JudikaturOLG Linz

2R124/25f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
01. Oktober 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Mag. Christine Mayrhofer und Dr. Werner Gratzl in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. A*, Rechtsanwalt, als Insolvenzverwalter im Konkurs der B* C* GmbH, FN **, (S* des LGZ Graz), **, **gasse **, vertreten durch die Semlitsch-Klobassa-Theissl Rechtsanwälte GmbH in 8570 Voitsberg, gegen die beklagte Partei D* GmbH , FN **, **, **, vertreten durch die Edthaler Leitner-Bommer Schmieder Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, wegen (zuletzt) EUR 81.688,56 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20. Mai 2025 (signiert am 18.06.2025), Cg*-41, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:

„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 81.688,56 samt unternehmerischer Zinsen aus EUR 37.128,23 vom 3. Oktober 2023 bis 2. November 2023 sowie aus EUR 81.688,56 seit 3. November 2023 zu bezahlen, wird abgewiesen.

2. Das Eventualbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 87.574,84 samt unternehmerischer Zinsen seit 3. Jänner 2024 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 15.237,92 (darin EUR 2.456,32 Umsatzsteuer und EUR 500,00 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 9.466,62 (darin EUR 638,77 Umsatzsteuer und EUR 5.634,00 Pauschalgebühr) bestimmten Kosten der Berufung zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei beauftragte die Schuldnerin mit Installationsarbeiten an einer neu zu errichtenden Wohnanlage. Anfangs wurde eine Auftragssumme von netto EUR 510.000,00 (brutto EUR 612.000,00) vereinbart, die sich dann unter Berücksichtigung von Mehr- und Minderleistungen auf netto EUR 520.748,11 und brutto EUR 624.897,37 erhöhte.

Zunächst wurden die Arbeiten plangemäß ausgeführt. Am 3. Oktober 2023 übermittelte die Schuldnerin der Beklagten die neunte Teilrechnung über EUR 37.128,23 brutto und am 11. November 2023 die zehnte Teilrechnung über brutto EUR 44.560,33 per E-Mail. Beide wurden innerhalb der Prüffrist nicht beanstandet, vielmehr erstattete die beklagte Partei gar keine Rückmeldung.

Die Schuldnerin stellte die Arbeiten am 24. November 2023 ein. Am 1. Dezember 2023 wurde über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.

Am 20. Dezember 2023 legte der (ehemalige) Geschäftsführer der Schuldnerin in Absprache mit dem Insolvenzverwalter Schlussrechnung und übermittelte sie per E-Mail am 3. Jänner 2024 samt Aufmaßblättern und Fotodokumentation an die Beklagte, deren Bauleiter und den Insolvenzverwalter. Die Beklagte retournierte sie am 15. Februar 2024 an die Absenderadresse „**“ mit dem Hinweis, dass das Bauvorhaben noch nicht fertig sei und gemäß dem Vertrag erst dann eine Schlussrechnung gelegt werden dürfe, wenn die Übergabe an den Bauherren erfolgt sei. Dieses Retourschreiben erhielten weder der Geschäftsführer, die Schuldnerin noch der Insolvenzverwalter.

Die letzte Seite der Schlussrechnung enthält folgende Endberechnungen:

„Netto EUR 461.084,95

Haft.-Deckungsrücklass -2% -EUR 9.221,70

Zwischensumme EUR 451.863,25

Abzüglich Teilrechnungen:

Datum Belegnummer Netto Brutto

[…]

