JudikaturOLG Linz

9Bs141/25m – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende und Mag. Kuranda und den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 7. Juni 2025, Hv1*-29, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Strafantrag vom 6. Mai 2024 (ON 3) legte die Staatsanwaltschaft A* den Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB subsumierte Verhaltensweisen zu Last.

Demnach habe sie

I. am 11. März 2024 in ** dadurch, dass sie B* einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht versetzte, wodurch dieser Prellungen im Kopfbereich erlitt, einen anderen am Körper verletzt;

II. jeweils durch telefonische Äußerungen gegenüber B* einen anderen gefährlich mit zumindest einer Körperverletzung bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1. am 1. März 2024 in ** durch die Äußerung: „ Ich werde dich behindert schlagen!“;

2. am 5. März 2024 durch die Äußerung: „ Ich werde dich ficken! (gemeint: schlagen)“.

In der Hauptverhandlung vom 21. Mai 2024 (ON 12) wurde der Angeklagten gemäß §§ 198, 199, 203 StPO iVm §§ 7 und 8 JGG diversionelle Erledigung in Form einer vorläufigen Verfahrenseinstellung bei einjähriger Probezeit angeboten; dies unter Anordnung von Bewährungshilfe sowie der Auflage, regelmäßig die Schule zu besuchen, sich einer diagnostischen Abklärung in der C* oder einer ähnlichen Einrichtung und bei Bedarf einer Therapie zu unterziehen, wobei die Kosten dafür gemäß § 47 JGG vom Bund übernommen werden. Nach Erörterung des Diversionsvorschlags und Zustimmung der Angeklagten sowie des öffentlichen Anklägers fasste das Erstgericht den Beschluss auf vorläufige Verfahrenseinstellung unter den oben genannten Voraussetzungen, wobei aufgetragen wurde, die Erfüllung dieser Auflagen unter Vorlage entsprechender Weisungsbestätigungen, erstmals binnen eines Monats ab Rechtskraft und sodann quartalsmäßig, nachzuweisen (ON 12, 6). Diese Entscheidung erwuchs am selben Tag in Rechtskraft (ON 12, 6).

Mit dem nun angefochtenen Beschluss vom 7. Juni 2025 (ON 29) setzte das Erstgericht das vorläufig eingestellte Strafverfahren gemäß § 205 Abs 2 Z 3 StPO fort. Begründend führte es aus, dass die Angeklagte während der auferlegten Probezeit abermals straffällig geworden und mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom [richtig:] 18. Dezember 2024, Hv2* (vgl ON 26), wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt worden sei. Zudem sei gegen sie am 4. Juni 2025 neuerlich Strafantrag (wegen Vergehen des Diebstahls nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB) erhoben worden, wobei sich der der Anklage zugrunde liegende Sachverhalt während der diversionellen Probezeit ereignet habe.

Dagegen wendet sich die Beschwerde der Angeklagten (ON 30.2); eine allfällige Fortsetzung mit Blick auf die Verurteilung vom 18. Dezember 2024 sei verfristet; ebenso hätte der neue Strafantrag vom 4. Juni 2025 innerhalb der Probezeit eingebracht werden müssen. Außerdem sei der Schritt aus spezialpräventiven Gründen nicht erforderlich.

Das Rechtmittel ist ohne Erfolg.

Rechtliche Beurteilung

Ein unter Bestimmung einer Probezeit gemäß § 203 Abs 1 StPO vorläufig eingestelltes Strafverfahren ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen endgültig einzustellen, sofern dieses Verfahren nicht gemäß § 205 StPO nachträglich fortzusetzen ist (§ 203 Abs 4 StPO). Letzterer Fall tritt ein (§ 205 Abs 2 Z 3 StPO), wenn gegen den Beschuldigten vor Ablauf der Probezeit wegen einer anderen Straftat ein Strafverfahren eingeleitet wird. Dann ist die nachträgliche Fortsetzung des Verfahrens zulässig, sobald gegen den Beschuldigten wegen der neuen oder neu hervorgekommenen Straftat Anklage eingebracht wird, und zwar auch noch während dreier Monate nach dem Einbringen, selbst wenn inzwischen die Probezeit abgelaufen ist. Das nachträglich fortgesetzte Strafverfahren ist jedoch nach Maßgabe der übrigen Voraussetzungen zu beenden, wenn das neue Strafverfahren auf andere Weise als durch einen Schuldspruch beendet wird. Von der Fortsetzung des Verfahrens kann jedoch abgesehen werden (Abs 3 leg cit), wenn dies nach den Umständen spezialpräventiv nicht geboten ist.

