6R14/94 – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den
Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Mayer als Vorsitzenden
sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Hermann und Dr. Schenk
als Senatsmitglieder in der Firmenbuchsache betreffend die zu 7 HRB
25.182 des Handelsgerichtes Wien eingetragene Firma B *****
Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien, über
die Rekurse des Gebhard A*****,
Angestellter, *****, 4810 Gmunden, vertreten durch Dr.
Paul Bachmann, Rechtsanwalt in Wien, und der Alois A***** Gesellschaft mbH, *****, 4481 Asten,
vertreten durch Mag. Eva-Maria Bachmann, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 18.11.1993, HRB
25.182 (Band II ON 39), in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Den Rekursen wird n i c h t Folge gegeben.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.
Text
Begründung:
Im Firmenbuch des Erstgerichtes ist zu HRB 25.182 seit 31.1.1980 die B***** Gesellschaft mbH (folgend: Gesellschaft) mit dem Sitz in Wien eingetragen.
Alleiniger Geschäftsführer war seit der Gründung der Gesellschaft bis zu seinem Tod KR Alois A*****. Dieser reichte
regelmäßig Listen der Gesellschafter beim Firmenbuchgericht ein. Nach der im März 1991 vorgelegten Liste hielt der Geschäftsführer-Gesellschafter selbst eine Einlage im Ausmaß von 21 %, seine Ehefrau Juliane eine solche von 10 % und sein Sohn Peter eine solche von 69 %.
Nach einer mit 5.8.1992 datierten und offenkundig vom seinerzeitigen Gesellschafter-Geschäftsführer unterschriebenen Liste waren Vater, Mutter und Sohn im Verhältnis 70:10:20 an der Gesellschaft beteiligt.
Der Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer KR Alois A***** ist am 12. März 1993 gestorben.
Am 22.3.1993 legte die Rechtsanwältin Mag. B***** im Namen der Gesellschaft eine mit 7.1.1993 datierte und von RA Dr. B***** "als bevollmächtigter Vertreter des KR Alois A*****" unterfertigte Liste der Gesellschafter vor, in welcher anstelle von Alois A***** Gebhard A***** als Gesellschafter
mit einer Stammeinlage von S 11,200.000,-- ausgewiesen ist.
Die Witwe und der Sohn nach KR Alois A***** anerkennen die Übertragung der Geschäftsanteile an Gebhard A***** nicht und bekämpfen sie als satzungswidrig. Sie haben unter Inanspruchnahme ihrer Gesellschafterstellung am 23.4.1993 eine Gesellschafterversammlung unter Ausschluß des Neffen Gebhard abgehalten und in dieser Generalversammlung den Sohn Peter zum Geschäftsführer bestellt. Diese Bestellung und alle weiteren in der Generalversammlung vom 23.4.1993 gefaßten Beschlüsse anerkennt Gebhard A***** nicht.
Das Firmenbuchgericht wies mit Beschluß vom 5.4.1993 (ON 54) die mit 7.1.1993 datierte Gesellschafterliste zurück. Den dagegen eingebrachten Rechtsmitteln wurde nicht Folge gegeben, sodaß die Zurückweisung der genannten Gesellschafterliste rechtskräftig ist.
Mit Beschluß vom 30.4.1993 (ON 64) bestellte das Erstgericht Dr. Johann A*****, Rechtsanwalt in Wien, zum selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer gemäß § 15a GmbHG.
Gebhard A***** und - mit Schriftsatz vom 25.8.1993 - auch die Alois A***** Gesellschaft mbH beantragten die Abberufung des Notgeschäftsführers Dr. A***** (Band II, ON 1 und 2).
Dem Notgeschäftsführer wurde im wesentlichen vorgeworfen, daß er parteilich erscheine, zumal er im zu 31 Cg 252/93f des Handelsgerichtes Wien gegen die B***** Gesellschaft mbH geführten Verfahren die Standpunkte der Mitgesellschafter Peter und Juliane A***** eingenommen habe. Dr. A*****
überschreite seine Kompetenzen, indem er die Mitarbeiter der Alois A***** Gesellschaft mbH und der deutschen Vertriebsgesellschaft beunruhige und bezüglich des verantwortlichen Chefs verwirre. Er versuche Gebhard A***** die Geschäftsführung aus der Hand zu nehmen. Bei der B***** VertriebsgmbH in München habe der Notgeschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft - der Alleingesellschafterin - wieder Peter A***** zum Geschäftsführer bestellt, obwohl dieser wegen Urkundenfälschung fristlos entlassen gewesen sei. Völlig ungerechtfertigt habe der Notgeschäftsführer Mag. Gregor W***** bei der B***** GmbH die Prokura entzogen und die Einzelprokura des Gebhard A***** auf eine Gesamtprokura geändert. Dr. A***** habe sich vom Konto der Gesellschaft einen Betrag von S 700.000,-- ohne Berechtigung oder Begründung überweisen lassen. Als Notgeschäftsführer werde Mag. Gregor W***** vorgeschlagen.
