.
Nun kann aber der Umstand, daß die Antragsgegnerin über keinen eigenen Anzeigenkostentarif verfügt bzw. der Antragsgegnerin durch das Zurverfügungstellen von Sendezeit durch den ORF tatsächlich überhaupt keine Kosten entstanden sind, noch nicht der Schluß gezogen werden, daß der Antragsgegnerin kein Einschaltungsentgelt zustehe. Denn aus dem richtig verstandenen Kern der zitierten Entscheidung des OGH vom 22. Oktober 1986 kann für den vorliegenden Fall gewonnen werden, daß grundsätzlich nicht von den oft schwer zu errechnenden Selbstkosten auszugehen ist, sondern die Anzeigenkosten nach dem geltenden Tarif zugrundezulegen sind. Demnach ist es unbeachtlich, ob die Antragsgegnerin für die ihr aufgetragene Veröffentlichung der Entgegnung (Gegendarstellung) Kosten entrichtet oder aber hiefür die ihr kostenlos zur Verfügung stehende Sendezeit des ORF genützt hat.
Dem Erstgericht ist somit darin beizupflichten, daß der Antragsgegnerin prinzipiell (fiktive) Kosten nach dem Werbetarif des ORF zustehen. Den Beschwerdeargumenten zuwider stellt dies keinen Widerspruch zu dem Begriff "Kostenersatz" dar, weil darin eine Abgeltung für die durch die zu Unrecht aufgetragene Veröffentlichung entfallene Belangsendezeit zu sehen ist, da die Antragsgegnerin durch den Verlust der Sendezeit gezwungen sein konnte, für die Verbreitung ihrer Belange ersatzweise eine gleichwertige Sendezeit zu erlangen.
Aus diesen Erwägungen war somit der grundsätzliche Anspruch der Antragsgegnerin auf Einschaltungsentgelt zu bejahen und der unbegründeten Beschwerde der Antragstellerin der Erfolg zu versagen.
Zur Beschwerde der Antragsgegnerin:
Zunächst bekämpft die Antragsgegnerin den erstgerichtlichen Beschluß darin, daß der Zuspruch eines Einschaltungsentgeltes für die Veröffentlichung in Ö 1 wegen des Fehlens eines eigenen Werbetarifes für diesen Sendebereich abgewiesen worden ist. Damit wirft sie die grundsätzliche Frage auf, ob für die zu Unrecht aufgetragene (und auch tatsächlich gesendete) Veröffentlichung der Entgegnung nur deshalb keine Einschaltungsentgeltvergütung vorzunehmen sei, weil beim Hörfunkprogramm Ö 1 kein eigener Werbetarif existiere.
Würde man dieser vom Erstgericht geteilten Ansicht folgen, so steht diese dem Standpunkt über die Zulässigkeit eines Zuspruches von fiktiven Kosten entgegen. Folgt man aber den zur Beschwerde der Antragstellerin vorstehend dargelegten Ansätzen, steht der Antragsgegnerin auch ein Anspruch auf Einschaltentgeltzahlung für die Veröffentlichung im Hörfunkprogramm Ö 1 zu. Die Höhe dieser Abgeltung für die entgangene Belangsendezeit kann in Ermangelung eines eigenen Werbetarifes für diesen Sendebereich nur in einer Höhe bestehen, der sich aus vergleichbaren (wenn auch fiktiven) Tarifen ergibt. Dazu führt die Antragsgegnerin sowohl in ihrem Kostenbestimmungsantrag als auch in ihrer Beschwerde zutreffend aus, daß der wesentlichste Faktor für die Erstellung der Höhe der Werbetarife im ORF die Tagesreichweite eines Programmes zur jeweiligen Sendezeit darstellt. Folgt man diesem Lösungsansatz, so bietet der Vergleich über die Tagesreichweite der Hörfunkprogramme Ö 1 und Ö 2 (Beilage ./A zu ON 26) ein durchaus taugliches Mittel, um zu einer angemessenen Vergütung auch für die im Hörfunkprogramm Ö 1 erfolgte Veröffentlichung zu gelangen.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes ist somit der von der Antragsgegnerin beschrittene Weg bei der Berechnung nur eine Fortsetzung des Grundsatzes der prinzipiellen Zulässigkeit des Zuspruches fiktiver Kosten.
Zur Abweisung des 30%igen Plazierungszuschlages releviert die Antragsgegnerin, daß ihr dieser deshalb zustehe, weil sie die auferlegte Veröffentlichung der Entgegnung in einer ganz bestimmten Belangsendung plazieren mußte. Mit dieser Argumentation bringt die Antragsgegnerin - wie auch das Erstgericht zutreffend erkannt hat - keine überzeugende Begründung für den Zuspruch eines Plazierungszuschlages zur Darstellung, weil die genannte Veröffentlichung in einer fix zugewiesenen Belangsendezeit gebracht worden ist, sodaß für den ORF kein Mehraufwand mit einer bestimmten Plazierung verbunden war und die Antragsgegnerin lediglich den Text ihrer Belangsendung anders zu gestalten hatte.
