JudikaturOLG Wien

7Ra57/95 – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
19. Juli 1995

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.H***** (Vorsitzender), den Richter des Oberlandesgerichtes DDr.H***** und die Richterin des Oberlandesgerichtes Dr.F***** sowie die fachkundigen Laienrichter ***** A***** und ***** S***** in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei 1.) ***** T*****, Angestellte und 2.) Christoph TISCHLER, Student, beide wohnhaft in *****, vertreten durch DDr.*****C*****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei S***** G*****, Gastwirtin in *****, vertreten durch Dr.*****H*****, Dr.*****K*****Rechtsanwälte in *****, wegen S 40.300,-- s.A., infolge Berufung der beklagten Partei, wider das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.11.1994, 5 Cga 154/93p-10, nach mündlicher Berufungsverhandlung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Berufung wird F o l g e gegeben, das angefochtene Urteil wird

a u f g e h o b e n und die Rechtssache an das Erstgericht zur

neuerlichen Verhandlung und ergänzenden Entscheidung z u -

r ü c k v e r w i e s e n .

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Beide Kläger begehren, ausgedehnt in der mündlichen Streitverhandlung am 24.2.1994 (Seite 1 des Protokolles = AS 15), mit dem wesentlichen Vorbringen, daß sie auf Grund von den in der Klage detailliert zitierten (Seite 2 der Klage = AS 2) Unterhaltsfestsetzungsbeschlüssen als Exekutionstiteln zugunsten des am 31.12.1971 geborenen Zweitklägers (Pflegschaftsverfahren *****des BG Villach) gegenüber dessen ehelichen Vater Jesus Domingo G*****die Hereinbringung von rückständigen Unterhaltsforderungen seit 1.2.1990 betreiben. Die beklagte Partei sei als Drittschuldnerin (es handelt sich bei dieser um die nunmehrige Ehegattin des Unterhaltsschuldners als dessen Dienstgeberin, bei der der eheliche Vater als Koch beschäftigt ist) zur Bezahlung von S 15.800,-- s.a. an die Erstklägerin und von S 24.500,-- s.A. an den Zweitkläger verpflichtet, weil sie keine Abzüge und Überweisungen von den Dienstbezügen des Unterhaltsschuldners getätigt habe (Exekutionsverfahren zu E *****des BG Melk). Zum kollektivvertraglichen Nettoeinkommen des Unterhaltsschuldners zwischen S 14.000,-- bis S 17.000,-- als Koch mit langjähriger Berufserfahrung seien noch Kost und Quartier hinzuzurechnen (ON 4), sodaß auch unter Berücksichtigung des Weihnachtsgeldes (13.Bezug) Abzüge von den Dienstbezügen zu tätigen seien.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens.

Der Unterhaltsschuldner sei für drei weitere mj. Kinder aus der Ehe mit der Drittschuldnerin sorgepflichtig und verdiene nur rund S 7.500,-- netto monatlich als Alleinkoch im Restaurant der Drittschuldnerin verdiene und deshalb könnten keine Abzüge getätigt werden könnten (ON 3).

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht dem Klagebegehren hins. beider Kläger vollinhaltlich kostenpflichtig stattgegeben. Es traf die auf der Seite 4 seiner Urteilsausfertigung (= AS 46) enthaltenen Feststellungen folgenden Inhalts:

"Die beklagte Partei führt in A*****einen Gastwirtschaftsbetrieb mit unterschiedlicher Auslastung. Es handelt sich um ein ausgesprochenes Ausflugsgebiet, geöffnet ist das Lokal von 7.30 Uhr bis 24.00 Uhr. Die beklagte Partei beschäftigt den Verpflichteten halbtags, für Küchenhilfsdienste hat sie eine ausländische Arbeitnehmerin, an den Wochenenden beschäftigt die beklagte Partei Aushilfskräfte. Es besteht kein Ruhetag.

Die beklagte Partei hat zur Einrichtung einen Bankkredit über S 5,000.000,-- aufgenommen, der monatlich S 50.000,-- an Rückzahlungsraten erfordert, Stromkosten belaufen sich ca. auf S 10.000,-- pro Monat.

Im Raum Melk kann ein Alleinkoch einen Nettobezug von S 10.000,--, ein Koch ohne Lehrabschlußprüfung einen Nettobezug von S 8.500,-- monatlich erzielen.

