10Ra117/95 – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Hofrat Dr. Wagner als Vorsitzenden, die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Dragostinoff und Dr. Predony in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** J*****, vertreten durch ***** E*****, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch ***** H*****, wegen S 187.334,40 s.A. über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 25.7.1995, 27 Cga 65/95s-18, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird F o l g e gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird wie folgt abgeändert:
"Der Klägerin wird Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs.1 Z 1 ZPO bewilligt".
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die (einschließlich S 271,04 an USt) mit S 1.626,24 bestimmten Rekurskosten binnen 14 Tagen zu zahlen.
Die Rekursbeantwortung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin, die geschiedene Ehefrau des Geschäftsführers der Beklagten, begehrt von dieser S 187.334,40, Überstundenentlohnung, Urlaubs- und Weihnachtszuschuß sowie Urlaubsentschädigung für das Jahr 1994.
Die Klägerin beantragt, ihr Verfahrenshilfe im Rahmen des § 64 Abs.1 Z 1 ZPO zu gewähren (ON 9).
Die Beklagte bestreitet, beantragt Klageabweisung, wendet u.a. fristlose Entlassung der Klägerin ein und macht eine dem Klagebetrag weit übersteigenden Kompensandoforderung geltend (ON 5).
Weiters tritt die Beklagte dem Antrag der Klägerin auf Gewährung der Verfahrenshilfe entgegen; dieser sei mutwillig. Gleichzeitig kündigte die Beklagte für den Fall der Stattgebung des Antrages der Klägerin auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an, gegen einen derartigen Beschluß des Gerichtes unverzüglich Rekurs erheben zu wollen.
Das Erstgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß den Antrag der Klägerin auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs.1 Z 1 ZPO ab. Im Strafverfahren 30 c Hv 7564/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sei die Klägerin wegen §§ 12, 15, 75 StGB rechtskräftig zu einer zwölfjährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Klägerin habe vorgebracht, daß sie im Rahmen ihrer Arbeit in der Frauenanstalt Schwarzau ein Einkommen bezieht, das ca. S 1.000,-- im Monat nicht übersteigt. Bei der Entscheidung über den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe sei die Möglichkeit, während längerer Verfahrensdauer Beträge anzusparen, zu berücksichtigen. Der Klägerin sei es möglich, durch Ansparen des in der Strafanstalt bezogenen Einkommens die Gerichtsgebühren (von S 6.890,--) als auch allfällige sonstige - derzeit aber noch nicht angefallene - Gebühren zu entrichten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Abänderungsantrag, ihr die Verfahrenshilfe zu gewähren.
Der Rekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Erstgericht zitierten Entscheidungen EFSlg. 60782, 60781 betreffen, wie das Erstgericht auch angeführt hat, Prozesse mit langer Verfahrensdauer, was hier (noch) nicht der Fall ist, auch nicht abgeschätzt werden kann.
Die Rekurswerberin macht geltend, das Erstgericht vermeint, die Klägerin könne offensichtlich nach einer Haftdauer von 7 Monaten unter vollkommener Außerachtlassung eigener Bedürfnisse die derzeit vorgeschriebenen Gerichtsgebühren ohne weitere Beeinträchtigung bezahlen. Sie weist darauf hin, unbeschadet der Tatsache, daß ein Strafhäftling freies Quartier und freie Verpflegung hat, sei er doch mehr oder weniger zur Aufrechterhaltung seiner Person oder Persönlichkeit gezwungen, Toilettartikel, geringfügige Zubesserungen zum Essen etc. anzuschaffen; allein daraus ergebe sich schon, daß die Möglichkeit von Ansparungen wohl nicht nur theoretischer Natur, sondern faßt unmöglich sei.
Diesem Einwand kann unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse nichts mit Erfolg entgegnet werden. Das Rekursgericht folgt daher nicht der Rechtsansicht des Erstgerichtes. Eine einfache Lebensführung bedeutet eine die persönlichen Bedürfnisse des einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung (EFSlg. 72882; Fucik in Rechberger ZPO RZ 3 zu § 63; MGA JN ZPO14 § 63 ZPO E 18 mwN). Auch wenn die Klägerin in der Haft Quartier und Verpflegung hat, erachtet das Rekursgericht bei einer Entschädigung für Arbeitsleistungen im Monat von knapp S 1.000,--, daß dieser Betrag gerade für eine einfache Lebensführung hinsichtlich der Befriedigung bescheidener Bedürfnisse während der Haft ausreicht.
Im übrigen kann bloß aufgrund der Behauptungen der Parteien nicht erkannt werden, die Prozeßführung wäre völlig und zur Gänze aussichtslos.
In Anwendung des § 63 Abs.1 ZPO war daher über den Rekurs der Klägerin in Abänderung des angefochtenen Beschlusses wie im Spruche zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 41, 50 ZPO. Rekurskosten sind für ein erfolgreiches Rechtsmittel gegen einen aufgrund eines Gegenantrages des Prozeßgegners ergangenen Beschlusses - hier über die Verfahrenshilfe - zuzusprechen (MGA JN-ZPO14 § 72 ZPO E 7 mwN). Als Basis für den Zuspruch von Rekurskosten an die Klägerin konnte aber nicht der Streitwert im Prozeß, sondern nur das Rekursinteresse herangezogen werden, wofür die Pauschalgebühr von S 6.890,-- die Grundlage bildet.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs.2 Z 4 ZPO jedenfalls unzulässig.
Die Rekursbeantwortung ist nicht zulässig, weil eine solche in einem Verfahren auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Gesetz nicht vorgesehen ist.