2R90/25f – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Insolvenzeröffnungssache der Antragstellerin SVS GW, **, **, wider den Antragsgegner A*, geboren am **, Kleintransportgewerbe, **straße **, **, über den Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 23. Mai 2025, Se*-10, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 21. März 2025 über das Vermögen des Antragsgegners das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Laut beiliegenden Rückstandsausweis schulde er für den Zeitraum ab 01.05.2022 bis 31.12.2024 einen fälligen Beitragsrückstand in Höhe von EUR 7.454,43 zuzüglich Nebengebühren und Verzugszinsen in Höhe von EUR 1.153,38 und weiterer Verzugszinsen. Laut Bericht des BG Linz zu E* sei der Vollzug mangels pfändbarer Gegenstände erfolglos gewesen.
Die amtswegigen Erhebungen des Erstgerichts ergaben zum Abfragezeitpunkt 21.03.2025 sieben offene Exekutionsverfahren.
Weiters liegt ein Vermögensverzeichnis nach § 47 EO (zu 23 E 193524 z des BG Linz) vor. An Vermögen werden ein PKW älteren Baujahrs und ein Konto mit einem Habenstand von EUR 20,00 genannt. Das Vermögensverzeichnis datiert mit 22.08.2024.
Zur Einvernahmetagsatzung am 07.05.2025 ist der Schuldner nicht erschienen. Die Zustellung des Insolvenzeröffnungsantrags samt Ladung zur Einvernahmetagsatzung ist durch Hinterlegung zur Abholung ab 31.03.2025 ausgewiesen. Die Sendung wurde nicht behoben und am 15.04.2025 retour gesendet.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23. Mai 2025, ON 10, stellte das Erstgericht die Zahlungsunfähigkeit des Antragsgegners fest und wies den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens ab. In seiner Begründung verwies es darauf, die behauptete Forderung sei durch die Titelurkunde glaubhaft gemacht. Die Zahlungsunfähigkeit ergebe sich aus diesem Anspruch sowie aus drei, exklusive der von der Antragstellerin betriebenen Ansprüche, weiteren Exekutionsverfahren in Höhe von EUR 2.035,09 sowie einer pfandweisen Beschreibung. Der Antragsgegner habe sich am Verfahren nicht beteiligt. Aus den Vermögenserhebungen und dem Vermögensverzeichnis ergäbe sich keine Kostendeckung. Zum daher notwendig werdenden Kostenvorschuss sei die Antragstellerin nicht bereit gewesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragsgegners mit dem erkennbaren Abänderungsantrag, der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens möge abgewiesen werden. Er habe einen gelben Zettel betreffend den geschickten Brief nicht bekommen. Er werde der Antragstellerin das Geld monatlich zahlen.
Die Antragsstellerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses. Der Antragsgegner habe zwar mit ihr eine Ratenzahlungsvereinbarung am 04.06.2025 abgeschlossen, mangels Zahlungseingang der ersten Rate bis zum 17.06.2025 bei einer vereinbarten Fälligkeit am 15.06.2025 habe auch diese Ratenzahlungsvereinbarung ihre Gültigkeit verloren. Es bestehe ein Beitragsrückstand in Höhe von EUR 9.146,73.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wenn der Antragsgegner geltend macht, er habe keinen gelben Zettel bekommen, ist damit offenkundig ein Zustellmangel in Form einer unterbliebenen Hinterlegungsanzeige gemeint..
Diese pauschale Kritik ist jedoch nicht geeignet, die Rechtswirksamkeit der Hinterlegung weiter überprüfen zu müssen; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand findet gemäß § 259 Abs 4 IO ohnehin weder gegen die Versäumung einer Tagsatzung noch gegen die Versäumung einer Frist statt.
