10Bs162/25g – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 13. Februar 2025, Hv*-46, nach der in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag. Breier, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Mair durchgeführten Berufungsverhandlung am 18. August 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und nach Aufhebung der Anordnung von Bewährungshilfe und der erteilten Weisung sowie Ausschaltung des § 43a Abs 3 StGB und Anwendung des § 43a Abs 2 StGB eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je EUR 8,00, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie eine gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten verhängt.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* jeweils eines Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (A), der kriminiellen Organisation nach § 278a zweiter Fall StGB (B) und der Terrorismusfinanzierung nach § 278d Abs 1a Z 2 StGB (C) sowie des Vergehens der Beweismittelunterdrückung nach § 295 StGB (D) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von vierundzwanzig Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von achtzehn Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen. Mit gesondert ausgefertigtem Beschluss (ON 46) wurde ferner Bewährungshilfe angeordnet und dem Angeklagten die Weisung erteilt, eine Beratung beim Verein DERAD (Deradikalisierung und Prävention) in Anspruch zu nehmen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 2. Juli 2025, 13 Os 52/25h-4, zurückgewiesen.
Nach dem somit rechtskräftigen Schuldspruch hat A* am 8. Mai 2023 in
** Vermögenswerte für „IS-Kämpfer“ (US 14), somit ein Mitglied einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), von der er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass sie darauf ausgerichtet war, Handlungen nach § 278d Abs 1 StGB zu begehen, bereitgestellt und sich dadurch an einer
(A) terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB) und zugleich
(B) kriminellen Organisation (§ 278a StGB), und zwar der im angefochtenen Urteil näher beschriebenen „Terrororganisation IS Islamic State“, als Mitglied, und zwar an deren Aktivitäten in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) beteiligt, dass er dadurch diese Vereinigung oder deren strafbare Handlungen förderte (§ 278 Abs 3 zweiter und dritter Fall StGB), indem er EUR 100,00 als Spende auf ein Girokonto überwies; sowie
(D) am 6. Juli 2023 in ** ein Beweismittel, das zur Verwendung in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung, nämlich im gegen A* wegen §§ 278b Abs 2 ua StGB (zu St*) geführten Ermittlungserfahren der Staatsanwaltschaft Steyr, bestimmt war und dessen Sicherstellung angeordnet wurde und über das er nicht mehr verfügen durfte, nämlich das I-Phone 12 Pro des A*, durch Rücksetzung auf Werkseinstellung mit dem Vorsatz beschädigt, zu verhindern, dass es als Beweismittel im Verfahren gebraucht werde.
Bei der Strafzumessung wogen der bisher untadelige Lebenswandel, die hinsichtlich der Beweismittelunterdrückung geständige Verantwortung und das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren mildernd; erschwerend hingegen das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit einem Vergehen.
Mit seiner Berufung wegen Strafe strebt der Angeklagte eine Strafmäßigung sowie die Gewährung einer gänzlich bedingten Strafnachsicht an. Die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende Beschwerde gegen die Anordnung von Bewährungshilfe und die erteilte Weisung wurde in der Berufungsverhandlung zurückgezogen.
Die Berufung ist zum Teil berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Schuldaggravierend ist zunächst der Umstand zu ergänzen, dass das Vergehen der Beweismittelunterdrückung während einem bereits gegen den Angeklagten behängenden Verfahren begangen wurde (vgl RIS-Justiz RS0090597). Zwar setzt die Unterdrückung eines Beweismittels die Anhängigkeit eines Ermittlungsverfahrens grundsätzlich voraus, doch kann ein solches auch gegen eine dritte Person geführt werden. Zu einer Doppelverwertung dieses Umstands kommt es daher nicht.
Der Zeitraum zwischen Tatzeit und Urteilszeitpunkt erreicht nicht die Rückfallverjährungsfrist von fünf Jahren, respektive den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 18 StGB (vgl RIS-Justiz RS0091643 ua). Dennoch kann nicht gänzlich außer Acht gelassen werden, dass die Taten bereits mehr als zwei Jahre zurückliegen.
Das Berufungsvorbringen, wonach durch die gegenständliche Spende lediglich Kinder, nicht aber „der IS“ unterstützt worden sei, orientiert sich nicht am festgestellten Sachverhalt. Nichts desto trotz entspricht die Einzahlung von EUR 100,00 gemessen an der Ausformung der Terrororganisation „Islamic State (IS)“ [US 6 ff] einer doch untergeordneten Beteiligung.
Das vom Erstgericht ausgemittelte Strafmaß beträgt ein Fünftel des nach § 278b Abs 2 StGB zur Verfügung stehenden Strafrahmens von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Es erweist sich unter den dargelegten Strafzumessungserwägungen – auch unter Berücksichtigung, dass die drei Verbrechen (neben einem Vergehen) idealkonkurrierend aufeinander treffen – als tat- und schuldangemessen, sohin keiner Reduktion zugänglich.
Eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer ist dem in der Berufungsverhandlung erstatteten Vorbringen zuwider mit Blick auf die Komplexität des Vorwurfs und die damit verbundenen Ermittlungen nicht gegeben; konkrete Phasen behördlicher Inaktivität wurden ebenfalls nicht aufgezeigt.
Unter Präventionsaspekten kann eine gänzlich bedingte Strafnachsicht nicht in Betracht gezogen werden. Zum einen wurde der Angeklagte während eines bereits behängenden Strafverfahrens neuerlich straffällig, zum anderen wohnt dem strafsatzbestimmenden Deliktsbereich ein hoher Präventionsgedanke inne. So zielen generalpräventive Überlegungen nicht nur auf eine Abschreckung potentieller Täter (negative Generalprävention), sondern auch auf eine Stärkung des Vertrauens der rechtsverbundenen Bevölkerung in die schützende Funktion der Strafrechtspflege ab und sollen eine Bagatellisierung derartiger Taten vermeiden (positive Generalprävention [vgl Jerabek/Ropper in WK 2 StGB § 43 Rz 18]).
Vor diesem Hintergrund bedarf es der Verhängung eines unbedingten Teils der Strafe. Da der Angeklagte jedoch bislang unbescholten ist, sich erstmals einem Strafverfahren (inklusive einem Rechtsmittelverfahren) stellen musste und die Taten über zwei Jahre zurückliegen, ohne dass der Angeklagte weiter delinquierte, kann im vorliegenden Fall von der Strafenkombination des § 43a Abs 2 StGB Gebrauch gemacht werden, um sowohl den spezial- als auch den generalpräventiven Erfordernissen Rechnung zu tragen.
Es war daher über den Angeklagten neben einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten eine Geldstrafe von 360 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe (§ 19 Abs 3 StGB), zu verhängen. Die Höhe des Tagessatzes von EUR 8,00 entspricht den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten, der aktuell über ein Einkommen von rund EUR 1.400,00 netto monatlich (14x jährlich) verfügt und keine Sorgepflichten hat.
Die mit der Strafneubessung durch das Berufungsgericht verbundene Beseitigung des erstgerichtlichen Strafausspruchs entzieht dem von der Rechtskraft des Urteils abhängigen „bedingten“ Beschluss auf Anordnung der Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung die Grundlage (vgl RIS-Justiz RS0101897, RS0101886). Die Entscheidung über eine allfällige neuerliche Anordnung solcher flankierender Maßnahmen obliegt dem Erstgericht (vgl RIS-Justiz RS0086098).