Der Verpflichtete ist der Ehegatte der beklagten Partei. Er bezieht für die drei gemeinsamen Kinder Familienbeihilfe.

Im August 1992 hat der Verpflichtete ein monatliches Nettoeinkommen von S 9.600,- erzielt, er war damals noch ganztags beschäftigt."

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß gemäß § 292 EO im Verhältnis des betreibenden Gläubigers zum Drittschuldner ein angemessenes Entgelt als geschuldet gelte, wenn ein Verpflichteter dem Drittschuldner in einem ständigen Arbeitsverhältnis nach Art und Umfang übliche Arbeitsleistungen erbringe. Zwar dürfe die wirtschaftliche Existenz des Drittschuldners nicht beeinträchtigt werden, die begehrten Beträge seien jedoch unter Zugrundelegung eines monatlichen Nettoverdienstes von S 9.600,-- abziehbar, weil gemäß Tabelle 2 b m der Lohnpfändungsverordnung unter Berücksichtigung von drei weiteren Sorgepflichten monatlich S 1.650,-- abziehbar seien.

Den Einwand der beklagten Partei in der mündlichen Streitverhandlung am 10.11.1994 (Seite 2 des Protokolles = AS 42), daß die Erstklägerin nicht aktiv klagslegitimiert sei und Unterhaltsansprüche nicht abtretbar seien, überging das Erstgericht und wurden dazu auch keine Feststellungen getroffen.

Dieses Urteil bekämpft die beklagte Partei mit ihrer Berufung (ON 11) wegen unvollständiger Tatsachenfeststellung, unrichtiger Beweiswürdigung und Sachverhaltsdarstellung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dieses im klagsabweisenden Sinn abzuändern, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben (ON 12).

Die Berufung ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bekämpft wird von der Berufungswerberin die Feststellung des Monatsnettoeinkommens des Unterhaltsschuldners, weil weder die Monatsnettoverdienste des ehelichen Vaters des Zweitklägers in den Jahren 1993/1994 noch der Umstand geprüft worden seien, inwieweit die Familienbeihilfe im Nettolohn mitbeinhaltet sei. Eine unbeachtliche Neuerung liegt hins. der Familienbeihilfe nicht vor, weil die beklagte Partei bereits im Einspruch das monatliche Nettoeinkommen des Unterhaltsschuldners mit S 7.495,20 (Seite 2 des Schriftsatzes ON 3 = AS 6) beziffert hat, auf die Sorgepflichten für drei mj. eheliche Kinder verwiesen hat sowie auf den Umstand der Teilzeitbeschäftigung des Unterhaltsschuldners (Seite 2 des Protokolles vom 24.2.1994 oben = AS 16). Auch der Unterhaltsschuldner hat auf seine frühere Vollzeitbeschäftigung (wie lange bestand diese, seit wann Teilzeitbeschäftigung) verwiesen (Seite 2 des Protokolles vom 25.5.1994 = AS 24), während die Beklagte als Partei in ihrer Vernehmung am 10.11.1994 (Seite 1 des Protokolles = AS 41) auf die Miteinbeziehung der Familienbeihilfe sachverhaltsmäßig hingewiesen hat.

Aus dem vom Berufungsgericht verlesenen Pflegschaftsakt *****des BG Villach (Schriftsatz ON 49, AS 132) gehen die mj. Kinder J*****, geb. *****und die Zwillinge D*****, geb. *****(AS 87 und 89 im Pflegschaftsakt) in Übereinstimmung mit ON 2 im Exekutionsakt (Drittschuldnererklärung), worin auch wiederum der Monatsnettoverdienst mit S 7.495,20 angeführt ist, hervor. Ebenso geht auch aus der Lohnbestätigung 1994 im Akt ein Bruttomonatsbezug des Unterhaltsschuldners von S 6.955,-- und drei Familienbeihilfenbeträgen hervor. Die Ergebnisse des berufskundlichen Sachverständigengutachtens ON 85 im Pflegschaftsakt, die offenkundig die Grundlage für die Sachverhaltsbehauptung im Drittschuldnerprozeß sind (ON 4, Seite 2 = AS 10; siehe auch Beweisanbot hins. P-Akt AS 11), stehen im eklatanten Gegensatz zur Auskunft des ÖGB vom 18.4.1994, ON 6, mit sämtlichen divergierenden Beweisergebnissen und Akteninhalten hat sich das Erstgericht jedoch nicht auseinandergesetzt, sodaß das erstinstanzliche Verfahren diesbezüglich primär mangelhaft geblieben ist.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren die ergänzenden Feststellungen auf Grund einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung zu treffen haben.