3.10.2023 00080/23 30.940,19 37.128,23

3.11.2023 00085/23 37.133,61 44.560,33

Summe Teilrechnungen: 473.103,02 567.723,63

Netto-Endbetrag - 21.239,77

USt 20% - 4.247,95

Rechnungsendbetrag - 25.487,72“

Bisher bezahlte die beklagte Partei an die klagende Partei EUR 429.173,34. Die in der neunten und zehnten Teilrechnung verrechneten Beträge bezahlte sie nicht. Der Insolvenzverwalter forderte sie mit Schreiben vom 21. Dezember 2023 auf, die neunte und zehnte Teilrechnung von insgesamt EUR 81.688,56 binnen 14 Tagen zu bezahlen, worauf die Beklagte nicht reagierte. Am 26. Jänner 2024 mahnte er die Zahlung von insgesamt EUR 87.574,85 ein, welcher Betrag sich aus der Differenz des in der Schlussrechnung ausgewiesenen Nettobetrags (EUR 451.863,25) zuzüglich der Umsatzsteuer (brutto EUR 542.235,90) und den von der Beklagten bereits geleisteten Teilzahlungen von insgesamt EUR 429.173,34 ergebe, wenn davon noch der in der Schlussrechnung ausgewiesene Gutschriftbetrag von EUR -25.487,72 abgezogen werde.

Mit ihrer Klage begehrte die klagende Partei zunächst die Zahlung von EUR 87.574,84 aus der Schlussrechnung infolge der abgeschlossenen Arbeiten. Von der Schlussrechnungssumme von brutto EUR 542.235,90 seien der bisher bezahlte Betrag von EUR 429.173,34 sowie die Gutschrift aus der Schlussrechnung von EUR 25.487,72 abzuziehen. Die Beklagte habe die Schlussrechnung nicht beanstandet und keine Einwendungen erhoben. Eventualiter schulde sie aus den Teilrechnungen 9 und 10, die sie geprüft und zur Zahlung freigegeben und durch Nichtbeanstanden anerkannt habe, EUR 81.688,56. Mit Legen der Schlussrechnung sei nicht der Rücktritt erklärt, sondern davon ausgegangen worden, dass die Schuldnerin den Vertrag vollständig erfüllt habe. Das habe sie mit der Schlussrechnung im Sinn der ÖNORM B2110 auch klargestellt. Die Aufrechnungseinrede der Beklagten sei unschlüssig, eine Aufrechnung unzulässig, weil die Schuldnerin keinen Verzug zu verantworten habe und sowohl Pönale als auch Fertigstellungskosten Insolvenzforderungen darstellten, weil sie allenfalls aufgrund der Insolvenzeröffnung entstanden wären.

Zuletzt tauschte die klagende Partei Haupt- und Eventualbegehren, sodass sie im Hauptbegehren die Zahlung der beiden Teilrechnungen 9 und 10, im Eventualbegehren die genannte Differenz aus Schlussrechnung und Teilzahlungen der Beklagten begehrt.

Die Beklagte bestritt, wendete mangelnde Fälligkeit der Schlussrechnung und Unzulässigkeit der Teilrechnungen ein und weiters die Unrichtigkeit der Schlussrechnung, weil etwa 15 statt 17 Wärmepumpen geliefert worden seien, die beauftragten Arbeiten nicht fertiggestellt seien, keine Übergabe stattgefunden habe und die Schlussrechnung mangels mitgeschickter Unterlagen nicht prüffähig sei. Weiters wendete sie Gegenforderungen ein, die das Klagebegehren überstiegen, und zwar eine Pönale von EUR 62.489,77 wegen Verzugs der Schuldnerin spätestens seit Einstellung ihrer Arbeiten und Mehrkosten für die Ersatzvornahme von (zuletzt) EUR 137.875,59, die aus der nicht vollständigen Ausführung durch die Schuldnerin resultierten.

Sowohl die Pönale- als auch die Ersatzvornahmekostenforderung seien bereits vor der Insolvenzeröffnung begründet gewesen, sodass sie mit diesen im weiteren Sinn bedingten Forderungen nach § 19 IO aufrechnen dürfe. Die Aufrechnung sei aber auch zulässig nach § 20 Abs 3 IO, weil der Insolvenzverwalter mit dem Legen der Schlussrechnung den Rücktritt erklärt habe, bei den Kosten für die Ersatzvornahme handle es sich um ihren Schaden aus dem Rücktritt des Insolvenzverwalters. Im Übrigen sei das Klagebegehren unschlüssig; die Schuldnerin habe keine Leistungen erbracht, die zusätzliche Zahlungen rechtfertigten.

Mit dem angefochtenen Urteil stellte das Erstgericht die Klageforderung mit EUR 81.688,56 als zu Recht bestehend, die Gegenforderung von EUR 200.365,36 als nicht zu Recht bestehend fest und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von EUR 81.688,56 sA. Es legte seiner Entscheidung den auf den Urteilsseiten 4 bis 10 ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, der sich – zusammengefasst – noch wie folgt wiedergeben lässt, wobei die angefochtenen Feststellungen kursiv dargestellt sind:

Der Geschäftsführer der Schuldnerin unterschrieb die schriftliche Vertragsurkunde am 4. April 2023, nachdem die Arbeiten bereits begonnen worden waren. Darin heißt es unter anderem:

„[…] 6. Ausführungsfristen, Vertragsstrafen

Ausführungsbeginn: Ab KW 10

Ausführungsdauer: ca 30 Wochen

Übergabetermin der Gesamtanlage laut BZPL .

Bei Nichteinhaltung der oben angeführten Ausführungstermine wird eine Vertragsstrafe von 1,5% der Bruttoauftragssumme pro Kalendertag verrechnet, wobei als Höchstgrenze 10% je Ausführungstermin (entgegen der Ö-Norm) vereinbart wird. […]

Der Auftraggeber ist berechtigt, in Abänderung von der Ö-Norm bei Auftreten eines Terminverzuges von 14 Tagen ohne schriftliche Mitteilung oder das Setzen einer Nachfrist eine Ersatzvornahme zu beauftragen und die daraus resultierenden Mehrkosten dem Auftragnehmer in Abzug zu bringen. […]

7. Rechnungslegung, Zahlung

Die Legung von einer monatlichen Teilrechnung ist möglich, wobei die abgerechneten Massen aufgrund von prüfbaren Abrechnungsunterlagen zu belegen sind. Die Massen sind vor der Rechnungslegung mit dem zuständigen Bauleiter abzustimmen. […] Teilrechnungen können bis maximal 80% der gesamten Auftragssumme gelegt werden. […]

Die Legung der Schlussrechnung ist erst möglich nach mangelfreier Abnahme des Gesamtobjektes durch die [beklagte Partei] bzw der Wohnungs-/Hauskäufer. Bei Schlussrechnung wird ein 2%iger Haftrücklass auf die Dauer der Gewährleistungsfrist zuzüglich 45 Tagen einbehalten. […]

Die Rechnungen sind spätestens bis 4. des der Leistung folgenden Monats an unser Unternehmen in prüfbarer Form inklusive aller Rechnungsunterlagen zu übermitteln. […]

Die Prüffrist beträgt bei Teilrechnungen 10 Tage, bei Schlussrechnungen 10 Arbeitstage und beginnt nach Eingang der prüffähigen Rechnung im Stammhaus des Auftraggebers.

Die Zahlungen erfolgen 10 Arbeitstage nach Ablauf der Prüffrist bei Abzug von 2% Skonto bzw 21 Arbeitstage nach Ablauf der Prüffrist netto. Die Zahlungen erfolgen 1x wöchentlich, wodurch es zu Verschiebungen zur tatsächlichen Fälligkeit von maximal 6 Kalendertagen kommen kann.

