7Bs111/25k – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Hemetsberger als Vorsitzende, Dr. Engljähringer und den Richter Mag. Grosser in der Strafvollzugssache des A* wegen bedingter Entlassung über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 15. Mai 2025, BE1*-11, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass A* gemäß § 46 Abs 1 StGB aus der über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. Jänner 2024 zu Hv* verhängten 33-monatigen Freiheitsstrafe am 28. August 2025 (bei einem Strafrest von neun Monaten) bedingt entlassen wird.
Gemäß § 48 Abs 1 StGB wird die Probezeit mit drei Jahren bestimmt.
Gemäß §§ 50, 52 StGB wird für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.
Text
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene A* verbüßt derzeit eine mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. Jänner 2024, Hv*-50.2, wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über ihn verhängte 33-monatige Freiheitsstrafe, zuletzt im forensisch-therapeutischen Zentrum B* und seit 15. Juli 2025 in der Justizanstalt C*.
Dem liegt zu Grunde, dass er in ** und andernorts zwischen 18. Juni 2021 und 24. Juli 2023 in 69 Fällen als Mitglied einer kriminellen Vereinigung teils gewerbsmäßig und in Bezug auf zumindest drei Fremde durch im Urteil näher beschriebene Ausführungshandlungen die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz gefördert hat, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern.
Das voraussichtliche Strafende fällt auf den 28. Mai 2026. Die Hälfte der Strafzeit war am 12. Jänner 2025 vollzogen, Zwei-Drittel-Stichtag war der 28. Juni 2025 (ON 3, 2).
Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Erstgericht die bedingte Entlassung nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafzeit aufgrund spezialpräventiver Bedenken ab.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 12), nicht näher ausgeführte Beschwerde des Strafgefangenen, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft nicht geäußert hat.
Sie ist teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Hat ein Verurteilter die Hälfte der im Urteil verhängten oder im Gnadenweg festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist ihm der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist er trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 46 Abs 1 und 2 StGB).
Während also bis zum Vollzug von zwei Dritteln der Strafzeit auch generalpräventive Bedürfnisse zu berücksichtigen sind, können danach allein Aspekte der Spezialprävention einer bedingten Entlassung (die nach dem Willen des Gesetzgebers zu diesem Zeitpunkt der Regelfall sein soll [vgl Jerabek/Ropper in WK-StGB² § 46 Rz 17]) entgegen stehen. Die dabei anzustellende Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit. Besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, inwieweit sich die Verhältnisse seit der Tat durch die Einwirkung des Vollzugs positiv geändert haben und ob allfällige negative Faktoren durch Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB ausgeglichen werden können ( Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 15/1).
In diesem Fall befindet sich der zuvor noch unbescholtene Beschwerdeführer im Erstvollzug (ON 2, 3; ON 6). In dem zu seiner Verurteilung führenden Verfahren gestand er die ihm zur Last gelegten Taten vollumfänglich zu (Seite 15 und 19 der Urteilsausfertigung). Er gibt sich nach wie vor reumütig und betont, aus seinen Fehlern gelernt zu haben (ON 4, 1). Nach dem Strafvollzug steht ihm wieder die Wohnmöglichkeit bei seiner langjährigen Lebensgefährtin in ** offen (ON 9; ON 2, 9 in BE2* des Landesgerichts Linz), wo er bereits während der Zeit des elektronisch überwachten Hausarrests (von 5. September 2024 bis 2. April 2025 [ON 2, 5 in BE2* des Landesgerichts Linz]) Unterkunft nehmen konnte (ON 4, 1). Außerdem hat er in Aussicht, seine von der D* GmbH vermittelte Arbeit wieder aufnehmen zu können (ON 9; ON 2, 9 in BE2* des Landesgerichts Linz).
Sein Vollzugsverhalten wurde (trotz mehrmaliger Verfehlungen betreffend Erreichbarkeit und Termineinhaltung im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrests bereits im Herbst 2024 [vgl ON 8, 2]) noch im März 2025 als der Hausordnung entsprechend bezeichnet (ON 2, 2; ON 5). Anlässlich einer Kontrolle in der von ihm bewohnten Unterkunft am 1. April 2025 ergaben sich zwar Hinweise auf einen unerlaubten Umgang mit Suchtgiften (vgl ON 8, 2), der schließlich aber nicht dem Beschwerdeführer zugerechnet werden konnte (erneut: ON 8, 2 f und ON 10, 2: negative Drogenharntests am 2. und am 3. April 2025). Er ist demgemäß auch weiterhin ohne Ordnungsstrafe (ON 10, 2; ON 2, 2 in BE2* des Landesgerichts Linz) und zuletzt wird seine Führung während der Anhaltung ausdrücklich als gut beschrieben (ON 2, 2 in BE2* des Landesgerichts Linz).
Zwar darf bei der Erstellung der Spezialprognose (an die freilich kein allzu strenger Maßstab zu legen ist [ Jerabek/Ropper aaO § 46 Rz 15]) die 69-fache Tatwiederholung über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren nicht außer Acht gelassen werden. Außerdem hat das Erstgericht zu Recht die Unzuverlässigkeiten des Beschwerdeführers im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrests, die im April 2025 im Widerruf dieser Vollzugsform gipfelten (§ 156c Abs 2 Z 2 StVG; ON 8), in seine Beurteilung miteinbezogen.
Andererseits aber wurden ihm die Konsequenzen seines Verhaltens gerade durch diese Entscheidung der Vollzugsbehörden und den daran anschließenden Normalvollzug seit 2. April 2025 bereits nachdrücklich vor Augen geführt. Der zunächst vermutete Suchtgiftkonsum ließ sich nicht belegen und sein Vollzugsverhalten ist (nunmehr wieder) untadelig. Dies weckt in Zusammenschau mit dem als gesichert zu bezeichnenden Entlassungsumfeld die Erwartung, dass er unter weiterer Berücksichtigung der (einer Empfehlung des Vereins E* [ON 9] folgend) begleitend anzuordnenden Bewährungshilfe durch eine bedingte Entlassung zum 28. August 2025, sohin nach einem Gesamtvollzug von zwei Jahren, zumindest gleich gut wie durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten werden kann.
Demnach ist der Beschwerde teilweise Folge zu geben und der erstgerichtliche Beschluss wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern. Die Bestimmung der Probezeit im gesetzlich höchstzulässigen Ausmaß (§ 48 Abs 1 erster Satz StGB) soll dabei die Hoffnung künftigen Wohlverhaltens möglichst nachhaltig absichern.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 erster Satz StVG, § 89 Abs 6 StPO).