JudikaturOLG Linz

10Bs141/25v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
18. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über die Berufung der Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 4. Februar 2025, Hv*-39, nach der in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag. Breier, des Betroffenen und seiner Verteidigerin Mag. Walzl durchgeführten Berufungsverhandlung am 18. August 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des am ** geborenen A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum angeordnet.

Demnach hat er sich in ** unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, wegen der er im Zeitpunkt der Taten zurechnungsunfähig war (§ 11 StGB), nämlich einer paranoiden Schizophrenie, unbare Zahlungsmittel, über die er nicht oder nicht alleine verfügen durfte, mit dem Vorsatz verschafft, dass er oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, und zwar

1./ zwischen 12. und 15. Juni 2024 die Bankomatkarte des B* und

2./ am 13. oder 14. Juli 2024 die Bankomatkarte der C*,

somit Taten begangen, die als Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind.

Mit seiner Berufung strebt der Betroffene – nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 4. Juni 2025 (15 Os 34/25a-4) – die Abweisung des Unterbringungsantrags der Staatsanwaltschaft beziehungsweise ein vorläufiges Absehen vom Vollzug der strafrechtlichen Unterbringung an (ON 43).

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zum Einweisungserkenntnis ist auszuführen, dass die strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum unter anderem die in den Ermessensbereich des Gerichts fallende und demnach mit Berufung bekämpfbare (vgl RIS-Justiz RS0118581) Befürchtung voraussetzt, der Rechtsbrecher werde mit Blick auf seine Person und seinen Zustand sowie die Art der Anlasstat mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störung eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen.

Mit der Art der Tat stellt das Gesetz nicht auf eine bestimmte (normative) Kategorie mit Strafe bedrohter Handlungen, sondern auf das historische Ereignis ab. Daher sind ungeachtet ihrer tatbildmäßigen Vertypung alle näheren Umstände des Geschehens in die Beurteilung einzubeziehen ( Haselwanter , WK 2 StGB § 21 Rz 25).

Vorliegend hat der wegen Vermögensdelikten vorbestrafte Berufungswerber in zwei Fällen an allgemein zugänglichen Plätzen verlorene bzw zurückgelassene unbare Zahlungsmittel an sich genommen, um sich durch deren Verwendung unrechtmäßig zu bereichern. Es war dabei lediglich den Umständen des Einzelfalls zu verdanken, dass er diese Taten von Dritten unbemerkt begehen konnte, ohne dass es zu einem Aufeinandertreffen mit den Berechtigten oder anderen Personen gekommen ist. Aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen der psychiatrisch-neurologischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung (S 3 ff in ON 38) ergibt sich, dass er bei der Tatbegehung jeweils unter dem Einfluss der bei ihm diagnostizierten paranoiden Schizophrenie gehandelt hat. Diese psychische Erkrankung hat konkret zur Folge, dass Wahnideen auftreten, das Denken des Betroffenen zerfahren und sein Affekt gesteigert ist. Es kommt zu einer Realitätsverkennung, die mit anderen Personen zu Konflikten führt, zumal er sein Handeln unter diesen Umständen für gerechtfertigt erachtet. Der Gefahrenbereich kann diesbezüglich nicht eingegrenzt werden, sondern bezieht der Betroffene auch ihm unbekannte Personen in sein krankheitsbedingtes Erleben ein, das sich unter anderem auf den Erhalt von 50 Mio Euro fokussiert. Kommt es zu Kontakten mit anderen Personen, ist er nicht in der Lage, die Realität zu erfassen und die allgemeine Situation zu berücksichtigen. Selbst im geschlossenen Setting kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit anderen Patienten, weil er – ähnlich den Anlasstaten - unbefugt Gegenstände an sich nahm, diese wegwarf oder beschädigte (insb S 6 f in ON 38). Unter diesen Umständen ist daher nicht nur nach seiner Person und seinem Zustand, wie schon vom Erstgericht näher dargestellt, sondern auch nach der Art der Taten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass er außerhalb des Maßnahmenvollzugs in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störung eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde. Dies insbesondere dann, sollte er beim Ansichbringen bzw der Wegnahme von Gegenständen betreten werden. Diesfalls stehen auch Angriffe mit waffenähnlichen Gegenständen, die zu (an sich) schweren Körperverletzungen führen, ernsthaft zu befürchten. Mangels entsprechender Krankheits- und Behandlungseinsicht und dem krankheitsbedingt bestehenden Misstrauen gegenüber seinen Mitmenschen, ist extramural mit einem umgehenden Absetzen der Medikamente und einer Verschlechterung des psychischen Zustands zu rechnen.

Die auf die sachverständigen Ausführungen gestützte Annahme der Erstrichter, wonach ob der bei A* bestehenden psychischen Erkrankung in absehbarer Zeit (anzunehmen wenige Wochen nach Absetzen der Medikamente) mit hoher Wahrscheinlichkeit schwere Körperverletzungen anderer zu befürchten stehen, ist daher nicht zu beanstanden.

Gemäß § 157a Abs 1 StVG ist vom Vollzug der strafrechtlichen Unterbringung vorläufig abzusehen, wenn und solange der Betroffene außerhalb eines forensisch-therapeutischen Zentrums behandelt und betreut werden kann und so sowie durch allfällig weitere Maßnahmen der Gefahr, der die strafrechtliche Unterbringung entgegenwirken soll (§ 21 StGB), begegnet werden kann. Dabei sind insbesondere die Person des Betroffenen, sein Vorleben, Art und Schwere der Anlasstat, der Gesundheitszustand des Betroffenen und die daraus resultierende Gefährlichkeit, der bisher erzielte Behandlungserfolg sowie die Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer angemessenen Betreuung und die Aussichten auf das redliche Fortkommen zu berücksichtigen.

Die vom Berufungsgericht eingeholte Stellungnahme der forensischen Abteilung der Justizanstalt ** vom 29. Juli 2025 ergibt, dass beim Berufungswerber nach wie vor keine fundierte Deliktseinsicht gegeben ist und er sein Verhalten mit Blick auf die inkriminierten Taten für gerechtfertigt erachtet. Eine Deliktsbearbeitung war bis dato nicht möglich. Ein Verständnis für den Zusammenhang Delikt-Krankheit-Therapie ist nicht gegeben, wenngleich eine Medikamenteneinnahme im geschlossenen Setting mittlerweile verlässlich erfolgt. Im Falle einer Depotakzeptanz sind bereits Lockerungsschritte angedacht, um die Paktfähigkeit und Stabilität des Berufungswerbers bei reduzierten Interventionsmöglichkeiten zu erproben.

Bedenkt man, dass die beim Berufungswerber bestehende paranoide Schizophrenie über Jahre hinweg unbehandelt geblieben ist, erweist sich diese Einschätzung als nachvollziehbar und vermag der bloße Umstand, dass zwischenzeitlich ein Pensionsantrag gestellt wurde, dem nichts entgegenzusetzen.

Die Berufung musste daher erfolglos bleiben.

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