Im Ergebnis fordert aber die Antragsgegnerin den Plazierungszuschlag zu Recht. Denn in Weiterführung des grundsätzlichen Gedankenganges, wonach ihr - wie oben dargestellt - fiktive Kosten als Ersatz für die verlorengegangene Belangsendezeit zusteht, sind ihr auch die "Kosten" für die Plazierung einer nach der Reichweite gleichartigen ersatzweisen Belangsendezeit zu gewähren, weshalb der Anspruch auf einen tarifmäßigen 30%igen Plazierungszuschlag aus dieser Begründung gerechtfertigt ist.
Unter Zugrundelegung der erwähnten Prämissen berechnet sich die Höhe des Einschaltungsentgeltes wie folgt:
Für die Einschaltung im Hörfunkprogramm Ö 2 ist zumindest der beantragte Sekundensatz von S 324,-- (laut Tarif und erstgerichtlichem Beschluß: S 325,--) und der 30%ige Plazierungszuschlag, somit zumindest ein Betrag von S 75.816,-- berechtigt sowie für das Hörfunkprogramm Ö 1 wegen der geminderten Tagesreichweite (etwa ein Sechstel von Ö 2) inklusive des Plazierungszuschlages von S 37.635,--, sohin insgesamt S 113.451,-- (laut Beschwerdeantrag).
Da die Höhe des Einschaltungsentgeltes nach den üblichen Tarifen für Inserate und Werbeeinschaltungen zuzüglich aller Abgaben und Steuern zu berechnen ist (vgl. die bereits eingangs zitierten Entscheidungen des OLG Wien), wäre der Antragsgegnerin noch ein höherer Betrag zugestanden, doch hat sie in ihrem Beschwerdeantrag die Ankündigungsabgabe und MWSt unberücksichtigt gelassen.
Schließlich bekämpft die Beschwerde der Antragsgegnerin den Beschlußteil, mit welchem das Erstgericht vom Mäßigungsrecht nach billigem Ermessen gemäß § 17 Abs.5 (Abs.4 a.F.) MedienG Gebrauch gemacht hat. Hiezu wendet sich die Beschwerde zu Recht gegen die erstgerichtliche Begründung, wonach das Einschaltungsentgelt wegen der von der Antragsgegnerin bezahlten Geldbuße von S 12.000,-- gemäß § 20 Abs.1 MedienG für die ursprünglich nicht zeitgerechte Veröffentlichung und die kostenlose Überlassung der Belangsendezeit durch den ORF auf lediglich S 12.000,-- zu reduzieren sei.
In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, daß der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Nachsicht von Geldbußen im Sinne des § 20 Abs.3 MedienG mit "berücksichtigungswürdigen Fällen" und die Mäßigung des Einschaltungsentgeltes nach § 17 Abs.5 MedienG bei "Härtefällen" nicht mit dem gleichen Wortlaut umschreibt und somit eine Gleichsetzung der richterlichen Mäßigungsinstrumente nicht in Frage kommt. Bei einem Härtefall des hier in Rede stehenden Einschaltungsentgeltausspruches ist die Priorität wohl eindeutig auf wirtschaftliche Belange der Antragsteller zu setzen, was sich schon aus dem Gesetzestext ergibt, wonach zusätzlich die Möglichkeit der Festsetzung einer längeren Leistungsfrist eröffnet wird. Der Sinn dieser Gesetzesstelle ist sicherlich darin zu sehen, daß damit die unter Umständen für den Gegendarstellungswerber verbundenen ruinösen Kostenfolgen hinangehalten werden sollen (vgl. auch Bruno Weis, Handbuch der Gegendarstellung, S 130).
Zieht man im konkreten Fall in Betracht, daß die Antragsgegnerin auf die Veröffentlichung des Berufungsurteiles freiwillig verzichtet (AS 152) sowie nicht alle Abgaben und Steuern in Rechnung gestellt hat, wodurch das von der Antragstellerin zu begleichende Einschaltungsentgelt beträchtlich verringert worden ist, so fallen demgegenüber die vom Erstgericht ins Treffen geführte Argumente einer Reduzierung des Einschaltungsentgeltes nicht ins Gewicht, sodaß eine Mäßigung des Einschaltungsentgeltes wegen des Vorliegens eines Härtefalles nicht in Betracht kommt, zumal die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragstellerin nicht in Frage gestellt wird.
Letztlich ist auch die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses, womit sie zur Bezahlung der Hälfte der Verfahrenskosten verpflichtet worden ist, im Recht. Abgesehen davon, daß die Antragsgegnerin aufgrund der Beschwerdeentscheidung nunmehr zur Gänze mit ihrem Antrag durchgedrungen ist, hat das Erstgericht rechtsirrig die Gesetzesbestimmung des § 19 Abs.2 und 4 MedienG als Grundlage seiner Kostenentscheidung angenommen, weil die zitierte Regelung der Verfahrenskosten zwar bei einer nachträglichen Festsetzung einer Geldbuße, nicht aber bei der Bestimmung der Höhe des Einschaltungsentgeltes anzuwenden ist.
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden und der Antragstellerin der Ersatz der Kosten der Antragsgegnerin zur Gänze aufzutragen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung dem Erstgericht nach Zustellung der von der Antragsgegnerin verzeichneten Kosten an die Antragstellerin obliegt, weil im Sinne des § 395 Abs.1 StPO vor der Bemessung der Gebühren dem Gegner Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist.