Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Hellwagner und DDr.Huberger als beisitzende Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.***** K***** und Dr.Gabriele Domschitz in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei ***** M*****, vertreten durch Mag.***** Z*****, *****, wider die beklagte Parteien und Gegnerinnen der gefährdeten Partei 1.) prot. Fa. ***** K*****, 2.) R*****, vertreten durch Dr.***** W*****, Dr.***** T***** Partner, sämtliche Rechtsanwälte in 1010 Wien, wegen Feststellung und Einst- weiliger Verfügung, infolge Rekurs der Gegnerinnen der gefährdeten Partei wider die Einsweilige Verfügung des Arbetis- und Sozialgerichtes Wien vom 19.5.1995, 26 Cga 113/95t-4, den
Beschluß
gefaßt:
Dem Rekurs wird F O L G E gegeben, die angefochtene Einstweilige
Verfügung wird a u f g e h o b e n und dem Erstgericht eine
neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung a u f g e t r a g e
n.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Die Rekursbeantwortung der gefährdeten Partei wird als verspätet zurückgewiesen.
B e g r ü n d u n g
Mit seiner Klage begehrt der Kläger und die gefährdete Partei, (im folgenden kurz Kläger genannt), der auch Betriebsratsvorsitzender ist, mit dem Vorbringen, mit Schreiben vom 5.5.1995 unberechtigt vorzeitig entlassen worden zu sein (Beilage./A), einerseits die Feststellung, daß diese fristlose Entlassung rechtsunwirksamer sei, andererseits infolge des verhängten Hausverbotes über den Kläger, die Erlassung der Einstweiligen Verfügung, daß das Hausverbot aufgehoben und dem Kläger der Zutritt zu den Betriebsstätten während der Arbeitszeiten der Belegschaft zur Ausübung seines Betriebsratmandates und Hintanhaltung jeglicher Beschräkung seiner Funktion als Angestelltenbetriebsratsvorsitzender gewährleisten werde.
Die beklagte Partei und Gegnerinnen der gefährdeten Partei (im folgenden kurz beklagte Partei genannt) beantragt die Klagsabweisung, wendeten berechtigte vorzeitige Entlassungen des Klägers gemäß § 122 Abs.1 Ziffer 2 ArbVG wegen des Verdacht strafgesetzwidriger Handlungen ein, weshalb auch eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien erstattet worden sei sowie wegen Unzulässigkeit der begehrten Einstweiligen Verfügung auch deren Abweisung; insbesondere wurde auch behauptet, daß die Formulierung des ausgesprochenen Hausverbotes im Entlassungsschreiben Beilage ./ des Inhaltes:
"Sie haben das Geschäftslokal unverzüglich zu verlassen und ab sofort ist es Ihnen untersagt, dieses Geschäftslokal (1020 Wien, T*****) und andere Betriebsstätten der Firma O***** zu betreten"
bewußt so gewählt worden sei, weil daraus eindeutig hervorginge, daß der Kläger nach wie vor die Möglichkeit habe, die Zentrale in 1180 Wien, ***** zu etwaiger Ausübung seiner betriebsrätlichen Agenten (dort befände sich auch der Konferenzraum für etwaige Betriebsratsbesprechungen), von denen er allerdings bislang keinen Gebrauch gemacht habe, zu betreten (Pkt.3.3.1 Seite 6 des Schriftsatzes ON 3 oben = AS 10).
Mit der angefochtenen Einstweiligen Verfügung hat das Erstgericht dem Antrag des Klägers vollinhaltlich Folge gegeben und im wesentlichen ausgeführt, daß durch die Außerstreitstellung der beklagten Partei hins. der vorzeitigen Entlassung sowie der Verhängung des Hausverbotes der Anspruch hinreichend bescheinigt sei, eine konkrete Gefährdung des Klägers vorliege und gemäß § 115 Abs.3 ArbVG die Mitglieder des Betriebsrates in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt werden dürften.
Diese Einstweilige Verfügung bekämpfen die beklagten Parteien mit ihrem Rekurs (ON 5) wegen Rechtswidrigkeit mit dem Antrag, diese aufzuheben, in eventu diese auf die Betriebsstätten der beklagten Parteien mit Ausnahme der Filiale in 1020 Wien, *****, einzuschränken, unter Berücksichtigung des "Ortes der Malversationen" des Klägers.
Der Kläger begehrt in seiner Rekursbeantortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Diese ist jedoch verspätet (14 Tägige Frist).
Der Rekurs ist im Sinne des inkludierten Aufhebungsantrages berechtigt, wobei der Einschränkungsantrag offenkundig auch im Sinne der Betriebsratstätigkeit in der Zentrale wohl verstanden werden kann.