Die Gesellschafterin Juliane A***** führte in ihrer Äußerung, Band II, ON 12, aus, den Notgeschäftsführer treffe auch die Verpflichtung zur Überwachung der Geschäftsführung der Tochtergesellschaften.
Der Gesellschafter Peter A***** beantragte in seiner Äußerung, Band II, ON 13, dem Antrag des Gebhard A***** auf Abberufung des Dr. A***** als Notgeschäftsführer der B***** Gesellschaft mbH nicht stattzugeben.
Der Notgeschäftsführer Dr. A***** nahm, Band II, ON 9, 19, 23, 34, ausführlich zu den seine Geschäftsführung betreffenden Vorwürfen Stellung. Als Geschäftsführer treffe ihn auch im Verhältnis zu den Tochtergesellschaften die Pflicht zur ordnungsgemäßen Leitung und Überwachung. Zur Wahrnehmung der Prüfungs- und Leitungsaufgaben bestehe ein umfassendes Informationsrecht. Er sei ausschließlich bemüht, die Interessen der Gesellschaft zu vertreten und es diene der Vorwurf der Unfähigkeit und Parteinahme offenbar dazu, ihn so unter Druck zu setzen, daß er die Geschäftsführung selbst zurücklege. Er habe wiederholt um konkrete Informationen über das Unternehmen der Alois A***** GmbH gebeten, die in der gewünschten Form und Vollständigkeit aber von Gebhard A***** nicht erteilt worden seien.
Mit Beschluß vom 18.11.1993 (Band II, ON 39) wies das Erstgericht die Anträge des Gebhard A***** und der Alois A*****
GmbH, den nach § 15a GmbHG bestellten Geschäftsführer RA Dr. Johann A***** abzuberufen und Mag. Gregor W***** zu bestellen, zurück. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Feststellungen auf den angefochtenen Beschluß (Beschlußausfertigung Seite 10-23) verwiesen. Insbesondere stellte das Erstgericht auch fest, daß die Gesellschaft mit 94,73 % an der Alois A***** GmbH, mit Sitz in Wien und einem Werk in Asten, beteiligt ist. Weiters ist die Gesellschaft zu 100 % an der B***** VertriebsgmbH mit Sitz in Garching bei München, Deutschland, beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß Gebhard A***** nicht als Gesellschafter anzusehen sei und daher zur Antragstellung auf Abberufung des Notgeschäftsführers Dr. A***** und Bestellung des Mag. W***** als Notgeschäftsführer nicht berechtigt sei; dies treffe gleichfalls auf die Alois A***** GmbH zu. Für den Fall der Bejahung der Legitimation des Gebhard A***** zu den vorliegenden Anträgen komme man zu einer Abweisung der Anträge. Den Geschäftsführer der B***** GmbH treffe die Pflicht zur ordnungsgemäßen Leitung der untergeordneten Tochterunternehmen. Zu diesem Zweck bestehe das Recht auf jederzeitige Bucheinsicht und Kontrolle. Diese Kompetenz habe der Notgeschäftsführer in keiner Weise überschritten, im Gegenteil sei diesem Recht und dieser Pflicht der Geschäftsführer Gebhard A***** nicht ausreichend nachgekommen. Es hätten auch die Schwachstellen, wie vom Notgeschäftsführer behauptet, festgestellt werden können, und es sei auch im Hinblick darauf der Notgeschäftsführer verpflichtet zu handeln. Es habe kein Umstand festgestellt werden können, wonach der Geschäftsführer schädigend für das Unternehmen gehandelt hätte. Es habe ihm weder Parteilichkeit noch Inkompetenz, Kompetenzüberschreitung, Unruhestiftung, Druck oder Drohung vorgeworfen werden können. Dies treffe auch auf den Umstand zu, daß er Peter A***** zum Geschäftsführer der B*****
VertriebsgmbH bestellt habe. Peter A***** habe
kontinuierlich geschäftliche Erfolge in diesem Betrieb aufgewiesen gehabt und sei nach eingeholten Informationen auch der wirklich kompetente Mann.
Gegen diesen - den Vertretern der Rekurswerber am 29.11.1993 zugestellten - Beschluß richten sich die Rekurse der Alois A***** Gesellschaft mbH und des Gebhard A***** mit dem Abänderungsantrag, Dr. Johann A***** als Notgeschäftsführer abzuberufen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Rekurs der Alois A***** Gesellschaft mbH und - wie die ergänzenden Erhebungen des Rekursgerichtes ergaben auch - der Rekurs des Gebhard A***** sind am 13.12.1993 zur Post gegeben worden. Beide Rekurse sind daher unter Beachtung des § 89 GOG als rechtzeitig erhoben anzusehen. Indes sind sie nicht gerechtfertigt.