Es gilt als vereinbart, dass bei korrigierten Teilrechnungen kein Anerkenntnis der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach besteht. Erst die Korrektur der Schlussrechnung ist verbindlich. Teil- und Schlussrechnungen sind inklusive Abrechnungsunterlagen […] zu übermitteln. […]“

Mit der Klausel der schriftlichen Vertragsurkunde „Teilrechnungen können bis maximal 80% der gesamten Auftragssumme gelegt werden“ war der Geschäftsführer E* B* nicht einverstanden. Bei den mündlichen Vertragsverhandlungen mit der beklagten Partei äußerte er den Einwand, dass die Schuldnerin bei der Legung von Teilrechnungen nur erbrachte Leistungen abrechne, sodass eine Überzahlung nicht stattfinden könne. Er unterfertigte die schriftliche Vertragsurkunde dennoch, weil er sich in diesem Punkt auf die Handschlagqualität der beklagten Partei verließ.

Ab August 2023 verschob sich wegen Verzögerungen anderer Professionisten der geplante und vereinbarte Fertigstellungstermin auf Dezember 2023 bis Jänner 2024. Damit verbunden war eine Übergabe des Projekts an die Endkunden für März/April 2024 geplant.

Als die Schuldnerin am 24. November 2023 ihre Arbeiten einstellte, war der beklagten Partei bereits bekannt, dass die Schuldnerin in Insolvenz gehen würde.

Bei Einstellung der Arbeiten waren die sanitären Einrichtungsgegenstände noch nicht vollständig montiert, zwei Wärmepumpen und zwei Solaranlagen nicht installiert, die Auf-Putz-Isolierarbeiten der Leitungen nicht erbracht, die Heizung nicht in Betrieb genommen und die Solaranlagen noch nicht mit Frostschutzkonzentrat befüllt. Die erbrachten Arbeiten wurden aber immer vollständig, zeitgerecht und mängelfrei erbracht. Der ursprünglich vereinbarte Bauzeitplan konnte deshalb nicht eingehalten werden, weil die Leistungen der Schuldnerin zum Teil von Vorarbeiten anderer Unternehmen abhingen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, zwischen der Schuldnerin und der beklagten Partei sei für die Installationsarbeiten ein Werkvertrag nach den §§ 1165ff ABGB geschlossen worden, für den Formfreiheit gelte. Weiche eine Vertragsurkunde vom vorher mündlich vereinbarten Vertrag ohne die erkennbare Absicht ab, den Vertrag zu ändern und werde unterzeichnet, bleibe die mündliche Vereinbarung aufrecht. Ein Novationswille der Parteien sei nicht zu erkennen, wenn der Werkunternehmer den Vertrag bloß unbeanstandet unterfertige, vor allem wenn bereits nach der mündlichen Vereinbarung mit der Ausführung des Werks begonnen habe werden müssen. Dabei treffe denjenigen, der eine vom Wortlaut des schriftlichen Vertrags abweichende Vereinbarung behaupte, die Beweislast. Nach dem festgestellten Sachverhalt habe der Geschäftsführer der Schuldnerin der beklagten Partei mündlich zu verstehen gegeben, dass er mit der Nebenbestimmung, Teilrechnungen können bis maximal 80% der gesamten Auftragssumme gelegt werden, nicht einverstanden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe daher jedenfalls ein offener Dissens zu einem Nebenpunkt