Besteht nämlich über die Zustellung durch Hinterlegung eine öffentliche Urkunde, macht diese zunächst vollen Beweis darüber, dass die darin beurkundeten Zustellvorgänge auch eingehalten wurden. Es ist Sache dessen, demgegenüber die Zustellung nicht wirksam sein soll, den Gegenbeweis der Vorschriftswidrigkeit der Hinterlegung zu führen (RIS-Justiz RS0040471). Das Führen des Gegenbeweises der Vorschriftswidrigkeit der Hinterlegung setzt das Aufstellen entsprechender Behauptungen über die beim Zustellvorgang unterlaufenen Fehler voraus [T1]. Dazu bedarf es aber konkreter Darlegungen über den Zustellmangel und eines entsprechenden Bescheinigungsangebots. Die Zustellmängel müssen vom Adressaten zumindest glaubhaft gemacht werden [T9]. Voraussetzung der wirksamen Ersatzzustellung ist es, dass der Zusteller Grund zur Annahme hatte, dass sich der Empfänger regelmäßig an der abgebenden Stelle aufhält. An dieses Erfordernis sind keine all zu strengen Anforderungen zu stellen (RIS-Justiz RS0083901). Das Risiko, dass das Zustellstück dem Empfänger vom Ersatzempfänger nicht ausgehängt wird, trifft den Empfänger, hindert aber die Wirksamkeit der Zustellung nicht (RIS-Justiz RS0083880 [T2]).
Hier ist auf dem Rücklaufkuvert (neben zwei weiteren möglichen) der Fall angekreuzt, dass die Verständigung zur Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde. Insofern wird das pauschal und unkonkret gebliebene Rekursvorbringen – es nennt keinerlei Vorgänge, die den angeblichen Nichterhalt der Hinterlegungsanzeige illustrieren und nachvollziehbar machen können - den genannten Erfordernissen an die Behauptungslast des Empfängers nicht gerecht.
Zusammengefasst ist daher von einer rechtswirksamen Zustellung des Insolvenzantrags und der Ladung zur Einvernahmetagsatzung an den Antragsgegner auszugehen. Dies hat zur Folge, dass die Frage der Zahlungs(un)fähigkeit vom Rekursgericht grundsätzlich nur auf Basis der bei erstinstanzlicher Beschlussfassung gegebenen Aktenlage geprüft werden kann, weil der Schuldner die Vernehmungstagsatzung unbesucht ließ. Nach § 259 Abs 2 IO können nämlich Anträge, Erklärungen und Einwendungen, zu deren Anbringung eine Tagsatzung bestimmt ist, von den nicht erschienenen, gehörig geladenen Personen nachträglich nicht mehr vorgebracht werden. Somit ist es dem Schuldner verwehrt, im Rekurs gegen die Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag Neuerungen – insbesondere solche betreffend die Tatfrage seiner Zahlungs-(un)fähigkeit – vorzubringen, wenn er der Ladung zur Tagsatzung über den Konkursantrag bzw zu seiner Vernehmung keine Folge geleistet hat (Mohr, IO [2012], § 70 E 212 und § 71c E 14; OLG Linz 8.10.2013, 2 R 158/13p; 11 21.8.2014, 2 R 133/14p uva; OLG Graz 3 R 154/14p, ZIK 2015/37; RIS-Justiz RS0110967 T6 und RS0115313).
Das Rekursvorbringen, der Antragsgegner habe eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, verstößt daher gegen das gemäß § 259 Abs 2 IO geltende Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich.
Die erstgerichtliche Beurteilung, der Antragsgegner sei angesichts der anhängigen Exekutionsverfahren und der schon länger zurückreichenden Forderung der Antragstellerin als zahlungsunfähig zu betrachten, ist daher rechtsrichtig. Da angesichts des abgelegten Vermögensverzeichnis zutreffenderweise auch das Vorliegen kostendeckenden Vermögens verneint wurde, bliebt der Rekurs erfolglos.
Der Revisionsrekurs ist gemäß §§ 252 IO iVm 528 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.