JudikaturOLG Linz

7Bs110/25p – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
23. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Hemetsberger als Vorsitzende, die Richterin Dr. Engljähringer und den Richter Mag. Grosser im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des A* B* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts Salzburg (im Ermittlungsverfahren) vom 14. Juli 2025, HR*-15, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Über A* B*, geboren am **, wird die vorläufige Unterbringung gemäß § 431 Abs 1 iVm § 173 Abs 1 StPO wegen Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO fortgesetzt.

Die Wirksamkeit dieses Beschlusses ist durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt.

Text

BEGRÜNDUNG:

Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg behing zu St* ein Ermittlungsverfahren, in dem das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss (ON 15) die über A* B* am 29. Juni 2025 wegen des Haftgrundes der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr gemäß § 431 Abs 1 iVm § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a und d StPO angeordnete (ON 6.1) vorläufige Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Sonderzentrum nach Durchführung einer Haftverhandlung (ON 14) am 14. Juli 2025 aus dem nämlichen Haftgrund fortsetzte.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Betroffenen (ON 16.2), mit welcher er die Aufhebung der vorläufigen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum – allenfalls unter Anwendung gelinderter Mittel – anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

In der Zwischenzeit wurde seitens der Staatsanwaltschaft Salzburg am 22. Juli 2025 der Antrag auf Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 1 StGB eingebracht (ON 20).

Demnach habe A* B* am 28. Juni 2025 in C* unter dem maßgeblichen Einfluss einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, wegen der er zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig (§ 11 StGB) gewesen sei, eine Tat begangen, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, indem er seinen Vater D* B* durch das unvermittelte Versetzen eines Trittes gegen den Oberkörper, wodurch dieser zu Boden gefallen sei, und anschließend durch den Wurf einer Weinflasche gegen den Kopf des zwei Meter entfernten, am Boden liegenden D* B*, wodurch dieser eine blutende Rissquetschwunde am Hinterkopf erlitten habe, absichtlich eine an sich schwere Körperverletzung zuzufügen versucht.

Er habe dadurch eine Tat begangen, die als Verbrechen der absichtlich schweren Körperverletzung nach den §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist.

Der dringende Tatverdacht bezogen auf die oben dargestellte Anlasstat, der in der Beschwerde aber ohnehin nicht releviert wird, gründet sich in objektiver Hinsicht auf die vorliegenden Ermittlungsergebnisse des SPK C* zu ** (ON 2 und 3), insbesondere die Angaben der Zeugen E* (ON 2.9) und D* B* (ON 2.8). Nach den bisherigen Erkenntnissen ist kein triftiger Grund erkennbar, warum die Genannten den Betroffenen zu Unrecht belasten sollten. Die (leichte) Verletzung ist durch Lichtbilder (ON 2.7) und ärztliche Behandlungsunterlagen (ON 12.4) objektiviert. Da die Vollendung der absichtlichen schweren Körperverletzung den Eintritt einer schweren Körperverletzung im Sinn des § 84 Abs 1 StGB voraussetzt (RIS-Justiz RS0115024), blieb es hier verdachtslagekonform beim Versuch.

Der Betroffene gesteht die Tathandlungen zwar grundsätzlich zu, behauptet jedoch eine Notwehrsituation. Diese Rechtfertigung ist als Schutzbehauptung zu werten, schildert er selbst doch keinen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriff seines Vaters.

Zur Erfüllung des inneren Tatbestandes des § 87 Abs 1 StGB reicht die Absicht aus, (auch nur) einen der im § 84 Abs 1 StGB genannten Erfolge herbeizuführen (RIS-Justiz RS0116244). Die offensichtliche Heftigkeit der körperlichen Attacken in Form eines Trittes gegen den Oberkörper sowie das – nach eigener Aussage des Betroffenen – gezielte Werfen einer Weinflasche gegen die äußerst sensible Körperregion des Kopfes des am Boden liegenden Opfers indizieren (vgl RIS-Justiz RS0098671), dass es dem Betroffenen geradezu darauf ankam, dem Opfer eine schwere Körperverletzung iSd § 84 Abs 1 StGB, etwa in Form von erheblichen Kopfverletzungen, zuzufügen (vgl zur Bildung des Vorsatzes bei Schuldunfähigen 14 Os 17/24t; RIS-Justiz RS0088967, RS0095873; Lengauer/Nimmervoll in SbgK § 21 Rz 16 mwN; Reindl-Krauskopf in WK 2 StGB § 5 Rz 4 mzN). Gerade das gezielte Werfen einer Weinflasche gegen den Kopf des Opfers lässt auf eine solche Absichtlichkeit schließen (vgl OGH 11 Os 157/21d). Verstärkt wird die indizierte Absichtlichkeit zudem durch die Äußerungen des Betroffenen, man hätte bei Hausfriedensbruch freie Hand, was heiße, dass er ihn (gemeint: seinen Vater) sogar hätte umbringen können. Insgesamt lässt sich im gegenständlichen Fall daher die subjektive Seite im Sinne eines dringenden Tatverdachts aus dem objektiven Tatgeschehen ableiten.

Hinreichende Gründe für die Annahme der Voraussetzungen des § 11 StGB bzw des § 21 Abs 1 StGB (§ 431 Abs 1 erster Satz StPO) erschließen sich in Übereinstimmung mit dem Erstgericht, auf dessen Ausführungen hier verwiesen wird, aus bereits mehrfachen stationären Behandlungen in der F*, sowie Auskünften des Vaters und der Nachbarn, dass der Betroffene an einer unbehandelten Schizophrenie leide. Damit korrespondierend lässt sich den Krankenunterlagen der F* (ON 13) die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie entnehmen. Der Betroffene selbst spricht von einer Fehldiagnose der Ärzte in der F* und bezeichnet die festgestellte „psychoaffektive Störung“ und Schizophrenie als „Hellsicht“, die in der Wahrnehmung von Stimmen, Bildern und Videosequenzen zum Ausdruck komme, wodurch – wie mittlerweile von der Sachverständigen bestätigt – mangelnde Erkrankungs- und Behandlungseinsicht indiziert ist.