vorgelegen. Ungeachtet dessen sei die entsprechende Klausel in die Vertragsurkunde aufgenommen bzw nicht mehr herausgestrichen und dann vom Geschäftsführer am 4. April 2023 mitunterzeichnet worden. Fraglich sei daher eine Heilung des Dissenses über den Nebenpunkt. Für den Geschäftsführer sei entscheidend gewesen, dass die Klausel entsprechend der mündlichen Vertragsverhandlung keine Gültigkeit habe. Dies habe er der Beklagten auch mitgeteilt und geschildert, dass er ohnehin nur Leistungen in den Teilrechnungen verrechnen werde, die auch tatsächlich erbracht würden. Schlussfolgernd habe er den Vertrag nur unterzeichnet, weil er sich auf die Handschlagqualität der beklagten Partei verlassen habe und sei er von der einvernehmlichen Ungültigkeit der Klausel trotz Aufscheinens in der Urkunde ausgegangen. Es sei ihm gerade nicht darauf angekommen, durch seine Unterschrift gerade eben jene 80% Klausel plötzlich zum Vertragsinhalt zu erheben, sondern er habe augenscheinlich die Unterfertigung vor dem Hintergrund der bereits begonnenen Arbeiten möglichst rasch abwickeln wollen. Er habe auf die Ungültigkeit der Klausel und die darauf folgende Fälligkeit der neunten und zehnten Teilrechnung vertrauen dürfen, nachdem nach Übermittlung der Teilrechnungen innerhalb der Prüffrist von der Beklagten keine Rückmeldung erstattet worden sei. Dieser von ihm erklärte Wille habe für einen redlichen Erklärungsempfänger bei Kenntnis der Umstände auch objektiv so verstanden werden müssen, zumal ausdrücklich mündlich darüber gesprochen worden sei, die Vorbehalte bekannt gewesen seien und der Geschäftsführer im Vertrauen auf die Ungültigkeit der Klauseln die neunte und zehnte Teilrechnung gelegt habe. Gerade im Baugewerbe entspreche es der Verkehrssitte, dass mündliche Nebenabreden getroffen würden und nicht jedes Detail oder jede Änderung, wenn auch geboten, schriftlich festgehalten werde. Aus der Nichtkenntnis der beklagten Partei über die fehlende Willensübereinstimmung resultiere ein versteckter Dissens über Nebenpunkte. Unter Heranziehung des hypothetischen Parteiwillens könne davon ausgegangen werden, dass der Vertrag von beiden Seiten auch ohne 80% Klausel geschlossen worden wäre. So ergebe sich für die Beklagte bei Nichtbestehen der Klausel kein nennenswerter Nachteil, weil den Teilrechnungen immer nur bereits erbrachte Leistungen zugrunde gelegt worden seien. Aus der Nichtigkeit der Klausel folge unter Berücksichtigung des hypothekarischen Parteiwillens die Restgültigkeit des Werkvertrags gemäß § 878 Satz 2 ABGB. Durch ergänzende Vertragsauslegung sei der Geschäftsführer berechtigt gewesen, für bereits erbrachte Leistungen Teilrechnungen auch über 80% der Auftragssumme monatlich zu legen. Die in der neunten und zehnten Teilrechnung ausgewiesenen Beträge in Höhe von EUR 81.688,56, gegen die innerhalb der vereinbarten Prüffrist keine Einwendungen erhoben worden seien, seien daher spätestens nach Ablauf der Prüffrist am 13. Oktober 2023 bzw am 13. November 2023 fällig geworden.

