JudikaturOLG Linz

10Bs157/25x – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
16. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende, Dr. Engljähringer und Mag. Höpfl in der Maßnahmenvollzugssache A* wegen bedingter Entlassung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 17. Juni 2025, **-8, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20. November 2020 zu Hv* wurde A* in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (nunmehr: forensisch-therapeutisches Zentrum) nach § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer undifferenzierten Schizophrenie (ICD-10: F20.3) samt emotional-instabiler Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.3), Hypersexualisierung (ICD-10: F52.7) und Traumafolgenstörung (ICD-10: F43.9) Taten begangen hat, die ihm, wäre er zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, als das Verbrechen der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zuzurechnen gewesen wären.

Konkret hat er in ** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht,

Die Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB wird seit 31. Mai 2022 im FTZ E* vollzogen.

Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Vollzugsgericht nach Einholung einer Stellungnahme des FTZ E* vom 22. März 2025 (ON 4) und Anhörung des Betroffenen am 17. Juni 2025 (ON 7) die Notwendigkeit der weiteren strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 1 StGB fest (ON 8).

Die dagegen unmittelbar nach Beschlussverkündung - sohin fristgerecht - angemeldete und auch schriftlich ausgeführte Beschwerde des Betroffenen ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Vorbeugende Maßnahmen sind gemäß § 25 Abs 1 StGB auf unbestimmte Zeit anzuordnen und so lange zu vollziehen, wie es ihr Zweck erfordert. Der Vollzug der Maßnahme dient dazu, dass sich die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegende Gefährlichkeit nicht realisiert, die Prognose sich demnach nicht erfüllt. Zu diesem Zweck wird der Rechtsbrecher angehalten und bei dieser Gelegenheit behandelt ( Ratz in WK 2 StGB § 47 Rz 6). Die bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme ist zu verfügen, wenn nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in der Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und nach seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen anzunehmen ist, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, nicht mehr besteht (§ 47 Abs 2 StGB).

Das Erstgericht hat in seiner Entscheidung den bisherigen Verfahrensablauf aktenkonform dargestellt, sodass auf die zutreffende Begründung dieses Beschlusses identifizierend verwiesen wird (RIS-Justiz RS0115236 [T1], RS0124017 [insb T2]). Es kam rechtsrichtig zum Schluss, dass die Notwendigkeit der weiteren strafrechtlichen Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gemäß § 21 Abs 1 StGB noch gegeben ist.

Dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Prim. Dr. F* vom 20. April 2024 zu BE* des Landesgerichts Steyr zufolge leidet A* weiterhin an einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung in Form einer Schizophrenie und Persönlichkeitsstörung. Eine Krankheits- und Therapieeinsicht sowie Compliance waren damals noch nicht ausreichend vorhanden. Es gab beim Untergebrachten keine nachhaltige und tiefere Einsicht in die Erkrankung und war daher davon auszugehen, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richtet, weiterhin besteht. Im Falle einer Entlassung erschien die Compliance des Untergebrachten als sehr unwahrscheinlich, sodass in absehbarer Zeit ein hohes Risiko eines Rückfalls bestand. Es war mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass der Untergebrachte in absehbarer Zukunft - höchstwahrscheinlich innerhalb von einigen Monaten bis maximal ein Jahr - neuerlich mit Strafe bedrohte Handlungen begehen wird, die schwere Folgen nach sich ziehen, wie auch schwere Körperverletzungen.