Nach dem mittlerweile erstatteten, nachvollziehbaren psychiatrischen Gutachten der Sachverständigen DDr. G* (ON 18.2) leidet der Betroffene zusammengefasst seit vielen Jahren an einer paranoiden Schizophrenie mit schwerem Verlauf. Zudem bestätigt das Sachverständigengutachten, dass zum hier inkriminierten Tatzeitpunkt das Denkvermögen, der Realitätsbezug, das Urteilsvermögen und die Impulskontrolle krankheitsbedingt so erheblich beeinträchtigt waren, dass der Betroffene nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und einsichtsgemäß zu handeln. Daher ist bei der hier anzustellenden Bewertung auch von den Voraussetzungen des § 11 StGB zum Tatzeitpunkt und damit Zurechnungsunfähigkeit auszugehen.

Da das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15 Abs 1, 87 Abs 1 StGB mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht, kommt es auch als Anlasstat iSd § 21 Abs 3 StGB in Frage.

Den Erkenntnissen der Sachverständigen folgend ist beim Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass er in absehbarer Zeit (innerhalb von wenigen Wochen) unter dem maßgeblichen Einfluss seiner schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung mit Strafe bedrohte Handlungen im Sinne des § 21 Abs 3 StGB mit schweren Folgen, konkret zumindest schwere Körperverletzungen iSd § 84 Abs 4 StGB, begehen werde, wobei hier nicht nur von einer erheblichen Gefahr insbesondere für D* B* sondern auch die Hausbewohner auszugehen ist.

Zur Frage der vom Betroffenen augenscheinlich angenommenen (Putativ)Notwehrsituation ist auszuführen, dass bei der Beurteilung der Anlasstat nach § 21 Abs 1 StGB ein auf den Zustand nach § 11 StGB zurückzuführender Tatirrtum im Sinne des § 8 StGB unbeachtlich wäre (RIS-Justiz RS0089263). Ein auf den Einfluss des die Zurechnungsfähigkeit des Betroffenen ausschließlichen abnormen Geisteszustandes rückführbarer Irrtum, der zu der Einbildung eines rechtfertigenden Sachverhalts – wie etwa einer Notwehrsituation – führt, muss bei Beurteilung der Anlasstat nach § 21 Abs 1 StGB außer Betracht bleiben. In solchen Fällen ergibt sich nämlich die Straflosigkeit hinsichtlich einer Anlasstat eben ausschließlich aus der zustandsbedingten Beeinflussung des Tatgeschehens im Sinne des § 21 Abs 1 StGB (RIS-Justiz RS0089282).

Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a StPO ist unverändert anzunehmen. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht ist aufgrund des aus seiner Erkrankung resultierenden erheblichen Aggressionspotentials gegenüber dem seiner Ansicht nach zu Unrecht die Liegenschaft betretenden D* B* und der Unberechenbarkeit des Betroffenen in Zusammenhang mit dem – auch im Sachverständigengutachten dargestellten – psychischen Zustandsbild in Form einer paranoiden Schizophrenie mit wiederholt akut-psychotischen Entgleisungen der Beschwerde zuwider zu befürchten, er werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Verfahrens neuerlich Taten gegen Leib und Leben anderer (vor allem zum Nachteil seines Vaters) mit schweren Folgen begehen. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass der Betroffene selbst zugesteht, keine andere Lösungsstrategie in diesem Konflikt zu sehen und vermeint, er dürfe seinen Vater verletzen oder sogar töten.

Bleibt lediglich der Vollständigkeit halber zum Haftgrund der Tatausführungsgefahr nach § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit d StPO anzumerken, dass dieser Haftgrund – hier interessierend – der Verhinderung einer konkreten Straftat dient, wobei der Versuch Gegenstand eben des Verfahrens ist, in dem der Haftgrund Anwendung findet (vgl Nimmervoll , Haftrecht 3 Z 754 mwN), wovon hier aber nicht auszugehen wäre.

Die vorläufige Unterbringung substituierende Alternativen – wie vom Betroffenen angestrebt – sind derzeit, insbesondere angesichts der offenkundig langjährigen Ablehnung einer konsequenten (medikamentösen) Behandlung sowie der fehlenden Krankheitseinsicht nicht in Sicht. Triftige Hinweise darauf, dass allein eine räumliche Trennung des Betroffenen von seinem Vater ausreichend wäre oder die Zwecke der Unterbringung durch die Anwendung sonstiger gelinderer Mittel erreicht werden könnten, liegen derzeit nicht vor. Nach dem psychiatrischen Sachverständigengutachten kann die Gefährlichkeit, die im unbehandelten Zustand von dem Betroffenen ausgeht, nur durch eine strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum hintangehalten werden kann.

Die Fortdauer der bisherigen, nicht einmal einmonatigen Anhaltung des Betroffenen steht zur Bedeutung der unter dem maßgeblichen Einfluss der psychischen Störung begangenen Tathandlungen nicht außer Verhältnis.

Mitteilung gemäß § 175 Abs 5 StPO:

Nach Einbringen der Anklage ist die Wirksamkeit eines Beschlusses auf Fortsetzung der vorläufigen Unterbringung durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt; Haftverhandlungen finden nach diesem Zeitpunkt nur statt, wenn der Betroffene seine Enthaftung beantragt und darüber nicht ohne Verzug in einer Hauptverhandlung entschieden werden kann (§ 175 Abs 5 StPO).

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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