11R122/95 – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Leitner als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Manica und Dr. Kuras in der Rechtssache der klagenden Partei L***** P*****, Gemeindebediensteter, 1220 Wien, *****, vertreten durch DDr. Peter Stern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*****, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, infolge Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 24.4.1995, 1 Cg 53/94k-65, nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.802,24 (darin S 1.127.04 USt und S 40,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt S 50.000,--.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Als unstrittig zu erachten ist (§§ 266 und 267 ZPO), daß der Kläger Eigentümer der Liegenschaft mit dem Einfamilienhaus 1220 Wien, ***** ist. Die Beklagte betreibt gegenüber dieser Liegenschaft seit 1988 einen Mistplatz. Davor befand sich dort ein Müllagerplatz. Der Mistplatz ist ausschließlich von der ***** - einer Gemeindestraße - aus zugänglich und besaß nie eine Zufahrt von der Eßlinger Hauptstraße.
Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, sämtliche von der Liegenschaft Müllagerungsplatz Cortigasse ausgehenden Emissionen, und zwar Lärm, Abgase, Staub und Geruch, soweit diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Wohnhauses des Klägers in 1220 Wien, ***** wesentlich beeinträchtigen, zu unterlassen. Er brachte dazu im wesentlichen vor, daß die Beklagten den Platz früher zur Lagerung von leeren Müllgefäßen verwendet, ihn nun aber als Müllablagerungsplatz umgewandelt habe. Dieser würde nunmehr täglich von 6 Uhr früh bis 19 Uhr abends von PKW und Gemeindefahrzeugen aufgesucht, wodurch sich die Anzahl der Zu- und Abfahrten seit 1991 verdoppelt habe. Von dem Platz gingen Einwirkungen durch Lärm, Staub und Geruch aus, die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß überschritten und die ortsübliche Benützung des Wohnhauses des Klägers wesentlich beeinträchtigten. Die Beklagte sei jedoch bisher nicht bereit gewesen, geeignete Vorkehrungen zur Unterbindung der von ihrer Liegenschaft ausgehenden Emissionen zu veranlassen.
Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte im wesentlichen ein, daß die Gemeinde Wien, um wilde Müllablagerungen im Stadtgebiet zu verhindern, die getrennte Sammlung von verschiedenen Altstoffen eingeführt habe. Dazu dienten auch die im gesamten Wiener Stadtgebiet eingerichteten Mistsammelstellen. Auf diesen werde, so wie in der Cortigasse nicht eine Deponie errichtet, sondern es würden nur die Altstoffe in Mulden und die Problemstoffe in geschlossenen Gefäßen erfaßt und dann der Verwertung oder der Deponie zugeführt. Im Hinblick auf die kurze Verweildauer in den Mulden trete auch keine Geruchsbelästigung auf. Seit 1988 sei der Mistplatz befestigt und es trete keine Staubbelästigung auf. Auch die Lärmbelästigung würde nicht das "gewöhnliche Ausmaß" übersteigen. Der Mistplatz sei mit Holzplanken abgegrenzt und es bestehe eine Distanz von 15 m zum Haus des Klägers. Eine behördliche Bewilligung sei nicht erforderlich. Die Liegenschaft sei als "gemischtes Bauland" gewidmet und beschränke die Nutzung nicht. Insgesamt verursache der Mistplatz keine über das "ortsübliche Maß" hinausgehenden Emissionen oder eine Beeinträchtigung der Benützung des Wohnhauses des Klägers.
Nachdem mit Beschluß des Erstgerichtes vom 30.9.1993, 6 Cg 144/89-55, die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen wurde, hat das Oberlandesgerichtes Wien mit Beschluß vom 1.2.1994, 11 R 5/94 ausgesprochen, daß ausgehend vom Vorbringen des Klägers der Rechtsweg als zulässig zu erachten ist und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Es ist dabei von den auf den Seiten 4 bis 8 der Urteilsausfertigung (AS 435 bis 443) wiedergegebenen Feststellungen ausgegangen. Aus diesen ist hervorzuheben:
Die Cortigasse befindet sich am Stadtrand von Wien, in einem mit Ein- und Mehrfamilienhäusern locker bebauten Grüngürtel. Ihre Asphaltdecke ist ca. 6 m breit und weist einen schlechten Zustand auf. Sie wird wochentags zwischen 6 und 19 Uhr von ca. 150 motorisierten (15 LKW, 17 Lieferwagen, 115 PKW und 3 einspurige Kfz) und rund 30 nicht motorisierten Fahrzeugen im Durchzugsverkehr benützt.