Zu den Gegenforderungen führte es aus, bis zur Einstellung ihrer Arbeiten habe sich die Schuldnerin nicht in Verzug befunden; zu diesem Zeitpunkt habe die beklagte Partei aber bereits ihre Zahlungsunfähigkeit gekannt, weshalb mit einer danach entstandenen Pönaleforderung nach § 20 Abs 1 Satz 2 IO nicht aufgerechnet werden könne. Ein Schaden aus dem Vertragsrücktritt des Insolvenzverwalters iSd § 21 Abs 2 Satz 3 IO sei der beklagten nicht entstanden, weil sich aus dem behaupteten Deckungsgeschäft keine Mehrkosten, sondern eine Ersparnis ergäben, weil auch die noch offenen beiden Teilrechnungen zu berücksichtigen seien. Eine Aufrechnung gegen das Klagebegehren sei im Ergebnis unzulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem auf Klageabweisung gerichteten Abänderungsund einem hilfsweise gestellten Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Die klagende Partei strebt mit der Berufungsbeantwortung die Bestätigung des Ersturteils an.

Die Berufung ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Tatsachen- und Beweisrüge richtet sich gegen mehrere Feststellungen, deren Relevanz für die Beurteilung der Kompensandoeinwendung begründet wird. Darüber hinaus bekämpft sie auch die oben kursiv dargestellten Feststellungen zur Vertragsklausel, nach der Teilrechnungen nur bis maximal 80% der Auftragssumme gelegt werden dürften. Auch darauf ist allerdings nicht näher einzugehen, weil bereits über die Rechtsrüge anhand der Urteilsfeststellungen die Klage abzuweisen ist, weshalb über die Gegenforderung gar nicht abzusprechen ist.

Die Rechtsrüge weist im Ergebnis zutreffend darauf hin, dass aus den Urteilsfeststellungen kein verdeckter Dissens abgeleitet werden kann und für die Auslegung von Willenserklärungen der objektive Erklärungswert sowie der Empfängerhorizont maßgeblich sind. Zuvor ist aber festzuhalten, dass es sich bei den bekämpften Feststellungen um überschießende handelt, weil die klagende Partei lediglich die Sittenwidrigkeit der Klauseln, nicht aber vom Vertragstext abweichende (übereinstimmende) Willenserklärungen behauptete (ON 35.3, S.3f). Inwieweit eine Klausel, die dem Werkunternehmer – zu seinen Gunsten abweichend von § 1170 ABGB – die Möglichkeit monatlicher Teilrechnung „nur“ bis zu 80% der Auftragssumme einräumt, den Werkunternehmer gröblich benachteiligen könnte oder zu einer mit dem in der von der klagenden Partei angeführten Entscheidung 3 Ob 54/03t vergleichbaren Risiko führen könnte, ist nicht zu sehen. Die Möglichkeit der Teilrechnung bedeutet einen materiell eigenständigen Regelungsbereich gegenüber dem Zeitpunkt der Schlussrechnung (vgl. RIS Justiz RS0121187).

Die Überlegungen des Erstgerichts setzten vom schriftlichen Text abweichende übereinstimmende Willenserklärungen vor dessen Unterfertigung voraus. Solche sind den Feststellungen nicht zu entnehmen. Aus dem Umstand, dass bereits mit den Arbeiten begonnen worden war, auf gerade eine solche Einigung zu schließen, bliebe reine Spekulation. Unterfertigte (auch) der Geschäftsführer der Schuldnerin den schriftlichen Vertragstext, der auch die beanstandete Klausel enthält, so stimmen die Vertragserklärungen überein und es kommt (außerhalb eines hier zu Recht nicht geltend gemachten Irrtums) nicht darauf an, was sich der Geschäftsführer bei Unterfertigung dieser Vertragserklärung dachte und was er damit bezweckte. Nach den Feststellungen erklärte sich der Geschäftsführer der Schuldnerin zuvor zwar mündlich mit der Klausel nicht einverstanden und äußerte den Einwand, es würden ohnedies nur erbrachte Leistungen abgerechnet – eine Annahme dieses Vertragsanbotes durch die Beklagte ist aber nirgends zu erkennen. Vielmehr legte sie ihm dennoch Vertragsbestimmungen, die die beanstandete Klausel enthielten, zur Unterfertigung vor - und der Geschäftsführer der Schuldnerin unterfertigte sie dann auch. Ohne weitere Sachverhaltselemente ist dieses Verhalten des Geschäftsführers für einen objektiven Empfänger seiner Vertragserklärung redlicherweise so zu verstehen, dass er sich dennoch den im Vertrag genannten Klauseln unterwarf, wenn er auch zuvor Bedenken geäußert hatte. Der Inhalt einer Urkunde wird durch deren Unterfertigung zum Inhalt der Willenserklärung des Unterfertigenden, wenn der andere Teil aus den Umständen nicht etwas anderes entnehmen musste; liegt objektiv eine Willenserklärung vor und vertraut der Empfänger auf diese, schadet fehlendes Erklärungsbewusstsein des Erklärenden nicht und die Erklärung ist wirksam (RIS Justiz RS0014160 [T34; T39].

