16R223/95 – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Schläffer sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Krauss und Dr. Spenling in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, Dienstnehmerin, F*****, vertreten durch Mag. Martin Paar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*****, wegen S 410.000,-- s.A. infolge des Rekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 5.10.1995 GZ 11 Cg 240/95k-4, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß behoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufgetragen. Auf die Rekurskosten wird als weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz Bedacht zu nehmen sein.
Text
Begründung:
In ihrer Klage (verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) behauptete die Klägerin, den Beklagten im Dezember 1993 kennengelernt zu haben. Es habe sich dann ein Vertrauensverhältnis entwickelt. Der Beklagte habe von einem dringenden Geldbedarf für ein Bauprojekt in T***** gesprochen und habe die Klägerin dazu gebracht, ihm ein Darlehen von S 280.000,-- zu gewähren. Bereits im Mai 1994 habe die Klägerin den Beklagten einen PKW um S 130.000,-- verkauft, wobei der Kaufpreis bis spätestens August 1994 zu bezahlen gewesen wäre. Nachdem die Klägerin in Erfahrung gebracht hätte, daß der Beklagte auch anderen Frauen höhere Geldbeträge "geliehen" hätte, habe sie den Beklagten aufgefordert, das Darlehen zurückzuzahlen und den Kaufpreis zu leisten. Der Beklagte habe die Klägerin nur vertröstet und sei in seine frühere Heimat Tunesien zurückgezogen. Die Klägerin habe darauf zu 27 b Vr 5096/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien eine Anzeige wegen des Verdachtes des schweren Betruges erstattet.
Zur Zuständigkeit brachte die Klägerin vor, daß der Beklagte keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe, allerdings werde die Bestimmung des § 99 JN herangezogen, zumal der Kläger bei der Raiffeisenbank G***** ein Konto zur Kontonummer 137.117 mit einem Kontostand von S 200.000,-- mehr oder weniger unterhalte.
Das Erstgericht stellte der Klägerin die Klage zur Verbesserung binnen 8 Tagen mit dem Auftrag zurück, dem Gericht eine Urkunde über das behauptete Konto vorzulegen, um das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit prüfen zu können.
Innerhalb der Frist legte die Klägerin einen Auslandsüberweisungsauftrag von 13.2.1990, ein Schreiben der Raiffeisenkassa Gramatneusiedl vom 13.1.1994 an den Beklagten vor und führte aus, daß wegen der laufenden Ermittlungen es nicht möglich sei, weitergehende Unterlagen vorzulegen.
Das Erstgericht wies die Klage zurück, weil die inländische Gerichtsbarkeit nicht vorliege. Die Klägerin sei nicht imstande, einen aktuellen Kontostand vorzulegen und habe selbst ausgeführt, daß der Beklagte in Österreich keinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Die vorgelegten Urkunden reichten nicht dazu aus, das Vorhandensein eines Guthabens bei der Raiffeisenbank Gramatneusiedl zu belegen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin, der berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Die inländische Gerichtsbarkeit ist eine absolute Prozeßvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung von Amts wegen wahrzunehmen ist (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 42 JN). Das Erstgericht befand sich daher grundsätzlich im Recht, wenn es zur Überprüfung der inländischen Gerichtsbarkeit über die Angaben in der Klage hinaus amtswegige Erhebungen anstrebte. Allerdings übersah es im konkreten Fall, daß im Akt zur Bescheinigung des Anspruchs zwecks Erlassung einer einstweiligen Verfügung bereits Unterlagen vorhanden waren, die einen deutlichen Inlandsbezug offenbaren und damit die inländische Gerichtsbarkeit bejahen lassen. Die Klägerin begehrte vom Beklagten S 410.000,-- und brachte dazu einen Sachverhalt vor, der ihre Forderung als einen Anspruch aus einem Darlehensvertrag und einem Kaufvertrag, aber auch als Schadenersatzforderung qualifizieren lassen. Selbst wenn man die Ansicht verträte, daß die offensichtlich in Österreich geschlossenen Verträge für sich allein noch keinen hinreichenden Inlandsbezug ergäben, so behauptet die Klägerin eine strafbare Handlung des Beklagten, die zwar den Gerichtsstand des § 92a JN nicht begründet, weil durch das deliktische Verhalten des Beklagten der Klägerin wohl ein Schaden an ihrem Vermögen, nicht aber an einer körperlichen Sache entstand (vgl. Mayr in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 92a JN); jedenfalls stellt aber die von der Klägerin behauptete betrügerische Handlungsweise des Beklagten in Österreich einen hinreichenden Inlandsbezug her (vgl. EvBl 1987/180, wonach der Gerichtsstand der Schadenszufügung eine für die Begründung der inländischen Gerichtsbarkeit ausreichende Nahebeziehung zum Inland repräsentiert). Dazu kommt noch, daß der Beklagte nach dem vorgelegten Auszug aus dem Strafakt (in Fotokopie) seit 1990 österreichischer Staatsbürger ist. Am Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit ist daher nicht zu zweifeln.
Zur Überprüfung ob der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN gegeben ist, hatte sich das Erstgericht aber gemäß § 41 Abs. 2 JN an die Angaben der Klägerin zu halten. Behauptete sie, der Beklagte verfüge - im Sprengel des Erstgerichtes - über ein ausreichendes Vermögen, so stand dem Erstgericht keine Überprüfungsbefugnis dieser Behauptung zu. Da die Prüfung der Zuständigkeit nach § 41 Abs. 2 die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichtes ergibt, durfte das Erstgericht die Klage auch nicht mangels des Vorliegens der örtlichen Unzuständigkeit a limine zurückweisen.
Der angefochtene Beschluß war daher ersatzlos zu beheben.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.