Direkt gegenüber der Liegenschaft des Klägers im Abstand von etwa 10 bis 15 m von seinem Zauneingang bzw. rund 20 m der Eingangstür seines Wohnhauses befindet sich die Einfahrt zu dem von der beklagten Partei betriebenen Mistplatz. Dieser ist von einem, 2,5 m hohen Holzplankenzaun umgeben und südlich davon, in einer Entfernung von ca. 180 m verläuft die stark befahrene Eßlinger Hauptstraße.
Der Mistplatz ist von Montag bis Freitag in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr für Fahrzeuge bis zu einer Tonne Nutzlast geöffnet. Mit diesen können Alt- und Problemstoffe (etwa Altpapier, Altglas, Karton, Textilien, Farben, Lacke, Leuchtstoffröhren, Batterien) und Sperrmüll aus privaten Haushalten dort zur Übergabe und getrennten Sammlung und sowie vorübergehenden Aufbewahrung gebracht werden. Größere Fahrzeuge werden abgewiesen. Ebensowenig ist die Anlieferung von mehreren dicht aufeinanderfolgenden Fuhren gestattet. Ungetrennter Hausmüll wird nicht entgegengenommen; Problemstoffe nur in der Zeit von 10.00 und 18.00 Uhr in Haushaltsmengen.
Der Abtransport des getrennt erfaßten Abfalls erfolgt nach ca. 1 bis 3 Tagen Lagerung durch gemeindeeigene LKWs.
Derzeit befinden sich auf dem asphaltbefestigten Platz Cortigasse 11 muldenartige Container und 30 verschließbare Abfallbehälter jeweils für verschiedene Müllarten.
Vom Mistplatz selbst, der Übernahme und Lagerung des Abfall gehen - gemessen an den Verhältnissen der Umgebung bei Außerachtlassung des Mistplatzes - keine besonderen Lärm-, Abgas-, Staub- oder Geruchsentwicklungen aus. Vermehrte Einwirkungen dieser Art auf die Liegenschaft des Klägers entstehen aber durch das infolge des Mistplatzbetriebes erhöhte Verkehrsaufkommen in der Cortigasse. Dies bewirkt wochentags zwischen 6.00 und 19.00 Uhr die Zufahrt zum Mistplatz von rund 140 motorisierten (21 LKW, 10 Lieferwagen, 102 PKW, 5 einspurige Kfz) und etwa 15 nicht motorisierten Fahrzeugen und führt zu einer Erhöhung des Dauerschallpegels in diesem Zeitraum von 48 dB des Durchzugsverkehrs auf 51 dB. Als Grenze der zumutbaren Störung wird nach der ÖAL-Richtlinie Nr. 3, Blatt 1, für städtisches Wohngebiet 55 dB angegeben. Der dort festgelegte Grundgeräuschpegel von 45 dB wird erreicht. Die in der Richtlinie für den energieäquivalenten Dauerschallpegel festgelegte Grenze von 50 dB wird um 1 dB überschritten.
Ausgehend von den sich aus dem Stand der Naturwissenschaft und Medizin ergebenden Maximalemissionskonzentrationswerten des Europäischen Regelwerkes für Luftreinhaltung ergeben sich unter Berücksichtigung des Gesamtverkehrsaufkommens folgende Überschreitungen:
bei Staub um das 0,7-fache,
bei anorganischen, vorwiegend staubförmigen Stoffen (Schmermetallen und deren Verbindungen) um mindestens das 1-fache,
bei Kohlendioxyd um das 0,9-fache und
bei der Summe der organischen Stoffe (Gesamtkohlenstoff ohne Metall) um das 0,3-fache,
bei Chlorverbindungen (Chlorwasserstoff) nur das 0,3-fache,
bei Kohlenmonoxid um das 2,9-fache,
bei Schwefeloxiden (Schwefeloxid) um das 20-fache
und
bei nitrosen Gasen (Stickstoffdioxid) um das 84-fache überschritten.