Nach der Existenzminimumverordnung 1993, BGBl. Nr.877/1993, betrug der unpfändbare Betrag bei S 9.600,-- monatlich nach der Tabelle 2 b m bei drei Kindern S 8.580,--, bei vier Kindern S 9.555,--, nach der Existenzminimumverordnung 1995, BGBl. Nr.62/1995, (nicht ExminV 1994!) nach der nämlichen Tabelle, bei drei Kindern S 9.442,50 und bei vier Kindern ist der gesamte Betrag unpfändbar, wobei jedoch die Frage der Familienbeihilfe hier ungeklärt ist, ebenso wie die Lohnpfändungsvoraussetzungen vor der ExminVO 1993.

Zur Rechtsrüge hins. des Einwandes betreffend Zessionsverbot (§ 1393 ABGB) ist auszuführen (wobei die Berufungswerberin offenkundig die EF-Slg zitiert und nicht EV Slg), daß nach der österr. Rechtslage (vgl. auch §§ 399, 400 BGB) grundsätzlich Naturalunterhaltsansprüche nicht abgetreten werden können und von der Judikatur dazu folgende Erwägungen angestellt worden sind:

Nach § 1393 ABGB können nur solche Rechte, die der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen, nicht abgetreten werden. Das Recht auf Unterhalt ist unvererblich (Welser in Rummel, ABGB2, Rdz. 8 zu § 531; Weiß in Klang2 III 12; Koziol-Welser6 II 234). Es ist daher herrschende Auffassung, daß Unterhaltsansprüche nach § 1393 ABGB als höchstpersönliche Rechte überhaupt nicht abgetreten werden können (Koziol-Welser6 I 228; Wolff in Klang2 VI 293; Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 100). Das besagt aber nicht, daß auch der Höhe nach in Geld bestimmte und bereits fällig gewordene Unterhaltsansprüche jedenfalls grundsätzlich untergingen. § 77 EheG ordnet für Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten ausdrücklich an, daß solche Ansprüche, soweit sie auf Erfüllung oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung für die Vergangenheit gerichtet sind oder sich auf Beträge beziehen, die - eine hier nicht gegebenen Fallkonstellation (vgl. aber auch § 72 EheG) - beim Tod des Berechtigten fällig sind, auch nach dem Tod des Berechtigten bestehen bleiben. Das kann gewiß keine - als solche unverständliche - Sonderregelung für den Unterhaltsanspruch geschiedener Ehegatten sein, sondern wurde wohl nur deswegen gerade dort erwähnt, weil anderer Unterhalt grundsätzlich in natura zu gewähren ist. Ist dies aber nicht der Fall, muß der in § 77 EheG zum Ausdruck gebrachte Grundsatz allgemein gelten. Es wird demgemäß auch gelehrt, daß höchstpersönliche Rechte dann aktiv vererblich seien, wenn sie sich noch zu Lebzeiten des Verstorbenen oder durch dessen Tod vermögensrechtlich konkretisiert wurden; daher sei bei aktiv unvererblichen Leistungen, zu denen insbesondere auch gesetzliche Unterhaltsansprüche gehören, der Anspruch auf jene Teilbeträge vererblich, die schon (vor dem Tode des Berechtigten) entstanden sind oder fällig werden (Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3 13 f.). Sie sind dann auch abtretbar (OGH vom 29.6.1983, 1 Ob 635/83 = EF Slg 43.555).

Dazu liegen aber keine Feststellungen im angefochtenen Urteil vor, sodaß das Erstgericht dazu noch entsprechend Stellung zu beziehen haben wird.

Erörterungs- und klärungsbedürftig erscheint deshalb auch, ob und in welchem Umfang die Erstklägerin Unterhaltsansprüche, die ihr von dem in der Zwischenzeit volljährig gewordenen Kind, dem nunmehrigen Zweitkläger abgetreten wurden, auf den Rechtsgrund des § 1042 ABGB gestützt, geltend macht. Auch im zugrundeliegenden Exekutionsverfahren wurde die Erstklägerin trotz der bereits eingetretenen Eigenberechtigung des nunmehrigen Zweitklägers (Vollendung des 19.Lebensjahres am 31.12.1990) tätig.

Es war daher mit der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung vorzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 ZPO.

Rückverweise