Soweit die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer fehlen hat das Firmenbuchgericht in dringenden Fällen sie auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Behebung des Mangels nach § 15a Abs. 1 GmbHG zu bestellen. Als beteiligt ist jeder anzusehen, der ein Interesse an einer ordnungsgemäßen Vertretung der GmbH geltend machen kann, also Geschäftsführer, Gesellschafter, Aufsichtsratsmitglieder und Dritte, die gegen die Gesellschaft ein Recht verfolgen oder ihr gegenüber eine Pflicht erfüllen wollen (Kostner-Umfahrer, GmbH-Handbuch, Rz 203, 204).
Die Funktion des Notgeschäftsführers endet mit der "Behebung des Mangels" (NZ 1985, 16), spätestens also, wenn die Gesellschafter den oder die fehlenden Geschäftsführer bestellen. Einer ausdrücklichen Abberufung bedarf es in der Regel nicht. Allerdings hat das Firmenbuchgericht den Notgeschäftsführer aus wichtigem Grund abzuberufen, wenn es das Interesse der Gesellschaft erfordert, so wenn sich nach der Bestellung herausstellt, daß der Notgeschäftsführer für die ihm aufgetragene Tätigkeit nicht geeignet ist (Kostner-Umfahrer, aaO, Rz 206).
Die Frage, wer allenfalls eine Abberufung des zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung seines Amtes berufenen Notgeschäftsführers unter Hinweis auf allenfalls rechtswidrige oder unzweckmäßige Entscheidungen im Rahmen der Leitung des Unternehmens (Geschäftsführung im engeren Sinn) beantragen kann, ist im Gesetz nicht geregelt. Eine Antragslegitimation ist keinesfalls jedem Beteiligten zuzusprechen, der nach § 15a Abs. 1 GmbHG ein Interesse an der Behebung des Mangels der Vertretung der Gesellschaft geltend machen kann, weil nach der Bestellung des Notgeschäftsführers kein Vertretungsnotstand mehr besteht, also gegen die Gesellschaft Rechte verfolgt oder Pflichten erfüllt werden können.
Da der Widerruf der Bestellung zum Geschäftsführer nach der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung (§ 16 Abs. 1 GmbHG) den Gesellschaftern zusteht und der Notgeschäftsführer primär nicht die Interessen Dritter wahrzunehmen hat, können nur die Gesellschafter (und allenfalls vorhandene andere Geschäftsführer) die Abberufung des Notgeschäftsführers beantragen (vgl. Mertens in Kölner Kommentar zum deutschen Aktiengesetz, § 85, Rz 19; Reuter in Münchener Kommentar dBGB3, § 29, Rz 14; Lutter-Hommelhoff, Kommentar zum dGmbHG14, vor § 35, Rz 25).
Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 5.4.1993 (Band I, ON 54) die 1993 vorgelegte Gesellschafterliste, in der der Rekurswerber Gebhard A***** erstmals als Gesellschafter und zwar mit einer Beteiligung von 70 % ausgewiesen war, zurückgewiesen. Die dagegen eingebrachten Rechtsmittel blieben erfolglos. Es kann daher nach § 78 Abs. 1 GmbHG (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Bestimmung vor der Übertragung des Rechtsträgers in die Datenbank des Firmenbuches Koppensteiner, Kommentar GmbH-Ges. § 78, Rz 4) im Firmenbuchverfahren derzeit nicht davon ausgegangen werden, daß Gebhard A***** Gesellschafter der B***** GmbH ist, zumal die Beteiligung des Gebhard A***** am Stammkapital nicht zweifelsfrei feststeht, sondern darüber ein Rechtsstreit anhängig ist (vgl. Koppensteiner, aaO, Rz 5).
Die Alois A***** GmbH ist eine sogenannte "Tochtergesellschaft" der (sie beherrschenden) B***** Gesellschaft mbH, somit nicht als Gesellschafter an der B***** Gesellschaft mbH beteiligt. Sie hat daher ebenfalls kein rechtlich geschütztes Interesse an der Abberufung des Notgeschäftsführers.
Aus den dargelegten Gründen mußte dem Rekurs ein Erfolg versagt bleiben.
Ein Bewertungsausspruch nach § 13 Abs. 1 Z 1 AußStrG hatte zu unterbleiben, weil kein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur vorliegt.
Soweit ersichtlich fehlt eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob und wem eine Antragslegitimation zur gerichtlichen Abberufung eines nach § 15a GmbHG bestellten Notgeschäftsführers zusteht. Der ordentliche Revisionsrekurs war daher nach § 14 Abs. 1 AußStrG zuzulassen.