Das Verhältnis der Konzentrationen ausgehend vom Zustand bei Ausschaltung der vom Mistplatz ausgehenden Emissionen zu jenem unter Berücksichtigung dieser Emissionen ist dabei jeweils wie folgt anzugeben:
bei Kohlenwasserstoffen (durch den Verkehrsfluß emittiertem Toluol) wie 4:1,
bei Schwermetallen wie 4,8:1,
bei anorganischen Gasen (Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Schwefeloxid und Nitrosegase) wie 1,5:1,
bei Fasern wie 2,2:1,
bei Gesamtstaubkonzentrationen wie 1,45:1,
bei Geruchsemissionen wie 3,9:1,
bei Lärm (Schalldruckpegel) wie 1,06:1.
Gerüche, die Ekel oder Übelheit auslösen können oder andere belästigende Gerüche sind in nicht mehr als 5 % der Stunden eines Jahres vorhanden.
Seit 1990 ist die Verkehrsfrequenz im Zusammenhang mit dem Mistplatz etwa gleichbleibend.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß ortsunübliche Emissionen aus dem einer hoheitsrechtlichen Verpflichtung entsprechenden Gebrauch einer Liegenschaft vom Nachbarn zu dulden seien. Da die beklagte Partei als Gemeinde für die Problem- und Altstoffsammlung sowie Lagerung zu sorgen habe, sei der Betrieb dieses Mistplatzes der Hoheitsverwaltung zuzuordnen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im klagsstattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Mit ihrer Beweisrüge wendet sich die Berufung dagegen, daß das Erstgericht nicht festgestellt habe, daß zum Mistplatz keine Zufahrt von der Eßlinger Hauptstraße bestehe. Dazu ist jedoch darauf hinzuweisen, daß dies ohnehin außer Streit gestellt wurde, und daher insoweit eine Feststellung gar nicht erforderlich ist. Außer Streit gestellte Tatsachen sind nicht Gegenstand von Feststellungen. Diese sind nur über strittige Tatsachen zu treffen (§ 272 Abs. 1 ZPO).
Die Berufung moniert in ihrer Mängelrüge, daß das Erstgericht unterlassen habe, den beantragten Sachverständigenbeweis dafür, daß sich die Verkehrsfrequenz seit 1990 erhöht habe, einzuholen.
Zu dieser Frage wurde jedoch ohnehin bereits die Zeugin Pistec einvernommen. Die Berufung führt gar nicht aus, welche Feststellung nunmehr konkret nach Durchführung des Sachverständigenbeweises zu treffen gewesen wäre. Sie gibt auch nicht an, welche konkrete Verkehrsfrequenz zu je welchen Zeitpunkten jeweils hätte festgestellt werden sollen. Auch das Beweisanbot ist insoweit nicht geeignet, Einfluß auf wesentliche Feststellungen auszuüben.
Das Berufungsgericht übernimmt daher die Feststellungen des Erstgerichtes als das Ergebnis einer unbedenklichen und schlüssigen Beweiswürdigung sowie eines mängelfreien Verfahrens und legt sie seiner Entscheidung zu Grunde (§ 498 ZPO).
Im Ergebnis nicht berechtigt ist auch die erhobene Rechtsrüge.
Das Berufungsgericht überprüft gemäß § 462 ZPO das angefochtene Urteil innerhalb der Grenzen der Berufungsanträge und Berufungserklärungen, wobei es dann, wenn der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gesetzmäßig ausgeführt wurde, die rechtliche Beurteilung der Vorinstanz ohne Beschränkung auf die vom Rechtsmittelwerber verwendete Argumentation auf Grundlage der Feststellungen nach allen Richtungen hin zu überprüfen hat (vgl. etwa SZ 56/107).
