JudikaturOLG Linz

10Bs180/25d – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
03. November 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach §§ 15 Abs 1, 207b Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 21. Mai 2025, Hv*-17, nach der in Anwesenheit der Staatsanwältin Dr. Steinwender als Vertreterin des Leitenden Oberstaatsanwalts sowie des Angeklagten und dessen Verteidigerin Mag. Aschauer durchgeführten Berufungsverhandlung am 3. November 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft gebliebenen Freispruch enthält, wurde der ** geborene Angeklagte A* des Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach §§ 15 Abs 1, 207b Abs 3 StGB (I.) und der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 207b Abs 3 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten und zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde mit EUR 4,00 festgesetzt.

Nach dem Schuldspruch hat er

I.) am 9. Jänner 2025 in B* die am ** geborene C* D* E*, sohin eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unmittelbar durch ein Entgelt dazu zu verleiten versucht, eine geschlechtliche Handlung (in Form eines Geschlechtsverkehrs vgl US 4) an ihm vorzunehmen, indem er vor ihr 15,00 Euro auf den Boden warf und zu ihr sagte, dass er mit ihr ficken möchte;

II.) nachstehende Personen zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1. am 9. Jänner 2025 in B*

a.) F* E* und C* D* E* durch die Äußerung „Ich bringe euch um, ich dresche dich, ich ficke dich und deine Tochter, ich haue euch nieder.“,

b.) F* E* dadurch, dass er eine Schneestange ausriss, damit einen Schlag andeutete und die Schneestange sodann quer mit seinen Händen auf Hüfthöhe hielt;

2.) G* in ** zu nachstehenden Zeiten durch Sprachnachrichten mit jeweils nachstehendem Inhalt

a) am 9. Jänner 2025, „ohne Zähne kann man den Vornamen nicht aussprechen“;

b) am 20. Jänner 2025, „schauma amol wo ma di finden, aber i find euch alle, schauma amol in **, du wirst net amol humpeln mehr, du wirst ausitreten wean aus dieser Welt, ...“.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld angemeldete (ON 18) und auch ausgeführte Berufung (ON 19) mit der er primär einen Freispruch anstrebt. Auf die Berufung wegen Strafe wurde ausdrücklich verzichtet.

Die Berufung, zu der die Oberstaatsanwaltschaft eine Stellungnahme abgegeben hat, ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ein Schuldspruch ist nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO nichtig, wenn nicht alle - objektiven und subjektiven - Merkmale der gerichtlich strafbaren Handlung, derer der Angeklagte schuldig erkannt wird, in den tatsächlichen Feststellungen des Urteils Deckung finden. Dies betrifft also die unrichtige Lösung der Rechtsfrage, ob der vom Erstgericht aufgrund der von ihm durchgeführten und gewürdigten Beweise festgestellte Sachverhalt einen strafgerichtlichen Tatbestand erfüllt ( Kirchbacher, StPO15 § 281 Rz 76 ). Die erfolgversprechende Ausführung dieses materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert aber das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die methodisch fundierte Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS-Justiz RS0099810).

Dem Einwand der Rechtsrüge zuwider genügen die Urteilskonstatierungen, wonach der Angeklagte mit dem Vorsatz, die 15-jährige C* E* durch das Hinwerfen von Bargeld auf den Boden, verbunden mit der beschriebenen Äußerung, unmittelbar dazu zu verleiten versuchte, eine geschlechtliche Handlung an ihm in Form eines Geschlechtsverkehrs vorzunehmen (US 4) zur rechtlichen Annahme eines Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 3 StGB (vgl RIS-Justiz RS0122318). In diesem Zusammenhang stellt die Rüge irrig dar, dass der Tatbestand einen engen zeitlichen und örtlichen Konnex zwischen Anbot eines Entgelts und geschlechtlicher Handlung voraussetzen würde (vgl aber RIS-Justiz RS0132563, 14 Os 24/19i).

Die weitere Rechtsrüge behauptet zum Schuldspruch I. untauglichen Versuch im Sinn des § 15 Abs 3 StGB, ohne jedoch prozessordnungskonform einen Feststellungsmangel zu diesem negativen Tatbestandsmerkmal geltend zu machen (RIS-Justiz RS0118580; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 602). Im Übrigen wäre ein Versuch nur dann absolut untauglich, wenn bei einer ex post-Betrachtung nach der Art des Gegenstands oder bei einer ex ante-Betrachtung nach der Art der Handlung es geradezu denkunmöglich ist, dass es jemals zur Vollendung der Tat kommt, wobei eine derartige Ausgeschlossenheit im konkreten Fall unter Berücksichtigung dieser Prämissen gerade nicht vorliegt (RIS-Justiz RS0102826; vgl Durl/Schütz in Leukauf/Steininger, StGB4 § 15 Rz 28f).