Eine Rechnung bildet keinen Anspruchsgrund. War die Schuldnerin, weil 80% der Auftragssumme damit überschritten würden, zur weiteren Teilabrechnung vertraglich nicht berechtigt, so kann im Unterbleiben einer Reaktion auf die (unzulässigen) Teilrechnungen ohnehin kein Anerkenntnis erblickt werden, schon weil die Schuldnerin nicht darauf vertrauen durfte, dass die beklagte Partei durch Untätigkeit auf unzulässige Teilrechnungen ihr Einverständnis damit zum Ausdruck bringen hätte wollen.

Damit bleibt zu prüfen, ob sie den nun als Eventualbegehren formulierten Klagebetrag aus der Schlussrechnung zu fordern berechtigt ist. Auch das ist nach dem Prozessvorbringen der klagenden Partei und den Feststellungen zu verneinen. Sie behauptete zur Schlussrechnung nur, sie habe ihre Arbeiten abgeschlossen und Schlussrechnung gelegt, der die Beklagte nicht widersprochen habe. Ausdrücklich bestritt sie auch, den Vertragsrücktritt nach § 21 Abs 1 IO erklärt zu haben, und brachte vor, davon ausgegangen zu sein, den Werkvertrag voll erfüllt zu haben. Nach den Feststellungen beendete sie ihre Arbeiten etwa eine Woche vor der Insolvenzeröffnung, aber noch bevor sie den Werkvertrag erfüllt hatte. Dass im Unterbleiben einer Reaktion an den Insolvenzverwalter ein Anerkenntnis zu sehen sein könnte, wurde weder behauptet noch ließe sich ein solches erkennen, war doch der Werkvertrag noch nicht erfüllt und hatte der Insolvenzverwalter auch die Zahlung der neunten und zehnten Teilrechnung gefordert, die gegenüber der „Schlussrechnung“ eine deutliche Überzahlung bedeutet hätte.

Der Beweis, ihre Arbeiten fertiggestellt zu haben und deshalb berechtigt Schlussrechnung gelegt zu haben, gelang der klagenden Partei nicht. Welcher andere Grund sie zur Abrechnung berechtigt oder ihr sonst den Zahlungsanspruch vermittelt hätte, führte sie nicht aus. Ein Bereicherungsanspruch wurde ebenso wie ein Rücktritt durch den Insolvenzverwalter nach § 21 Abs 1 IO gerade nicht behauptet. Auch die Berufung auf die Schlussrechnung führt nicht zum Erfolg. Auf Gegenforderungen ist damit nicht weiter einzugehen, weshalb auch die übrigen Berufungsargumente unbeachtet zu bleiben haben.

Die Abänderung zieht eine geänderte Kostenentscheidung erster Instanz nach sich, die auf § 41 ZPO beruht. Die Einwendungen der klagenden Partei gegen das Kostenverzeichnis der Beklagten erweisen sich als überwiegend berechtigt: Weder die Äußerung vom 13.5.2024, noch der Schriftsatz vom 20.2.2025 waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (im Hauptverfahren) notwendig – die Kosten der Äußerung betreffen ohnehin nur das Zwischenverfahren zur Kostenbestimmung im Widerspruchsverfahren; der Inhalt des Schriftsatzes hätte bei entsprechender Prozessvorbereitung spätestens in der Tagsatzung vom 6.2.2025 vorgetragen und die Urkunden dort vorgelegt werden können. Der Fristerstreckungsantrag vom 16.7.2024 ist als allein aus der Sphäre der Beklagten begründet nicht zu honorieren. Hingegen sind der Beklagten die Kosten des Widerspruchs gegen das Versäumungsurteil im Gerichtshofverfahren wegen dessen Klagebeantwortungsfunktion dann zuzusprechen, wenn sie obsiegt (vgl Rechberger/Klicka 5 §397a Rz 9).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet auf den §§ 50, 41 ZPO.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung nicht zu lösen waren.

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