Hier stützt der Kläger seinen Untersagungsanspruch auf die nachbarrechtlichen Bestimmungen der §§ 364 f ABGB. Diese regeln im Rahmen der Beschränkungen der Rechte des Eigentümers die Kollisionen zwischen zwei gleichrangigen Eigentumsrechten. Sie schränken im Interesse des friedlichen Zusammenlebens der Nachbarschaft die Nutzungsbefugnisse jedes Eigentümers ein und sollen einen angemessenen Ausgleich der verschiedenen Nutzungsinteressen der Liegenschaftsnachbarn herstellen (vgl.Jabornegg, Privates Nachbarrecht und Umweltschutz, ÖJZ 1983, 365, SZ 55/28).
So ordnet § 364 Abs. 2 ABGB an, daß der Eigentümer eines Grundstückes dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen kann, als sie das nach den örtlichen Verhältnisse gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen.
Unbestritten ist in diesem Zusammenhang, daß die Ansprüche nicht nur dem Anrainer, sondern auch dem mittelbaren Nachbarn zustehen, und zwar in jenem Umkreis, in dem sich die Einwirkungen äußern (vgl. OGH 26.8.1970, SZ 43/139). Maßgeblich für die Feststellung der zulässigen Beeinträchtigungen sind die jeweils konkreten tatsächlichen Verhältnisse, und nicht etwaige Planungen, wie Flächenwidmungspläne (vgl. SZ 52/53). Dabei ist von der Lage des beeinträchtigten Grundstückes zu jenem, von dem die Störung entspringt, sowie von den Verhältnissen in der unmittelbaren Umgebung der beiden Liegenschaften auszugehen (vgl. OGH 26.9.1972, EvBl. 1973/26).
Überhaupt kommt eine nachbarrechtliche Haftung nur dort in Betracht, wo mangels anderen Rechtstitels der Nachbar die Schranken der §§ 364 f ABGB zu beachten hat. Eine solche Rechtsbeziehung kann auch durch das öffentliche Recht hergestellt werden (vgl. SZ 52/79).
§ 364 a ABGB sieht vor, daß die Beeinträchtigung durch eine "Bergwerksanlage" oder eine behördliche genehmigte Anlage nur zum Ersatz des zugefügten Schadens berechtigt, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht wurde, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde. Es muß sich allerdings um Einwirkungen handeln, die mit dem Betrieb der Anlage in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen und für ihn typisch sind (vgl. SZ 61/7).
Das behördliche Verfahren, in dem die Genehmigung zur Errichtung der Anlage erteilt wurde, muß die Interessen der Nachbarn allgemein und nicht nur nach bestimmten Gesichtspunkten berücksichtigen (vgl. MGA ABGB34 § 364 a E 5).
Unter behördlich genehmigten Anlagen im Sinne des § 364 a ABGB können nur solche verstanden werden, deren Bewilligung im Rahmen der Hoheitsverwaltung, also durch einen Rechtsträger in Ausübung seiner Befehls- und Zwangsgewalt, erfolgt (vgl. dazu etwa SZ 51/184). Davon zu unterscheiden ist die Privatwirtschaftsverwaltung, bei der ebenfalls teilweise Vorsorgen für die Befriedigung wichtiger Bedürfnisse der Bevölkerung getroffen werden, die sich jedoch nicht dieser rechtstechnischen Mittel bedient. Die Gebietskörperschaften haben dann diese wirtschaftlichen Tätigkeiten aufgrund der Bestimmungen des Privatrechtes durchzuführen. Nur soweit es sich um Hoheitsverwaltung handelt, sind die Nachbarrechte des § 364 ABGB ausgeschlossen, bestehen jedoch allfällige Amtshaftungsansprüche (vgl.SZ 51/184).
Die beklagte Partei könnte also die Regelung des § 364 a ABGB nur insoweit für sich in Anspruch nehmen, als die Mistsammelstelle als behördlich bewilligte Anlage anzusehen wäre, also aufgrund eines Verfahrens bewilligt wurde, das auch die Interessen der Nachbarn berücksichtigt.
Seit der B-VG Novelle 1988 ist die Kompetenz zur Regelung der Abfallwirtschaft zwischen Bund und Ländern geteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG ist unter anderem die Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle sowie hinsichtlich anderer Abfälle, soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist, Bundessache.