Der Schuldberufung ist vorauszuschicken, dass das Gericht die im Verfahren vorgekommenen Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft prüft und aufgrund des Ergebnisses dieses Vorgangs zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidender Tatsachen kommt, die es im Urteil feststellt. Die Beweismittel sind dabei nicht nur einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit und ihrem inneren Zusammenhang zu würdigen (vgl RIS-Justiz RS0098314). In diesem Sinn gelingt es A* nicht, hinreichende Zweifel an der erstrichterlichen Beweiswürdigung und den darauf gegründeten Feststellungen zu erwecken, konnte sich das Erstgericht doch nicht nur auf die im Kern übereinstimmenden – geringfügige Abweichungen verwarf es lebensnah mit der Dynamik der Situation - Aussagen der Zeugen C* E* (ON 2.7, ON 6) und F* E* (ON 2.8, AS 25ff in ON 16) stützen, sondern auch die Beobachtung des unbeteiligten Zeugen H* in seine Beweiswürdigung miteinfließen lassen. Nachvollziehbar legte die Erstrichterin zudem dar, dass weder dem Akteninhalt noch dem Vorbringen des Angeklagten ein wie immer geartetes Motiv abgeleitet werden kann, das C* E* dazu verleitet haben könnte, unter Wahrheitspflicht den Angeklagten mehrfach mit einem derartigen Vorwurf zu Unrecht zu bezichtigen. Demgegenüber begründete das Erstgericht empirisch einwandfrei, warum es die an Lebensnähe mangelnde Verantwortung des Angeklagten, er wollte C* E* alleine “aus einer guten Laune heraus“ Bargeld schenken (AS 4 in ON 16), als unwahre Schutzbehauptung verwarf (US 8). Dass die Erstrichterin sodann dem Angeklagten auch die Glaubwürdigkeit in Bezug auf der zum Nachteil von C* und F* E* begangenen Vergehen der gefährlichen Drohung absprach, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Die (wiederholten) Versuche des Angeklagten, der Zeugin E* niedere Motive (selbst die Rechtsmittelschrift räumt in dieser Hinsicht aber ein, bloß zu „spekulieren“) zu unterstellen, sind nicht geeignet, die Feststellungen des Erstgericht in Zweifel zu ziehen. Gleiches gilt für die (das Kerngeschehen ohnedies nicht tangierenden) behaupteten Widersprüche in den belastenden Zeugenaussagen. Dass die Aussage der Zeugin I* nicht zur Entlastung des Angeklagten beitragen konnte, wurde vom Erstgericht nachvollziehbar damit begründet, dass diese Zeugin - obwohl sie sich damals in unmittelbarer Nähe befand - weder zur Reaktion des Opfers, noch zu allfälligen Drohungen durch eine der Streitparteien, noch zum Thema, wie der Angeklagte die Schneestange in der Hand gehalten hat, Wahrnehmungen schildern konnte (AS 22f in ON 16 iVm US 8). Bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist oft der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend. Dieser unmittelbare, lebendige Eindruck, der sich auch auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss daher im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden ( Lendl in Fuchs/Ratz , WK StPO § 258 Rz 27). Dass das Gericht letztlich – unter Verweis auf Grundsätze der allgemeinen Nachvollziehbarkeit aber auch auf die unglaubwürdigen Angaben des Angeklagten - zum Ergebnis kam, dass der Angeklagte sämtliche ihn angelasteten Delikte begangen hat, ist Vorgang der freien Beweiswürdigung, handelt es sich dabei doch um einen kritisch-psychologischen Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Weil aber nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (vgl RIS-Justiz RS0098362; Kirchbacher , StPO 15 § 258 Rz 8), der Grundsatz „in dubio pro reo“ keine negative Beweislastregel darstellt, dieser gerade nicht bedeutet, dass sich das Gericht bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante entscheiden müsste (vgl Kirchbacher , aaO Rz 11) und die Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite, das mit ausführlicher Begründung (unter anderem) vom äußeren Tatablauf auf den deliktspezifischen Vorsatz schloss (vgl US 8ff), nicht korrekturbedürftig waren (RIS-Justiz RS0116882), bleibt entgegen der Ansicht des Angeklagten kein Raum für den Zweifelsgrundsatz ( Lendl in Fuchs/Ratz , WK StPO § 258 Rz 36f), sodass der Schuldspruch Bestand hatte.

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