JudikaturOLG Linz

10Bs152/25m – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Einzelrichterin Mag. Höpfl in der Strafsache gegen A* B* wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels vom 11. Juni 2025, Hv*-47, entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird dahin Folge gegeben, dass der Beitrag des Bundes zu den Kosten der Verteidigung des A* B* mit EUR 12.000,00 bestimmt wird.

Text

Begründung:

A* B* wurde mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 3. Dezember 2024 zu Hv* von den wider ihn erhobenen Vorwürfen, er habe den Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB zu unterstellende Handlungen gesetzt, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (ON 43). Das Urteil ist rechtskräftig.

Mit Eingabe vom 5. Juni 2025 beantragte der Freigesprochene im Wege seines Verteidigers – unter Anschluss eines Kostenverzeichnisses über insgesamt EUR 64.825,92 (darin enthalten 50% Erfolgszuschlag, Barauslagen und USt) sowie einer Leistungsaufstellung – einen Beitrag zu den Kosten seiner Verteidigung gemäß § 393a StPO in Höhe von EUR 30.000,00 zuzüglich EUR 279,12 Barauslagen (ON 46).

Das Erstgericht setzte mit dem angefochtenen Beschluss den Verteidigungskostenbeitrag mit EUR 5.000,00 fest; ein Zuspruch von Barauslagen erfolgte nicht (ON 47).

Der dagegen von A* B* fristgerecht erhobenen Beschwerde (ON 48) kommt im spruchgemäßen Ausmaß Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Wird ein im Offizialverfahren Angeklagter freigesprochen, so hat ihm der Bund auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Angeklagten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Angeklagte bedient hat. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang des Verfahrens, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen und darf im Verfahren vor dem Schöffengericht - vorbehaltlich der in den § 221 Abs 4 und 285 Abs 2 StPO genannten Fälle - EUR 30.0000,00 nicht übersteigen (§ 393a Abs 1 und Abs 2 Z 1 StPO).

Mit dieser seit 1. August 2024 geltenden Bestimmung (BGBl I 2024/96) sollen die Kriterien für die Bemessung des konkreten Pauschalkostenbeitrags mit dem Ziel deutlicher Anhebung neu gestaltet werden; grundsätzlich wird aber weiterhin an der Bemessung des Kostenbeitrags in Form von Pauschalkostenbeiträgen festgehalten (EBRV 2557 BlgNR XXVII. GP 6). Die vor der Novellierung des Systems des Verteidigerkostenbeitrags entwickelte Judikatur, die bei ganz einfachen Verteidigungsfällen den Einstieg bei nur etwa 10% des jeweiligen Höchstbetrags fand, lehnt der Gesetzgeber nunmehr nunmehr explizit ab (vgl EBRV 2557 BlgNR XXVII. GP 8).

Ausschlaggebend sind insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen bzw den Verfahrenshandlungen, die Dauer des Verfahrens, die Anzahl an Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalts, der in seiner gesamten Bandbreite von ganz einfachen Fällen bis hin zu aufwendigen Strafverfahren (z.B. Wirtschaftsstrafsachen mit Firmenverflechtungen) variieren kann. Beim Kriterium des Umfangs des Verfahrens sind sowohl Ermittlungs- und Hauptverfahren als auch ein allfälliges Rechtsmittelverfahren zu berücksichtigen. Es ist somit auf den Verfahrensaufwand im gesamten Strafverfahren abzustellen. Insgesamt soll durch die Neuregelung zum Ausdruck kommen, dass der Umfang des Verfahrens alleine nicht ausschlaggebend ist, sondern auch dessen Komplexität in der Beurteilung entsprechend zu berücksichtigen sein soll. Je nach Umfang der Ermittlungen und Verfahrenshandlungen sowie Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen kann sich der Betrag dem im Gesetz vorgesehenen Höchstmaß annähern bzw sich von diesem weiter entfernen. Unter Heranziehung der Ansätze nach den AHK (Allgemeine Honorar-Kriterien) – unter Berücksichtigung des Einheitssatzes, jedoch ohne Erfolgs- oder Erschwerniszuschläge – werden hiefür nach den Gesetzesmaterialien durchschnittliche Verteidigungskosten in einem „Standardverfahren“ vor dem Schöffengericht mit EUR 15.000,00 veranschlagt. Ein solches Standardverfahren vor dem Schöffengericht umfasst demnach an Verteidigungsaufwand die Vertretung im Ermittlungsverfahren (Besprechung mit dem Mandanten/der Mandantin, Vollmachtsbekanntgabe bzw Antrag auf Akteneinsicht, Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit und Teilnahme an einer zweistündigen Vernehmung), die Teilnahme an einer Hauptverhandlung in der Dauer von acht Stunden und die Einbringung eines prozessrelevanten Schriftsatzes sowie die Teilnahme an einer Rechtsmittelverhandlung in der Dauer von zwei Stunden (vgl EBRV 2557 BlgNR XXVII.GP 5 und 8).

Fallkonkret wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe

I./ vorsätzlich – außer dem Fall des § 206 StGB- eine geschlechtliche Handlung an seiner unmündigen Stieftochter C* vorgenommen, und zwar

1./ im September 2023 und 2./ im Oktober 2023 dadurch, dass er jeweils intensiv ihre nackte Scheide berührte bzw. streichelte sowie

2./ im November 2023 dadurch, dass er mit seiner Zunge an ihrer nackten Scheide leckte; und

II./ hiedurch vorsätzlich mit seiner unmündigen Stieftochter jeweils geschlechtliche Handlungen vorgenommen, um sich geschlechtlich zu erregen bzw zu befriedigen (ON 17).

Es galt sohin die Tatfrage zu klären, wobei die Vorwürfe per se auf den belastenden Angaben der C* gründeten. Schwierige Rechtsfragen galt es nicht zu lösen.

Die im Ermittlungsverfahren veranschlagten Verteidigungsleistungen wurden im Ergebnis erbracht, wobei ferner die Teilnahme an zwei kontradiktorischen Einvernahmen aktenkundig ist. Dies am 27. Mai 2024 hinsichtlich der unter Beiziehung einer Dolmetscherin durchgeführten Zeugeneinvernahme der D* B* von 8.30 Uhr bis 13.05 Uhr (inklusive einer im Protokoll zeitlich nicht konkretisierten „kurzen Pause“ [S 46 in ON 14]) sowie jener der C* von 13.05 Uhr bis 15.06 Uhr (ON 13).

Es fanden zwei Hauptverhandlungen statt, wobei in jener vom 15. Oktober 2024 neben dem Angeklagten neun Zeugen einvernommen wurden. Die Verhandlung dauerte von 9.00 Uhr bis 12.02 Uhr (ON 40). Jene vom 3. Dezember 2024 dauerte – inklusive dem Protokollsvermerk nicht zu entnehmender Beratungszeit - von 9.00 Uhr bis 12.31 Uhr (ON 43). Der vom Verteidiger eingebrachte Beweisantrag auf Einholung eines aussagepsychologischen Sachverständigen-Gutachtens erfolgte am 2. Dezember 2024 (ON 42), somit am Tag vor der Hauptverhandlung und kann zu deren Vorbereitung nicht als zweckmäßig angesehen werden. Ein Rechtsmittelverfahren gab es nicht.

Das Strafverfahren wurde allein gegen den Beschwerdeführer geführt. Die Anzeigenerstattung erfolgte am 15. Jänner 2024 (S 2 in ON 2.2), sodass das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung am 3. Dezember 2024 knapp elf Monate behing. Die inhaltlich wesentlichen Aktenbestandteile sind (neben den Hauptverhandlungsprotokollen) der Polizeibericht ON 2 sowie die kontradiktorischen Einvernahmen ON 13 und 14. Darüber hinaus finden sich eine Vielzahl von die Zustellung von Ladungen bzw die Teilnahme an der Hauptverhandlung betreffende Aktenstücke (vgl ua ON 19, 20, 22 bis 29; ON 31 bis 37). Zur Sache selbst erweist sich der Aktenumfang daher als unterdurchschnittlich.

Bei einer nach oben angeführten Kriterien vorzunehmenden Gesamtbetrachtung – die sich nicht nur an den vom Verteidiger vorgenommenen und zweckmäßigen Verfahrenshandlungen, sondern auch am Verfahrensgegenstand und -umfang orientiert, ist fallkonkret – für ein Schöffenverfahren – von keinem komplexen und doch unterdurchschnittlichen Verfahren auszugehen.

Nichts desto trotz ist in Anlehnung an die dargestellten Kriterien zur Bemessung – und die ausdrückliche Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung durch den Gesetzgeber - der Beitrag zu den Verteidigerkosten unter den dargestellten Prämissen auf EUR 12.000,00 anzuheben.

Die in der Leistungsaufstellung als USt-pflichtige Barauslagen angeführten ERV-Gebühren sind gemäß § 23a RATG Teil des Honoraranspruchs und daher vom Verteidigerkostenbeitrag umfasst. Die ausgeworfenen Kopierkosten in Höhe von EUR 157,00 wurden weder belegt, noch steht ein Ersatz für diese – augenscheinlich nicht an Dritte geleistete - Ausgaben zu (vgl RIS-Justiz RS0122433). Ebensowenig steht für eine elektronische Akteneinsicht im Sinne des Studiums eigener Akten (vgl RIS-Justiz RS0072850) und für den Kostenbestimmungsantrag selbst ( vgl Lendl, WK StPO § 393a Rz 23; vgl auch § 395 Abs 2 zweiter Satz StPO) ein Honoraranspruch zu.

Zu den erstmals in der Beschwerde für die Einholung eines Sachverständigengutachtens geltend gemachten Barauslagen von EUR 2.400,00 ist festzuhalten, dass ungeachtet des im Beschwerdeverfahren fehlenden Neuerungsverbots (sohin die Zulässigkeit, das Beschwerdevorbringen zu ergänzen), der Beschwerdegegenstand selbst auf den in Beschwerde gezogenen Pauschalkostenbeitrag und den unterbliebenen Zuspruch der mit Antrag vom 5. Juni 2025 angesprochenen Barauslagen – als Gegenstand, der dem angefochtenen Beschluss zu Grunde lag - beschränkt ist (vgl RIS-Justiz RS0131252; Tipold, WK StPO § 89 Rz 8).

Fahrtkosten wurden weder im ursprünglichen Antrag noch in der Beschwerde betragsmäßig angesprochen und stellen im Übrigen keine Barauslagen, sondern einen Teil des Honoraranspruchs des Verteidigers dar, der nur im Rahmen des Pauschalkostenbeitrags abgegolten werden kann (vgl hiezu Lendl , WK StPO § 393a Rz 5).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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