Die Kompetenz der Länder zur Erlassung von Abfallwirtschaftsgesetzen gründet sich auf deren Generalkompetenz.
So sieht dann auch das Wiener Abfallwirtschaftsgesetz LGBl.1994/13 vor, daß es nicht anzuwenden ist auf gefährliche Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 5 des Bundesabfallwirtschaftsgesetzes (§ 5 Abs. 1 Z. 1 Wr. AWG).
Das Abfallwirtschaftsgesetz BGBl. Nr. 325/1990 legt seinen Geltungsbereich unter anderem hinsichtlich dieser gefährlichen Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 5 Wr.AWG fest. Danach sind gefährliche Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes Abfälle, deren ordnungsgemäße Behandlung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die öffentlichen Interessen erfordern und deren ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedarf, als dies für die Behandlung von Hausmüll entsprechend den Grundsätze des § 1 Abs. 3 dieses Gesetzes erforderlich ist.
Nach den Feststellungen werden bei den Mistsammelplätzen neben dem Hausmüll auch gefährliche Abfälle im Sinne dieser Bestimmung gesammelt.
Diese Mistsammelplätze dienen also sowohl der Abfallbewirtschaftung im Sinne des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes, als auch im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes des Bundes BGBl. Nr. 325/1990.
Das Wiener Abfallwirtschaftsgesetz hat zwar eigene Regelungen für die Abfallsammler- und Behandler (§ 6 ff), sieht jedoch die Sammlung und Abfuhr von Müll grundsätzlich als öffentliche Aufgabe, die der Gemeinde Wien obliegt (§ 16 des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes). Eigene Regelungen über auf Grundstücken der Gemeinde Wien betriebene Müllsammelplätze enthält das Wiener Abfallwirtschaftsgesetz nicht, sondern nur Regelungen über Einrichtungen der öffentlichen Müllabfuhr auf anderen Liegenschaften (§ 19 des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes) sowie ein behördliches Verfahren zur Genehmigung unter anderem von Deponien (§ 25 ff Wiener Abfallwirtschaftsgesetz). In diesem Verfahren werden auch Interessen der Nachbarn berücksichtigt (vgl. etwa § 27 des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes).
Die hier gegenständlichen Mistsammelplätze sind jedoch nicht als Deponien im Sinne dieses Gesetzes zu verstehen, da sich der Müll auf ihnen nur vorübergehend zur Sammlung und Trennung befindet. Als Deponien auch im Sinne dieses Landesgesetzes sind nur Anlagen, die zu langfristigen Ablagerung von Abfällen errichtet bzw. verwendet werden, anzusehen (vgl. im diesem Zusammenhang das Abfallwirtschaftsgesetz § 2 Abs. 11).
Das Abfallwirtschaftsgesetz wiederum sieht ein eigenes Bewilligungsverfahren für öffentliche Sammelstellen für Problemstoffe und Altöle vor (§ 30 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes). Davon werden jedoch nicht der Gewerbeordnung unterliegende öffentliche Sammelstellen von Gebietskörperschaften insoweit ausgenommen, als sie keiner Bewilligung bedürfen und ihr Betrieb nur anzuzeigen ist (vgl. § 30 Abs. 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes). Wenn die Voraussetzungen auch bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen nicht gegeben sind, hat jedoch ein Untersagungsbescheid zu ergehen. Eine besondere Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn ist jedoch nicht vorgegeben.
Insgesamt unter Berücksichtigung beider Bereiche kann daher nicht von einem Verfahren ausgegangen werden, das zu einer behördlichen Bewilligung einer Anlage im Sinne des § 364 a ABGB führt.
Trotzdem ist der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Nach den Feststellungen geht von der Müllsammelstelle, der Übernahme und Lagerung des Abfalles keine besondere Lärm-, Abgas-, Staub- oder Geruchsbelästigung aus. Diese Einwirkungen entstehen vielmehr durch das erhöhte Verkehrsaufkommen "in der Cortigasse".