Grundsätzlich zutreffend weisen die Rechtsmittelwerberin und die Oberstaatsanwaltschaft zunächst darauf hin, dass aus Anlass des Verfahrens, welches am 18. Dezember 2024 zur neuerlichen Verurteilung der Angeklagten führte, die formellen Voraussetzungen für eine Verfahrensfortsetzung nicht mehr vorliegen, weil insoweit die Dreimonatsfrist bereits verstrichen ist.

Anderes gilt, der Beschwerdeargumentation zuwider, in Ansehung des Ermittlungsverfahrens StA Salzburg St*, welches – wie erwähnt – am 6. Juni 2025 in einen neuen Strafantrag gegen die Angeklagte mündete (ON 28). Denn mit den zutreffenden Ausführungen der Oberstaatsanwaltschaft lief zwar die diversionelle Probezeit mit 21. Mai 2025 ab; die Einleitung des Ermittlungsverfahrens erfolgte aber noch innerhalb jener Probezeit, wurde die Rechtsmittelwerberin dort doch bereits am 17. März 2025 als Beschuldigte vor der Polizeiinspektion D* einvernommen (siehe LG Salzburg Hv3*). Ist nämlich die Probezeit erst nach der Verfahrenseinleitung (dazu Danek/Mann , WK-StPO § 1 Rz 25) wegen der neuen oder neu hervorgekommenen Straftat abgelaufen, so hindert dies nach dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut des § 205 Abs 2 Z 3 erster und zweiter Satz StPO die Fortsetzung des schwebenden Diversionsverfahrens innerhalb der Dreimonatsfrist, welche ihrerseits an den Zeitpunkt der Anklageeinbringung anknüpft, nicht ( Schroll/Kert , WK-StPO § 205 Rz 14; Leitner in Schmölzer/Mühlbacher StPO 2 § 205 Rz 23). Zu den von der Beschwerdeführerin im gegebenen Zusammenhang ventilierten verfassungsrechtlichen Bedenken soll an dieser Stelle der Hinweis auf die vergleichbar geregelte Gesetzessystematik in § 56 StGB genügen.

Was schließlich die Präventionsklausel des § 205 Abs 3 StPO betrifft, so erforderte diese die gegründete Aussicht, dass nach den Umständen ungeachtet des Verdachts einer neuen Delinquenz, etwa ein erkennbar geändertes Verhalten des Beschuldigten, ein künftig straffreies Leben erwarten ließe ( Schroll/Kert , WK-StPO § 205 Rz 15 mwH).

Mit der Einschätzung des Erstgerichts steht aber die gebotene umfassende Bewertung des Verhaltens der Angeklagten auf Basis der gegenwärtigen Aktenlage einer solchen Prognose angesichts der in jüngster Vergangenheit gehäuften strafverfolgungsbehördlichen Anfassungen, welche vielmehr eine wieder eingetretene Destabilisierung der Beschwerdeführerin befürchten lassen (vgl ON 27), entgegen. Warum just die vor wenigen Monaten innerhalb der diversionellen Probezeit erfolgte rechtskräftige Verurteilung der Angeklagten – mag aus damaligem Anlass auch (noch) von einer Verfahrensfortsetzung Abstand genommen worden sein – in der Zusammenschau mit der nun im Verdachtsbereich raschen abermaligen, in Bezug auf die mutmaßlich verletzten Rechtsgüter breit gestreuten Rückfälligkeit und des daraus abzuleitenden Persönlichkeitsbilds der Angeklagten deren aktuelle Sozialprognose nicht trüben könnte, verschließt sich dem Beschwerdegericht.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

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