Zur aufgeworfenen rechtlichen Problematik, daß bei Geltandmachung einer vorzeitigen Entlassung eines Betriebsratsmittgliedes gemäß § 122 Abs.1 Z 2 kein schwebend unwirksamer Zustand, sondern vorerst bis zur gerichtlichen Entscheidung einer wirksame Entlassung vorläge, weil im § 122 Abs.3 ArbVG nominiert werde, daß im Falle der nachträglichen Zustimmung die Entlassung (nur dann) rechtswirksam sei, dies unter Berufung auf die Anmerkungen zur Entscheidung des OHG vom 24.11.1993 in DRdA 1994, S 502 ff durch Eypeltauer (vgl. dagegen Kuderna, DRdA 1995, Seiten 211 ff), ist darauf zu verweisen, daß der OGH aus dem Sinn und Zweck des in den §§ 120 ff geregelten höheren Bestandschutzes folgert, daß sich die vorzeitige Entlassung bis zur Entscheidung des Gerichtes in einer Schwebelage befinde; sie ist schwebend unwirksam. Erteilt das Gericht die nachträgliche Zustimmung, wird die bis dahin schwebend unwirksame Entlassung ex tunc rechtwirksam. Weist das Gericht die Klage auf Zustimmung zur Entlassung ab, so ist sie von Anfang an nichtig (vgl. Floretta im ArbVG-Handkommentar 819, 821 und 858; Floretta-Strasser, ArbVG2 § 122 Anm. 41;9 Ob A 14/93; 9 Ob A 244/93; DRdA 1994; S 502 ff). Solange daher die Entlassung noch schwebend unwirksam ist, ist die Mitgliedschaft des Klägers zum Betriebsrat nicht erloschen (vgl. Floretta, aaO 362). Die diesbezüglichen Darlegungen Eypeltauers vermögen nicht zu überzeugen (vgl.Kudera, die Rechtswirkungen einer gegen nachträgliche Zustimmung des Gerichts ausgesprochene Entlassung, DRdA 1995, S 211 ff., insbes. zur Auffassung Eypeltauers S 214 ff.).
Grundsätzlich ist auch eine (begründete) Suspendierung be BR-Mitgliedern anzuerkennen (weshalb hätten sonst die beklagteen Parteien ein Hausverbot verhängt, wenn die Entlassung bereits "wirksam" wäre), wenn dadurch keine (weitere) Behinderung der Betriebsratstätigkeit eintritt. Allerdings darf den Mitgliedern des Betriebsrates das Betreten des Betriebes nicht verboten werden, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben notwendig ist (Floretta, aaO 773; ZAS 1993/11 Strasser). Neben dem Recht auf Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrates oder Betriebsversammlungen kommen einem Mitglied des Betriebsrates auch noch andere Individualkompetenzen zu (Spielbüchler, die Rechtstellung der Betriebsratsmitglieder, DRdA 1971,231 ff; Köck, Betriebsratstätigkeit und Arbeitspflicht 1992, 106 ff), die gemäß § 155 Abs.3 ArbVG nicht beschränkt werden drüfen. Dieses Beschränkungsverbot ist eine absolut zwingende betreibsverfassungsrechtliche Norm (Jabornegg, Absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, FS Strasser 1983 376 ff.;Strasser, Arbeitsrecht II3, 412 f.). Die Frage, ob die Suspendierung des Klägers berechtigt- auch im Hinblick auf allfällige Beweissicherungsinteressen der beklagten Parteien im Strafverfahrenerfolgt ist, ist in diesem Provisiorialverfahren zwar derzeit noch nicht zu prüfen, wohl aber bestehen, bedingt durch das bereits dargestellte Vorbringen der beklagten Parteien Hinweise darauf, daß das Hausverbot allenfalls unter bestimmten Einschränkungen zum Teil wirksam sein könnte (vgl. OHG vom 24.11.1993, 9 Ob A 244/93, DRdA 1994, S. 503 oben), dies bleib jedoch vom Erstgericht unbeachtet. Zumindest ist denkmöglich, daß dem Kläger tatsächlich nihct die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrates (in der Zentrale) untersagt worden ist und dort auch sämtliche Kommunikationen zu den Betriebsratsmitgliedern sowie der Belegschaft möglich sind, womit noch keine "Kaltstellung" des Klägers in betriebsrätlicher Sicht gegeben wäre. Darauf haben die Rekurswerberinnen auch im Pkt. 2.9. ihres Rechtsmittels (Seite 11 ON 5 = AS 33) im Hinblick auf den Umfang der Einstweiligen Verfügung auch Bezug genommen.
Diesbezüglich wird das Erstgericht daher noch die erforderlichen Feststellungen auf Grund entsprechender Bescheinigungsmittele (wohl primär der Einvernahme des Klägers sowie des stellig zu machenden Geschäftsführers der beklagten Parteien) zu treffen haben, weil keinerlei Sachverhaltsergebnisse diesbezüglich im Provisorialverfahren vorliegen.
Mangels Spruchreife war daher mit der Aufhebung vorzugehen.
Die Kostenentscheidung gründete sich auf § 393 EO, §§ 2 ASGG und 52 ZPO. Die Zurückweisung der Rekursbeantragung gründet sich auf § 402 Abs.3 EO.
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