Wie der OGH jedoch bereits in seiner Entscheidung SZ 55/55 dargestellt hat, steht die Fläche der Bundesstraßen - hier Gemeindestraßen - jedermann im Rahmen der straßenpolizeilichen kraftfahrrechtlichen Vorschriften offen. Die Gemeinde Wien hat weder als Eigentümer noch als Träger der Straßenbaulast einen privatrechtlichen Einfluß auf die Benützung dieser Gemeindestraße. Die Emission geht jedoch nach den Feststellungen gar nicht von der Mistsammelstelle sondern von dieser Gemeindestraße aus. Die Anlegung einer öffentlichen Straße bewirkt von vornherein, daß im Nachbarbereich derselben gewisse Einwirkungen entstehen. Solange eine Straße nur in einem diesem öffentlichen Interesse dienenden Zustand gehalten und betreut wird und dabei das nötige Maß nicht überschritten wird, liegt noch keine unzulässige Emission im Sinne der § 364 Abs. 2 ABGB vor (vgl. SZ 63/133).
Die im Rahmen der allgemeinen Benützungsregelungen für die genehmigten öffentlichen Straßen (vgl. insbesonders die StVO) vorgenommene Benutzung in der Cortigasse - und nur diese und nicht auch die Übernahme (Zufahrt) der Fahrzeuge wurde als Ursache der vermehrten Belastungen festgestellt (vgl. auch AS 281 AS 390) - ist aber keine Emission im Sinne des § 364 ABGB. Sie ist kein Ausfluß des Eigentumsrechtes und unterliegt daher auch nicht den für das Eigentumsrecht in den §§ 364 ff ABGB vorgesehenen Beschränkungen. Ob man nun auch die Wiener Gemeindestraßen wenn ein eigenes Festlegungsverfahren nicht besteht, als Anlagen im Sinne des § 364 a ABGB ansehen kann (vgl. in diesem Zusammenhang OGH JBl. 1987,381) kann hier dahingestellt bleiben, weil der Kläger die Beklagte eindeutig nur als Grundeigentümerin und Betreiberin der Müllsammelstelle, nicht aber als Straßenhalterin in Anspruch genommen hat.
Auch soweit durch Maßnahmen auf anderen Grundstücken Einwirkungen auf diesen Verkehr bewirkt werden, etwa durch die Errichtung einer großen Wohnhausanlage, handelt es sich dabei grundsätzlich nicht um Emissionen dieser Grundstücke im Sinne der §§ 364 ff ABGB. Die Vielzahl der bei der Straßenbenützung in Widerstreit tretenden Interessen könnte in einem streitigen 2-Parteiprozeß auch nicht abgeklärt werden. Es handelt sich um keine "ähnliche" Einwirkung auf das "Nachbargrundstück" im Sinne des § 364 ABGB (vgl.zu den Einwirkungen, die durch natürliche Ereignisse - Luftbewegungen - mitbewirkt werden OGH 19.4.1989, JBl. 1984,646). Der unmittelbare Gebrauch dieser öffentlichen Straßen im Sinne der einschlägigen Verkehrsvorschriften durch Dritte stellt keine Emission eines Anrainers im Sinne des § 364 a ABGB dar. Das Verkehrsaufkommen insgesamt ergibt sich durch verschiedenste Faktoren (etwa auch Umleitungen), die teilweise Gegenstand der örtlichen und überörtlichen Raumordnung sind. Hier ist in einem gewissen Umfang auch eine Mitwirkung von unmittelbar Betroffenen vorgesehen (vgl. die Regelungen der Raumordnungsgesetze bzw. der Bauordnungen). Es kann nun auch dahingestellt bleiben, inwieweit in einem Fall, in dem etwa ein eindeutiger Verstoß gegen diese Regelung (etwa den Flächenwidmungsplan) auch nachweislich ein erhöhteres Verkehrsaufkommen bedingt, doch ein Ausspruch gemäß § 364 Abs. 2 ABGB gegeben wäre, da sich auch darauf der Kläger nicht berufen hat.
Der Berufung des Klägers war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 500 Abs. 2 Z. 1 ZPO.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil ausgehend von dem festgestellten Sachverhalt und dem Vorbringen des Klägers Rechtsfragen der im § 502 Abs. 1 genannten Qualifikation im Hinblick auf die vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. insbesondere SZ 55/55, SZ 63/133) im Ergebnis
nicht zu lösen waren.