Nach der Stellungnahme des FTZ E* (ON 4), ergänzt in der Anhörung vom 17. Juni 2025 (ON 10), leidet A* an einer undifferenzierten Schizophrenie, einer komplexen Traumafolgestörung und einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung. Nachdem es von März bis Mitte Oktober 2024 noch zu sechs Meldungen wegen Ordnungswidrigkeiten gekommen war, bestehe seit Oktober 2024 eine psychopathologische Stabilisierung und Paktfähigkeit, auch die Medikamentencompliance wird als gegeben beurteilt. Seit 1. Oktober 2024 nehme der Untergebrachte an begleiteten Ausgängen mit Strafvollzugsbediensteten im Einzelsetting und seit Jänner 2025 im Gruppensetting teil. Die Ausgänge seien alle problemlos verlaufen; aufgrund eines weiteren positiven Vollzugsverlaufs wechselte der Untergebrachte im Mai 2025 anstaltsintern in den sozialtherapeutischen Wohnbereich zur Erprobung der psychischen Belastbarkeit und Paktfähigkeit unter weiter gelockerten Vollzugsbedingungen. Aktuell werde eine bedingte Entlassung noch nicht empfohlen, da die Gefährlichkeit außerhalb der schützenden Strukturen des FTZ E* nicht hintangehalten werden könne. Es sei anzunehmen, dass sich bei nicht verlässlicher Einnahme der Medikation und Überforderung in alltäglichen Belastungssituationen die emotional-instabile Symptomatik deutlich verschlechtern werde und eine neuerliche psychotische Symptomatik auftreten könne. Unter diesen Bedingungen sei mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem relativ raschen Rückfall in gewalttätiges Verhalten zu rechnen. Diese hohe Wahrscheinlichkeit sei insbesondere durch den Umstand, dass die Außenorientierung im Rahmen einer UdU noch nicht erprobt wurde, gegeben.

Wenn der Beschwerdeführer auf die positive Entwicklung verweist und releviert, das Verfahren sei in Anbetracht des Umstands, dass das zuletzt eingeholte psychiatrische Gutachten vom Juni 2024 stamme, durch ein aktuelles Gutachten zu ergänzen, ist zu erwidern, dass im Verfahren wegen der Entscheidung über die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung und bedingten Entlassung die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie - im Gegensatz zum Verfahren wegen Anordnung einer Unterbringung (vgl §§ 430 Abs 1 Z 2, 434d, 439 Abs 2, 441 Abs 2 StPO) - oder Psychologie nicht generell zwingend vorgeschrieben ist. Die Anhörung eines Sachverständigen ist nur geboten, wenn dies beweismäßig im Hinblick auf den Gesundheitszustand und die Wesensart des Verurteilten zur Klärung der Notwendigkeit der Anstaltsunterbringung erforderlich ist (RIS-Justiz RS0087517; Pieber in Höpfel/Ratz WK 2 StVG § 17 Rz 8, § 162 Rz 18).

Fallkonkret ist mit Blick auf die Sachverständigenbegutachtung erst vor rund einem Jahr in Zusammenschau mit der (positiven) Weiterentwicklung, den Änderungen des Vollzugsplans und der beabsichtigten Erprobung der Außenorientierung im Rahmen einer UdU, die Notwendigkeit der Einholung eines aktuellen psychiatrischen Sachverständigengutachtens nicht gegeben. Vielmehr reichen die vom Erstgericht zitierten Entscheidungsgrundlagen für eine abschließende Beurteilung der Notwendigkeit einer weiteren Unterbringung des Betroffenen aus.

Vor diesem Hintergrund muss auf Basis des vorliegenden Gutachtens in Zusammenhalt mit der aktuellen forensischen Stellungnahme davon ausgegangen werden, dass der Betroffene weiterhin an einer undifferenzierten Schizophrenie (ICD-10: F20.3) und einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.3) leidet, die jedenfalls kausal für die im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz Hv* festgestellten Anlasstaten waren. Aufgrund der noch zu vertiefenden Krankheits- und Deliktseinsicht, der dadurch außerhalb des Maßnahmenvollzugs nicht mit Sicherheit gewährleisteten Medikamteneinnahme, der zu befürchtenden Überforderung in alltäglichen Belastungssituationen mangels noch nicht erprobter Außenorientierung im Rahmen einer UdU besteht derzeit nach wie vor die hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene außerhalb der strafrechtlichen Unterbringung unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störung in absehbarer Zeit und zwar innerhalb eines halben Jahres, bei Wegfall der schützenden Strukturen erneut eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen wie z.B. eine schwere Körperverletzung begehen wird. Diese Gefährlichkeit kann derzeit (noch) nicht außerhalb des FTZ E* hintangehalten werden.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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